Jahresbericht der AI-Gruppe

im Landkreis Miesbach

für das Jahr 2020

 

Jahresbericht 2020 – 48 Jahre Amnesty International
(Landkreis) Miesbach
 

1.   Einleitung

 
Normalerweise fange ich immer in salbungsvollem Predigtstil an und Ihnen bleibt dann nur noch übrig, entweder „Amen“ zu sagen, wenn Sie bekehrt sind oder „So sei es nicht“, wenn Sie noch Zweifel hegen. Diesen Jahresbericht werde ich ganz prosaisch beginnen. Da der letzte Jahresbericht 96 Seiten umfasste, konnte er nicht mehr geheftet, sondern nur mehr als Broschüre geliefert werden – und die ist teurer. Keine Angst, es kommt jetzt kein Spendenaufruf, sondern eine feierliche Selbstverpflichtung. Der Bericht wird wieder kürzer und damit dünner. Allerdings bleibt er dick genug, um reißfest zu sein, nicht dass Sie damit umgehen, wie Nancy Pelosi mit dem Manuskript von Donald Trumps „Rede an die Nation“.

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Was die Bewertung des vergangenen Jahres anbelangt, war man sich einig, dass es kein langweiliges Jahr war. Die SZ zitiert eine norwegische Protestforscherin, die das ganze Jahrzehnt als protestfreudigste Dekade seit Ende des 2. Weltkriegs bewertet hat und für das letzte Jahr gleich noch eins draufgesattelt hat: „… und 2019 waren es noch einmal mehr (Proteste) als zuvor“. Die Zeit kommentiert den Jahreswechsel unter dem Titel „Noch mal davongekommen“ mit einer Mischung aus Erleichterung und verhaltenem Optimismus und fügt die Mahnung hinzu, den Kopf zu gebrauchen und den Hintern hochzukriegen:

„Die Knie zittern, die Dämme halten: Die befürchteten Katastrophen sind 2019 ausgeblieben. Ein Grund zu feiern. Und ein Grund, sich weiter ins Zeug zu legen.“

Hoffen wir deshalb, dass es der Welt 2020 nicht so ergeht wie dem Aphoristen Georg Christoph Lichtenberg, der 1799 zum Jahreswechsel prognostizierte: „Es geht ans Leben dieses Jahr“ – und der nur acht Wochen nach dieser Prognose verstorben ist.

Nachtrag zur Einleitung: Wir haben den letzten Jahresbericht mit dem abwartungsvollen Spruch „Schaugn ma amol!“ beendet. Ende März 2020 müssen wir einräumen, dass es uns mit der Coronakrise das G’schau gründlich verrissen hat. Die Karikatur vom Jahreswechsel 2018/2019 braucht man nur geringfügig abzuändern.

 


Ich habe Sie mir gesünder vorgestellt.

PS.: Das Versprechen mit dem „kürzeren Jahresbericht“ habe ich gehalten, wenn auch knapp!

 

2.   Jahresrückblick

 

Januar 2020

Den Januar kann man im Stil einer Boxkampfreportage beginnen. Linker Haken, rechter Haken, k.o. In Leipzig-Connewitz kam es in der Silvesternacht zu einem Zusammenstoß zwischen Polizei und „linksalternativer Szene“/Linksextremisten/Chaoten (Bitte wählen!), in deren Verlauf ein Polizist ins Krankenhaus eingeliefert, aber, entgegen vorschneller Dramatisierung, nicht „notoperiert“ werden musste. Drastisch auch die Wortwahl bei der Beurteilung der Ereignisse: „Mordversuch an Polizisten“ gegen „ekelhafte Polizeigewalt“. Im Stadtteil ist der Konflikt schon zum Ritual verkommen. Die Linken klagen über aggressives Verhalten der Polizei und überzogene Personalkontrollen, fangen aber, gleich den Pawlowschen Hunden, schon zu geifern an, wenn sie nur einen Polizisten sehen. Und weil es so schön war, gingen sie am Ende des Monats gleich noch einmal aufeinander los. In einer Demo wollte man gegen das Verbot einer linken Internetseite antreten. Die Demo begann entspannt, dann flogen Böller und Steine gegen Polizisten und deren Autos. Um die Pressefreiheit gebührend zu verteidigen, wurden auch Journalisten angepöbelt. Da blieben „die Anwohner ratlos zurück“. Wir auch!

Teilen wir nach rechts aus! Auf eine parlamentarische Anfrage zu rechtsextremer Gesinnung bei der bayrischen Polizei hin wurde dem SPD-Abgeordneten Schuster beschieden, dass „in den vergangenen vier Jahren nur zehn strafrechtlich relevante Fälle bekannt sind – bei mehr als 43.000 Polizisten“. Das wäre, wenn die Zahlen stimmen, zu verkraften. Ärgerlich ist aber die Äußerung eines Vertreters der Polizeigewerkschaft, der diese rechtsextremen Umtriebe als „menschlich“ bezeichnet hat. Die bayrischen Grünen meinten, das sei „nicht menschlich, sondern rechtsextrem und damit ein massives Problem“. Und ein Professor an einer Polizeiakademie nennt die „Einzelfälle“ der Statistik des Innenministeriums die“ Spitze eines Eisbergs“. Die Polizeiakademie ist allerdings in Hamburg.

Keine Toleranz für die kleine Zahl – bundesweit etwa 20 Mitglieder - hegte Innenminister Seehofer, als er (endlich) die Neonazi-Gruppe Combat 18 verbot. Ihr Name beruht auf einem Szenecode, der sich aus dem ersten und dem achten Buchstaben des Alphabets zusammensetzt. Aber während eine AH (A=1, H=8) in einem Fußballverein einen gemächlichen Altherrensport betreibt, ist die Hitlergang zu allen Schandtaten bereit, um mit einem Konzept des „führerlosen Widerstands einen nationalsozialistischen Staat“ zu errichten. Und wenn‘s dann soweit ist, wird sich doch (in Teufels Namen!) auch ein Führer finden!

Wir sind bei den k.o. Schlägen gelandet. Denen sehen sich in zunehmendem Maße Politiker auf allen Ebenen ausgesetzt. In Halle wurde auf das Bürgerbüro des (farbigen) SPD-Abgeordneten Karamba Diaby geschossen, im schwäbischen Kutzenhausen drückte man der Bürgermeisterin Silvia Kugelmann einen Nagel in den Reifen und schmierte ihr (Katzen)Kot auf die Scheibe, und Christoph Landscheidt, Bürgermeister von Kamp-Lintfort/NRW erhielt Drohungen aus dem einschlägigen Milieu, weil er es gewagt hatte, volksverhetzende Plakate der Partei „Die Rechte“ abhängen zu lassen. Die Reaktionen der Opfer waren „differenziert“. Herr Diaby forderte einen Aufstand gegen die Menschenfeindlichkeit aus „der Mitte der Gesellschaft“, Frau Kugelmann wird nach 12 Jahren im Amt nicht mehr kandidieren, Herr Landscheidt beantragte einen Waffenschein und zog seinen Antrag erst zurück, als ihm Personenschutz zugestanden wurde.

Die Geister der Vergangenheit

Im Januar wurde auf mehreren „Feiern“ der Befreiung des KZs Auschwitz vor 75 Jahren gedacht. In der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem durfte mit Bundespräsident Steinmeier zum ersten Mal ein deutsches Staatsoberhaupt sprechen. Mit einem Bekenntnis zur deutschen Schuld am Holocaust und seiner Warnung vor einem neuen Antisemitismus („Es ist dasselbe Böse“) traf er den richtigen Ton, sodass seine Rede in Israel bereits mit dem Kniefall Willy Brandts für die Toten des Warschauer Ghettos verglichen wird. Im Bundestag revanchierte sich der israelische Präsident Rivlin mit einer Rede, in der er zunächst die Rolle Deutschlands im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus würdigte, dann aber deutlich auf unsere Verantwortung hinwies, dem neuen Antisemitismus in seinen Anfängen zu wehren.

„Wenn Juden an dem Ort, an dem der Holocaust geboren wurde, nicht frei leben können, können sie auch an anderen Orten in Europa nicht frei von Angst leben.“


Rivlin und Steinmeier im Bundestag

Die Feierstunde beendet wurde mit dem Schlaflied der jüdischen Schriftstellerin Ilse Weber, das sie gesungen haben soll, als sie mit ihrem Sohn und anderen Kindern in Auschwitz-Birkenau ins Gas ging.

Wie not es tut, Zeichen zu setzen, zeigten zwei Vorfälle in der Gedenkstätte Bergen-Belsen und am Jakobsplatz in München. In Bergen-Belsen berichtete der Geschäftsführer von einer Schülergruppe, die von ihrem Lehrer/AfD-Mitglied programmiert worden waren, provokante Fragen, beispielsweise zur Zahl der Todesopfer, zu stellen. Auch, so der Geschäftsführer, haben sich seit mehreren Jahren die „Grenzen des Sagbaren“ nach rechts verschoben. In München wollte die Pegida zu Beginn des Schabbats (und einen Tag vor dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz) direkt vor der Synagoge gegen die „Beschneidung von Säuglingen und Kindern“ demonstrieren. Die Demo wurde zunächst auf einen Ort in 100 Meter(!) Entfernung verwiesen und dann abgesagt –offensichtlich, weil an die 1500 Münchner lieber bei der Gegendemo des Vereins „München ist bunt“ mitmachten.


3_Zur rechten Zeit ein Zeichen gegen rechts
Zur rechten Zeit ein Zeichen gegen rechts

Die Kurznachrichten

- Für deutsche Bischöfe gab es Prügel aus verschiedenen Richtungen. In der katholischen Kirche stellte sich heraus, dass die Missbrauchsstudie, die 2018 veröffentlicht wurde, strafrechtlich nahezu wertlos war. Es habe, so die Kritiker, an Transparenz gefehlt, keinen uneingeschränkten Zugang zu den Akten gegeben und deren Übergabe sich so verzögert, dass viele Taten verjährt seien. Keinerlei Verständnis aber haben wir für die Prügel, die der EKD-Vorsitzende Bedford-Strohm und Kardinal Marx aus einer anderen Ecke bezogen. Die Drohungen, so Bedford-Strohm, seien „recht konkret“ gewesen, „das Pfaffengesindel“, so ein Beitrag auf einer AfD-Facebookseite, sei „korrupt und gehöre liquidiert“. Die evangelische Kirche hatte beschlossen, ein Schiff zur Seenotrettung zu finanzieren und Kardinal Marx hatte dieses Vorhaben mit einer Spende unterstützt.

- Im Bayernstadion gab es Ehrungen in verschiedene Richtungen. Mit einer Choreografie, die sich über die ganze Südkurve erstreckte, wurde an den jüdischen Textilunternehmer Hugo Railing erinnert, der beim FC Bayern bis zur „Säuberung“ im Jahre 1935 wichtige Funktionen bekleidete und im Vernichtungslager Sobibur umgebracht wurde. Warum man kurz danach für Walter Fembeck, einen ehemaligen Geschäftsführer des Clubs, der mit 98 Jahren verstorben war, eine Gedenkminute einlegte, ist wohl dem Proporzdenken geschuldet. Als junger Mann hatte es Fembeck immerhin zum Oberscharführer bei der Waffen-SS gebracht.

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- Freund Bolsonaro hat an Weihnachten Christkind gespielt und einige Straftäter nach Verbüßung eines Sechstels (!) ihrer Strafe begnadigt. Sein Großmut erstreckte sich allerdings nur auf Polizisten und Soldaten, die bei ihren Einsätzen Verdächtige einfach abgeknallt oder Unbeteiligte erschossen haben.

- Unsere Kollegen von Human Rights Watch haben mit China ein Land an den Pranger gestellt, das weltweit immer öfter mit Glacéhandschuhen angefasst wird. Neben den Dauerbrennern des letzten Jahres, „albtraumhafte Überwachung“, systematische Unterdrückung der Uiguren, stellt der Bericht auch hervor, dass China UN-Gremien unter Druck setze, dass niemand mehr außer „Reichweite chinesischer Zensoren“ sei und dass die Menschenrechte dem „heftigsten Angriff“ seit Jahrzehnten ausgesetzt seien. Deutschland hat auf seine Weise zur „Gegenwehr“ angesetzt, indem es der taiwanesischen Präsidentin nicht zur Wiederwahl gratulierte, was den Merkur zu einer geharnischten Standpauke veranlasste.

„Die Naivität, mit der Deutschland und Europa dem … Machtstreben Chinas bisweilen begegnen, muss ein Ende haben. Es braucht vielleicht keine Konfrontation, aber Rückgrat, … - und vor allem den Mut, in Peking anzuecken.“

- Und dann gab‘s noch Trumps genialen Friedensplan für Israel und – gegen die Palästinenser.

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Ich versuche zu erklären, was der Karikaturist geografisch gemeint haben könnte. Das Zentrum des Staates für die Palästinenser ist die halbfertige Hauptstadt in einem (ummauerten) Vorort Ostjerusalems. Von dort aus führen gewundene Pfade zu den beiden Dixikloos, Westjordanland und Gazastreifen. Ein Entwurf, der Jahrhunderte überdauern soll, sähe anders aus.

- U-Haft auf Lebenszeit? In der Türkei wurde die mehr als zweijährige U-Haft für den Unternehmer und Mäzen Osman Kavala erneut verlängert. Damit hat das Gericht zum zweiten Mal eine Entscheidung des europäischen Menschengerichtshofs ignoriert, das keinerlei Beweise für die Schuld des Angeklagten gefunden hatte. Im Februar endete der Gezi-Prozess überraschend mit Freisprüchen, aber dann griff der Staatsanwalt in seine Aktentasche und fischte eine neue Anklage gegen Kavala heraus – diesmal wegen seiner Teilnahme am Gülen-Putsch. Die Unterstützer „an der Laterne vor dem großen Tor“ hatten (wieder einmal) vergeblich gewartet. Von der zweiten Anklage hat man ihn dann im März freigesprochen. Darauf zauberte die Staatsanwaltschaft ein weiteres Kaninchen aus dem Hut: Spionage. Wenn die Richter der Freisprüche etwas auf sich hielten, würden sie das Gefängnis stürmen. Im Dezember wurde Kavalas U-Haft erneut verlängert. Er nähert sich der „U-Haft auf Lebenszeit“.

- Asyl für Klimaflüchtlinge: Eine Entscheidung, die Folgen haben wird, fällte der UN-Menschenrechtsausschuss in Genf. Wer vor lebensbedrohlichen Klimaereignissen flieht, hat ein Recht auf Asyl und darf nicht mehr dahin zurückgeschickt werden, wo die Umwelt sein Leben in Gefahr bringt. Der Kläger stammte aus dem winzigen Inselstaat Kiribati im Pazifik, der wegen des steigenden Meeresspiegels unbewohnbar zu werden droht. Die Klage wurde (noch einmal) abgewiesen, weil auf der Insel noch ausreichender Schutz für die Bevölkerung bestünde, aber was ist, wenn einmal eine „Rückführung“ nicht mehr möglich ist, weil die Insel überflutet ist?

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Diskriminierung am Wohnungsmarkt: Bei einer Umfrage äußerten 41% der Teilnehmer Bedenken, eine Wohnung an einen Migranten zu vermieten.

- Unterlassene Hilfeleistung: Die Bundesregierung weigert sich bisher, ein Kontingent jesidischer Frauen aufzunehmen, die infolge von Vergewaltigungen durch den IS Kinder geboren haben. Diese Kinder werden von der jesidischen Gemeinschaft im Irak nicht akzeptiert.

- Taktische Sparsamkeit: Die EU weigert sich, für das Flüchtlingslager auf Samos mehr Toiletten zu bauen und auf Lesbos den Schlammboden zu trocknen. Dazu (mit gebührendem Sarkasmus) die SZ:

„Sind die Zustände menschenwürdig, dann kommen noch mehr Menschen.“

- Weltjustiz ohne Biss: Auf Betreiben Gambias (!) ordnete der Internationale Gerichtshof in Den Haag an, dass Myanmar Schritte zum Schutz der Rohingya-Minderheit ergreifen müsse. Leider gilt auch hier der Grundsatz: „Wo kein Vollstrecker ist, hilft auch kein Richter.“

- Justiz mit Biss: In der Slowakei steht jetzt Marion Kocner vor Gericht, der 2018 den Mord an dem Journalisten Ján Kuciak in Auftrag gegeben hatte. Bei dem Anschlag war (gewissermaßen als „Beifang“) auch Kuciaks Verlobte getötet worden.

Beschließen möchten wir den Monat mit dem Bild aus einer Veranstaltung, auf die wir in unserem Tätigkeitsbericht noch näher eingehen werden.

6 Der zahnbewehrte Tiger Menschenrechte
Der zahnbewehrte Tiger Menschenrechte

 


Februar 2020

Der heurige Februar wies 29 Tage auf, aber die Materialsammlung hätte auch für einen 31er gereicht. Also was tun, wenn der Bericht dünner werden soll? Die Antwort drängte sich geradezu auf: RÜCKTRITT! Wenn AKK die CDU-Führung aufgibt, Kardinal Marx den Vorsitz der Bischofskonferenz - und Klinsmann seinen Trainerposten bei Hertha Berlin, dann könnte ich doch auch von der Abfassung dieses Monatsberichts „zurücktreten“. Da ich es aber nicht mit karrieresüchtigen CDU-Granden, reaktionären Mitbrüdern und machtgeilen Managern zu tun habe, sondern mit Lesern, die (zwar nicht an meinen Lippen aber) an jeder meiner Zeilen hängen, werde ich mich den (gefühlten)150 Zeitungsausschnitten stellen und sie so eindampfen, dass sie auch noch in ein Schaltjahr passen.

Eine absichtliche Schreibblockade wäre allerdings auch deshalb schon unangebracht gewesen, weil im Februar einige Dinge passiert sind, die Gewicht hatten – und einige, die besser nicht passiert wären. Wir bieten in Auswahl:

Die einsamen Wölfe

Was die Haare unserer Faschingsperücken heuer zum Sträuben brachte, waren nicht die Windböen von „Sabine“ und „Bianca“, sondern die zwei Gewalttaten in Hessen. In Volkmarsen war gerade Faschingszug, als ein Amokfahrer in einem schweren Mercedes in die Zuschauer fuhr, an einer Stelle “wo die Menschen am dichtesten standen“. Es gab 122 Verletzte, darunter mindestens 20 Kinder. Für die Polizei war das Motiv zunächst unklar, für das Internet nicht. Dort sprach man bald von einem „islamistischen Terroranschlag“ und veröffentlichte gleich noch ein Foto von der Festnahme des Täters, das „definitiv nicht den Täter“ zeigte. Es gibt offensichtlich einige Leute, die bei solchen Ereignissen als erstes zu ihren Computern hecheln, Blödsinn verbreiten – und viele Leute, die ihnen glauben.

In Hanau wurden in zwei Shisha-Bars neun Menschen erschossen, einige davon deutsche Staatsbürger, die meisten mit Migrationshintergrund. Der Täter: ein Rassist und möglicherweise auch sonst psychisch krank – und Mitglied eines Schützenvereins. Das letzte Opfer zuhause war seine Mutter. In den Medien wurden alte Fragen aufgeworfen:

- Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem AfD-Gerede von der „Überfremdung“ und der Meinung des Täters, dass die Bevölkerung bestimmter Länder „komplett vernichtet“ gehöre? Wir meinen Ja.

- Fühlen sich solche Täter dadurch bestärkt, dass auch die „demokratische Mitte“ mit dem Extremismus zu liebäugeln beginnt? Wir meinen Ja. Die Wölfe sind gar nicht so einsam, wie man so gerne sagt.

- Brauchen Schützenvereine für ihren Sport „vielschüssige Handfeuerwaffen“, wo selbst bei Olympischen Spielen seit 1976 nur mehr mit kleinkalibrigen Waffen geschossen wird? Wir meinen Nein, die German Rifle Association, jawohl, die gibt es bei uns auch, meint eher Yes, sure!

Und dann gab es noch die Auswertung des Videos einer Überwachungskamera vor der Synagoge in Halle, wo im Oktober 2019 nur die massive Tür ein Blutbad verhinderte. Es zeigte, dass Passanten weitergehen, obwohl schon eine Person niedergeschossen am Boden liegt, dass der Briefträger weiterhin seine Post verteilt, dass eine Polizistin ruhig aus dem Auto steigt, um das weibliche Opfer herumgeht, aber keine Erste Hilfe leistet, dass die Polizei erst verspätet mit einem angemessenen Aufgebot eingreift. Dazu passte die Reaktion der Polizeizentrale auf den Notruf des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde. Obwohl er ins Telefon schrie, dass ein Mann mit einem Maschinengewehr herumschieße, fragte man ihn zunächst „wie er heiße und wo die Synagoge sei“. Es ist schon makaber, dass eine Videokamera achtsamer ist als die Passanten und die Polizei.

Ein Urteil aus Karlsruhe

Von der Bereitschaft zum Mord zur Freiheit zum Suizid – zugegeben ein harter Übergang, aber ohne jegliche Absicht zur Gleichsetzung. Auf den ersten Blick ist das Urteil des Verfassungsgerichts zur assistierten Sterbehilfe ein Zugewinn an persönlicher Freiheit, denn es basiert auf einem klaren Bekenntnis zur Autonomie des Menschen, dem Recht, selbstbestimmt zu sterben – und zwar „in allen Phasen des Lebens“. Auf den zweiten Blick jedoch tun sich Fragen auf, die das Autonomieprinzip relativieren und dessen Gültigkeit in „allen Lebensphasen“ in Zweifel ziehen.

Weitgehend akzeptiert (und auch für mich nachvollziehbar) ist passive Sterbehilfe bei unheilbar Kranken, die trotz palliativer Betreuung unerträgliche Schmerzen haben, v.a. wenn das schon in ihrer Patientenverfügung steht. Problematisch hingegen ist die Einbeziehung temporärer Grenzsituationen und die Gefahr, dass sich der Druck auf (alte) Menschen erhöhen könnte, ihrem Leben ein Ende zu machen. So beantwortet der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, ein entschiedener Gegner des Urteils, die Frage, ob man jetzt auch dem Suizid eines 18-Jährigen mit Liebeskummer und ohne Lehrstelle assistieren könne, mit einem klaren „Ja“, und der Leitartikler der SZ, der eine Sterbehilfe in „Grauzonen“ durchaus befürwortet, stellt aber auch den Autonomiebegriff des Urteils in Frage, weil er das Menschenrecht des „schwachen, nicht perfekten und nicht autonomen Menschen ignoriert“.

„Es ist das Menschenrecht der Kinder und der Greise, der Kranken und Behinderten, der Gescheiterten, Perspektivlosen, Verzweifelten …, dass niemand ihnen ins Ohr zischt: Dann geh doch.“

Und ein anderer Kommentar, dessen Verfasser ebenfalls mit Bauchschmerzen zu kämpfen hatte, schließt mit den Worten:

„Dass dieser komplexe, ganz auf Autonomie abgestellte Begriff von Freiheit im Kern tief unchristlich ist, das lässt sich nicht leugnen.“

Die Kurznachrichten

- Die zwei wichtigsten Nachrichten des Monats in einem Bild zusammengefasst. Es zeigt, obwohl einer eine (Art) Atemschutzmaske trägt, keine Coronapatienten, sondern Flüchtlinge am Grenzzaun bei Edirne, die man herzlich eingeladen hat, nicht nach Europa zu kommen.


Europa fährt die Stacheln aus.

Im März hat dann der Koalitionsausschuss entschieden, 1600 Kinder von den griechischen Inseln aufzunehmen – wenn andere Länder mitziehen. Die Auswahlkriterien: schwer krank, unbegleitet, unter 14 – und überwiegend Mädchen. Wenn man zusätzlich noch „Christ“ und „Veganer“ hinzufügen würde, könnte man vielleicht die Zahl, zunächst war von 5000 die Rede, noch stärker reduzieren. In der „Heute Show“ hat man vorgeschlagen, die Selektion mit Hilfe eines Castings vorzunehmen. Titel: „Deutschland sucht das Superflüchtlingskind.“ Doch Sarkasmus beiseite: Wenn es dazu kommt, dann hat Deutschland immerhin den Anstoß gegeben – und das „im Alleingang“! Im April stellte sich dann heraus, dass die Hilfsaktion, so die SZ

„an den Herrn Tur Tur in ‘Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer‘ erinnert. Der schrumpft (auch) unaufhörlich, wenn man sich ihm nähert“.

Derzeit sind es noch 50 Kinder, und bisher sind sie noch nicht abgeholt.

- Im Iran endeten die Parlamentswahlen mit einem Kantersieg der Hardliner, nachdem der Wächterrat vorher die Kandidaten auf ihre „ideologische Zuverlässigkeit“ hin geprüft und einen Großteil der gemäßigten und reformorientierten Vertreter aussortiert hatte. Dass der Vormarsch des Coronavirus im Land eine Strafe Allahs für den Wahlbetrug ist, werden wir nicht behaupten; den Blödsinn, dass eine Krankheit ein Gottesurteil über unsere Sünden ist, haben wir Christen lange genug geglaubt.

- Was Hongkong anbelangt, ist der Coronavirus für Peking ein Gottesgeschenk. Er reduziert die Protestbereitschaft und ermöglicht es der Zentralregierung, im Windschatten der Epidemie mit der Abrechnung zu beginnen. Dazu hat die Partei ihre schärfsten Hunde losgeschickt, die die Drohung ihres Parteichefs, die Regimekritiker „mit zertrümmertem Körper und zu Staub zermahlenden Knochen“ zurück zu lassen, umzusetzen haben. Jüngstes Opfer war der Verleger Jimmy Lai. Man hat tief in seiner Vergangenheit gewühlt, um eine Anklage zusammenzubasteln: Teilnahme an einem Protestmarsch (August 2019), Einschüchterung eines Journalisten (2017). Keine Kapitalverbrechen aber für ein paar Jährchen wird es schon reichen. Im Mai soll der Prozess beginnen.

- Indien hat schon lange darauf gewartet, auch einmal in unserem Jahresbericht aufzutauchen. Das haben jetzt die radikalen Hindus und die nationalistische Regierungspartei BJP mit der Auseinandersetzung um das Staatsbürgerschaftsgesetz geschafft. Es soll die Einbürgerung illegaler Einwanderer aus den Nachbarländern erleichtern, aber nur wenn sie keine Muslime sind. Dazu kommt der Plan für ein Bürgerregister, bei dem Millionen von armen Menschen, die kein Geld für Papiere haben vom Verlust der Staatsbürgerschaft bedroht sind. Die Auseinandersetzung führte im Nordosten Delhis zu pogromähnlichen Straßenschlachten, die 53 Menschen, die meisten Muslime, das Leben kostete. Die Polizei schaute zu oder unterstützte den Hindu-Mob, der mit dem Ruf „Sieg dem Gott Rama“ in die Schlacht zog.

- In Deutschland wollen mehrere Bundesländer die Nikabs (Körper zu, Augen frei) für Schülerinnen verbieten. Wir gehen die Sache dialektisch an:

Zuerst eine Karikatur, die auf die wichtigeren Probleme der „Baustelle Schule“ verweist:

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Dann der Leserbrief einer „linken Feministin“, mutmaßlich eine Lehrerin:

„Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen beiden Textilien: Das Kopftuch bedeckt die Haare, verhüllt jedoch nicht das Gesicht. Der Nikab hingegen verhüllt seine Trägerin, und so ist es auch gewollt: Kopftuch okay, Vollverschleierung gar nicht okay.“

Dann der (schwächelnde) Versuch einer Synthese durch die SZ:

„Man kann die Vollverschleierung auch ablehnen, ohne Verbote zu schreiben.“

Aber was tun, wenn sich eine Schülerin mit einem strengen Blick oder einem schelmischen Augenaufschlag auf die „vorbehaltlos geschützte Religionsfreiheit“ beruft? Ich bin zwar (als Mann) keine Feministin, halte es aber mit der Lehrerin.

- Hardliner gibt es nicht nur in Peking und im Iran, sondern auch in der katholischen Kirche. Den Vogel ab schoss Kardinal Gerhard Müller, als er die Reformdebatte des Synodalen Wegs mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 verglich. Während damals die Nazis die Weimarer Verfassung aushebelten, würde die Mehrheit der deutschen Katholiken „die Verfassung der Kirche göttlichen Rechts“ aufheben. Da die Vogelgeste strafbewehrt ist, übernehmen wir die Reaktion eines Mitbruders im Bischofsamt. Die Äußerungen Müllers seien „sehr fehl am Platz“.

Es ist höchste Zeit für einige

Erfolgsmeldungen

- Eine „Warnung für Despoten“ könnte die Bereitschaft der sudanesischen Übergangsregierung sein, den ehemaligen Präsidenten al-Baschir an den IStGH in Den Haag auszuliefern. Er ist dort kein Unbekannter, denn 2009 erließ man gegen ihn den ersten Haftbefehl wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jetzt möchte man ihn loswerden, weil sich das Land im Gegenzug internationale Hilfsgelder und Investitionen verspricht – und die Generäle froh sind, wenn der Fall in weiter Ferne verhandelt wird.


9 Ungewohnte Perspektive - Omar al-Baschir hinter Gittern
Ungewohnte Perspektive – Omar al-Baschir hinter Gittern

- „Hände weg von unseren Mädchen“ ist der Slogan einer Kampagne, den die First Lady von Sierra Leone gegen die sexuelle Gewalt im Lande auf den Weg brachte. Diese Gewalt war während der Ebola-Epidemie von 2014 massiv angestiegen, weil Schulen geschlossen wurden und Frauen und Mädchen in Quarantäneeinrichtungen schutzlos waren und reihenweise geschwängert wurden. Als die Schulen wieder geöffnet wurden, wurden die schwangeren Mädchen in „alternative Schulen mit abgespecktem Lehrplan“ gesteckt, weil sie „mit ihrem runden Bauch einen schlechten Einfluss auf Gleichaltrige“ ausüben könnten. Diese Selektion wurde nach dem Urteil eines Regionalgerichts wieder aufgehoben. Der folgende Ausspruch der Präsidentengattin sollte für den ganzen Kontinent (aber nicht nur in Afrika) Folgen haben:

„Kein Kind verdient es, seine Chancen im Leben zu verlieren, weil ein Gleichaltriger oder ein Erwachsener, der es besser wissen sollte, ihm ein Kind beschert.“

- Das alte Kirchenlied „Es kommt ein Schiff, geladen …“ hat jetzt einen Sitz im Leben gefunden. Das von der evangelischen Kirche mitbegründete Bündnis United4Rescue hat ein Schiff für Rettungsaktionen im Mittelmeer erworben – zur großen Freude von Politikern, die Retter als Pull-Faktor sehen und frommen Kirchensteuerzahlern, die lieber des Nachts ihren Kirchturm beleuchten wollen. Um Ostern herum soll die „Sea-Watch 4“ in See stechen. Dass es bald „bis an sein‘ höchsten Bord geladen“ sein wird, steht zu befürchten. Wir wünschen Gute Fahrt!

Faschings(an)klänge

Da es bei der Verteilung des JB 2019 bei viel Lob auch Beschwerden gegeben hat, dass ich die Weltlage so düster beschrieben hätte, dass die Lektüre nur in Nanohäppchen möglich gewesen sei, werde ich mich bemühen, diesen Bericht, wenn es sich anbietet, etwas aufzuhellen. Die diesbezüglichen Nachrichten werden nicht immer dem strengen AI-Mandat entsprechen, sondern eher ins Kuriositätenkabinett passen, aber in einer Zeit, wo auf den Fasching der Coronarvirus folgt, soll man nicht immer die Erbsen zählen. Also STIMMUNG!

- Kinderfasching: Politisch überkorrekte Kulturwissenschaftler (und manche AI’ler) meinen, dass es rassistisch und postkolonial wäre, wenn sich Kinder als Indianer verkleiden. Zumindest sollten sie auf die Frage, was das für ein Kostüm sei, antworten, dass sie „Indigene“ seien.

- Fasching im Trachtenverein: In Murnau „tobte“ ein Streit um ein Taferl am Maibaum, das folgenden Wortlaut hat:


„Liebe die Heimat
Und deren Sitten –

Dann brauchst du nicht

Um Fremdes bitten.“

Abgesehen davon, dass es bei uns wenig Leute gibt, die um „Fremde“ bitten – die Erklärungsansätze der Kontrahenten haben ein Gewicht, das das schlichte Taferl nicht verdient. Für den Einzelkämpfer aus Seehausen ist es fremdenfeindlich, für den Trachtenverein in Murnau ist es (lediglich) eine Erinnerung an die „Auswanderung von Mitgliedern nach Amerika in der Zeit um 1900“. Da kann man den beiden Gemeinden nur wünschen, dass sie nie größere Probleme haben.

- Fasching in Schliersee: Unter der ergreifenden Überschrift „Dienst am Menschen“ wurde ein Projekt vorgestellt, das der Gemeinderat in Schliersee zusammen mit der Polizei beschlossen hat: eine Sicherheitswacht an lokalen Brennpunkten wie Kurpark und Seefest, uniformiert, ehrenamtlich – und „sorgfältig ausgewählt und ausgebildet“. Hoffen wir’s! Ob Schliersee (mit seiner Kriminalitätsrate unter bayrischem Durchschnitt) so etwas braucht, ist für einen Außenstehenden schlecht zu beurteilen, ob sich Bewerber finden, die den Job für acht Euro/Stunde machen, man wird sehen – ein gewisses Misstrauen gegen bürgerwehrähnliche Strukturen ist (bis auf Widerruf) allemal angebracht.

- Fasching in der Kirche: Misstrauen ohne Widerruf ist häufig angebracht, wenn sich Adelige in Leserbriefen zur Reformdiskussion in der katholischen Kirche äußern. Was sich aber ein Freiherr in Bezug auf den Auftritt von Frauen im Gottesdienst geleistet hat, weist entweder auf einen genetischen Defekt des Freiherrn oder auf eine gekonnte Satire des Merkur hin. Der Freiherr beruft sich auf das Schweigegebot im Brief an die Korinther und schreibt:

„Jedes Mal, wenn ich in der Kirche eine Frau sehe, die sich erdreistet, an (?) die Kanzel zu steigen, um die Lesung vorzulesen oder die Fürbitten vorzutragen, ärgere ich mich-… . Wenn Frauen dieses Zitat (aus dem Korintherbrief) kennen und trotzdem vorlesen, begehen sie eine Sünde, die sie beichten müssen …“

Da kann ich es mir nicht verkneifen, ein Bild einzufügen, das den König von Thailand bei einer Hochzeitszeremonie zeigt.


9a Frau in der Kirche, Frau vor dem König
Frau in der Kirche, Frau vor dem König

- Fasching vor der Feldherrnhalle: Zum 100-jährigen Gründungstag der NSDAP hielt Die (Satire) Partei (zusammen mit der Linken und der Partei Mut) eine Mahnwache vor der Feldherrnhalle ab. Auf vielen Plakaten stand „Nazis töten“, was einigen Passanten „zu weit ging“, weil sie nicht sofort verstanden, dass da der Slogan der NPD „Migration tötet“ abgewandelt wurde. Ehrlich gesagt, mir wäre es wie den Passanten gegangen!

10 Die Blutzeugen von 2020
Die „Blutzeugen“ von 2020

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Trump kündigt an, wieder Landminen einzusetzen. Lady Di wird sich im Grab umdrehen.

- Nach fünf Jahren hat die Hälfte der Flüchtlinge Arbeit. Man braucht halt einen längeren Atem – und weniger Bürokratie bei der Erteilung der Arbeitserlaubnis.

- Die Rache des Diktators: In den eroberten Gebieten Syriens lässt Assads Regime Gegner verschwinden.

- Der europäische Gerichtshof erlaubt, Flüchtlinge an der EU-Außengrenze zurückzuschieben, ohne ihre Fluchtgründe zu prüfen. Dieses Urteil werden sich Staaten wie die Türkei oder Libyen teuer bezahlen lassen.

- Schüler vom Gymnasium Schäftlarn wegen rassistischer Betätigung im Chatroom vom Unterricht suspendiert. Wenn es dabei bleibt, kommt er mit der Schulschließung im März auf sieben Wochen „Ferien“.

- UN-Sonderberichterstatter für Folter bezeichnet die Behandlung von Julian Assange als „psychische Folter“. Ein Kreis von Unterstützern fordert seine sofortige Freilassung.

- In Ungarn bestimmt ein Kulturrat, was erlaubt ist und was nicht. Eine Ausstellung der Malerin Frida Kahlo wurde als „Propagierung von Kommunismus mit Staatsgeldern“ diffamiert, die Opernsaison unter das Thema „Christlichkeit“ gestellt. Damit fällt Mozarts „Entführung aus dem Serail“ wohl unter das Aufführungsverbot.

- Südafrikas Ex-Präsident de Klerk hat den Vorwurf, die Apartheid sei ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gewesen auf seine alten Tage hin zurückgewiesen.

Wenn ich jetzt, nach sechs Seiten Februar, nicht aufhöre, fällt dieser Vorwurf „Verbrechen gegen …“ auch auf mich zurück - zu Recht!

 

März 2020

 
An die Schnittlinie zwischen Fasching und Coronavirus stellen wir einen Ausspruch Martin Luthers in der Hoffnung, dass wir bald (und unbeschadet) diese „Gottesgaben“ wieder genießen können.

„Oft hat mich die Musik erquickt und von schwerer Last befreit.
Kartenspiel, Musik und Geselligkeit –
es sind Gottesgaben.“

Aber zunächst heißt es


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Und dafür haben wir schließlich die Klopapierrollen gehamstert.

Obwohl das Coronavirus auch bei großzügiger Auslegung nicht zum AI-Mandat gehört, außer dass es unsere Arbeit weitgehend lahmlegt, kommen wir im März 2020 nicht darum herum, uns damit zu befassen – und auch nicht im April 2020, und im …, und im März 2021. Wir beschränken uns, so gut es geht, auf den nicht-medizinischen Aspekt und sind dabei auf „Verhaltensweisen“ gestoßen, die durchaus Schnittstellen mit den Menschenrechten haben.

- Eigennützigkeit: Da soll Präsident Trump dem Tübinger Biotechunternehmen Curevac eine Milliarde Dollar dafür geboten haben, einen Impfstoff gegen Covid-19 ausschließlich für die USA zu entwickeln. Der Haupteigner der Firma, Dietmar Hopp, hat dieses „unmoralische Angebot“ in aller Entschiedenheit zurückgewiesen. Das sei für ihn „keine Option“.

- Störmanöver: Nach einem EU-Papier versucht Präsident Putin durch eine Desinformationskampagne die westlichen Demokratien destabilisieren. Insbesondere soll das Vertrauen in die Gesundheitssysteme der EU-Staaten untergraben werden. So habe beispielsweise auch Deutschland zu wenig Ärzte. Deshalb habe man unter dem Motto „Aus Russland – mit Liebe“ Hilfsgüter nach Italien geschickt – die inzwischen, und das sei ohne Schadenfreude gesagt, Russland selbst bitter nötig hätte.

- Vertuschung: Ähnlich wie Russland versucht auch die VR China, sich zum Retter der westlichen Menschheit zu stilisieren. Und die möchte (in Teilen) auch gerettet werden: Der serbische Präsident Vucic hat sich überschwänglich für die Lieferung von Hilfsgütern und Virologen bedankt und die Solidarität der EU, (die inzwischen auch für den Westbalkan ein millionenschweres Hilfspaket geschnürt hat) als „Märchen auf Papier“ bezeichnet), der Landrat von Heinsberg/NRW (der Kreis, der wegen einer Faschingsveranstaltung besonders stark betroffen ist) hat sich (untertänigst) mit einer Bitte um Unterstützung an China gewandt, und der bayrische Ministerpräsident Söder hat eine chinesische Schutzmaskenlieferung höchstpersönlich am Flughafen abgeholt. Soweit so gut. Wo Engpässe sind, soll man Hilfe annehmen, auch wenn sie vom Teufel kommt.

Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass die Hilfen aus China nicht aus kommunistisch-konfuzianischer Nächstenliebe kommen. Zum einen lässt man sich die Exporte von Hilfsgütern teuer bezahlen, zum anderen möchte man damit verschleiern, dass man damit die Überlegenheit der Diktatur gegenüber der Demokratie unter Beweis stellen möchte.

Und weil wir schon beim Vertuschen sind, sollten wir mit der SZ noch einmal an die lokalen Anfänge der Pandemie erinnern:

„Das angeblich überlegene autoritäre System hat mit Geheimnistuerei … die Ausbreitung des Virus am Anfang begünstigt und ist maßgeblich verantwortlich für eine globale Jahrhundertkrise. Bitter wäre es, würde es nun auch noch zum größten Profiteur“.

Im April kam der Verdacht auf, dass der Patient 0 in China schon im Oktober 2019 befallen war. Und wir sind (ahnungslos) noch vier Monate lang nach Südtirol und Ischgl in die Skiferien gefahren! Ebenfalls im April stellte sich bei einer Lieferung chinesischer Atemmasken für Südtirol heraus, dass die Masken mangelhaft waren und „sich schon bei einfachen Mundbewegungen, z.B. beim Sprechen, verschoben“. Für China mag das hingehen, da darf man sowieso nichts sagen.

- Gewaltbereitschaft: Mit der Angst vor einer Verknappung der Beatmungsgeräte, wuchs auch die Sorge, es gäbe zu wenig Plätze in den Frauenhäusern. Mit den Ausgangssperren, so das Polizeipräsidium Essen, gingen zwar die Körperverletzungen im Freien zurück, aber dafür nahmen die Delikte häuslicher Gewalt zu – um etwa 100 Prozent. Diese Zahl wurde im April relativiert, allerdings mit Vorbehalten. Die Jugendämter sprachen von einer rückläufigen Tendenz, räumten aber ein, dass sich die Dunkelziffer erhöht haben könnte. Und zugenommen scheint die Zahl der schweren Fälle zu haben.

In Frankreichs Apotheken hat man (versuchsweise) das Codewort „Maske 19“ eingeführt. Wenn jemand danach fragt, soll sofort die Polizei gerufen werden. Was aber, wenn der Täter von diesem Codewort gehört hat und in der Apotheke neben seiner Frau steht?

Da die Opfer meistens Frauen sind, wollen wir ihnen an dieser Stelle ein „Denkmal“ setzen.


Die Corona Superfrau

- Selektion: Aus dem 1. Weltkrieg stammt das französische Wort „triage“. Damit hat man die Verwunderten nach ihren Überlebenschancen aussortiert. In Italien und in Frankreich musste man das wegen Materialknappheit auch in dieser Pandemie machen. Auch bei uns stellt man sich die Frage, wer, bei Überlastung des Gesundheitssystems, den „Schwarzen Peter“ zugespielt bekommt: die Alten, die Vorerkrankten, die Behinderten? Oder soll man es so machen, wie die WHO-Richtlinien von 2007/8 ihr „Fairnessprinzip“ formuliert haben: Optimale Behandlung nur für diejenigen, die noch wenig „Lebens- und Entfaltungschancen“ gehabt haben. Womit wir im Ausschlussverfahren wieder weitgehend bei den alten Menschen angelangt wären! Bei uns gilt bisher, und so sollte es bleiben, allein „das Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht“.

- Freilassungen: Ja, auch das gibt es. Der Iran soll 85 000 Gefangene freigelassen haben, weil das Regime die Coronakrise nicht in den Griff bekommt und Masseninfektionen in den überfüllten Gefängnissen befürchtet. Es sollen sogar (einige) politische Gefangene darunter sein, z.B. die Irano-Britin Zaghari-Ratcliffe, die wegen Spionage verurteilt worden ist, aber wohl eher als Faustpfand festgehalten wurde, um von Großbritannien eine Geldschuld einzutreiben. Sie soll infiziert sein und wurde in den Hausarrest entlassen. Ihr und den 85 000 möchte man fast wünschen, dass noch lange keine Entwarnung kommt, denn dann müssten sie wohl wieder ins Gefängnis zurück. Freigelassen worden sein soll auch Esmail Abdi, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft, für den sich unsere Gruppe auf zwei Maikundgebungen der Gewerkschaft eingesetzt hat. Im September musste Frau Ratcliffe wieder vor einem Revolutionsgericht erscheinen, und auch Esmail tauchte im August wieder hinter Gittern auf.

- „Rekonstruktion des Sozialen“: So hat man ein Phänomen bezeichnet, das angesichts der geforderten „sozialen Distanzierung“ erstaunliche „Annäherungsversuche“ zeitigt. Menschen schauen sich auffallend oft ins Gesicht, die Telefonate werden länger, die Ausgangsbeschränkungen werden (bisher) relativ gelassen akzeptiert, auf Plätzen findet man Spendenzäune für Obdachlose, Bürgerinitiativen mit jüngeren Leuten springen ein, wo sich die „Nachbarschaftshilfen“, die weitgehend mit Senioren bestückt waren, zurückziehen müssen. Und den Biertrinkern fiel ein Stein von Herzen, weil die Amtszeit der Bierkönigin aus Gmund verlängert wurde.

Und das alles, wie der Dortmunder Kabarettist Fritz Eckenga (nach etwas Nachhilfeunterricht in bairisch) gedichtet hat: „Zwengs Corona, der bleedn Sau.“

Damit sind wir (fast nahtlos) angelangt beim


Monat der dummen Sprüche

- Der brasilianische Präsident hat Covid-19 als „kleine Grippe bezeichnet. Im Portugiesischen heißt das „gripezhinha“. Das Wort klingt so niedlich und harmlos, dass man sich geradezu danach sehnt, angesteckt zu werden.

- Der katholische Weihbischof von Chur hat die Mundkommunion mit dem Argument verteidigt, „wenn doch Christus in der Eucharistie gegenwärtig sei, müsse man keine Angst vor Ansteckung haben“. Sein Chef, der Bischof, hält am Verbot der Mundkommunion fest und hat seinem Weihbischof passenderweise einen Maulkorb verpasst.

- Die Linke hat die Wahl von Bodo Ramelow zum Thüringer Ministerpräsidenten mit schrillen Nebentönen vergeigt. Es begann mit einer Strafanzeige von acht Abgeordneten gegen Angela Merkel wegen „Beihilfe durch Unterlassen zum Mord“. Hintergrund: die Tötung des iranischen Generals Soleimani durch US-Drohnen, die möglicherweise vom Stützpunkt Ramstein/Rheinland-Pfalz aus gesteuert worden waren. Ich wäre auch dafür, dass die Amerikaner ihren Drohnenschuppen verlegen, aber dass Merkel Beihilfe zum Mord vorgeworfen wird, weil sie nicht vor Ramstein in den Sitzstreik geht, verkennt den Spielraum, der der deutschen Politik gezogen ist.
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- Und dann kam der flapsige Diskussionsbeitrag einer Genossin auf einer Klimadebatte der Linkspartei. Sie sagte - und das ohne rechten Zusammenhang:

„Energiewende ist auch nötig nach ‚ner Revolution. Und auch wenn wir das eine Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen.“

Darauf lachte Parteichef Riexinger und versuchte mit einem (schlechten) Scherz, den Schaden zu begrenzen:

„Wir erschießen sie nicht. Wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.“

Jetzt schoss sich aber der politische Gegner auf ihn ein. Der CDU-General Ziemiak beschwor die Arbeitslager Stalins herauf, ein CDU-Abgeordneter verstieg sich im Bundestag zu der Bemerkung:

„Mit dieser Haltung können Sie auch ein Konzentrationslager führen.“

- Wie gesagt, ein Monat der (sau)dummen Sprüche! Und wo Sprüche geklopft (oder plakatiert) werden, kann der (Profi)Fußball nicht fehlen. In einem Fußballstadion gilt das Hausrecht des Vereins. Im ganzen Stadion? Nein! In den Kurven und Blöcken der Ultras herrscht ein eigenes Recht, mit dem sie sich gelegentlich die Freiheit herausnehmen, Plakate aufzuhängen, die weit unter der Gürtellinie liegen. Ziel der Beleidigungen war der Hoffenheimer Unternehmer Dietmar Hopp. In Dortmund und Mönchengladbach war sein Gesicht in ein Fadenkreuz montiert, und die Bayern-Ultras entfalteten in Hoffenheim zusätzlich noch ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Hurensohn“.


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Die Bayern und Hoffenheimer haben ihr Spiel aus Protest gegen die Plakate (und beim Stande von 6:0 für die Münchner) im Schongang beendet und den Ball nur mehr hin und her geschoben, was einige gesundheitsgefährdende Körperkontakte verhindert hat.

AI-Nachrichten

- Unter dem suggestiven Titel „Ersehnte Vollstreckung“ wies die SZ auf die Hinrichtung von vier Indern hin, die 2012 eine Studentin so bestialisch vergewaltigt hatten, dass sie an den Folgen starb. Suggestiv deswegen, weil er die Stimmung im Lande widerspiegelt. Eine überwältigende Mehrheit war seit dieser Tat für eine Vollstreckung der Todesstrafe an den Tätern, die Mutter meinte, ihre Familie habe jetzt „Gerechtigkeit bekommen“. Aus ihrer Sicht mag sie recht haben, Zweifel gibt es an ihrer Zuversicht, dass „sich Mädchen jetzt sicherer fühlen“. Eine indische Anwältin hat darauf hingewiesen, dass „sich die Zahl der Vergewaltigungen in Indien nicht verringert habe, obwohl seit 2013 die Todesstrafe bei Vergewaltigung verhängt werden könne“. Als AI in einer Mailaktion gegen die Vollstreckung protestierte, machten wir mit Bauchweh mit („Todesstrafe ist nun einmal Todesstrafe“) – oder ließen es.

- Im Nachbarland Pakistan wurde ein christlicher Landarbeiter zu Tode gefoltert. Er hatte sich nach der Arbeit am Brunnen eines muslimischen Bauern gewaschen und wurde dann beschuldigt, „das Wasser entweiht zu haben“. Zwei Muslime wurden zunächst festgenommen, wenig später jedoch wieder freigelassen. „Brunnenvergiftung“, das hatten wir in Europa doch auch schon einmal? Richtig, der Vorwurf löste im Mittelalter Judenpogrome aus und wirkte bis ins 19. Jahrhundert nach.

- Im April soll in Koblenz der weltweit erste Prozess gegen zwei mutmaßliche syrische Geheimdienstmitarbeiter stattfinden. Einer von ihnen soll als Mittäter für die Folter von 4000 Menschen und die Tötung von 58 Gefangenen verantwortlich sein. Sie hatten sich 2012 und 2013 abgesetzt, also zu einer Zeit, als das Assad-Regime noch am Kippen war. Dumm gelaufen! Zu früh getürmt!

- Die Wikileaks-Informantin Bradley/Chelsea Manning ist nach gut einem Jahr Beugehaft wieder in Freiheit. Man hatte sie zwingen wollen, in einem Ermittlungsverfahren gegen Assange auszusagen. Das hatte sie verweigert. Der Richter stellte jetzt fest, „dass ihre Aussage nicht mehr notwendig sei“. Um zu dieser Einschätzung zu kommen, hatte es ein ganzes Jahr und einen Suizidversuch Mannings gebraucht. Oder die Amis sind sich sicher, dass sie Assange bald sowieso serviert bekommen.

- Eine lesbische Frau aus Uganda erhält Asyl, aber sie ist, wieder einmal, ein „Einzelfall“. Als sie im Detail ausführt, dass man in Uganda seine abweichende sexuelle Orientierung „ein ganzes Leben lang“ verbergen müsste, um nicht „verprügelt oder verbrannt“ zu werden – und damit kurz davor steht, dass das Gericht daraus einen Präzedenzfall macht, „zieht der Vertreter des BamF die Reißleine“ und erkennt den Asylantrag der Klägerin an.

14 Teilerfolg für Asybewerberin aus Uganda
Teilerfolg für Asylbewerberin aus Uganda

Erfolgsmeldungen – in etwa

- „Bayern sicher wie seit 40 Jahren nicht“, titelte der Merkur seinen Bericht über die bayrische Kriminalstatistik für das Jahr 2019, den Innenminister Herrmann mit stolzgeschwellter Brust präsentierte, so als ob er eigenhändig zur „niedrigsten Kriminalitätsbelastung seit 40 Jahren und zur höchsten Aufklärungsquote seit 25 Jahren“ beigetragen hätte. Stark zurückgegangen die Zahl der Wohnungseinbrüche und die Gewaltkriminalität, bedenklich die Zunahme der Drogentoten, der Verbreitung kinderpornographischer Schriften - und der Betrugsfälle durch falsche Polizisten. Die Ausländerkriminalität ist entgegen der Meinung von AfD und einigen Stammtischen differenziert zu sehen: Die Zahl nichtdeutscher Tatverdächtiger ist gesunken, sie sind aber im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil immer noch überrepräsentiert. Viele Straftaten werden allerdings von „reisenden Kriminellen“ verübt oder „von im Ausland angesiedelten Callcentern gesteuert“. Was in der Statistik am Rande auftaucht, aber in der Diskussion meist untergeht: Zuwanderer werden häufiger Opfer einer Straftat als bayrische Indigene.

- Die grüne Politikerin Katharina Schulze forderte, dass Hasskriminalität gegen Frauen als Kategorie in den Sicherheitsbericht mit aufgenommen werden sollte. Damit sind wir bei ihrer Parteifreundin Renate Künast angelangt. Die hat nach Durchlauf durch mehrere Instanzen jetzt den Bescheid bekommen, dass bestimmte Äußerungen ihr gegenüber keine „Meinungsäußerungen“ mehr seien, die sie hinnehmen müsse, sondern „Beleidigungen“, die (an sich) strafbar sind. Aber eben nur „an sich“. Dass die User, die diese „Freundlichkeiten“ gepostet haben, wahrscheinlich straflos davonkommen, liegt (immer noch) an der Unantastbarkeit von Facebook und Co., die die Daten von möglichen Straftätern (bisher) nicht preisgeben müssen. Und sollten sie verpflichtet werden, diese Daten ans BKA weiterzuleiten, liegt es immer noch im Ermessen (und in der Arbeitskapazität) eines Richters, zu entscheiden, ob er gegen den User vorgeht. Ich, als unbedarfter IT-User, frage mich schon, ob die sozialen Medien keine Spamfilter einbauen könnten, die bei Verwendung bestimmter Wörter einfach „dicht machen“. Aber da gingen ihnen wohl viele Kunden verloren.

- Wir bleiben bei den Frauen, gehen aber nach Lateinamerika. Dort ist, so (mit großem Optimismus) die SZ, „die Hoffnung weiblich“. Die Frauen, die in jüngster Vergangenheit mehrere Präsidentinnen gestellt hatten und als deren Nachfolger gestandene Machos vorgesetzt bekamen, gehen auf die Straße: Sie protestieren in Mexiko gegen die hohe Zahl von Femiziden (zehn Frauen am Tag), sie protestieren gegen „vorsintflutliche Gesetze“ in El Salvador (Gefängnisstrafen bei Fehlgeburten), sie protestierten in Chile gegen die ungerechte Verfassung, gegen Frauenmorde und gegen(sexuelle) Übergriffe der Polizei bei Demonstrationen.

15 Frauentag in Chile
Frauentag in Chile

Der chilenische Präsident hat bei Gewalt gegen Frauen auch den Opfern eine Teilschuld gegeben. Sie würden „sich oft nicht deutlich genug gegen Missbrauch wehren“. Auf dem Foto sieht das etwas anders aus.

- Wir schließen ab mit einem „starken Zeichen gegen rechts“. Tausende von Münchnern, mit ihnen Ministerpräsident Söder, haben bei ungemütlichem Wetter gegen Terror, Antisemitismus und Rassismus demonstriert – und unter dem Motto „Just don’t do it/Tu‘s einfach nicht!“ gefordert, bei der Kommunalwahl nicht AfD zu wählen. Und: Hatte die AfD bei der Landtagswahl noch 10,2%, kam sie bei den Kommunalwahlen nur noch auf 4,7%. Selbst im Landkreis Deggendorf wurde sie halbiert.


16 Das freut sogar den Max Joseph
Das freut sogar den Max Joseph

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Die Corona-Profiteure in Ungarn und Polen: Regierung mit Notverordnungen und Manipulationen bei der Präsidentschaftswahl.

- Massenverhaftungen in Saudi-Arabien: MBS schafft sich Konkurrenten vom Hals.

- Brandanschlag auf das Auto von AfD-Chef Chrupalla. Leute, jenseits von Verstand, gibt’s auch auf dem linken Rand.

- Zehntausende versammeln sich in Moskau beim Gedenken an den 2015 ermordeten Kreml-Kritiker Boris Nemzow. Ein Protestschild trug die Aufschrift: „Putins Politik beruht auf reinen Lügen.“

Das Wort des Monats: „Bemühensunterfangen“

Es wurde von einem Ministerialrat des Wirtschaftsministeriums geprägt, der in einem Prozess gegen die Waffenschmuggler von Heckler & Koch aussagte. „Die Menschenrechte“, so meinte er, „seien bei solchen Geschäften ein Bemühensunterfangen.“ Man muss sich dieses Wort einige Zeit auf der Zunge zergehen lassen, bevor man ahnt, was er damit meinen könnte. Er meint wohl, dass man die Menschenrechte durchaus berücksichtigen könnte – wenn es passt“. Aber meistens passt es halt nicht!

Was aber passt, ist der Wunsch, mit dem wir derzeit unsere AI-Post verschicken: BGG/Bleiben Sie gefälligst gesund!

 

April 2020


Um Gefühle hervorzurufen, so der Dichter Kurt Tucholsky, „sondern manche Menschen Lyrik ab“. Um eine solche Absonderung handelt es sich auch beim folgenden Mundartgedicht, dass nur zum 1. April seine Berechtigung hat.


„ De Sach‘ mit dem Corona,
de is an sich zum woana.

Doch was de Leit draus macha,

is manchmal a zum Lacha.“

Der 1. April heißt im englischen April Fool’s Day, und deshalb erlauben wir uns, das Thema Corona diesmal nicht nur auf seine menschenrechtlichen, sondern auch auf seine karnevalistischen Aspekte hin abzuklopfen. Das Fest der Narren leitet (wieder einmal) Donald Trump ein, der vorgeschlagen hat, zu prüfen, ob man zur Behandlung von Corona-Patienten Desinfektionsmittel injizieren solle. Der US-Bundesstaat Illinois verzeichnete darauf einen „signifikanten Anstieg“ an Notrufen.

Närrisch aber nicht zum Lachen sind die Verschwörungstheorien, die häufig antisemitisch aufgeladen sind. So deutet eine rechtsextreme griechische Zeitung die Pandemie als „Werk der antichristlichen zionistischen Mächte“, aber auch in Deutschland, so der Antisemitismusbeauftrage, „bricht sich krudester Antisemitismus Bahn“, wenn von jüdischen Gewinnen an einem Impfstoff und von in Israel entwickelten Biowaffen zur Reduzierung der Weltbevölkerung die Rede ist.

Genervt hat der „Thilo Sarrazin der Grünen“ Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, der Schäubles deplatzierte Allerweltsweisheit „Wir können nicht jedes Leben retten“ wie folgt weitergesponnen hatte:

„Ich sage es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären, aufgrund ihres Alters und ihre Vorgeschichte.“

Aber jeder von uns kennt Menschen, die mit Bluthochdruck alt werden oder einen Herzinfarkt mehr als ein halbes Jahr überlebt haben. Wenn man andeutet, dass man denen bei einem Covid-19-Befall die optimale Behandlung verweigern könne, ist das „ethisch gesehen einfach nur völlig daneben“. Palmer hat inzwischen zurückgerudert und auch das Aufnahmeangebot der FDP abgelehnt. Ob er allerdings in einem halben Jahr noch Mitglied bei den Grünen ist, ist derzeit offen.

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Wir verlassen den karnevalistischen Bereich und wenden uns der Brutalität im engeren Sinne zu. In Mexiko machen die Drogengangs auf Hilfsbereitschaft. Sie verteilen Lebensmittelpakete und Klopapier und wirken bei der Überwachung der Quarantänemaßnahmen mit, dies aber auf ihre eigene Art. So verprügelten ihre Schläger auf offener Straße einen Mann, der gegen die vom Kartell verhängte Ausgangssperre verstoßen hatte.

Zurück zu den Anfängen! AI hat seine Chancen, in China den Status der Gemeinnützigkeit zu erwerben, weiter verringert, weil es gewagt hat zu behaupten, dass „die Welt mehr Zeit gehabt hätte, sich auf die Pandemie vorzubereiten, wenn (ja wenn) die Regierung in Peking die Gefahr nicht so lange verharmlost hätte“. Solche Behauptungen über das Krisenmanagement und den Ursprung der Seuche hört Peking gar nicht gerne und reagiert mit diplomatischem Druck, Boycottdrohungen und „bewährten“ Vertuschungsmaßnahmen.

- Die deutsche Regierung hat „einzelne Kontaktaufnahmen chinesischer Diplomaten“ mit dem Innenministerium zwecks positiver Berichterstattung zum Krisenmanagement Pekings bestätigt, ist dem Ansinnen aber „nicht nachgekommen“. China behauptet, das wäre eine „Unterstellung“, die Diplomaten seien nur zum Pokerspiel ins Innenministerium gekommen. (Satire!)

- Die australische Regierung wollte wissen, ob das Virus jetzt im Labor, auf dem Wildtiermarkt oder bei Wildtierversuchen im Labor entstanden sei. Der chinesische Botschafter in Canberra stellte darauf die Gegenfrage, warum China australischen Wein trinken oder australisches Rindfleisch essen solle.

- Und von drei Aktivisten der chinesischen Initiative „Terminus 2049“, die zensierte Artikel über das Coronavirus im Internet veröffentlicht hatten, fehlt seit Mitte April jede Spur. Die werden vermutlich im Labor von Wuhan als Testpersonen verwendet und mit Fledermäusen oder Schuppentieren gekreuzt.

Die Weltgesundheitsorganisation/WHO ist, im Gegensatz zu AI, vom chinesischen Geld abhängig (das Land nimmt unter den Geberländern immerhin Rang 48 ein) und deshalb emsig bemüht, ja kein Wort zu äußern, das Peking „als Hauch von Kritik“ auslegen könnte. Gerüchten zufolge soll im Mai eine WHO-Kommission einreisen dürfen. Ob sie ungehindert arbeiten darf, ist stark zu bezweifeln.

17 WHO-Präsident  Ghebreyesus beim Hofknicks vor Xi Jinping
WHO-Präsident Ghebreyesus beim Hofknicks vor Xi Jinping

Doch wer selbst im Glashaus sitzt …, die EU kann sich dem Hofknicks durchaus anschließen. Im Mai akzeptierte die EU-Kommission die Zensur eines Zeitungsartikels des EU-Botschafters in Peking. Er musste den Halbsatz weglassen, dass China das Land ist, wo das Virus „ausgebrochen“ sei, und „von wo aus es sich in den vergangenen drei Monaten im Rest der Welt verbreitet“ habe. Wenn Europa so weiterkusch(el)t, tritt das ein, was eine grüne Europaabgeordnete sehr drastisch beschrieben hat:

„Europa riskiert, der Wurmfortsatz der chinesischen Seidenstraße zu werden.“

Während man bei uns (zumindest) im Monat April die Einschränkung von Bürgerrechten noch relativ klaglos akzeptiert hat, weil man sicher sein konnte, dass man sie eines Tages relativ unbeschadet wieder zurückbekommen würde, hat man in anderen Ländern den Verdacht, dass die Einschränkungen die Pandemie überleben und „zementiert“ werden könnten.

- Ungarn: Dort hat sich Regierungschef Orbán ein Notstandsgesetz zugelegt, das ihm erlaubt, unbefristet und am Parlament vorbei per Dekret zu regieren.

- Russland: In Moskau wurde das Überwachungssystem ausgebaut, damit die Polizei Großveranstaltungen ins Auge nehmen und Teilnehmer an Protesten leichter identifizieren kann. Außerdem hat man den Strafkatalog erweitert. Bei Verbreitung von Falschmeldungen über das Virus drohen bis zu fünf Jahren Haft. Da sollten die deutschen Faker besser nicht hinfahren.

- Israel: Die Regierung verfügte, ebenfalls am Parlament vorbei, die Überwachung aller Bürger mittels Handydaten durch den Inlandsgeheimdienst. Die Überwachung wurde nach Protesten vom Obersten Gerichtshof zunächst bis zum 30. April genehmigt.

- Philippinen: Präsident Duterte, der Mann fürs Grobe, ordnete an, alle zu erschießen, die sich nicht an die Quarantäneregeln halten und Unruhe stiften. Da sollten die deutschen Hygienedemonstranten auch nicht hinfahren.

- Kolumbien: Die Ausgangssperre gilt offensichtlich nicht für Kriminelle und Todesschwadronen. Seit Beginn der Quarantäne wurden mindestens 14 Menschen ermordet – „die üblichen Verdächtigen“: Bauernführer, Indigene, Frauenrechtlerinnen und Umweltschützer.

Die Bertelsmann-Stiftung hat „eine Art Barometer erstellt, wie es um die Demokratie in der Welt bestellt ist“ und kommt zu dem Schluss, dass „die Autokratien repressiver und die Demokratien schwächer werden“. Der ersehnte Covid-19-Impfstoff allein wird dieser Entwicklung wahrscheinlich nicht abhelfen.

AI-Nachrichten

- Auch der neue AI-Jahresbericht sieht die Menschenrechte weltweit unter Druck. Und das Virus agiert als Brandbeschleuniger. In Algerien wurden Demokratieaktivisten festgenommen, denen man die Anwälte verweigerte, weil ja Ausgangssperre herrscht, in Hongkong wurden in den vergangenen Monaten mehr als 7000 Demonstranten festgenommen, in Chile wurden die Graffiti der Protestbewegung übermalt, in Brasilien müssen die Kochtöpfe auf den Balkonen geschlagen werden.

- In der Türkei wurden Zehntausende Kriminelle aus dem Gefängnis entlassen oder in den Hausarrest beordert, weil die überfüllten Haftanstalten ein Nährboden für das Coronavirus sind. Die Schwerstkriminellen mussten bleiben: Terroristen, Mörder, Drogenkriminelle, Vergewaltiger - und politische Gefangene wie Osman Kavala und Selahattin Demirtas. Die seien, so ein Abgeordneter der Opposition, angesichts der Corona-Gefahr „zum Tode verurteilt“.


18 Osman Kavala, Selahattin Demirtas   18 Selahattin Demirtas
Kavala und Demirtas -für eine Amnestie nicht geeignet

- Unter den politischen Gefangenen ist selten eine leibhaftige Prinzessin. Im März 2019 wurde Basmah bint Saud, eine Cousine des saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman/MbS festgenommen und, nach eigenen Angaben, in einem Hochsicherheitsgefängnis und ohne Anklage festgesetzt. Vordergründig soll es um einen Streit wegen Landbesitz gehen, aber die Prinzessin ist auch anderweitig angeeckt. In der Vergangenheit hat sie sich mit der Religionspolizei angelegt, hat nach dem Arabischen Frühling für eine konstitutionelle Monarchie geworben und fiel bei der „Verwandtschaft“ in Ungnade, weil sie ein Ende des Krieges im Jemen gefordert hatte. Der Kronprinz ist derzeit beschäftigt, das Nachfolgeproblem auf die osmanische Art, durch Beseitigung möglicher Rivalen, zu regeln. So hat er im März 2020 drei hochrangige Prinzen wegen angeblicher Putschpläne festnehmen lassen. Ob deshalb die Prinzessin mit ihrem Gnadengesuch durchkommt, steht in den Sternen/im Wüstensand.

- Pro Asyl hat von zwei syrischen Buben berichtet, die in das Haftlager Malakasa nördlich von Athen verbracht worden waren und dort einige Wochen festgehalten wurden, bis sie nach einem Eilantrag von Pro Asyl freikamen. Sie leben immer noch auf dem Gelände der Haftanstalt, hätten aber Verwandte in Deutschland, die zur Aufnahme bereit wären – und sind elf und zwölf Jahre alt.

- Der Prozess in Koblenz gegen die zwei mutmaßliche Folterknechte Assads wird von den Menschenrechtsorganisationen mit hohen Erwartungen begleitet. AI sprach von „einem Meilenstein im Kampf gegen die Straflosigkeit“, Human Rights Watch von „einem Lichtblick für Syrien“. Wir werden sehen, wie der Weg nach dem Meilenstein weiterläuft und wieviel Gegenlicht bei der Führungsebene (Assad, Putin, Erdogan) ankommt.

Die Kurznachrichten

- Bei der Vorstellung des bayrischen Verfassungsschutzberichts von 2019 ist es zu einer Neubewertung gekommen. Im Wettbewerb um das größte Bedrohungspotential hat die rechtsextreme Szene (und ihre „Flügel“) den Linken und den Islamisten den Rang abgelaufen. Zum „Gruppensieg“ beigetragen haben Taten wie die Ermordung von Walter Lübcke und das „Anwachsen des Personenpotentials“.

- Es ist zu vermuten, dass dieses Personenpotential auch für die Störung der Holocaust-Gedenkfeier der israelischen Botschaft im Internet verantwortlich war. Auf der Videoplattform tauchten plötzlich Antisemiten auf, die Profilbilder von Adolf Hitler zeigten. Für Leute, denen der Unterhaltungswert von Holocaust und Hitlerbildern nicht genügte, fügten sie auch noch pornografisches Material dazu. Der Botschafter hatte einen Holocaust-Überlebenden aus Israel zugeschaltet. Der wird froh sein, dass er nicht mehr in Deutschland lebt.

- Ein bemerkenswertes „Schuldbekenntnis“ zum Jahrestag des Kriegsendes kam von den katholischen Bischöfen. Da wurde eine „Mitschuld am Krieg“ eingeräumt, weil „die Bischöfe „kein eindeutiges ‚Nein‘ gesprochen, sondern eher den Willen zum Durchhalten gestärkt“ hätten. Auch zu den Verbrechen an Juden und anderen Gruppen „erhob sich in der Kirche in Deutschland kaum eine Stimme“. Es gab zwar vereinzelt auch „echten Heldenmut“, aber man dürfe

„nicht darüber hinwegsehen, dass viele Christen mit dem Regime kollaboriert, zur Verfolgung der Juden geschwiegen oder ihr sogar Vorschub geleistet haben“.

Georg Bätzing, der Vorsitzende der Bischofskonferenz, vergaß aber auch nicht zu erwähnen, wie unwohl man sich in „der Rolle des Richters über die Vorgänger“ gefühlt habe, womit auch uns die Frage gestellt ist, ob und wie weit wir es damals zum „Helden“ gebracht hätten.

- In Bratislava/Slowakei wurde Urteil gesprochen. Der Täter, der 2018 den Journalisten Ján Kuciak und dessen Verlobte ermordet hatte, wurde zu 23 Jahren Haft verurteilt. Der Prozess gegen seinen Auftraggeber, der Unternehmer Marian Kocner, über dessen illegale Geschäfte und Verbindungen zur italienischen Mafia Kuciak geschrieben hatte, ist derzeit wegen Corona unterbrochen.

- Der Europäische Gerichtshof/EuGH hat mit einer einstweiligen Verfügung die Anwendung von Polens Disziplinierungsgesetz für Richter ausgesetzt. Nach dem Gesetz dürften Richter die Entscheidungskompetenz und Legalität eines anderen Richters oder Gerichts nicht mehr in Frage stellen. Als Nichtjurist würde ich meinen, dass damit keine Revisionsmöglichkeit mehr besteht, wenn ein Gericht entscheidet, dass zur Bestimmung eines Präsidenten keine Wahl mehr nötig ist. Für den heimlichen Staatschef Kaczynski bedeutet die EuGH-Verfügung eine Schlappe, aber, wie man ihn kennt, wird er sie ignorieren. (Eine drastischere Formulierung wurde von der familieninternen Zensur gestrichen.)

- Nach wochenlangen Zählmanövern und Selektionsverfahren sind die ersten Flüchtlingskinder und Jugendliche aus den überfüllten Lagern der griechischen Inseln in Deutschland gelandet. Sie müssen zunächst in Quarantäne, aber die wird ihnen nach dem Lager wohl eher als Wellnesstrip vorkommen. Die Stimmung bei der Ankunft war entsprechend.

19 Ankunft in Hannover
Ankunft in Hannover

Deutschland plant 350 unbegleitete Minderjährige aufzunehmen. Diese (Un)Zahl veranlasste den stellvertretenden Fraktionschef der Union gleich zum Handy zu greifen und die Kosten für ihre Unterbringung und Betreuung auszurechnen. Report Mainz fand heraus, dass viele der eingeflogenen Kinder ohnehin einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung hatten, weil Verwandte bereits in Deutschland lebten. Von den schwer erkrankten Kindern, die man ursprünglich aufnehmen wollte, war kein einziges dabei.

- Aber jetzt kommt’s! Wir haben eine gute Nachricht aus der Coronakrise, und die Nachricht kommt auch noch aus China. Wegen eines Covid-19-Ausbruchs in seinem Gefängnis wurde der Menschenrechtsanwalt Wang Quanzhang, am 5. April vorzeitig freigelassen – zunächst in Quarantäne, aber inzwischen auch zu Frau und Sohn. Er hatte sich u.a. auch für Religionsfreiheit eingesetzt hatte, und war damit eine passende Zielperson für unsere Aktion an den Kirchentüren zum 10. Dezember 2019 (Tag der Menschenrechte). Wir haben 169 Postkarten verteilt, die auf den Covid-19‑Ausbruch in Wangs Gefängnis wohl keinen Einfluss hatten. Ob der Fall für uns aber endgültig abgeschlossen ist, bleibt offen. Das Foto zeigt einen Wang, der nicht so „apathisch, müde, ängstlich, abgemagert und stark gealtert“ ist, wie ihn seine Frau bei einem Kurzbesuch im Gefängnis erlebt hat.

20 Familienfoto aus der Vergangenheit aber hoffentlich mit Zukunft
Familienfoto aus der Vergangenheit, aber hoffentlich mit Zukunft

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Ein Freispruch unter Vorbehalt: Dem australischen Kardinal und Ex-Finanzchef des Vatikans George Pell ist der Missbrauch von zwei Ministranten nicht nachzuweisen. Die mutmaßlichen Opfer werden ihn aber noch zivilrechtlich belangen.

- Brasiliens Präsident Bolsonaro unter Druck: Er feuerte den Polizeichef, der es gewagt hatte, gegen Bolsenaros Söhne zu ermitteln.

- In Indien wird die Pandemie benutzt, um Minderheiten zu attackieren. Muslime werden verdächtigt, das Virus gezielt zu verbreiten.

Ich kehre zum Niveau des Eingangsverses zurück. Die gröbste Menschenrechtsverletzung des Monats war zweifellos die Absage des Oktoberfestes.



Bis jetzt hat AI, soweit wir wissen, dagegen noch keine Eilaktion gestartet. Wird höchste Zeit!


Mai 2020

 

„Es lebe hoch der Monat Mai,
denn Corona ist vorbei“

hätte man meinen können, angesichts der ersten „Hygienedemos“, auf denen eine (verquere) Querfront aus Rechten, Linken, Reichsbürgern, Verschwörungsfreaks, Impfgegnern und Fledermäusen (?) gegen die Ausgangsbeschränkungen protestierten. Als „Covidioten“ hat man sie etwas uncharmant bezeichnet, in deren Reihen aber auch Leute mitmarschierten, die sich ernsthaft (aber vorschnell) Sorgen um unsere Grundrechte machen. Die folgende Zeichnung spiegelt diese bunte Mischung wider.

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Ich war nicht dabei.

Das erklärt sich dadurch, dass ich mich (staatstragend) unter die 81% einreihe, die im Politbarometer vom 10. Mai die Arbeit der Bundesregierung als „eher gut“ beurteilte. Aber es hebt den Lektürewert dieses Berichts, wenn man auch dieser „bunten Mischung“ Rechnung trägt. Da gab es Kritik an der Dominanz der Exekutive, die eine „regelrechte Lust entwickle, ihre Macht zu demonstrieren“ (z.B. durch hohe Hürden bei der Anmeldung von Demos), da gab es das Gerede, dass Frankreich die über 80‑Jährigen durch aktive Sterbehilfe beseitige, es in Italien gar keine echte Coronakrise gäbe, und Deutschland wie 1933 auf dem Weg in den Faschismus sei. Da gab es Diskussionen – über alles: Wer den „Preis der Freiheit“ durch die Lockerungen zu bezahlen habe (Risikogruppen), wie die Polizei bei „dynamischen Straßenbewegungen/stationären Veranstaltungen/Demos auf Verstöße gegen die Abstandsregeln reagieren solle (Wegschauen oder Wasserwerfer), und ob die Grundrechte deshalb „auf den Hund gekommen“ sind, weil der Besuch im Biergarten nur bis 20.00 Uhr erlaubt ist, oder weil die erweiterten „Sozialkontakte“ unsere Gesundheit gefährden.

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Im März war von der „Rekonstrution des Sozialen“ die Rede. Nach einer Umfrage der Uni Erlangen-Nürnberg hat sich die „die vielfach beschworene Solidarität ziemlich schnell aufgelöst“. Was den Schutz des Lebens und den Umfang der Einschränkungen anbelangt, spalten sich alt und jung, Menschen mit höherem und niedrigerem Einkommen, Kinderlose und Familien mit Kindern. Unerwartete Einigkeit herrschte zwischen den Geschlechtern und den Regionen.


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Unterschiedliche Sichtweisen

In anderen Teilen der Welt führte die Pandemie zu stärkeren Turbulenzen:

- In Michigan/USA stürmten bewaffnete Demonstranten das Parlament, um gegen die Verlängerung des Notstands zu protestieren. Dabei gehört Michigan zu den Staaten, die am stärksten vom Virus betroffen sind. Die demokratische Gouverneurin, die zu Trumps Erzfeinden gehört, wurde auf einem Schild mit Hitler verglichen.

- In Russland häufen sich die Fälle häuslicher Gewalt, die im Lande gerne kleingeredet wird. So forderte in Moskau ein Bischof die Frauen auf, ihre Männer weniger zu kritisieren und dadurch Spannungen zu vermeiden. Und eine bekannte Schauspielerin meinte, wer (als Frau) öffentlich über Schläge klage, sei selbst psychisch krank.

- In den Gefängnissen Lateinamerikas, derzeit der Hotspot der Pandemie, brachen tödliche Revolten aus. Die Haftzellen sind klein und überbelegt, so dass es unmöglich ist, Abstand zu halten, es kam zu ersten Todesfällen. In der Haftanstalt Los Llanos/Venezuela, soll es bei einem „Fluchtversuch“ 47 Tote gegeben haben.

- Dazu passend ein AI-Mail, das Beispiele anführt, die belegen, wie die Coronakrise zu einer Menschenrechtskrise führen kann. Da werden Journalisten bedroht und inhaftiert, die kritisch über die Maßnahmen berichten, die Regierungen gegen Covid-19 treffen – oder auch nicht (Tschetschenien, Venezuela), da werden aus überfüllten Gefängnissen eher Kriminelle als politische Gefangene entlassen (Türkei), da werden 36 Häftlinge getötet, die Coronaatests, Hygieneprodukte und Quarantäne für Infizierte gefordert hatten (Iran), da werden Leute bei Amazon entlassen, die die mangelnden Schutzmaßnahmen des Konzerns kritisiert hatten (USA).

- Und was machte Donald Trump in der Woche, wo in den USA die Marke von 100.000 Coronatoten überschritten wurde? Er ging golfen.

In einem klugen Leitartikel hat die SZ eine Zwischenbilanz der Krise gezogen, als Erstes erhebliche Zweifel angemeldet, dass jetzt die „Zeit der großen Umkehr gekommen sei“, in der „Konsum und Flugreise“ nicht länger in den Rang von Menschenrechten erhoben werden. Dann gab es viel Lob für die Einsicht der großen Mehrheit und das Krisenmanagement durch die Politik, aber auch mahnende Worte angesichts „der Ungerechtigkeiten, die in aller Schärfe hervorgetreten sind“ (Stress für Paare und Alleinerziehende, Entlohnung der Pflegekräfte, Unterbringung von Flüchtlingen und Billiglöhnern).

„Der Graben, der die Verletzlichen von den Unverwundbaren trennt, die sich über weniger Abendtermine freuen, war selten so klar sichtbar.“

Die beiden folgenden Nachrichtenblöcke haben gemeinsam, dass man den Leuten „an die Kehle geht“, im wörtlichen (USA) und im übertragenen Sinne (Hongkong). Schon im Februar wurde der Schwarze Ahmaud Arbery in Brunswick/Georgia von zwei selbsternannten „Nachbarschaftswächtern“ beim Joggen erschossen. Die Ermittlungen verliefen zunächst schleppend, bis ein Video auftauchte, dass sogar Donald Trump „sehr verstörend“ fand. Erst im Mai wurden die beiden Täter (Vater und Sohn) festgenommen. Der Vater war ein Ex-Polizist und gilt als „in Polizei und Justizkreisen gut vernetzt“. Im Juni wurde gegen drei Männer Mordanklage erhoben. Der dritte Mann soll die Tat gefilmt haben. Fürs Familienalbum!

Dann im Mai kam der Polizeieinsatz in Minneapolis, wo ein Polizeibeamter dem Afroamerikaner George Floyd mit dem Knie auf dem Genick fast neun Minuten die Luft abdrückte, bis er (kurz darauf im Krankenhaus) starb. Die letzten Worte Floyds „Ich kann nicht atmen, Officer, bringen Sie mich nicht um“, sind mit dem ersten Polizeibericht „Mann stirbt nach medizinischem (!) Vorfall während Polizeieinsatz“ eher inkompatibel. So sahen es auch die Menschen, die im Juni zu Zehntausenden und weltweit auf die Straßen gingen, um gegen Rassismus zu protestieren.

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„Medizinischer" Polizeieinsatz

Einen fast so breiten Raum wie die Pandemie nahm im Mai die Berichterstattung über die Umtriebe der VR China ein. Zu Monatsbeginn wurden Vorwürfe laut, dass

„Chinas Behörden frühzeitige Warnungen (vor dem Virus) unterdrückte, Ärzte und Wissenschaftler zum Schweigen brachte und so das wahre Ausmaß herunterspielte, sodass andere Länder gefährdet wurden.“

Und wie reagierte die WHO? Sie lobte die Transparenz der Reaktion Pekings. Der WHO fehlen die „Wolfskrieger“, die Peking derzeit auf Politiker und Journalisten loslässt, die Chinas Umgang mit dem Coronaausbruch und seine Menschenrechtsverletzungen kritisieren. Die Wolfskrieger sind junge chinesische Diplomaten, die (wie der gleichnamige Rambotyp in einer Actionfilmserie) in den westlichen sozialen Medien unliebsame Kritiker attackieren oder Falschnachrichten streuen. Sie repräsentieren eine zunehmend aggressivere Außenpolitik.

Innenpolitisch geht es dem „System Hongkong“ an die Kehle. Der Volkskongress verabschiedete mit 2878 Ja-Stimmen, einer Gegenstimme und sechs Enthaltungen ein Sicherheitsgesetz für die rebellische Finanzmetropole, die immer noch „britisch verseucht“ ist. Der ausländische Einfluss soll unterbunden, Terrorismus und aufständische Aktivitäten/Demos verboten werden, und wenn Hongkongs Behörden mit Unruhen überfordert sind, können auch Festlandspolizisten aktiv werden.

Mit den ersten Demonstranten in Hongkong, die gegen das Gesetz auf die Straße gingen, sind die ortsansässigen Polizisten noch ohne fremde Hilfe fertig geworden.

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Handys gegen Sturmgewehr

Brennend interessiert hätte uns natürlich, woher die Gegenstimme und die Enthaltungen gekommen sind, und noch brennender, wo sie sich derzeit aufhalten.

Trotz des Verbots hat sich der Westen dann doch eingemischt – auf Seiten der EU nicht gerade mit Sanktionen, aber mit ungemein starken Worten. Ihre Außenminister äußerten ihre „tiefe Sorge“, das tut nicht weiter weh. Der US-Außenminister hingegen deutete an, dass die USA Hongkong den Sonderstatus entziehen könnte, wodurch etwaige Strafzölle auch für Hongkong gelten würden. Das würde weh tun. Im Juli hat Trump den Sonderstatus für Hongkong tatsächlich beendet.

Etwas mehr Zivilcourage als die EU hat der Verleger Jimmy Lai, der bei der Alternative „Auswandern oder Kämpfen“ den Kampf gewählt hat. Lai nennt Parteichef Xi Jinping einen Diktator, nutzt seine Zeitungen, um die Massenproteste zu unterstützen und marschiert bei Demos häufig in der ersten Reihe mit. Seine Familie hat ihn angeblich aus dem Familienstammbaum gestrichen und nennt ihn nur noch den „fetten Lai“. Eine Gewichtsabnahme, wenn er sie nötig hat, ist schon vorprogrammiert, denn ihm drohen mehrere Jahre Haft.

Die Kurznachrichten

- AfD-Fraktionschef Gauland hat den 8. Mai, den Tag, an dem der 2. Weltkrieg zu Ende ging, als „Tag der absoluten Niederlage“ bezeichnet, der nur für KZ-Häftlinge ein Tag der Befreiung gewesen wäre, für Deutschland aber „ein … Tag des Verlustes von großen Teilen Deutschlands und des Verlustes von Gestaltungsmöglichkeiten“. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass er seine Partei in der Rolle sieht, diesen Verlust an Gestaltungsmöglichkeiten (der Nazizeit) rückgängig zu machen, indem beispielsweise die „korrupten Altparteien“ gleich zusammen mit den Flüchtlingen zum Teufel gejagt werden.

- Die neu ernannte Landesverfassungsrichterin von Mecklenburg-Vorpommern Barbara Borchardt, hat einen etwas unglücklichen Einstand gefeiert, als sie auf die „Mauertoten auf beiden Seiten“ hinwies und nur zögerlich zugestand, dass es doch mehr tote Republikflüchtlinge (600 plus) gab als erschossene Grenzsoldaten (26). Von denen wurden elf beim Schusswechsel mit flüchtigen Kollegen erschossen. Moral: Auch Linke sind gegen Blödsinn nicht gefeit.

- Im März wurde, wie erwähnt, in München gegen Rassismus und Antisemitismus demonstriert. Wie eine Statistik des Bundesinnenministerium zur politischen Kriminalität vom Mai beweist, war das auch bitter nötig. Es stiegen 2019 die Zahl der Straftaten von rechts (41 000) – deutlich mehr als die von links (9849) – und die Zahl der Straftaten gegen Juden (2000, davon 300 in Bayern), und 2020 kamen im Gefolge der Pandemie auch noch Übergriffe gegen Asiaten dazu, denen man unterstellte, alle aus Wuhan zu stammen und nur zum Infizieren nach Deutschland gekommen zu sein.

- Ein Amnesty-Bericht erhob schwere Vorwürfe gegen Russland und syrische Regierungstruppen. Bei Luftangriffen in Idlib würden bevorzugt Schulen und Krankenhäuser bombardiert, manchmal sogar auf der Basis von Daten, die die UN zur Verfügung stellte, um die Zivilbevölkerung und wichtige Infrastruktur vor eben diesen Angriffen zu schützen. Bei einem Angriff auf eine Schule sind Streubomben eingesetzt worden, obwohl sie international geächtet sind.

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„Einzelunterricht“ in einer zerstörten Schule in Idlib

- Da Russland mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat sich selbst und die syrische Armee vor Sanktionen schützen kann, wird man schon etwas zuwarten müssen, bis der Einsatzleiter des Streubombenangriffs zur Rechenschaft gezogen wird, aber bisweilen erwischt es die Zündler doch. So hat man in Frankreich jetzt nach einem Vierteljahrhundert Félicien Kabuga, einen der Drahtzieher des Völkermords in Ruanda (1994) gefasst. Er betrieb damals einen Radiosender mit dem poetischen Namen „Freies Radio der 1000 Hügel“, auf dem man von Moderatoren hören konnte, dass „die Gräber erst zur Hälfte mit Tutsi-Leichen gefüllt“ seien und es deshalb Mithilfe bräuchte „sie aufzufüllen“. Von Friedrich von Schiller gibt es den hehren Spruch „Der Siege göttlichster ist das Vergeben“. Bei Kabuga (und dem syrischen Kommandeur) sehen wir uns genötigt, uns von Schiller zu distanzieren.

- Auch in einem anderen Fall sehen wir das Vergeben nicht als Sieg an. Die Söhne des 2018 getöteten Journalisten Jamal Khashoggi vergeben den Mördern ihres Vaters – und das in die Hand des saudischen Kronprinzen Salman hinein, der die Killer losgeschickt hatte. Wir zitieren einen Kollegen von Human Rights Watch: Man könne sich nur ausmalen, welche „Kombination aus Bestechungen und Drohungen“ die Söhne dazu gebracht habe, den brutalen Mördern ihres Vaters zu vergeben. Die Mörder entgehen jetzt der Todesstrafe (damit sind wir einverstanden) - und können über kurz oder lang wieder losgeschickt werden (damit nicht!).

Nachrichten aus der Grauzone

- Nach diesen Stimmungsdämpfern haben Sie sich einige (moderate) „Aufheller“ verdient. Im Sudan wird die Genitalverstümmelung bei Frauen ab sofort als Straftat gewertet, die den „durchführenden Organen“ bis zu drei Jahren Haft einbringen kann. Zunächst „jubeln die Frauen noch leise“, denn über diese Prozedur darf nicht öffentlich gesprochen werden und der Souveräne Rat des Landes muss dem Gesetz noch zustimmen. Bisher mussten sich 87% der 14- bis 49-jährigen Frauen der „Beschneidung“ unterziehen.

- In Afghanistan haben die Taliban zum Fastenbrechen eine dreitägige Waffenruhe angekündigt und auch weitgehend eingehalten. Der Eierhändler vor einer Moschee in Kabul hat seine Leibwache trotzdem beibehalten.

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Kriegsspiele in Afghanistan

Er tat recht daran, denn am Ende des Ramadans, als die Taliban wieder den Bauch voll hatten, kam es im Juni zur „blutigsten Woche seit 19 Jahren“ – die passende „Begleitmusik“ zu den geplanten Friedensgesprächen.

- Das Rettungsschiff Alan Kurdi hat nach einer „Kreuzfahrt“ von 36 Tagen, die für die Crew und die 146 Flüchtlinge allerdings eher stationär und in Quarantäne in der Bucht von Palermo stattfand, den Hafen angelaufen. Über die Verteilung der Flüchtlinge war noch nicht entschieden, bisher lag allein ein Angebot von Innenminister Seehofer vor. Ungarn scheint noch etwas zu zögern. (Vorsicht Satire!)

- Der Asylbewerber Azad Miah Ali Fajor hat in seiner Heimat Bangladesch1200 Schutzmasken für die Katholische Jugendfürsorge in München organisiert und von seinem schmalen Gehalt bezahlt. Er wollte sich damit bei der KJF für die Unterstützung bedanken, die er nach seiner Flucht bekommen hatte. Er ist gut integriert, aber sein Asylantrag wurde bisher abgelehnt. Dass ihn eine Maske auch vor der Abschiebung schützt, ist wenig wahrscheinlich aber nur zu hoffen.

- Ausklingen soll diese Rubrik mit einer Erinnerung an einen Politiker, von dem der Pfarrer beim Begräbnis gesagt hat:

„Wie kein anderer hatte er verstanden, was Nächstenliebe ist, nämlich sich anrühren lassen vom Leid derer, die man gar nicht kennt.“

Die Rede ist von Norbert Blüm, der nach Katar flog, um sich die Ausbeutung auf den WM-Baustellen anzuschauen, der sich in Griechenland zu syrischen Flüchtlingen ins Zelt legte, und der 1987 nach Chile fuhr, um 16 zum Tode Verurteilte abzuholen und dabei dem Diktator Pinochet ins Gesicht sagte, dass er ein Mörder sei. „Unsere Verehrung, Herr Minister!“

Kuriositäten

- Zwei bekannte (aber marginalisierte) Influencer der katholischen Kirche haben ihren Senf zur Coronakrise abgegeben. Die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis sieht im aktuellen Weltgeschehen „den Teufel am Werk“, dem es gelungen sei, die Menschheit von Gott fern zu halten und durch „Sex und Shoppen“ ruhig zu stellen. Dass eine Frau wie die Fürstin, die ja nicht mehr selbst zum Einkaufen geht, gegen Shoppen ist, hört die Wirtschaft in der Rezession aber gar nicht gerne.

- Und nicht gerne gehört wurde auch der Kurienkardinal Gerhard Müller, der einen Aufruf von Gleichgesinnten unterschrieb, wo die Ansteckungsgefahr von Covid-19 angezweifelt wird, die Pandemie als Vorwand dient, Religions- und Meinungsfreiheit einzuschränken und davor gewarnt wurde, dass „eine Weltregierung geschaffen wird, die sich jeder Kontrolle entzieht“. Die Deutsche Bischofskonferenz hat erklärt, dass sich ihre Bewertung der Pandemie von der der römischen Kleriker „grundlegend unterscheidet“. Und, das ist als Utopie hinzuzufügen, eine Weltregierung, die die Dinge (und die Zukunft der Erde) besser unter Kontrolle hätte, wäre nicht „ein Schrecken ohne Ende“.

Ein Zitat, das seit einigen Wochen durch die sozialen Medien geistert, soll diesen Monat beschließen.

„In Krisenzeiten suchen Intelligente nach Lösungen, Idioten suchen nach Schuldigen.“

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Ungarn: Ministerpräsident Orban stänkert gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, das die Schließung der Transitzonen/Haftanstalten für Flüchtlinge gefordert hatte. Aber er verspricht auch, im Juni die Notstandsgesetze wieder aufzuheben. Der Verdacht liegt nahe, dass seine Redemokratisierung mit dem EU-Aufbauplan zur Bewältigung der Pandemie zu tun haben könnte.

- Nigeria: Wie Frauen, die von Boko Haram für Selbstmordattentate vorgesehen wurden, es schafften, ihre Entführer auszutricksen.

- Türkei: Jetzt ist schon das 2. Mitglied der Band Grup Yorum nach 322 Tagen im Hungerstreik gestorben. Fünf Musiker der Band sitzen noch im Gefängnis.

- Berlin. Ein ZDF-Team von der Heute-Show wurde in Berlin von Teilnehmern einer Demo gegen die Coronaauflagen attackiert. Die Heute-Show fährt einen konsequenten Kurs gegen die Hygienedemonstranten.

- Passau: Eine Studentin initiiert eine Petition gegen die sexistische Fassung des Donaulieds, ein Sauflied mit Vergewaltigungseinlage, ohne dass (angeblich) kein niederbayrisches/oberpfälzisches Bierfest ordnungsgemäß über die Bühne gehen kann. Bis zum 10. Juni hatten 32.500 Leute unterschrieben. Im August wurden dann Listen mit 36.000 Stimmen dem Oberbürgermeister von Passau überreicht. Und der versprach, sich dafür einzusetzen, dass das Lied auf Volksfesten in Passau nicht mehr gespielt wird. Also: Frauen wehrt euch, dann helfen euch auch die Männer – zumindest einige von ihnen! Die Initiative „Rettet das Donaulied“ muss jetzt mit den Rauchern vor die Bierzelte gehen – und dort den Mond ansingen.


Juni 2020


Als ich geschlagene 30 Minuten verbracht hatte, das Material für den Monat Juni zu sortieren und bei einigen Reizthemen vor lauter „weder noch“ und „sowohl als auch“ eine Gehirnstau bekam, beschloss ich nicht „Politiker zu werden“, sondern einen Großteil der Arbeit und der Meinungsbildung auf die verehrten Leserinnen und Leser dieses Jahresberichts abzuwälzen. Ich habe deshalb zu den Themen Rassismus und Polizei einige Vorfälle herausgegriffen, präsentiere sie im Umfrageformat und überlasse es Ihnen,

- alternativlos mit „Ja/Nein“

- differenziert mit „ist situationsabhängig“ zu antworten.

Allerdings habe ich es mir erlaubt, er kann’s nicht lassen, einen Kommentar hinzuzufügen, der unterschiedlich lang und unterschiedlich manipulativ ist. Aber erst kommt ihre Antwort!

1. Präsident Trump hat das Polizeiverhalten beim Tod von George Floyd als „Schande“ bezeichnet. Meinte er das ernst?

Kommentar: Was Trump an Kritik vorgebracht hat, war ein Mindestprogramm. Mehr Raum nahm (zeitgleich mit der Beerdigung von Floyd) sein Lob für die Erfolge der Sicherheitsbehörden ein. Auf Demonstranten vor dem Weißen Haus wollte er „die bösartigsten Hunde, die er je gesehen hatte“ hetzen, und die Forderung nach Reformen bei der Polizei nannte er das Werk von „radikalen linken Demokraten, die verrückt geworden seien“.

2. Im Rahmen der Anti-Rassismus Proteste sah man Kniefälle von prominenten US-Demokraten und deutschen Bundesligaspielern, Umarmungen von Demonstranten durch New Yorker Polizisten, eine Kundgebung mit 25.000 Leuten auf dem Königsplatz in München – die meisten mit Masken aber ohne Abstandswahrung. Ist Rassismus ein Problem, das vielen Leuten weh tut?

Kommentar: Es ist schon erstaunlich, was der Tod eines Einzelnen weltweit ausgelöst hat. Aber der Empörungsmodus hat seine „Stammkundschaft“, und er ist selten nachhaltig. Die Mehrheit hat den Vorfall schon bald vergessen und ärgert sich, weil die Transparente alle in Englisch beschriftet sind.


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Demo in München – in den Zeiten von Corona

3. Im Aufwind der Rassismusdebatte deutete die Bundesregierung an, dass eine Studie zum „racial profiling“ bei der Polizei geplant sei. Das Justizministerium war dafür, Innenminister Seehofer blockte ab. Sind Sie der Meinung, dass eine solche Studie erstellt werden sollte?

Kommentar: Als AI-Mitglied muss man da vorsichtig sein, da unser Ruf bei der Polizei nicht der beste ist. Da man uns die Mitgliedschaft aber nicht an der Hautfarbe ansieht, laufen wir nicht Gefahr, einem „AI-Profiling“ unterzogen zu werden. Dass es Fälle gibt, wo selektiv nach Hautfarbe kontrolliert wird, dürfte unbestritten sein, dass dies bisweilen auch gerechtfertigt ist (Drogenhandel) ebenfalls. In der Polizei selbst gibt es Stimmen, die für eine solche Studie sind, weil man auch gerne wüsste, ob der Rassismus in den eigenen Reihen „latent“ oder „strukturell“ oder „nicht existent“ ist. Sie würde auch gut als „Gegengewicht“ zu der Studie fungieren, die dem Innenminister jetzt vorschwebt: eine Untersuchung zur „Gewalt gegen die Polizei“. Zu argumentieren, dass man „racial profiling“ nicht untersuchen müsse, weil es sowieso verboten ist, das ist, so die Kabarettistin Carolin Kebekus, „dümmer als die Polizei erlaubt“.

Im Dezember stimmte Seehofer einer Polizeistudie zu. Allerdings waren die drei vorgesehenen Themenkomplexe – Motivation der Berufswahl, Berufsalltag, Gewalt gegen Polizisten – nicht genau das, was sich das Justizministerium darunter vorgestellt hatte. Die Themen sind wichtig, aber ein 4. Themenkomplex „racial profiling“ hätte nicht geschadet – und wäre, wie gesagt, auch im Sinne mancher Polizisten gewesen.

4. In unserer ersten Gruppensitzung nach der Coronapause ging es auch um die Frage, wie man auf Alltagsrassismus reagieren solle. Wir waren uns einig, dass man auf einen Fahrgast, der einem Zugbegleiter die Fahrkarte nicht zeigen wollte, weil „er sich nicht von einem Schwarzen kontrollieren“ ließe, (heftig) reagieren sollte, waren aber „toleranter“, als es um eine Situation an der Kasse eines Supermarktes ging. Da wurde eine schwarze Kundin von einem anderen Kunden gefragt „Woher kommen Sie?“ Ist das (bereits) rassistisch?

Kommentar: Es passiert, wenn auch selten und führt eher zum Lächeln als zum Weinen, dass Antirassisten über das Ziel hinausschießen. Da fordert man in Coburg und in Freising, dass der „Mohr“/der Hl. Mauritius aus dem Stadtwappen entfernt wird, da hat ein Jugendleiter Skrupel, in einem Ferienlager „Cowboys und Indianer“ zu spielen. Und in Augsburg hat man jetzt das Hotel „Drei Mohren“ umbenannt, dessen Name auf drei abessinische Mönche zurückgehen soll, die dort im 15. Jahrhundert Zuflucht fanden, also eher ein Grund, den Namen beizubehalten. Nix zu lächeln aber gibt es, wenn man in Deutschland „Lettow-Vorbeck-Straßen“ beibehält oder, wie die NSU, Brettspiele à la „Pogromly“ entwickelt. Übrigens - der Kassierer im Supermarkt hat mit einer Gegenfrage an den Fragesteller geantwortet. „Und Sie, woher kommen Sie?“

5. In einer Kolumne der taz über die Polizei schrieb Hengameh Yaghoobifarah neben anderen „Unfreundlichkeiten“ einen Satz, der ihr die Androhung einer Anzeige, ein Verfahren vor dem Deutschen Presserat – und diverse Morddrohungen einbrachte. Die Kolumnistin hatte den Cops „Berufsunfähigkeit“ vorgeworfen und sie zur besonderen Verwendung auf die „Mülldeponie“ verbannt. Ist das noch Satire?

Kommentar: Der Text ist Satire, wenn auch, so die SZ, „grottenschlecht“ – und m.E. in hohem Maße unfair. Einen „Anpfiff“ von ihrer Chefredakteurin und das Verfahren vor dem Presserat hat die Kolumnistin allemal verdient. Dass sie Morddrohungen ausgesetzt ist, ist allerdings verwerflicher als ihre Kolumne. Und für den Polizeischutz, den die Chefredaktion für sie beantragt hat, sollte man Personal einsetzen, das nicht allzu nachtragend ist!

6. Halten Sie die Berichterstattung über Gewalt von und gegen Polizisten in unseren Regionalzeitungen (Merkur, SZ) für ausgewogen?

Kommentar: Es ist schon auffällig, dass in der SZ recht häufig Fälle von überzogener Polizeigewalt auftauchen, während der Merkur (und seine leicht erregbaren Leserbriefschreiber) sich eher auf Gewalt gegen Polizisten einschießen. Wir halten es diplomatisch mit Innenminister Seehofer, der unsere Sicherheitsbehörden als „Juwel“ bezeichnet hat. Und Juwelen muss man bekanntlich pfleglich behandeln – und auf sie achtgeben!

Sie werden wohl schön langsam sagen: „Es reicht!“ Das finde ich auch.

Die Kurznachrichten

- Verschwörungstheorien über den Ursprung und den Import des Coronavirus gab es anfänglich auch im Iran. Abwechselnd sah man darin eine biologische Attacke der USA und eine Heimsuchung durch die Dschinnen/böse Geister. Die Tanz-Challenges, die das Krankenhauspersonal in voller Schutzmontur in den Ruhepausen aufführt, sind allerdings zur Entspannung und nicht als Exorzismus gedacht. Und dabei wird sogar wird das gemeinsame Tanzen toleriert, selbst wenn die Partner nicht verheiratet sind. Ein Twitter-User witzelte, dass

„Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten die einzigen Orte seien, an denen sich die religiöse Sittenpolizei nicht blicken lasse“.

- Überraschend gut kommt bei der (sonst sehr kritischen) SZ Redakteurin das Verhalten der chinesischen „Zivilgesellschaft“ in der Anfangszeit der Pandemie weg. Sie spricht von „Ärzten, die am Parteistaat vorbei frühzeitig Alarm geschlagen haben und die ohne Genehmigung der Regierung die Gensequenz des Virus mit der Welt geteilt haben“, und sie erwähnt ihre chinesischen Kollegen, „welche die anfängliche Vertuschung vor Ort aufgedeckt haben“ – und dafür schikaniert wurden. Aber wem das zu positiv ist, der sollte das “Wuhan Tagebuch“ der Autorin Fang Fang lesen.

- Eine Meldung zum Konflikt in Afghanistan könnte doppeltes Skandalpotential enthalten. Im Januar gab es Meldungen von US-Soldaten, dass sie bei gefangenen Taliban größere Dollarbeträge gefunden hätten. Im Verhör gestanden die Kämpfer, dass der russische Militärgeheimdienst Prämien für erschossene westliche Soldaten ausgesetzt habe. Der Tod von mindestens einem US-Soldaten soll mit diesen Kopfgeldzahlungen in Verbindung stehen. Im März haben Mitarbeiter von Trump über Strafmaßnahmen gesprochen, aber kein Ergebnis erzielt/erzielen dürfen. Im Juli wurde dann in Moskau und Washington dementiert. Aus der Sicht Moskaus irgendwie verständlich, und Trump war schon im Wahlkampfmodus und wollte es sich mit Putin nicht verscherzen. Schließlich hatte der ihm, hartnäckigen Gerüchten zufolge, schon einmal zum Wahlsieg verholfen.

- In Stuttgart kam es zum ersten Auftritt der „Party- und Eventszene“, die sich normalerweise in den Clubs und Diskotheken austobt. Wegen der Pandemie sind diese geschlossen, und außerdem gibt es diese blöden Verordnungen, die von der Polizei auch noch durchgesetzt werden – zumindest ansatzweise. Und wenn man so nebenbei ein paar Schaufenster einschlagen kann, hinter denen schöne Sachen auf einen warten, ist das nur ein Ausgleich für Corona – und der steht einem schließlich zu.


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Stuttgarter Scherbenhaufen

Das Mädchen ist fehl am Platze. „Gewalt ist männlich und betrunken“, sagte der Vizepräsident des Polizeipräsidiums. Und, so muss man leider hinzufügen, häufig mit Migrationshintergrund. Im Juli hat sich im Gefolge der Randale eine hitzige Diskussion über die Berechtigung der „Stammbaumforschung“ entwickelt. Bei elf Tatverdächtigen wurde die Nationalität der Eltern abgefragt, für die einen (Ministerpräsident Kretschmann) wichtig, um ein „Bild ihrer Lebensumstände“ zu haben, für die anderen (Innenminister Pistorius) völlig „irrelevant für die strafrechtlichen Ermittlungen“. Aber wenn’s die Politiker schon nicht wissen, kann auch ich mich eines Urteils enthalten. Die Suche nach dem arischen Stammbaum war schlimmer.

Zu den

AI-Nachrichten

migrieren wir auch ins Ausland.

- In Weißrussland herrscht Wahlkampf. Oder was Präsident Lukaschenko so unter Wahlkampf versteht. Da sein aussichtsreichster Widersacher Viktor Babariko für seine Kandidatur viermal so viele Unterschriften wie nötig gesammelt hatte, schrillten bei Lukaschenko die Alarmglocken. Unter dem dehnungsfähigen Tatverdacht der „widerrechtlichen Tätigkeit“ (Unterschlagung von Geldern, Beeinflussung von Zeugen) wurde Babariko festgenommen und ist (vorerst) aus dem Rennen.

- Auch Regisseure haben derzeit einen schweren Stand und stehen vor Gericht statt am Regiepult oder hinter der Kamera. In Russland kam der Theaterregisseur Kirill Serebrennikow, dem man die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen hatte, mit einer Bewährungsstrafe davon. Während Serebrennikow immerhin noch „schlechte Buchführung“ einräumte, ist die Haftstrafe, die der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof im Juni antreten sollte, rein politischer Natur. Seine Filme über die Todesstrafe, die Kettenmorde an Intellektuellen und die Korruption im Iran brachten ihm zwar internationale Preise wie den Goldenen Bären ein, aber beim Regime fiel er in Ungnade. Jetzt soll er in eines der Covid-verseuchten Gefängnisse einziehen, und aus der einjährigen Haftstrafe könnte leicht ein Todesurteil werden.

31 ein Jahr Haft für einen ehrlichen Mann
Ein Jahr Haft für einen „ehrlichen Mann“

- In Den Haag wird gegen den Milizenführer Ali Kuschaib verhandelt. Er soll für Massentötungen und Vergewaltigungen im Dafur-Konflikt des Jahres 2004 verantwortlich sein. Das Verfahren weist gewisse Längen auf: der UN-Auftrag zur Ermittlung stammt aus dem Jahre 2005, der Haftbefehl aus dem Jahre 2007, die Auslieferung an die Niederlande erfolgte 2020, und die nächste Anhörung ist erst für den 7. Dezember angesetzt. Und das, obwohl das Weltstrafgericht in diesem Falle keinen handfesten Drohungen ausgesetzt ist. Wenn es aber jemals die Frechheit besäße, gegen US-Sicherheitskräfte zu ermitteln, dann, so die US-Regierung, müssten die Ermittler und ihre Angehörigen (bis ins 3. Glied!) mit Sanktionen rechnen, z.B mit Einfrierung ihres Besitzes in den USA.

Hoffnungszeichen

Im Juni jährte sich zum 75. Mal die Unterzeichnung der UN-Charta. An der Arbeit der Organisation gibt es viel zu kritisieren – in jüngster Zeit der mühsame und beschämende Kompromiss über die humanitäre Hilfe für Nordsyrien -, aber ihr Hauptziel, die Verhinderung eines (atomaren) 3. Weltkriegs hat sie bisher erreicht. Für die SZ jedenfalls ist sie „ideell die wichtigste Vereinigung des Erdballs“. Aber um aus dem Papiertiger ein zupackendes „Raubtier“ zu werden, wäre eine Reform von Nöten, ist aber in weiter Ferne: die Abschaffung des Vetorechts für die ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat.

- „Auf eine unerwartete humanitäre Geste“ haben sich die deutschen Innenminister verständigt. Ab Juli sollen 243 kranke Kinder und Jugendliche mit nahen Angehörigen aus griechischen Flüchtlingscamps nach Deutschland geholt werden. Bundesinnenminister Seehofer freute sich, dass „neben Berlin und Thüringen auch Bayern Flüchtlingsfamilien unterbringen wolle“. Hätte er uns Bayern wohl gar nicht zugetraut!

- Zwei Frauen, die eine Mama, die andere Oma, sollen diesen Monat, in dem so viel vom Treiben und den Umtrieben der Männer die Rede war, beschließen. Da ist zum einen Fadumo Korn, „Frauenaktivistin mit großer Klappe und noch mehr Mut“. In Somalia als Kind zwangsbeschnitten, führt sie seit 2003 in Deutschland einen von „Wut“ getragenen Kampf gegen die Genitalverstümmelung – und für ein Leben nach diesem Eingriff.

„Man hat uns ein Organ genommen, aber nicht das Gehirn oder die Zunge herausgeschnitten.“

32 Fadumo Korn - von Somalia nach Bayern-2
Fadumo Korn - von Somalia nach Bayern

Und dann die Oma! Inge Heimer, wohnhaft in Landau, gründete in Kandel/Rheinland-Pfalz, der Stadt, wo 2017 ein Mädchen von ihrem afghanischen Exfreund erstochen wurde und die bis heute ein Aufmarschgebiet der Rechten ist, die Sektion von „Omas gegen rechts“, die in Kandel bei den Gegenprotesten mitmischen. Die streitbare Oma wurde schon von Neonazis eingekreist und als „Hexe“ beschimpft, hat aber im „Kontakt“ mit der Polizei auch schon mit Schlagstöcken und Pfefferspray Bekanntschaft gemacht.

Ihr Vermächtnis an die Enkel:

„Ich will nicht, dass meine beiden Enkel in einem Milieu aufwachsen, in dem rechtes Gedankengut wieder salonfähig ist.“

Wenn Sie uns fragen - Das wollen wir auch nicht!

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Frei nach B. Brecht: Die (un)würdige Oma

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- In Tel Aviv protestieren etwa 10 000 Menschen gegen häusliche Gewalt. In der Woche, wo es aufgrund des Coronavirus besonders strenge Ausgehsperren gab, wurden acht Frauen von ihren Partnern getötet.

- Ein historischer Prozess: Erstmals verurteilt ein deutsches Gericht einen Iraker wegen seiner Mitgliedschaft im „Islamischen Staat“. Inzwischen soll es in Deutschland IS-Kämpfer in „einer mittleren dreistelligen Zahl“ geben.

- Joanne K. Rowling, die Autorin der Harry Potter Romane, hat sich die Empörung der Transgender-Gemeinde eingehandelt, weil sie sich über einen Text mokiert hatte, der das Wort „Frauen“ vermeidet und stattdessen von „Personen, die menstruieren“ spricht. Ich bleibe den Frauen treu.

Leseprobe mit Lokalkolorit (zur Entspannung gedacht)

„Material über Sitten und Gebräuche der altbayrischen Menschen jener Epoche findet sich in einer Zeitung, … dem „Miesbacher Anzeiger“. Diese Zeitung ist in zwei Exemplaren erhalten; das eine befindet sich im Britischen Museum, das andere im Institut zur Erforschung primitiver Kulturformen in Brüssel.“

Lion Feuchtwanger „Erfolg“ (1930)


Juli 2020

 

Auch im Juli konnte von einer Coronapause nicht die Rede sein. Es gab eine (Über)Fülle von Nachrichten, die den Eindruck vermittelten, dass wir weniger in der „links-grün versifften“ (Jörg Meuthen, AFD), sondern eher in einer rechts-braun versifften Gesellschaft leben, in der nur noch der Deutsche Stenografenverband, das Rote Kreuz und die Linkspartei nicht rechts unterwandert sind.

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Wir werden versuchen, der Überfülle durch Kürzung, der „Versiffung“ durch Ausgewogenheit und der Aufregung durch Gelassenheit zu begegnen. Und die Mahnung des Chefredakteurs der SZ, die er sicher auch an die eigene Zeitung richtet, beherzigen, dass man sich „nicht im Negativen verheddern“ soll.

- Sündenbock Polizei: Da gab es wieder Drohschreiben an linke Politikerinnen, die mit NSU 2.0 unterzeichnet sind und Informationen enthielten, die von Polizeicomputern in Hessen abgerufen worden waren. Da der Verdacht aufkam, es könnte sich nicht um Einzeltäter, sondern um ein rechtes Netzwerk bei der hessischen Polizei handeln, wurde der Polizeipräsident gefeuert und ein Sonderermittler eingesetzt, der diesen Verdacht entkräften (oder bestätigen) soll. Der wird sich freuen, dass zunächst einmal ein bayrisches Ehepaar (der Mann Ex-Polizist) aus Landshut der Urheberschaft bezichtigt wurde. Sie sollen für sechs solcher Schreiben verantwortlich sein, wurden aber nur als „Trittbrettfahrer“ eingestuft. Da werden für die Teilentlastung doch nicht (ex)-kollegiale Erwägungen eine Rolle gespielt haben? Im August liefen auch in Hamburg und Berlin Ermittlungen wegen solcher Drohmails. Wir schlagen als Kompromissformel vor: Es handelt sich um ein Netzwerk von Einzeltätern.

Dass es Polizisten bei manchen Einsätzen extrem(istisch) in den Fingern juckt, ist zu verstehen, wenn man die Krawallnacht auf dem Opernplatz in Frankfurt vor Augen hat. Da warfen drei Dutzend alkoholisierte Partyfreaks Flaschen auf die Polizei, und der Mob, immerhin an die 500 Leute, applaudierten im Rhythmus des „All cops are bastards“. Aber die Politikerinnen, die Drohbriefe erhalten hatten, waren da eher nicht dabei.

- Sündenbock KSK: Wenn Sie schon einmal als Geisel im Ausland vom Kommando Spezialkräfte befreit worden sind, werden sie von der Truppe zu Recht ein positives Bild haben. Dass Mitglieder einer ihrer Kompanien im Jahre 2017 bei einer Abschiedsfeier mit Schweineköpfen geworfen, Nazimusik gespielt, den Hitlergruß gezeigt und (nachher) vor den Ermittlern eine „Mauer des Schweigens“ gebildet haben, dürfte dieses Bild etwas eintrüben. Im Schutz dieser „Mauer des Schweigens“ scheint sich ein KSK-Soldat in Collm/Sachsen ein privates Waffenlager angelegt zu haben. Der „Nazi-Opa“ gehörte offensichtlich zu den 20 mutmaßlichen Rechtsextremisten, die im KSK identifiziert wurden – und dabei wurden nur die „eindeutigen Fälle“ aufgeführt. Reingestochert hat ein junger KSK-Hauptmann, der „eine toxische Verbandskultur durch schwere Mängel im Bereich Ausbildung“ moniert hatte. Außerdem fehlen dem KSK 62 Kilo Sprengstoff und 48 000 Schuss Munition. Es soll sich aber um eine Fehlbuchung handeln, nicht um eine Liebesgabe an Terroristen. Der Fairness halber sei angemerkt, dass auch innerhalb der Gruppe „der Zorn auf die Rechtsextremen erheblich“ sein soll. Und die 2. Kompanie, die für die „Schweinekopfparty“ verantwortlich war, wurde inzwischen aufgelöst.

- Angriff auf Rabbiner: Beim Verlassen der Straßenbahn am Isartor/München wurde ein Rabbiner von vier jungen Männern angepöbelt und beleidigt. Gott sei Dank, so wird der deutsche Volksmund sagen, sprachen die Angreifer (miteinander) arabisch, aber das ‚F… Israel!‘ kam auf Englisch und wäre somit auch den Zeugen des Vorfalls verstehbar gewesen. Die aber, so der Rabbiner, „haben weggeschaut und die Sache okay gefunden“. Wie hätte man selbst reagiert? Den Mund aufgemacht oder die Ohren zugehalten? Gerade wegen unserer deutschen Geschichte wäre Zivilcourage unumgänglich, meine ich – aus sicherer Distanz.

- Nicht wegschauen und den „Hass ernst nehmen“, so hat Muhterem Aras, die Landtagspräsidentin von Baden-Württemberg, auf die Postings reagiert, die sie sexuell herabgewürdigt und physisch bedroht haben. Sie hat durch einen Gerichtsentscheid Google gezwungen, die Daten von 25 Nutzern herauszugeben und hat nach weiteren Hasskommentaren 36 Strafanzeigen gegen unbekannt gestellt. Der Widerstand gegen die sozialen Medien ist ein Kampf gegen Windmühlen, aber noch aussichtsloser ist derzeit der Aufstand (von Teilen) der Bevölkerung Hongkongs gegen den chinesischen Drachen, der sein Feuer in Form des neuen Sicherheitsgesetzes speit. Peking nutzt die Schockstarre, die die Pandemie aus Wuhan über die Welt gelegt hat, um den Widerstandsgeist der Hongkonger „Kriminellen“ einzufrieren.

(Ich gebe zu: Hier kollidieren die Metaphern: Mit Feuer kann man nicht einfrieren. Das war aber nur ein Test, um herauszufinden, ob Sie diesen Bericht auch sorgfältig genug lesen.)

Hier die Schlagzeilen aus Merkur und SZ:

- „Totengeläut“ für Hongkong (1. Juli)

- Stadt in Angst (1. Juli)

- Jimmy Lai: „Bis sie mich zum Schweigen bringen“ (1. Juli)

- Peking greift in Hongkong durch (2. Juli)

- Chinas Angriff auf die Freiheit (2. Juli)

- Angst auf den Straßen von Hongkong (8. Juli)

- finstere Botschaften – Chinas Diplomaten verbitten sich Kritik aus dem Ausland (11. Juli)

- Nathan Law: „Frau Merkel, wir brauchen Ihre Hilfe“ (11. Juli)

- Benny Tai – ein Lichtblick für Hongkong, eine Gefahr für die KP (14. Juli)

Und hier die Schlagzeilen aus den Ländern in der Schockstarre:

- China braucht ein Warnsignal (1. Juli)

- Die USA beschließen Sanktionen gegen chinesische Funktionäre (1. Juli)

- EU scheut China-Sanktionen (14. Juli)

- London riskiert Konflikt mit Peking (21. Juli)

- Vorsichtige Solidarität mit Hongkong (30. Juli)

- Brüssel kommt zu spät (30. Juli)

Mehr als aufgestoßen hat die „geradezu schreiende Sprachlosigkeit“ der Bundesregierung. Selten hat sich Deutschlands Abhängigkeit von China stärker gezeigt. Im August hat man sich dann aufgerafft und hat den Auslieferungsvertrag mit Hongkong ausgesetzt. Und die EU-Außenminister tragen sich ernsthaft mit dem Gedanken, den Export von Tränengas und Gummigeschoßen nach China zu verbieten. Jetzt weiß man wenigstens, dass auch solche Güter exportiert wurden.




Die Kurznachrichten

- Frei Betto, einer der wichtigsten Befreiungstheologen Lateinamerikas, hat die Coronakrise in Brasilien mit einem Völkermord verglichen. Präsident Bolsenaro und seine Regierung seien „leichenfixiert“, betreiben eine Politik der absoluten Priorität der Wirtschaft und ließen die Alten sterben, „um Ausgaben der Sozialversicherung zu sparen“.

- Am Veto Russlands und Chinas ist eine UN-Resolution für Hilfslieferungen in Syrien gescheitert. Russland sieht in den Lieferungen eine Einschränkung der syrischen Souveränität, die aus dieser Sicht auch das Recht zu umfassen scheint, die eigene Bevölkerung auszuhungern.

- Ein hämisches Grinsen lag auf dem Gesicht von Viktor Orbán, als er nach dem EU-Gipfel verkündete, der „nationale Stolz“ sei gerettet worden. Ursprünglich war noch von einem „Konditionalitätssystem“ die Rede gewesen, das Gelder aus dem künftigen EU-Budget an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien knüpfen sollte. Orbán und seinem polnischen Kollegen fiel die Zustimmung nicht schwer, denn die jetzige Formel ist so schwammig, dass die beiden Herren die Bedingungen selbst stellen können.

- In der Türkei wird derzeit über den Austritt aus einer Konvention diskutiert, die „Zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ erlassen worden ist. Sie beinhaltet auch die Forderung nach Gleichstellung von Männern und Frauen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sie 2011 in Istanbul unterzeichnet wurde. Islamistische Vordenker behaupten, die Istanbul-Konvention, so die Kurzformel, „beschädige die Familie, normalisiere Homosexualität und widerspreche dem gottgegebenen Verhältnis zwischen Mann und Frau“. Außerdem neige das Land „zu einer Feminisierung der Männer und zu einer Maskulinisierung der Frauen“.

36 Feminisierung sieht anders aus
„Feminisierung“ schaut anders aus.

Präsident Erdogan neigt zu Zugeständnissen an die Islamisten, obwohl die Türkei immer wieder von haarsträubenden Fällen von Femizid heimgesucht wird. Der Fairness halber ist hinzuzufügen, dass ein Austritt aus der Konvention auch in Polen diskutiert wird. Die „Islamisten“ hocken dort in der Regierungspartei und in der katholischen Kirche.

- In der Benediktinnerinnen-Abtei von „Maria Frieden“/Oberfranken ist der Frieden gestört, denn die Staatsanwaltschaft in Bamberg wirft der Äbtissin Mechthild Thürmer „Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt“ vor. Die Äbtissin hatte 2018 einer Eritreerin Kirchenasyl gewährt, die nach Italien zurückgeführt werden sollte und dadurch von ihrem Mann getrennt worden wäre, der in Deutschland bereits als Asylbewerber anerkannt war. Die Äbtissin hatte einen Strafbefehl über 2500€ erhalten und sich geweigert, ihn zu zahlen. Jetzt sollte sie vor Gericht erscheinen, aber die Verhandlung wurde „wegen weiterer Ermittlungen“ abgesetzt:

Die Äbtissin hatte inzwischen einer Nigerianerin Kirchenasyl gewährt. Während in der Vergangenheit ein Großteil der Kirchenasyle friedlich (und für die Asylbewerber häufig erfolgreich) aufgelöst wurden, hat das BAMF „einseitig das Übereinkommen (zwischen Staat und Kirche) erweitert“ und eine „unzumutbare Härte im Einzelfall“ draufgesattelt. Und was „zumutbar“ ist, bestimmt natürlich das BAMF.

37 Mutter Mechthild Thürmer
Mutter Mechthild Thürmer - noch auf freiem Fuß  

AI-Meldungen

- Türkei: Von der türkischen Justiz kommen Urteile im Schachbrettmuster. Deniz Yücel wurde verurteilt, Asli Erdogan freigesprochen, beide in Abwesenheit. Auf eine (Rück)Reise in die Türkei werden die beiden wohl noch verzichten müssen, denn gegen Yücel laufen zwei weitere Verfahren, und bei Asli Erdogan würde man sich auch wieder was einfallen lassen. Auch im Prozess gegen die „11 von Istanbul“ gab es Licht und Schatten. Peter Steudtner wurde freigesprochen, die AI-Leute Taner Kilic und Idil Eser zu (teils) empfindlichen Haftstrafen verurteilt. Auch hier zeigte sich das Schwert des Präsidenten.



- Russland: Seit sich Putin die Präsidentschaft auf Lebenszeit genehmigen ließ, gehen seine Geheimdienste noch härter gegen Kritiker vor. Jüngstes Opfer war der angesehene Historiker und Menschenrechtler Juri Dimitrijew, der zu dreieinhalb Jahren Straflager verurteilt wurde. Er hatte zu den Massenhinrichtungen unter Stalin geforscht und Gedenkorte für die Opfer eingerichtet. Das ist selbst in Putins Reich nicht strafbar, und deshalb hat man ihm eilends den Missbrauch seiner Adoptivtochter unterschoben.

- Iran: In dem Land, das nach China die meisten Todesurteile weltweit vollstreckt, hat ein Shitstorm den Aufschub der Hinrichtung von drei jungen Männern bewirkt. Die drei Männer hatten 2019 an den Demos gegen die Erhöhung der Benzinpreise teilgenommen, was ihnen u.a. den Anklagepunkt „Absicht, Krieg gegen die Islamische Republik Iran zu führen“ einbrachte. Mutmaßlich haben die Breite des Protestes und die Teilnahme prominenter Persönlichkeiten dazu geführt, dass sie einen neuen Prozess erhalten.

- Weißrussland: Mit der Verhaftung von Wiktor Babariko im Juni deutete sich schon an, dass der Diktator Lukaschenko bei den Wahlen im August mit starkem Gegenwind zu rechnen hatte. 400.000 Leute hatten Babarikos Kandidatur unterstützt, und als er (und andere Kandidaten) von der Wahl ausgeschlossen wurden, hatten sich kilometerlange Protestschlangen gebildet. AI hat ihn zum politischen Gefangenen erklärt. Er sollte nicht lange allein einsitzen.

Aufheller und Kuriosa

- In New York hat man ein Strafverfahren gegen eine weiße Frau eingeleitet, welche die Vergewaltigungsphantasie „schwarzer Mann – weiße Frau“ bedienen wollte. Sie war von einem (schwarzen) Vogelbeobachter im Central Park aufgefordert worden, ihren Hund an die Leine zu nehmen. Es kam zum Streit, sie rief bei der Polizei an und gab an, ein afroamerikanischer Mann würde sie und ihren Hund bedrohen. Im Oktober muss sie sich wegen falscher Angaben vor Gericht verantworten. Immerhin hat sie sich inzwischen entschuldigt.

- Im Südsudan „trägt die Revolution Früchte“. Die Todesstrafe für Apostasie/Abfall vom Glauben und für gleichgeschlechtlichen Sex wurde abgeschafft, die weibliche Genitalverstümmelung unter Strafe gestellt, öffentliche Auspeitschungen verboten. Und Nichtmuslime dürfen jetzt Alkohol trinken!

- Den Denkmalstürzern fiel im Juni die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston in Bristol/England zum Opfer. Im Juli hat man sie durch die 3-D-Plastik der Demonstrantin Jen Reid ersetzt. Die Sockelinschrift für Colston hat man (zunächst) belassen. Schließlich hat er das Geld aus dem Sklavenhandel auch in Schulen, Kranken- und Armenhäuser investiert.

39 Neubesetzung eines Sockels
Neubesetzung eines Sockels

- Das Extremismusthema des Monatsanfangs wollen wir zum einen mit einem Dokument aus Rom beschließen. Der Vatikan setzt der Gemeindereform der katholischen Kirche (in Deutschland) enge Grenzen. Man kann das nur als Retroextremismus bezeichnen.

- Zum anderen wollen wir auch auf den Extremismus der Mountainbiker eingehen, der weder links noch rechts, aber uns dafür geografisch sehr nahe ist. Der Merkur ist unter dem Titel „Die Nerven liegen derzeit blank“ auf die Gewalthäufungen in unserer Gegend eingegangen. Da hat ein Mountainbiker einen Gebietsbetreuer attackiert, weil der ihn auf das Radfahrverbot hingewiesen hat, und da hat ein anderer Biker mit dem Stock auf eine Frau eingeschlagen, weil ihn deren Hund verfolgt hatte. Wir haben natürlich kein Verständnis für diese Form von Selbstjustiz, können es uns aber nicht verkneifen, den Merkur zu zitieren, der zwischen Bindestrichen suggestiv den Hund beschrieben hat:

„Der Hund – laut Polizei eine größere Rasse, genau will sie es nicht sagen – lief dem Radler hinterher, die Frau rief ihn zurück.“


Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- In Pakistan ist ein wegen Blasphemie angeklagter Mann mitten im Gerichtssaal erschossen worden. Da fragt man sich, wer Allah mehr gelästert hat.

- Vor dem Internationalen Strafgerichtshof hat ein Prozess gegen Al Hassan, einem mutmaßlichen Dschihadisten aus Mali begonnen. Die Verteidigerin beantragte eine Begutachtung ihres Mandanten, der möglicherweise unter einer „posttraumatischen Belastungsstörung“ leide. Darunter leiden wohl eher seine Opfer.

- In Marokko gehen die Behörden verschärft gegen Journalisten vor. Das Königreich gibt sich nach außen hin reformorientiert, verfolgt aber seine Kritiker mit großer Härte.

- „Ein Schiff soll kommen“, titelte die SZ einen Artikel, der die Bemühungen der italienischen Regierung zum Thema hatte, den Umgang mit Migranten wieder menschlicher zu gestalten. Mal sehen, wie es der Sea-Watch 4, das Schiff, das die evangelische Kirche ausschickte, im August ergehen wird.

 

August 2020

 

Warum, so frägt man unbedarft, kann in der Coronazeit neben den Kitakindern, Schülern, Kneipenbetreibern, Fußballfans und Heiminsassen nicht auch über Menschenrechtsverletzern in Amt aber ohne Würden ein Lockdown verhängt werden – über Präsidenten, die Wahlen fälschen, Geheimdienstler, die (mit Rückendeckung von ganz weit oben) Dissidenten vergiften, Polizisten, die aus der Nähe in den Rücken schießen, Rassisten, die Kinder angreifen, Ausländerbehörden, die willkürlich abschieben. „Auf geht’s beim Schichtl“ kann man nur noch sagen, wenn man den August Revue passieren lässt.

Fangen wir mit einem besonders dreisten Schurkenstück an: Dem Kremlkritiker Alexej Nawalny wurde am Flughafen von Tomsk eine Tasse Tee serviert, die zur Geschmacksverstärkung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok angereichert war. Die russischen Ärzte hatten zunächst von einer „Stoffwechselstörung“ gesprochen, die einerseits harmlos war, aber andererseits einen Transport nach Deutschland nicht zuließ. Es ist zu vermuten, dass sie meinten, ein paar zusätzliche Tage in einem russischen Krankenhaus könnten einer Verschlechterung von Nawalnys Zustand eher förderlich sein. Oder es würde sich der „Geschmacksverstärker“ eher abbauen. In der Charité in Berlin wurde zweifelsfrei die Vergiftung nachgewiesen und Nawalny soweit aufgepäppelt, dass man ihn im September wieder auf einer Parkbank sitzen sah.

40 Gute Besserung, Herr Nawalny
Gute Besserung, Herr Nawalny

Um mit Entsetzen Scherz zu treiben, hier eine Blütenlese zu den Versuchen, aus dem Attentat eine (etwas fehlgelaufene) Teeparty zu machen:

- Der Chef der Notfallklinik in Omsk: „Weder im Blut noch im Urin des Patienten seien Spuren eines Giftes gefunden worden. Deshalb gehen wir davon aus, dass er nicht vergiftet wurde.“

- Der Chef der Auslandsaufklärung SWR: „Es gab keine Anzeichen für Giftstoffe in seinem Organismus vor dem Abflug nach Berlin.“

- Ein Abgeordneter der Duma/Hauptverdächtiger im Mordfall Litwinenko (2006): „Falls man Nowitschok nachgewiesen habe, sei Nawalny damit wahrscheinlich erst in der Charité in Kontakt gekommen.“

- Und Putin in einem Telefonat mit Macron: „Nawalny könnte sich das Gift selbst verabreicht haben.“

Erst später sollte sich herausstellen, dass die Tasse Tee eine blaue Unterhose war.

Wie soll man mit einem solchen Präsidenten umgehen, dem alles zuzutrauen ist, aber nichts etwas anhaben kann? Oder doch? Da gäbe es doch die Pipeline Nord Stream 2, aber, sagt Vizekanzler Scholz, das ist ein „privatwirtschaftliches Energieprojekt, an dem sehr viele Unternehmen beteiligt sind“. Im September hat sich die EU zu Sanktionen durchgerungen: Sechs Personen, vorrangig aus dem Sicherheitsapparat, ein Oligarch mit dem Beinamen „Putins Koch“ und ein Forschungsinstitut, das an der Giftmischerei beteiligt sein könnte, wurden mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegt. Auf eine Beschlagnahmung von Putins Villa in Marbella/Südspanien hat man verzichtet.

Zu den Leuten, die die Verstrickung Putins in die Nawalny-Affäre angezweifelt hatten, gehörte (schon aus zweitberuflichen Gründen) Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Er hatte dies als „Spekulation“ bezeichnet. In einem Interview mit der Bildzeitung spekulierte Nawalny zurück und bezeichnete Schröder als „Putins Laufbursche“.

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Überleitung zum nächsten Thema

Wenn man in manchen osteuropäischen Ländern von 80% spricht, meint man meist den Wodka. In Belarus hat Präsident Lukaschenko mit 80% die Wahlen gewonnen – sagt er, glaubt man aber nicht. Schon im Vorfeld hatte er sich seiner Gegenkandidaten durch Inhaftierung entledigt, sodass einer von ihnen seine Frau ins Rennen schicken musste. Swetlana Tichanowskaja, die von zwei anderen „Präsidentschaftskandidatenwitwen“ unterstützt wurde, war zuletzt als Hausfrau tätig gewesen und hatte sich erst im Wahlkampf politisiert. Trotzdem hat sie dem Amtsinhaber tüchtig eingeheizt, und er musste tief in die Trickkiste greifen, um seine Gegnerin auf ihren 10% zu belassen: die Zahl unabhängiger Wahlbeobachter wurde (wegen Corona) reduziert, und Wahlhelfer wurden gefilmt, die die Stimmzettel von „Falschwählern“ verschwinden lassen. In Wahllokalen, wo ehrlich gezählt wurde, soll Frau Tichanowskaja bis zu zehn Mal so viele Stimmen bekommen haben, wie Lukaschenko.

In weiser Voraussicht hatte der „letzte Diktator Europas“ das Militär auffahren lassen, denn schon am Wahlabend gingen die Leute wieder auf die Straße. Es kam zu Festnahmen, es wurde großflächig gefoltert, Frauen demonstrierten friedlich in weißen Kleidern und wurden niedergeschlagen, auch wenn sie schwanger waren. Frau Tichanowskaja hat unter Druck das Land verlassen, ihre Mitstreiterin Maria Kolesnikowa sitzt nach einer kinoreifen Entführung in Haft. Doch davon später.

42 Die mutigen Frauen von Minsk
Die mutigen Frauen von Minsk

Nach mehr als vier Wochen des Protestes fragt man sich, in welchen Gefängnissen überhaupt noch Platz sein kann. Lukaschenko setzt auf Zermürbung und ist sich der Unterstützung seines Übervaters Putin sicher, der versprochen hat, einzugreifen, wenn die Lage „außer Kontrolle“ gerät. Bei solchen Äußerungen fühlt man sich an die Zeit der Sowjetunion erinnert: Da fanden auch Volksaufstände statt – und die Kontrolle wurde wieder hergestellt.

Die US-Regierung hüllt sich in Schweigen, die EU versuchte, die Schwelle für solche Sanktionen möglichst niedrig zu halten. Lukaschenkos Name kam jedenfalls erst Mitte September mit auf die Sanktionsliste. AI sah in der Brutalität auf den Straßen nur „die Spitze eines Eisbergs“. Uns vor Ort bleibt nur übrig, mit den Demonstranten zu skandieren: „Hau ab!“

AI-Nachrichten

- Todesstrafe: 1987 hatten die Philippinen als erstes Land in Südostasien die Todesstrafe abgeschafft., leider kein „point of no return/Punkt ohne Wiederkehr“, denn auf Betreiben von Präsident Duterte soll jetzt die Todesstrafe wieder eingeführt und auf Drogenvergehen erweitert werden. Da sollte sich der Präsident aber vorsehen: Sein Anti-Drogen Kampf hat bereits 30.000 Menschenleben gekostet, und die Morde, die dabei begangen wurden, könnten auch Duterte an den Strang bringen. Der Senat muss noch zustimmen – zur Todesstrafe, nicht zur Exekution Dutertes.

- In einem islamischen Bundesstaat Nigerias wurde der Musiker Yahaya Sharif- Aminu von einem Religionsgericht wegen Blasphemie zum Tode verurteilt. Er habe in einem Lied einen Imam der Sufi-Bruderschaft so sehr gelobt, dass er ihn in den Augen des Richters über den Propheten Mohammed gestellt hat. Im Norden Nigerias wurde 1999 die Scharia wieder eingeführt und wird seither immer radikaler ausgelegt. Ob der Koran überhaupt eine körperliche Bestrafung für Blasphemie hergibt, ist bei Gelehrten umstritten.

- Pressefreiheit: Endlich hat es auch ein Land in diesen Jahresbericht geschafft, das bisher aus guten Gründen unerwähnt bleiben konnte – Jordanien. Bislang hatten dort Journalisten sogar Kritik am Königshaus und an der Regierung äußern dürfen. Jetzt weht ein anderer (Wüsten)Wind. Über Nacht, so der Mitarbeiter einer deutschen Stiftung in Amman, sei das Land zu einem Polizeistaat geworden, in dem die Arbeit von Journalisten zunehmend behindert werde. So wurde beispielsweise eine Nachrichtensperre über das Verbot der Lehrergewerkschaft und die Verhaftung von Dutzenden von Lehrern verhängt. Und als ein Gewerkschaftler bei seiner Verhaftung nach dem Haftbefehl fragte, gab ihm der Offizier zur Antwort: „Ich bin der Befehl.“ Verständlich, dass man solche Szenen nicht in der Presse sehen möchte.

- „Die Jordanier sollen sich nicht so haben“, könnten sarkastisch ihre Kollegen aus Mexiko sagen, „die werden höchstens eingesperrt, wir aber werden gleich ermordet.“ In diesem Jahr wurden schon fünf Journalisten getötet, die über Massaker der Drogenkartelle und Korruption der Politiker berichtet hatten. Die Polizei kann (oder will) sie nicht schützen, und die Täter werden selten bestraft.

- Waffen: Unsere Partnerorganisation Human Rights Watch hat über neue Waffensysteme berichtet, die nicht mit dem Völkerrecht vereinbar sind, weil sie bei einem Angriff nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterscheiden können. Es handelt sich um Killerroboter, die „mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind und ohne menschliche Steuerung Ziele auswählen und angreifen können“. Ein internationales Verbot ist derzeit fast unmöglich, weil in vielen Ländern bereits massiv investiert wird (Vorreiter: USA und Russland) und keiner dieser Staaten „ins Hintertreffen geraten“ möchte. Bei der Erfindung neuer Waffen macht uns kein Marsianer etwas vor.

- Menschenrechtlerinnen: In Hongkong hat man Agnes Chow, die „Göttin der Demokratie“ verhaftet. Als 17-jährige fungierte sie bei der Regenschirm-Revolution von 2014 als Pressesprecherin, gründete 2016 die prodemokratische Partei Demosisto mit und wäre 2018 ins Parlament gewählt worden, wenn man ihr nicht die Teilnahme verweigert hätte. Jetzt wirft man ihr einen „Verstoß gegen das Sicherheitsgesetz“ vor. Zwar wurde sie nach zwei Tagen gegen Kaution freigelassen, aber bei einer Verurteilung droht ihr eine jahrzehntelange Haftstrafe – in Gesellschaft des Verlegers Jimmy Lai und des Demokratie-Aktivisten Joshua Wong. Im Dezember wurden Agnes, Joshua und ein weiterer Aktivist zu monatelangen Haftstrafen verurteilt. Seit Europa unter der Pandemie leidet, kann Peking sich alles erlauben.

- Bei den Verhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban wird Fausia Kufi mit am Tische sitzen, was den Gotteskriegern ganz und gar nicht gefallen wird, nicht nur, weil sie eine Frau ist, sondern auch weil sie sich für Frauenrechte engagiert. Frau Kufi hat schon mehrere Anschläge überlebt und wurde v.a. deshalb zur Hassfigur, weil sie mit ihrer Widerstandskraft zum Vorbild für afghanische Frauen wurde., die nicht länger „nachrangig“ sein möchten. Vor Jahren schrieb sie einen Brief an ihre Töchter – für den Fall, dass sie bei einem Attentat getötet würde: Sie täte das alles,

„damit ihr – meine heiß geliebten Töchter – frei seid, eure Leben zu leben und eure Träume zu träumen“.

Ihre Autobiographie trägt den Titel „Nur eine Tochter“. Wenn solche Töchter mehr zu sagen hätten, wäre es um Afghanistan besser bestellt. Deshalb ist nur zu begrüßen, dass Präsident Ghani noch vor den Friedensgesprächen die Gründung eines hohen Rats für Frauen beschlossen hat. Möge dem Rat ein langes Leben beschert sein!

Die Kurznachrichten

- Die USA kommen nicht zur Ruhe. In Kenosha/Wisconsin wurde der Schwarze Jacob Blake schwer verwundet. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit zwei weißen Polizisten wollte er in den Wagen steigen und wurde mit sieben Schüssen in den Rücken bedacht. In der Folge kam es zu Rangeleien mit der Polizei, Brandstiftungen durch die Demonstranten und dem Einsatz eines „Bürgerwehrlers“, der an einer Tankstelle zwei Menschen erschoss, weil er die Tankstelle vor der Zerstörung schützen, oder der Polizei helfen wollte, oder, so Präsident Trump bei seinem Wahlkampfauftritt in Kenosha, „in absoluter Notwehr“ gehandelt habe.

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Dem Präsidenten kommen die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den amerikanischen Städten wie gerufen. Immer wieder twittert er in Großbuchstaben LAW&ORDER und könnte damit ein griffiges Wahlkampfthema gefunden haben, denn seine Anhänger wollen nicht begreifen, dass Trump weniger der Sheriff, sondern eher der Pate ist, der den „Krieg im Inneren“ mit angezettelt hat. Was er von Leuten wie dem (rechtsextremen) „Regenschirmmann“ hält, nach dem gefahndet wird, weil er in Minneapolis als „agent provocateur/Anstachler“ Demonstranten zu Plünderungen aufgerufen hat, weiß man nicht. Dazu hat er „völlig gegen seine Natur“ noch nicht getwittert.

- Deutschland, Frankreich und Hongkong legen wechselseitig ihre Auslieferungsabkommen auf Eis. Die europäischen Staaten begründen dies mit der Aufschiebung der Parlamentswahlen, Hongkong mit der „Politisierung der juristischen Zusammenarbeit“. Hiermit können deutsche Reichsbürger, die nach Aufspürung ihres Waffenarsenals nach Hongkong geflüchtet sind, und Hongkonger Dissidenten, die gegen das Sicherheitsgesetz verstoßen haben und es gerade noch nach Deutschland geschafft haben, nicht mehr ausgeliefert werden. Den Reichsbürgern trauern wir nicht nach.

- In Thailand gibt es ein strenges Gesetz gegen Majestätsbeleidigung. Wenn da jemand sagt: „Majestät, wie wär’s, wenn Sie wieder einmal Ihren Dauerurlaub in Garmisch unterbrechen und zuhause nach dem Rechten sehen würden?“ riskiert eine Gefängnisstrafe von bis zu 15 Jahren. Das lassen sich die Studenten des Landes immer weniger gefallen. Seit Juli gibt es Demonstrationen gegen das Majestätsgesetz und für eine Demokratisierung der archaischen politischen Strukturen. Die Wortführerin der Demonstranten ist die 22-jährige Panusaya Sithijirawattanakul, die zwar einen (für deutsche Zungen) unaussprechlichen Namen trägt, aber Klartext redet und ihre Botschaft an das Herrscherhaus wie folgt zusammenfasst: Niemand werde mit blauem Blut geboren, „alle menschlichen Wesen haben rotes Blut, wir sind nicht unterschiedlich“. Diese Botschaft wurde im September in Bangkok vor 100.000 Studenten verlesen, und König Rama X. wird sie auch in Garmisch vernommen haben.

- In Frankreich wurde die Gedenkstätte von Oradour, wo 1944 eines der schlimmsten SS-Massakers des Krieges stattgefunden hatte, von bisher unbekannten Tätern geschändet. Auf einem Schild wurde das Wort „village martyr/Märtyrerdorf“ durch „village menteur/Lügnerdorf“ überschmiert. Der Originalort ist heute ein Geisterdorf, und als Deutscher geht man mit großer Beklemmung durch die Straßen.

45 Oradour
Oradour 1944

- Die Sea-Watch 4 hatte auf ihrer ersten Fahrt am Ende des Monats bis zu 350 Menschen an Bord und suchte verzweifelt nach einem sicheren Hafen. Anfang September durften die Flüchtlinge in Palermo von Bord, die Besatzung wurde zunächst in Quarantäne geschickt und dann festgesetzt. Man habe zu viele Rettungswesten an Bord gehabt, und das Abwassersystem sei nicht für die Rettung so vieler Personen ausgelegt. Wahrscheinlich wird die Crew jetzt nach Libyen ausgeliefert (Vorsicht Satire!)

- In Freising wurde ein Mann wegen Körperverletzung und Beleidigung zu 1.800 Euro Strafe verurteilt. Er hatte einen 11-jährigen Afrikaner, der beim Vorbeiradeln eine Plastikflasche, so der Täter, ein Bonbonpapier, so die Zeugen, auf sein Auto geworfen hatte, am Hals gepackt, ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet und zugerufen:

„Das nächste Mal zünde ich dich an! Dann kannst du nach Afrika zurückschwimmen und dort Autos verbrennen.“

Der Mann ist juristisch vorbelastet und musste seinen Waffenschein abgeben. Da wird der Richter auch an sich selbst gedacht haben.

- Die Corona-Pandemie treibt seltsame Blüten, unsympathisch wie das Springkraut. In dessen Heimat Indien werden maskenlose Passanten mit Schlagstöcken verhauen oder müssen Kniebeugen machen, und Touristen mussten wegen eines Spaziergangs 500 mal schreiben: „Ich habe mich nicht an die Ausgangssperre gehalten, und das tut mir sehr leid.“ In Brasilien profitiert Präsident Bolsonaro in Umfragen von Covid-19, weil er selbst die Krankheit überwunden, damit bewiesen hat, dass es sich tatsächlich nur um eine gripezinha/kleine Grippe handelt, und weil er trotz astronomischer Sterbeziffern die Wirtschaft nicht so stark heruntergefahren hat wie die Nachbarländer. Die Weltgesundheitsorganisation/WHO hat China einen (ersten) Besuch abgestattet, soll aber die ganze Zeit in Peking verblieben sein und Wuhan gemieden haben. Unter touristischen Gesichtspunkten eine vernünftige Entscheidung!

Und in Deutschland demonstrierten die „Querdenker“, eine Gruppe, die kulinarisch einer „Pizza con tutti“ ähnelt. Aber einer kam den Querdenkern in die Quere: der Kabarettist Florian Schroeder. Er agierte auf einer Demo in Stuttgart als „Trojaner“, führte den Vorwurf einer Corona-Diktatur ad absurdum, bezeichnete Covid-19 als „hochgefährliche Krankheit“ und bekannte sich zu Abstand und Maske. Unter Buhrufen, aber unbeschadet, verließ er die Bühne. Eingeladen wird er wohl nicht mehr so schnell. Auf der Karikatur (aber nur da) stünde ich rechts.



Erfolgsmeldungen

- Weit aus dem Fenster gelehnt haben sich in Miesbach die Chefin eines Friseursalons, Mitglieder der FDP, 2.000 Online-Petenten und der Merkur, der dem Fall des afghanischen Asylbewerbers Naim Karimi ganze vier Artikel gewidmet hat. Naim stand vor der Ausweisung, weil seine Duldung abgelaufen war. Jetzt darf er (zunächst einmal) seine Ausbildung fertig machen und versuchen, die Gesellenprüfung, an der er wegen Sprachproblemen gescheitert war, im 2. Anlauf zu bestehen. Ein Lesebriefschreiber hatte für die „langen und gefühlsduseligen Berichte“ überhaupt kein Verständnis. Er meinte, in Afghanistan gäbe es keine politische und religiöse Verfolgung, und, was Corona anbelangt, sei auch Deutschland ein Risikogebiet.

- Die Justizministerin von New York hat die Anführer der Waffenlobby NRA des Betrugs angeklagt und die Auflösung der Organisation beantragt. Da wird sie kein Gehör finden, aber zumindest zeigt sie den Amerikanern, die es sehen wollen, dass die NRA kein Verein patriotischer Verfassungsschützer, sondern „ein Selbstbedienungsladen für korrupte Funktionäre“ ist.

Eigentum bleibt Eigentum

auch wenn es weggeworfen wurde und zur Entsorgung bestimmt ist. Das mussten zwei Studentinnen erfahren, die 2018 mit einem Vierkantschlüssel den Container eines Supermarkts geöffnet hatten, daraus Lebensmittel entnahmen, von der Polizei erwischt wurden, wegen Diebstahls zu acht Stunden Sozialarbeit bei der Tafel verurteilt wurden und in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegten. Den beiden Frauen ging es weniger um Mundraub, sondern um ein Zeichen gegen Verschwendungssucht. Die Richter in Karlsruhe entschieden sich formal für „das unumschränkte Herrschaftsrecht des Eigentümers“, ließen aber offen, ob der Gesetzgeber hier schon „die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung“ gefunden hat. Nein, hat er nicht! In Frankreich ist das Wegwerfen von Lebensmitteln unter Strafe gestellt, und Supermärkte sind verpflichtet, noch genießbare Lebensmittel zu verteilen. Dann wird auch der Vierkantschlüssel überflüssig.


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Was der Selbstzensur zu Opfer fiel

Ehrlich gesagt, nicht viel, weil der Monat eh so lang geworden ist. Aber zwei Sachen sind erwähnenswert:

- Auch im Irak gibt es Milizen. Sie werden oft vom Iran bezahlt, damit sie junge Aktivisten ermorden, die sich dafür engagieren, in diesem zerrissenen Land alte Partei- und Religionsgrenzen zu überwinden.

- Und, man staune, Präsident Trump hat eine Feministin begnadigt, allerdings posthum. Susan B. Anthony hatte 1872 bei den Präsidentschaftswahlen ihre Stimme illegal abgegeben, da das Wahlrecht für Frauen erst 1920 eingeführt wurde. Sie wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, die sie nie bezahlt hat. Sie starb 1906. Die Republikaner hätte sie heutzutage wohl nicht gewählt.


September 2020


Am 1. September steht im katholischen Heiligenkalender der hl. Ägidius. Er ist, wie sich das für einen der 14 Nothelfer gehört, für vieles zuständig, u.a. für stillende Mütter, bei Feuersbrünsten und Geisteskrankheiten. Sein Fest leitet einen Monat ein, in dem man wieder einmal (k)ein Wort zur europäischen Flüchtlingspolitik verlieren muss, die nicht nur wegen des Brandes in Moria/Lesbos zum Himmel stinkt. Dieser Brand, der (vielleicht) dank des Heiligen keine Todesopfer gefordert hat, war eine „Katastrophe mit Ansage“, denn im Lager, das für 2.800 Menschen ausgelegt war, lebten 12.700, und mit der Zahl wuchsen auch Frust und Verzweiflung. Es kam zu Coronafällen unter Insulanern und Migranten, einheimische Jugendliche bildeten Bürgerwehren, die Nerven lagen blank. Die gezielte Brandstiftung (vermutlich durch sechs junge Flüchtlinge) und die Behinderung der Löscharbeiten sind nicht zu entschuldigen, aber erklärbar. Ob es die beiden Mütter und ihr Schutzpatron Ägidius verstehen, ist fraglich.

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Als es um Umverteilung der Flüchtlinge auf Resteuropa ging, „überschlugen“ sich die Hilfsangebote. Bei Orban und Konsorten klopfte man wohl gar nicht an, der will keine „muslimischen Invasoren“, Österreich und die Niederlande kündigten fast zeitgleich mit dem Feuer an, keine Flüchtlinge aufzunehmen, in Deutschland hingegen forderten 16 Unionsabgeordnete, allein oder mit anderen europäischen Staaten, 5.000 (!) Flüchtlinge aufzunehmen – allerdings solche vom griechische Festland, die bereits ein Asylverfahren durchlaufen haben. Griechenland, könnte der Zyniker unterstellen, hätte damit wieder mehr Platz, um Flüchtlinge von den Inseln aufs Festland zu verlegen. Dann gab es in Deutschland einige „vorlaute“ Länder und Städte, die sich bereit erklärten, Moria-Leute aufzunehmen. Die wurden aber vom Innenminister schnell zurückgepfiffen. Schließlich einigten sich Union und SPD darauf, gut 400 Flüchtlingsfamilien/1.500 Menschen aus Lesbos aufzunehmen, „zu wenig“, sagten die Grünen, ein „verheerendes Signal“, meinte Das Handelsblatt.

Und so pendelt die EU zwischen den „Extremen bedingungsloser Humanität (eher schwach entwickelt) und totaler Abschottung (stärker ausgeprägt)“, betont das Prinzip der (folgenlosen) Freiwilligkeit bei der Umverteilung von Flüchtlingen, bietet Leuten wie Orban eine „Abschiebepatenschaft“ an und kann mit der aktuellen Situation (Rückgang der Zuwanderung wegen der Pandemie) ganz gut leben. Von einem fairen und einheitlichen europäischen Asylrecht sind wir weit entfernt, von einem zweiten Friedensnobelpreis wohl aber auch.

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Den Friedensnobelpreis könnte sich die Opposition in Belarus verdienen, die seit Wochen friedlich gegen eine schlag- und schießfreudige Staatsmacht anmarschiert. Ihre Demos finden unter fantasievollen Mottos statt: Marsch des Stolzes/der Partisanen/der Helden (und Heldinnen!), aber die Polizei lässt sich davon nicht beeindrucken, knüppelt wahllos nieder und verhaftet nach Belieben. Maria Kolesnikowa, eines der bekanntesten Gesichter der Opposition, wurde am helllichten Tag entführt und sollte in die Ukraine abgeschoben werden. Sie zerriss ihren Pass und wurde wegen des Versuchs des „illegalen Grenzübertritts“ festgenommen. Jetzt sitzt sie in Untersuchungshaft und sieht einer Anklage wegen „Aufrufs zur Machtübernahme“ entgegen.

50 Eine Frau mit Herz
Maria Kolesnikowa – eine Frau mit Herz

Präsident Lukaschenko läuft mit der Kalaschnikow herum und versucht sich, bei Putin einzuschmeicheln. In Brüssel warb Gegenkandidatin und (mutmaßliche) Wahlsiegerin Tichanowskaja um „Hilfe von außen“, aber Zypern blockierte (zunächst) eine Liste mit Sanktionen, weil es solche auch gegen die Türkei erzwingen wollte. Die EU agiert manchmal kleinkariert wie eine Bananenrepublik.

Beratung über die „Hilfe von außen“

In unserer Fortsetzungsserie „rechtstsextreme Tendenzen bei der deutschen Polizei“ gibt es traurige und gute Nachrichten – und eine Nachricht, die man, mit gebührender Vorsicht, in die Rubrik „lustig“ einordnen kann. Im Zusammenhang der Drohmails gegen die Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah, die sich im Juni mit dem Artikel „All Cops are berufsunfähig“ unbeliebt gemacht hatte, zeigte sich, dass vier Polizeibeamte aus Hamburg und Berlin berufsfähig genug waren, um persönliche Daten der Journalistin dem Polizeirechner zu entnehmen. Dann sah man im Fernsehen einen sichtlich geschockten NRW-Innenminister Reul, der zu berichten hatte, dass man bei einer Razzia auf ein Netzwerk von

31 Polizisten gestoßen sei, das jahrelang eine „neonazistische, rassistische und flüchtlingsfeindliche Hetze“ betrieben hätte. Glanzstück ihrer Sammlung von Bilddateien: ein Flüchtling in der Gaskammer eines Konzentrationslagers. Ende Oktober hatten sich im Netzwerk weitere Beamte verfangen, sodass der Kreis der Verdächtigen auf 151 Personen angewachsen ist. Als dann im gleichen Monat der Lagebericht des Verfassungsschutzes über Rechtsextremismus, zu dessen Erstellung Bundesinnenminister Seehofer etwas gedrängt werden musste, veröffentlicht wurde, zeigte sich, dass sich die „Einzelfälle“ gehäuft hatten. Seit 2017 hat es 377 Verdachtsfälle bei den Sicherheitsbehörden und 1064 bei der Bundeswehr gegeben. Der Linksextremismus kommt später dran.

Dann hat der Innenminister an alle NRW-Polizisten geschrieben und sie aufgefordert, „strafrechtlich relevante Vorgänge aus dem Kollegenkreis zu melden“, ein Appell an die „Selbstheilungskräfte“ der Polizei und ein deutlicher Fußtritt gegen den Korpsgeist, der so manche Übergriffe gedeckt hat. Der Brief hat dann einige Beamte ermutigt, „Grenzüberschreitungen nach rechts“ anzuzeigen. Reuls bayrischer Kollege Herrmann hatte übrigens wenig Zeit für Schadenfreude, denn in München (und in der Region) kämpft die Polizei „mit einem Drogensumpf – in den eigenen Reihen“. Anfang Dezember standen 30 Beamte unter Verdacht, „ein Ende der Ermittlungen war noch nicht in Sicht“

Und wo bleibt die „lustige“ Nachricht? Eine Polizistin aus dem NRW-Netzwerk wehrte sich erfolgreich gegen ihre Suspendierung, weil das Hitlerbild auf ihrem Chat von einem Video stammt, in dem Hitler vor dem Foto eines Schäferhundes Weihnachtslieder singt und, so das Gericht, „der Lächerlichkeit preisgegeben wird“. Zweifel sind erlaubt, aber nicht gerichtsrelevant.

Die Kurznachrichten

- Es ist durchaus zu begrüßen, wie stark sich deutsche Medien im Wahlkampf gegen Trump positionieren. Ob das den evangelikalen Wähler in Iowa beeindruckt, ist zu bezweifeln bzw. wird sich am 3. No
vember zeigen. Zu dieser Wahlkampfmunition gehört die Meldung, dass Trump gefallene Soldaten als „Verlierer“ und „Deppen“ bezeichnet haben soll. Er soll es während eines Frankreich-Aufenthalts im Jahre 2018 gesagt haben, als er einen Besuch auf einem Soldatenfriedhof mit der Bemerkung absagte, die Soldaten seien Versager gewesen, weil sie sich hätten töten lassen. Man kann kaum glauben, dass er es gesagt hat, aber es gibt halt nichts, was man ihm nicht zutraut.

- Sein Gegenspieler in Peking braucht sich vor einem 3. November nicht zu fürchten. Er hat (sein Amt) lebenslänglich und so tritt er auch auf. Jetzt hat er die dritte Säuberungswelle seiner Amtszeit angestoßen. Er will „die Klinge nach innen richten“ und Polizei- und Justizapparat von jenen Elementen säubern, die der Partei gegenüber illoyal seien. Der ethnischen Säuberung des Landes stehen auch die Minderheiten im Wege. Von den Tibetern spricht man schon nicht mehr, und die Uiguren werden umerzogen. Jetzt hat man sich die Mongolen vorgeknöpft. Wichtige Schulfächer sollen nur noch auf Chinesisch unterrichtet werden. Im Netz sieht man Schüler, die vor der Polizei fliehen, damit sie nicht zum Unterricht gezwungen werden, und auf den Schulhöfen skandiert man „Wir sind Mongolen bis zum Tode.“ Der (kulturelle) Tod wird nicht lange auf sich warten lassen.

- In Hongkong wurde der Aktivist Joshua Wong vorübergehend festgenommen. Nach seiner Freilassung gab er der SZ ein Telefoninterview, in dem er auch die Gefangenen erwähnte, die von Hongkong aufs chinesische Festland verbracht werden und dort der Gewalt und Misshandlung ausgesetzt sind. Im Oktober erhielt eine Studentin aus Hongkong in Deutschland Asyl, für den Merkur ein erfreuliches Signal, dass „die Zeit des Anbiederns an den Handelspartner China erst einmal vorbei ist“. In Hongkong wurde als Reaktion auf diese Asylgewährung der deutsche Generalkonsul einbestellt. Hoffentlich durfte er anschließend wieder heimgehen.

- In Saudi-Arabien wurde die Todesstrafe, die gegen fünf Angeklagte im Khashoggi-Mord verhängt worden war, in Haftstrafen umgewandelt. Die Familie des Opfers hatte den Tätern vergeben. Wieviel Geld dafür geflossen ist und wie schnell die Täter begnadigt werden, wissen nur Allah und der Kronprinz.

- Bei der Feier zum 70-jährigen Bestehen des Zentralrats der Juden gab es Dissonanzen, die nicht zu einem Geburtstagsständchen passten. Kanzlerin Merkel freute sich zwar „über ein blühendes Leben“ der jüdischen Gemeinde, fügte aber wohlweislich hinzu „aber es ist nur ein Teil“. Den anderen Teil jüdischer Lebenswirklichkeit benannte der Präsident des Rates, Josef Schuster, der darauf hinwies, dass sich Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht mehr sicher fühlten. Dass er dem Lande weiterhin einen „Vertrauensvorschuss“ einräumte, ist ihm hoch anzurechnen.

- Josef Schuster wandte sich auch gegen eine „widerliche Instrumentalisierung des gelben Sterns“, der von Coronagegnern getragen würde, um auf die gnadenlose Repression von Meinungsfreiheit und Lebensfreude durch Virologen, Politiker und der Mehrheitsgesellschaft hinzuweisen. Instrumentalisiert wurde auch Sophie Scholl, der man ein Zitat unterschob, mit dem sie die Fügsamkeit der „schweigenden Mehrheit (also uns!) kritisierte. Gesagt hat sie es nicht, aber mit der Wahrheit braucht man es nicht so genau zu nehmen, schließlich ist Corona auch eine Lüge. Dagegen hilft nur eins: Ausprobieren!


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- Bei der Demo in Berlin versuchten einige hundert Demonstranten den Reichstag zu stürmen. Dem Gebäude angemessen, führten sie Reichsflaggen mit, und waren auch in der Wortwahl etwas aus der Zeit gefallen. Der Eingang wurde für kurze Zeit nur von drei Polizisten verteidigt, die sich schlugen wie 1705 der Schmied von Kochel auf dem Friedhof von Sendling. In München war ein Demonstrationszug mit 500 Teilnehmern genehmigt worden. Da es etliche mehr waren, wurde der Zug kurz nach dem Start angehalten. Auf der Theresienwiese wurde dann „weitergefeiert“, maskenfrei mit und ohne Attest, aber ohne Reichsflaggen. Der Fernsehpfarrer Jürgen Fliege rief den Teilnehmern ein „Fürchtet euch nicht!“ zu, aber, ehrlich gesagt, ein bisschen fürchte ich sie schon, die Querdenker, auch wenn die Mehrheit unter ihnen weder rechts noch (extrem) covidiotisch sein mag.

- „Was die Rechte kann, können wir mit links“, mögen sich linke Hausbesetzer in Leipzig gesagt haben, die sich nach Räumung zweier Häuser, die sie bezogen hatten, ohne einen ordnungsgemäßen Mietvertrag zu unterschreiben, mit der Polizei „drei Nächte Krawall“ lieferten. Nur die gute Schutzkleidung (der Polizei), so der Polizeipräsident, habe verhindert, dass es zu schwereren Verletzungen gekommen sei. Aber Randale machen ist der falsche Weg, um dem Skandal auf dem Wohnungsmarkt der Großstädte mit seinen Leerständen und Mietsteigerungen zu begegnen. Anlässlich des EU-China Gipfels, der in Leipzig stattfinden sollte, aber abgesagt wurde, rufen Linksradikale übrigens zu „kritischen Aktionstagen“ auf. Die Frage ist, ob sie da für die Uiguren oder gegen die KP China demonstrieren werden – oder umgekehrt.

- Schutzkleidung über die Atemmasken hinaus, werden bald auch die deutschen Lehrer brauchen, denn eine Umfrage bei Schulleitern ergab, dass die Zahl körperlicher Angriffe und Beleidigungen gegen Lehrer zunimmt. Jede 3. Schulleitung in Deutschland gab an, dass es in den vergangenen fünf Jahren an ihrer Schule zu Fällen kam, wo Schüler auf Lehrer losgingen. Dabei ist doch die „körperliche Züchtigung“ an Schulen seit 1973 abgeschafft.

AI-Nachrichten

- Amnesty erhob schwere Vorwürfe gegen Malta. Der Inselstaat schützt die EU-Außengrenze auf recht eigenwillige (wenn auch wirksame) Art. Es sind Menschen ums Leben gekommen, weil maltesische Schiffe die Hilferufe von Schutzsuchenden missachten, die Behörden chartern Boote, um Flüchtlinge nach Libyen zurückzubringen, oder man spart sich die Charterkosten und lässt die Flüchtlingsboote gleich in der eigenen Seerettungszone von der libyschen Küstenwache abholen. So erübrigt sich die „Behandlung von Asylverfahren an der EU-Außengrenze“ von selbst.

- Die indische Regierung hat der AI-Sektion den Geldhahn zugedreht. Damit muss sie (vorerst) ihre Arbeit einstellen. Die Vorwürfe sind vage: Geldwäsche, Verletzung der Regeln für Spenden aus dem Ausland. Konkreter Anlass für die „Hexenjagd“ könnten zwei kritische Berichte sein. Einer beschäftigte sich mit den Polizeieinsätzen bei den blutigen Unruhen zwischen Hindus und Muslimen in Delhi, der andere mit den Freiheitsbeschränkungen in der Krisenregion Kaschmir. Übergeordnet aber ist die Politik der indischen Regierung, die den Spielraum von NGOs einschränkt, indem man ihnen Spenden aus dem Ausland verwehrt. Man hat gut aufgepasst, wie das der Putin macht.

- Im Iran wurde der bekannte Ringer Navid Afkari hingerichtet. Man hatte ihm vorgeworfen, bei einer Demonstration in Schiras vor zwei Jahren einen Sicherheitsbeamten getötet zu haben. Sein „Geständnis“ wurde wahrscheinlich durch Folter erzwungen, die Familie des Opfers wohnte der Hinrichtung bei, der Leichnam wurde heimlich bestattet. In Schiras wurden Spenden gesammelt, um das „Blutgeld“ aufzubringen, aber vermutlich haben die Behörden mehr gezahlt, weil man ein Exempel statuieren wollte, um einer zunehmend unzufriedeneren Bevölkerung das Demonstrieren zu verleiden. Nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat sich das IOC unter Thomas Bach. Er habe die Sportverbände im Iran kontaktiert, die ihr „Äußerstes“ tun würden, um eine Lösung zu finden, habe aber „das Justizsystem eines souveränen Landes zu respektieren“. Das iranische Justizsystem kann das IOC nicht ändern, aber ein Unrechtsregime mal eine Zeitlang bei den Spielen zuschauen lassen, ginge sehr wohl.

52 Navid Afkari (1993-2020)
Navid Afkari (1993 – 2020)

- Fahrlässig gehandelt haben deutsche Behörden im Fall des libyschen Milizenführers al-Kani, dem Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Er erhielt 2017 ein Visum für Deutschland und kam regelmäßig und unbehelligt zu uns, um sich wegen seiner Krebserkrankung behandeln zu lassen. Da soll einer noch sagen, dass wir kein christliches Land sind!

Erfolgsmeldungen: Ja die gab es auch!

- Unser Außenminister, der sonst eher für gedämpfte Töne steht, hatte offensichtlich den Kommentar im Merkur gelesen, denn beim Besuch seines chinesischen Kollegen kam es auf der Pressekonferenz zu einem „offenen Schlagabtausch“.

- Das WM-Gastgeberland Katar hat nach anhaltender internationaler Kritik an der „Sklavenhaltung“ einige Reformen auf dem Arbeitsmarkt angekündigt. Arbeitern wird es erleichtert, den Arbeitgeber zu wechseln, außerdem erhalten sie einen Mindestlohn - umgerechnet einen Euro pro Stunde. Und das Fußballendspiel wurde um fünf Tage vorverlegt und findet jetzt am 18. Dezember 2022 statt, damit die FIFA-Funktionäre gemütlich Weihnachten feiern können.

- In den USA kam es zu eindrucksvollen Protesten von Profisportlern gegen Rassismus bei der Polizei, aber im Gegensatz zum Jahre 2016, wo es dem Footballer Colin Kaepernick die Karriere kostete und die Bezeichnung „Hurensohn“ (Originalton Trump) einbrachte, als er aus Protest gegen Rassismus während der Nationalhymne niederkniete, bekamen die Teams diesmal verstärkt Rückendeckung von ihren Clubs.

53 Milwaukee Bucks gegen und mit Orlando Magic
 Milwaukee Bucks gegen/mit Orlando Magic

- „Ein paar Millionen aber kein Perdᾱo“, titelte die SZ einen Bericht über die „Spendenzahlungen“ von VW an brasilianische Arbeiter. Der Konzern hatte die Zusammenarbeit mit der Militärdiktatur so weit vorangetrieben, dass der Werkschutz Arbeiter wegen „gewerkschaftlicher Umtriebe an die Politische Polizei auslieferte, die sie dann in Folterkeller verbrachte. Der Vergleich des Opferverbandes mit VW erfolgte 35 Jahre nach Ende der Militärdiktatur. Für einige Opfer kam deshalb die Zahlung zu spät. „Perdᾱo“ heißt übrigens „Entschuldigung“, aber dieses Wort (und das Wort „Entschädigung“) scheint VW bewusst zu vermeiden.

- Zivilcourage zeigten vier Jugendliche an einer Bushaltestelle in Geretsried. Im Bus hatte ein Bengale einen Kroaten (höflich) an seine Maskenpflicht erinnert. An der Haltestelle ging der Kroate dann auf den Bengalen los und die Jugendlichen dazwischen. Einige Autos fuhren vorbei, aber niemand half den Jugendlichen in der Rangelei. Am Ende waren sie schon

„irgendwie schockiert, dass wir als Jugendliche bei Erwachsenen eingreifen müssen, während alle anderen einfach vorbeifahren.“

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Freispruch für den Hauptverdächtigen im Prozess um den Mord am slowakischen Journalisten Ján Kuciak.

- Orban ernennt einen „Kulturnationalisten“ zum Präsidenten der Universität für Theater- und Filmkunst.

- Fatou Bensouda, Chefanklägerin am Gerichtshof in Den Haag von den USA mit Sanktionen belegt.

- Trump bekennt dem Journalisten Bob Woodward, dass er von Anfang an über die Gefährlichkeit des Virus Bescheid wusste, habe das aber „heruntergespielt, weil er keine Panik erzeugen wollte“.

Lyrik zum Monatswechsel

Und wenn man meint „Aus und vorbei“,
dann lauert schon Corona 2.

 

Oktober 2020

 

Die „Jagdsaison“ islamistischer Terroristen wurde am Gymnasium von Conflans-Sainte-Honorine/Frankreich eröffnet, dem Land, wo seit 2015 schon 259 Menschen bei islamistischen Attentaten gestorben sind. Diesmal traf es den Lehrer Samuel Paty, der im Unterricht zum Thema Meinungsfreiheit Mohammed-Karikaturen gezeigt hatte, es den Schülern aber freigestellt hatte, vorher den Raum zu verlassen. Der Vater einer Schülerin prangerte den Lehrer in den sozialen Netzwerken an und gab ihn durch Nennung von Namen und Adresse zum „Abschuss“ frei. Den besorgte dann ein 18-jähriger Tschetschene, der den Lehrer mit einem Küchenmesser enthauptete.

Vor einem Jahr hatte man in der Heute-Show einen gekreuzigten Osterhasen gezeigt. Da gab es Protestbriefe, aber keine Hinrichtung. In einem säkularen Staat muss man solche Zerrbilder zeigen dürfen, ob es immer notwendig ist, das ist eine andere Frage. Allerdings habe ich den Verdacht, dass sich Gottessöhne und Propheten von uns gar nicht so leicht beleidigen lassen.

Die Kundgebung auf dem Place de la République/Paris stand unter dem Slogan „Ich bin Lehrer/Lehrerin“ und geriet zu einem eindrucksvollen Plädoyer für Toleranz, Meinungsfreiheit – und für die Schule als „Rückgrat der Republik“.

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Schon 14 Tage später gab es ein weiteres Attentat. In einer Kirche in Nizza wurden drei Menschen Opfer eines Messerstechers aus Tunesien. Er soll mehrmals „Allahu Akbar“ gerufen haben, aber ein Massaker (und noch dazu) in einer Kirche dürfte Allah nicht gefallen haben. Und da im November ein IS-Sympathisant auch noch in Wien vier Menschen umbrachte, möchte man den Islamisten mit Nachdruck empfehlen, endlich die Sure 1 des Koran zu lesen, die mit den Worten beginnt:

„Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen“.

Mangel an Barmherzigkeit finden sich auch in den Meldungen zu unserem Blockbuster „Migration“:

- Der Brand im Lager Moria hat in einigen deutschen Medien dichte Rauchwolken entwickelt. In der Zeit gab es beispielsweise ein Pro und Contra zur Seenotrettung unter dem Titel „Oder soll man es lassen?“ Nein, soll man nicht!

- Aus einer Polizeistatistik des BKA ging hervor, dass Asylzuwanderer bei Gewaltdelikten und Mord und Totschlag deutlich überrepräsentiert sind. Allerdings wird eingeräumt, dass die Statistik „mit einigen Einschränkungen gelesen werden sollte“. Es gäbe einen Unterschied zwischen Strafverdächtigen und verurteilten Tätern. Und manche Straftaten werden zwar registriert, aber nicht angezeigt. Letzteres dürfte bei Straftaten, an denen Flüchtlinge beteiligt sind, eher nicht vorkommen. Trotzdem: Ist Wasser auf den Mühlen der Populisten und ein Disaster für die Flüchtlingshelfer!

- „Grauenerregende“ Gewalt gegen Flüchtlinge wird von Grenzbeamten des EU-Landes Kroatien an seiner Außengrenze zu Bosnien ausgeübt. Brüssel hatte bisher die Augen zugedrückt und brav die Gelder für den Grenzschutz überwiesen. Jetzt soll eine „tiefgehende Diskussion mit den kroatischen Behörden“ geführt werden. Ja, sollte man!

- Nach der tödlichen Messerattacke eines Syrers in Dresden wurde wieder einmal die Lockerung des Abschiebestopps nach Syrien zur Diskussion gestellt. Es gäbe ja „befriedete Gebiete“ - so wie in Afghanistan die „ruhige“ Provinz Bamian, wo im November zwei Bomben explodierten. Für die Syrer in Deutschland wäre das zum jetzigen Zeitpunkt eine Kollektivstrafe, was den Täter betrifft, kann man darüber reden – vorausgesetzt man findet in Syrien eine Behörde, die ihn übernimmt.

- Einem Oberarzt aus dem Libanon wurde die Einbürgerung verweigert, weil er es ablehnte, der Sachbearbeiterin, die ihm die Urkunde aushändigen wollte, die Hand zu geben. Kann man machen – es geht ja nicht um Abschiebung!

- Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Die bayrische Bischofskonferenz, die sich selten einig ist, hat sich „unmissverständlich“ hinter die Äbtissin Mechthild Thürmer gestellt und betont,

„sie stünde hinter der Tradition des Kirchenasyls“ (denn sie lege) „die besonderen humanitären Härten im Rahmen des europäischen Asylsystems offen“.

Wo sie (die Bischöfe) Recht haben, haben sie Recht!“

Die Kurznachrichten – so kurz wie möglich

- In Indien wurden die Drahtzieher des Angriffs freigesprochen, bei dem 1992 die historische Babri-Moschee dem Erdboden gleichgemacht wurde. Der Richter erklärte, die Zerstörung sei nicht geplant gewesen, obwohl ein Zeuge aussagte, es habe vorher eine Art „Generalprobe Moscheesturm“ gegeben, an der er teilgenommen hatte.

- In Thailand gehen die Proteste munter weiter. Die Militärregierung lässt verhaften und fordert die Königstreuen zu Gegendemonstrationen auf. Die Studenten stellten dem Premier ein Rücktrittsultimatum und streckten der Königin, die in ihrer Limousine durch Bangkok fuhr, drei geschlossene Finger als Zeichen des Widerstandes entgegen. Zwei der Aktivisten wurden festgenommen, ihnen droht lebenslange (!) Haft, weil drei geschlossene Finger einen eindeutigen „Gewaltakt gegen die Königin“ darstellen.

- In Michigan/USA wollte die rechte Miliz der Wolverine Watchmen ihr Trainingsprogramm für die Zeit nach der Abwahl von Präsident Trump fortsetzen. Er hatte ja in einem der Fernsehduelle zu ihnen gesagt: „Haltet euch zurück und haltet euch bereit.“ Im Probelauf waren sie im Frühjahr ins Landesparlament von Michigan eingedrungen, um gegen die scharfen Corona-Vorschriften anzugehen. Jetzt wollten sie die Gouverneurin Gretchen Whitmer entführen, sie in einen Nachbarstaat verschleppen und ihr dort einen Prozess wegen „Verrats“ machen. Eingeschleuste FBI-Informanten haben die Sache auffliegen lassen. Präsident Trump hätte sich von der Gouverneurin etwas mehr Dankbarkeit erwartet, weil „sein Justizministerium und seine Sicherheitsbehörden“ ihre Entführung verhindert hätten.

54a Herr Präsident, wir halten uns bereit
„Herr Präsident, wir halten uns bereit!“

- In Polen ist es zu Demonstrationen gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts gekommen. Erlaubt ist in Zukunft nur noch die medizinische Indikation, nicht aber eine Indikation nach Vergewaltigung oder beim Aufweis einer Fehlbildung des ungeborenen Kindes. Die Frauen zogen vor das Büro der Regierungspartei und skandierten „Ich wünschte, ich könnte meine Regierung abtreiben“. Das wünschen wir uns für die polnische Regierung auch manchmal – wenn auch aus anderen Gründen. Bei AI läuft es derzeit eher gegenläufig: Wir sind aufgebracht, weil man wieder einmal mit einem „Recht auf Abtreibung“ liebäugelt. Davon später.

- Im Vatikan ist Joseph Zen, Kardinal und Ex-Bischof von Hongkong von Papst Franziskus nicht empfangen worden. Der Kardinal zählt zu den schärfsten Kritikern des vatikanischen Annäherungskurses gegenüber China. Ein Empfang hätte Peking mit Sicherheit verärgert und das (geheime) Abkommen über die Bischofsernennungen gefährdet, aber Nachgiebigkeit den Chinesen gegenüber, sollte trotzdem ihre Grenzen haben.

AI-Nachrichten

- Auf der Insel Negros/Philippinen wurde die Menschenrechtsaktivistin Zara Alvarez von bisher unbekannten Tätern erschossen. Zaras Aktivitäten, Forderung nach mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung von Eigentum, Solidarität mit Kleinbauern im Kampf gegen Bergbaukonzerne, Kritik an der Regierung Duterte, machten sie zur idealen Zielscheibe für paramilitärische Gruppen, die Präsident Duterte unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung ausschickt, um Menschenrechtsverteidiger zu eliminieren.

 55 Zara Alvarez (1981-2020)
 Zara Alvarez (1981-2020)

Die Philippinen gehören heute zu den Ländern mit den meisten Morden an Menschenrechtsverteidigern.

- Eine 20-jährige Frau aus dem Dorf Bulgarhi/Indien wurde Opfer einer brutalen Vergewaltigung. Ihren Namen kennt man nicht, da bei Sexualverbrechen nach indischem Recht der Name des Opfers nicht öffentlich genannt wird. Den Namen der Täter aber konnte sie in den letzten Stunden ihres Lebens noch der Polizei nennen. Das hat aber zur Strafverfolgung nichts beigetragen, denn die Polizei tat alles, um die Tat zu vertuschen. Die Frau gehörte nämlich zur Kaste der Dalits (früher die „Unberührbaren“), während die Täter einer höheren Kaste angehörten. Die Leiche der Frau wurde noch in der Nacht nach dem Rücktransport aus der Klinik verbrannt. Die Familie wurde ferngehalten.

Mit mehr als 100 Vergewaltigungen pro Tag ist Indien für Frauen das gefährlichste Land der Welt.

- Wer in Polen gefährlich lebt, sind die Mitglieder der LGBTQ-Gemeinde. Die Netzwerke berichten „von tätlichen Angriffen, von Selbstmorden Verzweifelter und von einer Polizei, die nicht hilft, sondern droht“. Und von „Politikern und Kirchenleuten, die Vorlagen für diesen Hass liefern“. Bei Letzteren muss eine Nachricht aus Rom wie eine Bombe eingeschlagen haben. Papst Franziskus hat im Dokumentarfilm „Francesco“ davon gesprochen, dass „auch Homosexuelle Kinder Gottes seien und ein Recht hätten, in einer Familie zu leben“. Aber noch ist Polen nicht verloren! Der Papst hat von einer zivilen Partnerschaft und nicht von einer christlichen Ehe gesprochen. Aber immerhin: Es dürfte in Polen und Uganda etwas schwieriger werden, von einem „Leben in Sünde“ zu reden.

- Wir müssen noch einmal in den Mai zurück, zu Félicien Kabuga, dem Kriegsverbrecher aus Ruanda. Die UN-Ermittler haben mit seinen Handydaten eine Art Bewegungsprofil erstellt, das beweist, dass er jahrelang und unbehelligt kreuz und quer durch Afrika und Europa gereist ist. Auch in Frankfurt am Main hätte man in erwischen können. Da hielt er sich im September 2007 in der Wohnung seines Schwiegersohnes auf. Als die Polizei die Wohnung stürmte, um seinen Schwiegersohn festzunehmen, musste auch Kabuga seinen Pass herzeigen. Er lautete auf einen falschen Namen, und die Ermittler „wünschten einen Guten Tag“.

- Da legt die Polizei in Eritrea schon härtere Bandagen an. Yirgalem Fisseha Mebrahtu arbeitete 2009 bei einem staatlichen Sender und verfasste Beiträge, die völlig unpolitisch waren. Dann kamen die Soldaten, und Yirgalem landete für sechs Jahre im Gefängnis. Was man ihr vorwarf, weiß sie bis heute nicht, aber an die Worte des Gefängnisdirektors bei der Entlassung erinnert sie sich noch:

„Wir lassen Sie frei. Wir haben damals die Anordnung bekommen, Sie zu verhaften. Und heute haben wir die Anordnung bekommen, Sie freizulassen. Keine weiteren Fragen.“

Heute lebt Yirgalem als Lyrikerin in München und tut sich schwer, ihr „Misstrauen gegenüber Behörden“ abzulegen. Warum denn das?

- In Ägypten wurde der Satiriker Shadi Abu Zaid, der „kleine Kerl mit dem übergroßen Charakter“ freigelassen. Er wurde u.a. der „Verbreitung falscher Nachrichten“ bezichtigt, schaffte es dafür aber nur zu einer zweijährigen U-Haft und nie zu einer ordentlichen Gerichtsverhandlung. Die Fake News waren von der Art, dass er junge Männer in der Innenstadt von Kairo fragte, wie viele Frauen sie heute schon angegrapscht hätten und sie dadurch verleitete, mit ihren Taten zu prahlen. Der Meister der Fakes, Donald Trump, soll nach Meinung von US-Abgeordneten, Mitverantwortung an den (geschätzten) 60.000 politischen Gefangenen in Ägypten tragen, denn er ist seinem „Lieblingsdiktator“ al-Sisi „nie mit Menschenrechten auf die Nerven gegangen“.

56 Shadi Abu Zaid - im Einsatz
Shadi Abu Zaid – im Einsatz

Fast erübrigt es sich, zu betonen, dass Meldungen über Belästigungen von Frauen in der Innenstadt von Kairo alles andere als ein Fake sind.

- Und dann kam auch noch die Freilassung unseres Iran-Falls Narges Mohammadi. Doch davon mehr im AI-Jahr im Landkreis Miesbach.

Erfolgsmeldungen – bisweilen mit Beigeschmack

- Den Friedensnobelpreis hat die Opposition in Belarus nicht bekommen, aber der Sacharow-Preis des Europaparlaments ist auch nicht zu verachten. Dessen Präsident Sassoli sagte über die Demonstranten – und Demonstrantinnen:

„Sie haben etwas auf Ihrer Seite, das rohe Gewalt niemals besiegen kann: die Wahrheit. Geben Sie Ihren Kampf nicht auf. Wir sind an Ihrer Seite.“

Der Preis hätte sicher noch mehr Freude bereitet, wenn es zusätzlich zu den großen Worten auch noch schärfere Sanktionen gegeben hätte.

- Und noch jemand hat sich einen renommierten Preis mehr als verdient. Aber der (uns hinlänglich bekannten) iranischen Anwältin Nasrin Sotoudeh hätte man den Alternativen Friedensnobelpreis im Gefängnis überreichen müssen. Sie hat Menschen verteidigt, deren „Taten“ politisch motiviert waren, u.a. Frauen, die „gegen den strafbewehrten Zwang zum Tragen eines Kopftuchs“ protestierten. Dafür wurde sie 2019 zu 33 Jahren Haft und 148 Peitschenschlägen verurteilt. Im November 2020 wurde sie nach 50 Tagen Hungerstreik in den Hafturlaub geschickt. Ihr Gesundheitszustand ist bedenklich, nach Angaben ihres Ehemannes ist sie positiv auf Covid-19 getestet worden. Am 3. Dezember, dem Tag der Preisverleihung, musste sie ins Gefängnis zurück. Eine seltsame Koinzidenz! Von der amerikanischen Anwaltskammer erhielt sie dann auch noch den Eleanor Roosevelt Preis für Menschenrechte. Auch den hat sie verdient, aber wenn die Mullahs „amerikanisch“ und „Menschenrechte“ hören, kann es passieren, dass an ihrer Zellentür ein zusätzlicher Riegel angebracht wird.

- Papst Franziskus hat sich nicht nur zur Homosexualität geäußert, sondern hat auch die Enzyklika „Fratelli tutti – über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ veröffentlicht. Stolpern Sie nicht über die „fratelli“, die „Brüder sind erst in der deutschen Übersetzung zu „Geschwistern“ gegendert worden. Ansonsten aber ist ihm ein eindrucksvolles Dokument gelungen, mit der Forderung nach einer „neuen Gesellschaftsordnung, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt“ und das der Ausgrenzung (von Flüchtlingen), dem Eigennutz (in Zeiten der Pandemie) und der Aggressivität (des Internets) eine klare Absage erteilt. Es wäre halt schön, wenn er in der innerkirchlichen Reformdebatte ebenfalls Klartext spräche.

- In Genf verständigten sich die libyschen Konfliktparteien auf einen Waffenstillstand. Da dies nur ein „erster Lichtblick“ ist, werden wir erst näher darauf eingehen, wenn er länger als eine Woche hält. Uns interessiert der Vermittler – die UN. Vor 75 Jahren trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft, und was wir an ihnen haben, fasst treffend der Untertitel der SZ zusammen:

„Die Vereinten Nationen haben immer wieder versagt, Großmächte missbrauchten sie. Ihre hehren Ziele aber sind heute so drängend wie vor 75 Jahren.“

„Trotz alledem“ stimmen wir in das Geburtstagsständchen mit ein, wünschen der UN, dass sie Ordnung in ihre Geburtstagskerzen bringen kann, dass ihre Jahresbilanzen keine abgenagten Knochen sind und dass sie als Tiger kein Bettvorleger bleibt.




Was der Selbstzensur zum Opfer fiel - geordnet nach Gewichtigkeit

- Antisemitischer Angriff vor der Synagoge in Hamburg, Täter „verwirrt“ und aus Kasachstan. Aufatmen erlaubt?

- Afroamerikaner in Texas an einem Seil abgeführt. Erinnert an die „Heimholung“ flüchtiger Sklaven.

-Weitere Niederlage für Orban: sein Hochschulgesetz ist unvereinbar mit EU-Recht. Orban fleht um Gnade und verspricht, sich zu bessern. (Vorsicht Satire!)

- Premiere in Schliersee: Mit der ersten Sicherheitswacht im Landkreis geht es jetzt den (Kur)Parksündern an den Kragen.

- Rassismus an der Krippe: Weil der schwarze König Melchior rassistischen Klischees entspricht, (und das tut er tatsächlich, wenn man seine Darstellung mit den beiden anderen Königen vergleicht), werden die Heiligen Drei Könige heuer im Ulmer Münster nicht aufgestellt.

Obwohl die 2. Coronawelle am Ende des Septemberrückblicks angekündigt wurde, blieb sie im Oktober unerwähnt. Aber an Nachrichten, die teils noch schlimmer waren als die Coronazahlen, hat es auch so nicht gemangelt.

 

November 2020

 

Ganz gleich, was der Monat sonst noch bringen mag, am Anfang stand eine gute Nachricht: Trump wurde abgewählt und, wie es der Bayer auf Englisch formulieren würde: „He’s good wider.“

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Die SZ ist mehr als skeptisch, dass dieser „Abschied“ reibungslos über die Bühne geht. Sie warnt vor einem „neuen Bürgerkrieg“, den zu verhindern, Aufgabe der Republikaner wäre. Aber, die standen bis in den Dezember hinein „in Treue fest“ zu ihrem Präsidenten – anstatt ihm beim Kofferpacken behilflich zu sein.

Das war‘s (zunächst) auch schon mit den guten Nachrichten. Im November krachte und brodelte es an allen Enden der Erde, und die Weltläufe sind nur erträglich, wenn man sich kurz fast.

- Äthiopien: Einmal mehr erweist sich Afrika als ein Kontinent, wo die Hoffnung nur eine kurze Halbwertszeit hat. Vor einem Jahr noch Friedensnobelpreisträger, mobilisierte Premier Abiy Ahmed seine Truppen, um gegen die abtrünnige Region Tigray ins Feld zu ziehen. Es gelang zwar, die Hauptstadt Mek’ele einzunehmen, aber die Tigray-Milizen sollen 250.000 Männer unter Waffen haben und waren in der Vergangenheit erfolgreiche Guerillakämpfer. Es besteht die Gefahr, dass der „multiethnische Staat implodiert“ und damit neue Fluchtbewegungen ausgelöst werden. Und ob die Flüchtlinge im Nachbarstaat Sudan bleiben (können/wollen), ist fraglich.

- Belarus: Hier fanden die Demos 12 bis 16 statt. Die 14. Demo stand unter dem Motto „Ich gehe hinaus“. Das sollen auch die letzten Worte von Roman Bondarenko gewesen sein, der im Krankenhaus starb, nachdem er nach Angaben von Augenzeugen von Sicherheitskräften misshandelt worden war. Die hatten nur umgesetzt, was Lukaschenko angedroht hatte: „Wir werden von heute an keine Gefangenen mehr machen.“

- Bergkarabach: Wieder so ein Konflikt, wo ein Waffenstillstand nur dazu dient, für den nächsten Waffengang zu rüsten. Von Armeniern bewohnt und bisher auch kontrolliert, aber völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörig, wurde die Region Schauplatz eines „Krieges der Moderne“, der immerhin 5.000 Menschen das Leben kostete und 90.000 zu Flüchtlingen machte, die nicht wissen, ob sie zurückkehren können. Gewonnen wurde der Krieg durch den massiven Einsatz von Kampfdrohnen, die Aserbaidschan von der Türkei erworben oder geschenkt bekommen hatte und von deren Durchschlagskraft selbst die SZ geschwärmt hat. Jetzt streitet man noch, welche Gebiete armenisch bleiben, und ob Russland oder die Türkei die wahren Sieger seien. Der erfolgreiche Einsatz hat auch bei uns den Appetit auf bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr geweckt. Es bleibt zu hoffen, dass sie, wenn überhaupt, wirklich nur zur Verteidigung eingesetzt werden und nicht etwa zum Angriff auf Corona-Hotspots in Österreich.

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Dazu (leicht abgewandelt) ein Zitat von Ex-Präsident Gustav Heinemann aus dem Jahre 1969: „Ich küsse keine Fahnen, ich küsse meine Frau.“

- Iran: Dort ist Mohsen Fakhrizadeh einem Attentat zum Opfer gefallen. Er war für Israel „der Vater der iranischen Bombe“ und damit einer der „most wanted men“ des israelischen Geheimdienstes. Auch für Premier Netanjahu scheint er seit langem ein „persönliches Anliegen“ gewesen zu sein, denn er präsentierte 2018 ein Porträt mit den Worten „Merken Sie sich diesen Namen, Fakhrizadeh“. Man braucht mit dem Opfer nicht allzu viel Mitleid zu haben, aber die Methode, sich dieser Art seiner Gegner zu entledigen, ist im Spannungsgebiet Naher Osten eine „gefährliche Zündelei“.

Was Israel recht ist, war dem Iran auch schon immer billig. In Antwerpen begann ein Prozess gegen einen iranischen Botschaftsrat, der 2018 einen Anschlag auf ein Treffen von Exil-Iranern in Paris in Auftrag gegeben haben soll. Auf der Rückreise von Luxemburg, wo er Sprengstoff und Fernzünder an seine Agenten übergeben hatte, wurde er auf einer bayerischen Autobahnraststätte geschnappt und nach Belgien überstellt, weil dort die beiden Agenten ihren Wohnsitz hatten.

- Österreich: Ausgerechnet in Wien, wo die Fiaker rollen, die Schrammeln spielen und man in den Cafés noch Zeitungen bekommt, hat ein IS-Sympathisant vier Menschen getötet. Er hatte vorher zwei Versuche gemacht, sich dem IS anzuschließen, war aber zu dämlich, um nach Afghanistan und Syrien zu kommen. Er wurde in der Türkei verhaftet, wegen einer „günstigen Prognose“ vorzeitig entlassen und in sein Geburtsland Österreich überstellt. Das Viertel, wo er gewütet hatte, trägt den Namen „Bermudadreieck“, weil es dort viele Lokale gibt, wo man „versumpfen“ kann. Die Menschen in den Lokalen waren dabei, die letzten Stunden vor dem Corona-Lockdown zu genießen. Mit der Muslimschelte sollte man aber vorsichtig sein: die „Helden von Wien“ waren zwei türkische Kampfsportler, die unter Beschuss eine ältere Dame und einen angeschossenen Polizisten in Sicherheit brachten.

- Thailand: Nun geht es auch ums Geld. Die Demonstranten wollen erreichen, dass der Reichtum Thailands – der König soll 30 bis 40 Milliarden Dollar besitzen -, zumindest einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen wird. Da werden König und Militärregierung aber ungemütlich. Vorschläge für eine Verfassungsreform wurden vom Parlament abgeschmettert, es fielen ersten Schüsse gegen Demonstranten, wahrscheinlich abgefeuert von den königstreuen „Gelbhemden“, und die Regierung hat angekündigt, jetzt alle verfügbaren Gesetze anzuwenden, auch das Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das für einige Zeit in den Schubladen verschwunden war. Den gelben Gummienten der Protestbewegung stehen harte Zeiten bevor. Im Dezember wurden mehr als 30 Regierungsgegner auf Polizeistationen zitiert, u.a. ein Schüler, der ein bauchfreies T-Shirt mit einer provokanten Aufschrift trug. Bauchfrei ist der König auch in Garmisch gegangen, aber die Aufschrift auf dem Shirt wird wohl nicht anti-monarchisch gewesen sein.

Das Coronatagebuch

des Monats November soll mit der 4. Corona-Regel beginnen, die aber nicht zu den AHA- sondern eher zu den O-WEH-Regeln passt. Was, so frägt man angesichts der Zahlen, die an manchen Tagen exponentiell wuchsen, denken sich die Querdenker eigentlich? Die Antwort des Zeichners: Sie denken sich nichts, denn sie haben das Gehirn ausgeschaltet.


Vierte Corona-Regel

- Aber dafür sind sie fromm geworden: An Allerheiligen wurde eine Kundgebung der Querdenker in München in einen Gottesdienst umfunktioniert, weil es bei Gottesdiensten im Freien keine Begrenzung der Teilnehmerzahl gibt. Die Bühne war mit Kreuzen, Särgen und Deutschlandfahnen dekoriert, und man hatte einige Seelsorger eingeflogen, u.a. den Fernsehpfarrer Jürgen Fliege, der den Vätern des Grundgesetzes unterstellte, sie würden sich angesichts der Demontage der Grundrechte „im Grab umdrehen“. Damit wusste man wenigstens, dass die Särge auf der Bühne nicht für die Coronatoten standen. Auf einer Demo in Berlin entstand ein Foto, wo die „Frömmigkeit“ der Corona-Protestler missionarische Züge annahm. Eine junge Frau streckte den Sicherheitskräften, die ihr den Weg versperrten, ein Kruzifix entgegen, das sie direkt aus dem Herrgottswinkel ihre Großmutter entwendet hatte. Die Polizisten reagierten mit „einer gewissen Hilflosigkeit“.

- Während die Demo in München so friedlich verlief, wie es sich für einen „Gottesdienst“ gehört, eskalierte die Situation in Leipzig. Per Gerichtsbeschluss wurden 20.000 Demonstranten auf die Innenstadt losgelassen, wo sie unter weitgehender Missachtung von Mundschutz und Abstandsregeln und aktiver Teilnahme von „rechtsextremen Hooligans und anderen Verhaltensauffälligen“ auf derselben Route durch die Straßen zogen wie die Teilnehmer an den legendären Montagsdemos in der DDR. Die Polizei blieb lange passiv und griff erst ein, als die Demo aufgelöst wurde, setzte Pfefferspray gegen die Pyrotechnik der Extremisten ein, wurde wegen der Aufgabe des Gewaltmonopols gescholten und schob den Schwarzen Peter dem Oberverwaltungsgericht in Bautzen zu. Dass Polizei und sächsischer Innenminister eine schlechte Presse bekamen, könnte auch damit zusammenhängen, dass es (meist aus den Reihen der Querdenker) zu mindestens 32 Attacken auf Reporter gekommen ist.

- Und hier eine Äußerung, die auf einer Demo in Frankfurt fiel. Da rief ein Teilnehmer zum Kampf gegen eine Corona-Diktatur auf, gegen „einen Faschismus, der keine Konzentrationslager braucht“.

- In einem AfD-Brief an die bayrischen Landräte zu Pandemie steht der Satz:

„In einer späteren Zeit werden alle Maßnahmen und das Verhalten aller Verantwortlichen sicher noch einmal in einem anderen Licht gewürdigt werden.“

Dieser Tonfall kommt einem irgendwie bekannt vor.

- In Miesbach heulten gegen die Corona-Diktatur die Motoren von mehr als 200 Autos auf. Ein Wiesseer, nach eigenen Aussagen kein Corona-Leugner (?), rief zu einem Autokorso gegen die Corona-Politik auf. In seiner Rede gefiel er sich als „gut trainierter“ Miniaturdemagoge und zitierte einen AfD-nahen Anwalt, der alle Maßnahmen der Coronabekämpfung als „rechtswidrig“ bezeichnet hatte. Dann freute er sich riesig über die 200 Mitfahrer und gab den Startschuss für das Hupkonzert in Miesbachs nächtlichen Straßen. Die Polizei war zufrieden, dass die Sache friedlich verlaufen ist, da wir von AI es (aus Feigheit) versäumt hatten, Nagelbretter auszulegen. Die Presse berichtete (dankenswerterweise) entweder gar nicht, oder mit einem ironischen Unterton, setzte unter den Artikel noch die Meldung „Zahl der aktiven Fälle steigt weiter“ und druckte einen Leserbrief ab, der den Korso als das bezeichnete, was er war: „Lärmbelästigung“ – und verantwortungslos obendrein.

Es soll übrigens Jugendliche gegeben haben, die nicht wussten, worum es ging, aber die Gelegenheit nutzten, hupend des Nachts durch Miesbach zu fahren. Damit wäre die Zahl 200 etwas relativiert.

- Und dann gab es den Auftritt der Jana von Kassel, der bewies, dass sie im Geschichtsunterricht nur halb bei der Sache war. Sie behauptete allen Ernstes: „Ich fühle mich wie Sophie Scholl, weil ich seit Monaten im Widerstand bin.“

- Im Dezember ist in Großbritannien eine Corona-Variante aufgetaucht, der Brexitvirus so zu sagen. Und deshalb wünschen wir Ihnen an dieser Stelle schon einmal FROHE WEIHNACHTEN, denn man weiß nicht, ob es an Weihnachten, von Christi Geburt einmal abgesehen, noch Grund zur Freude gibt.

Flüchtlings- und Rassismuschronik

Die Flüchtlinge sind nicht verschwunden, auch wenn uns derzeit die Pandemie stärker an die Nieren/Lungen geht.

- Die Überfahrt am Mittelmeer bleibt tödlich. An einem Donnerstag starben 94 Menschen, die Schlepper in viel zu kleine Booten gedrängt und mit viel zu wenig Treibstoff ausgerüstet hatten. NGO-Schiffe, darunter die Sea-Watch 4, die von der evangelischen Kirche mitfinanziert wird, werden von den italienischen Behörden mit kleinlichen Schikanen am Auslaufen gehindert. Noch gefährlicher ist die Überfahrt auf die Kanaren. Auf der Atlantikroute soll jeder 16. Flüchtling den Tod finden. Und auf der Insel sind die Lager so überfüllt, dass man die Urlaubsinsel bereits als „Europas Vorhölle“ bezeichnet.

Dass sich Flüchtlinge auf seeuntüchtigen Booten bewusst in Lebensgefahr bringen, um ein besseres Leben in Europa zu führen, hat einen evangelischen Pfarrer in Nürnberg zu der Aussage verleitet, dass ein Christenmensch „Verantwortung vernachlässigende Migranten ertrinken lassen“ könne. Wenn Sie diesen komplexen Satz einmal entschlüsselt haben, werden Sie verstehen, dass der Pfarrer seinen Dienst in der Gemeinde quittieren musste. Wir empfehlen (vor einem weiteren Einsatz im Pfarrdienst) ein Vierteljahr Sozialarbeit auf der Sea-Watch 4.

- Ähnlich entgleist ist ein Holzkirchner, der von dem Bahnhof von zwei Sicherheitsleuten, der eine aus Afghanistan, der andere aus Kuwait, aufgefordert wurde, auf dem Gelände das Rauchen einzustellen. Der Streit spitzte sich so zu, dass dem (alkoholisierten) Holzkirchner der Satz entfuhr: „Der Hitler hätte euch vergast, ihr Wichser.“ Später (und wohl wieder nüchtern) schrieb er den beiden Männern einen Entschuldigungsbrief. Trotzdem folgte der Richter dem (strengeren) Antrag der Staatsanwaltschaft und verhängte eine saftige Geldstrafe.

- Es gibt in dieser Chronik auch gute Nachrichten. Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass syrische Männer, die ihr Land wegen des drohenden Militärdienstes verlassen haben, in Zukunft einen umfassenden Flüchtlingsschutz bekommen. Das würde ihnen erlauben, auch ihre Familien nachkommen zu lassen. Bevor jemand meint, das stehe „Drückebergern“ nicht zu, sollte man sich erinnern, dass in Syrien ein Bürgerkrieg tobt und ein Soldat gezwungen ist, auf seine eigenen Landsleute zu schießen.

- Für Naser R., einem Mitglied des Kirchenvorstands in Hof, ist die Abschiebung nach Afghanistan vom Tisch. Die evangelische Gemeinde hatte dem bayrischen Innenminister einen Protestbrief geschrieben. Naser war konvertiert, und bei Glaubensübertritt könnte in Afghanistan (theoretisch) die Todesstrafe verhängt werden. Seinem Landsmann Sardar Dschafari blieb die Abschiebung nicht erspart, da Bayern zu den Ländern gehört, die bei günstiger Gelegenheit auch unbescholtene Afghanen abschieben, aber jetzt durfte er „nach langem Ringen“ wieder in seine Bäckerlehre in Neu-Ulm zurück. Die Flugkosten hätte man sich sparen können.

Die Kurznachrichten

- Aus der Türkei kamen von Präsident Erdogan dissonante Töne. Einerseits beschwerte er sich wieder einmal über den „geistesgestörten“ Macron, weil Frankreich die rechtsradikale Schlägertruppe der „Grauen Wölfe“ verboten hatte. In der Türkei heißt die Organisation übrigens „Idealisten-Bewegung“, und ihr Ideal ist eine Türkei, die ethnisch (von Kurden und Armeniern) gesäubert ist. Andererseits gab sich Erdogan (auf Grund der schlechten Wirtschaftslage) pro-europäisch und verkündete allen Ernstes, dass „die Türkei ihre Zukunft mit Europa gestalten will“.

- In Paris gab es heftige Proteste gegen Polizeigewalt und für die Pressefreiheit. Ein Artikel des geplanten Sicherheitsgesetzes würde es verbieten, Polizisten bei der Arbeit zu filmen, wenn man ihnen damit „schaden“ will. Das würde dazu führen, dass brutale Übergriffe der Polizei nur mehr dokumentiert werden können, wenn die Beamten damit einverstanden sind. Und „brutale Übergriffe“ gab es mehrere in der letzten Zeit, u.a. auf den schwarzen Musikproduzenten Michel Zecler, der in seiner Wohnung zusammengeschlagen und rassistisch beleidigt wurde. Auch Präsident Macron bezeichnete den Angriff auf Zecler als „inakzeptabel“. Ein Kommentar in der SZ wies aber auch darauf hin, dass es besser wäre, die schäbigen Arbeitsbedingungen der Beamten zu verbessern, als ein Filmverbot zu erlassen. Aber es wäre auch teurer! Inzwischen hat die Regierung versprochen, den umstrittenen Artikel neu zu formulieren.

- In Frankfurt hingegen waren die Polizisten nicht die Täter, sondern die Opfer. Eine Halloween-Clique, nicht nur Männer, sondern auch Frauen, verzichteten auf das „Süße“ und gaben der Polizei nur „Saures“. Halloween ist vom Ursprung her der „Abend aller Heiligen“, aber die 800 Randalierer hätten eher in die Walpurgisnacht gepasst.

- In Berlin, an der Morgenstern-Schule, hat sich ein 11-jähriger Schüler vor der gesamten Klasse als potentieller Nachahmungstäter geoutet. Er drohte, seine Deutschlehrerin zu enthaupten. Dazu passt, dass Schulen Bedenken hatten, für Samuel Paty eine Schweigeminute abzuhalten, weil man affirmative Äußerungen muslimischer Schüler befürchtete. Auch Bildungsministerin Karliczek warnte vor dem Einfluss des Islam/Islamismus auf unsere Schulen. Dieser Einfluss kann, Allah sei Dank, auch positiv sein. Ein Imam sprach mit dem Burschen, und einen Tag nach seinem IS-Auftritt übergab er der Lehrerin einen Zettel mit der Zeile, es täte ihm „so,so,so leid“. Uns übrigens auch!

- Ein besonders übles Kapitel in der Fortsetzungsserie „Missbrauch in der katholischen Kirche“ (aber nicht nur da!), wurde vom ehemaligen Erzbischof von Washington Theodore McCarrick geschrieben. „Uncle Ted“, wie er sich von den Seminaristen gerne nennen ließ, lud seine „Neffen“ gerne in sein Strandhaus ein und teilte mit einem von ihnen nicht nur den Tisch, sondern auch das Bett. Da man ihm lange glaubte, da sei sonst nichts gewesen, und er zudem ein erfolgreicher Spendensammler war, blieb er lange unbehelligt. Erst 2006 wurde er zum „freiwilligen“ Rücktritt gedrängt, und 2019 wurde er von Papst Franziskus aus dem Priesterstand entlassen – „die Höchststrafe für einen Kleriker“.

Da der Missbrauch auch in den deutschen Diözesen eine „gewisse“ Rolle spielt, soll auch die „kleine Revolution bei Nacht“ nicht unerwähnt bleiben. Da überstimmte die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken das eigene Präsidium und erklärte sexualisierte Gewalt zu einem „strukturellen Problem“ der Kirche, verbunden mit der Forderung nach Transparenz und Solidarität mit den Opfern. Besonders aufgestoßen war der ZdK-Basis der Satz ihres Chefs, dass das „ZdK loyal an der Seite der deutschen Bischofskonferenz“ stehe. Im Lichte der Ereignisse in der Diözese Köln sind auch wir der Meinung: Zuviel Loyalität ist ungesund!

Jetzt säße ich eigentlich noch vor sechs Artikeln zum Thema Rechtsstaatmechanismus für und Blockade des EU-Haushalts durch Ungarn und Polen. Aber da man aus sechs Artikeln keine Kurznachricht basteln kann, und ich nicht entscheiden mag, ob

- Europa jetzt „die Zähne zeigt“,

- oder Ungarn und Polen doch „am längeren Hebel sitzen“

warte ich erst einmal ab, ob der Kompromiss, den Angela Merkel durchgesetzt hat, wirklich so „prächtig“ ist, wie Viktor Orban meint.

AI-Nachrichten

- In Ägypten wurden drei Mitarbeiter einer Menschenrechtsorganisation verhaftet. Die Organisation hatte mehrere europäische Botschafter zu einem Treffen eingeladen, wo über die „bedrückende Lage der Zivilgesellschaft“ gesprochen wurde. Den Mitarbeitern wurde u.a. „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Ob damit die Runde der Botschafter gemeint war, ist eher unwahrscheinlich. Ihre Regierungen drückten ihre „tiefe Besorgnis“ aus, und Anfang Dezember war die drei Männer wieder bei ihren Familien.

- Von zwei alten Bekannten gibt es konträre Nachrichten. In Saudi-Arabien droht der Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul der Prozess vor einem Tribunal, das für Terrorismus und Gefährdung der nationalen Sicherheit zuständig ist. Loujain war schon einmal inhaftiert, weil sie (voreilig) Auto gefahren war, aber seit 2018 ist sie in Haft, weil sie gegen „heilige Kühe“ der saudischen Gesellschaft (Wahlrecht für Frauen, Vormundschaftssystem) protestiert und (illegale) Kontakte zu europäischen Diplomaten unterhalten hatte. Vor dem (geplatzten) G-20-Gipfel forderten Menschenrechtler ihre Freilassung, für die deutsche Bundesregierung wäre ein Gipfeltreffen nicht unbedingt „der richtige Kanal“ gewesen, um die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien zu besprechen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass saudische Frauen inzwischen Auto fahren dürfen und das Vormundschaftsrecht gelockert wurde.

Freigelassen wurde im Iran die Doppelstaatlerin Kylie Moore-Gilbert, die man seit 2018 als Faustpfand verwendet hatte, um Australien oder Großbritannien zu kleinen „Gefälligkeiten“ zu ermutigen“. Die Revolutionsgarden hatten ihr Spionage für Israel vorgeworfen, waren aber eher darüber sauer, dass sie sich von ihnen nicht als Spionin anwerben ließ. Die Gegenleistung des australischen Geheimdienstes bestand darin, dass man Thailand dazu gebracht hatte, drei Terroristen herauszurücken, die in Bangkok Anschläge auf israelische Diplomaten vorbereitet hatten. Kein schlechter Deal für Teheran!

- Zum WM-Ausrichter Katar hat AI ein Papier veröffentlicht, dass die zaghaften Ansätze zur Reform des Arbeitsmarktes würdigt, aber mit Nachdruck kritisiert, dass sich bei den Hausangestellten wenig getan habe. „An ihnen werden noch immer eklatante Verbrechen begangen.“ Die braucht man auch nicht, damit die Stadien fertig werden.

Was der Selbstzensur zum Opfer fiel

- Einem Oppositionspolitiker in Tansania wurde vor der deutschen Botschaft der Zutritt verweigert, obwohl er Morddrohungen erhalten hatte.

- Australische Elitesoldaten begingen in Afghanistan Kriegsverbrechen. Als Initiationsritual wurde Neuzugängen befohlen, Gefangene zu erschießen.

- Palästinensische Olivenbauer werden von israelischen Siedlern attackiert. Die Aktivisten der Organisation FAZ3A bilden einen Schutzschild um die Bauern und werden ihrerseits von den Siedlern verprügelt. Unter den Aktivisten sind auch Israelis.

- Der Sohn des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro ist angeklagt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben.

Schlusswort

Obwohl ich den Monat so verheißungsvoll begonnen habe, ist er reichlich düster geraten. Deshalb schließe ich mit einem aufmunternden Zitat von Theodor Fontane:

„Wer durch die Mark (Brandenburg) reisen will, muss den guten Willen haben, das Gute zu finden.“

 

Dezember 2020

 

In der staaden Zeit war so viel los, dass ich einige Ereignisse dem Corona-Lockdown opfern muss. Und über das, was zu sagen bleibt, können Sie entscheiden, ob die beteiligten Länder, Personen und Gruppen eher ein Geschenksäckchen vom Hl. Nikolaus verdienen oder vom Krampus in den Sack gesteckt werden sollen.

Das hinterfotzige Giftopfer

„Angriff aus der blauen Unterhose“, titelte die SZ einen Artikel über den fingierten Anruf von Alexej Nawalny bei Konstantin Kudrjawzew, einem mutmaßlichen Agenten des russischen Inlandgeheimdienstes FSB, der mit sieben anderen Agenten seit Monaten auf den Kremlkritiker angesetzt war. Das Gift war „auf die Säume im Schritt der Unterhose“ angebracht gewesen, und Kudrjawzew hatte die ehrenvolle Aufgabe bekommen, die Unterhose von Rückständen des Nervengifts zu säubern. Der Anschlag, so der Agent, wäre geglückt, „wenn es nicht die schnelle Arbeit der Mediziner und Sanitäter gegeben hätte“. In Russland hält sich zunächst die (offene) Empörung über den Anschlag in Grenzen, weil sich die Repression gegen Regierungskritiker zunehmend erhöht. Aber als der Dokumentarfilmer Witalij Manskij vor der FSB-Zentrale eine blaue Unterhose in die Höhe hielt, wurde er festgenommen.


61 Textil mit politischem Gehalt
Textil mit politischem Gehal

Im Lande der Ahnungslosen

Damit sind jetzt nicht mehr die Landstriche in der DDR gemeint, wo man kein Westfernsehen empfangen konnte, sondern die Umtriebe von manchen Querdenkern, die jenseits der Pandemie leben. Am Münchener Hauptbahnhof weigerte sich eine Frau, die Maske aufzusetzen, weil sie „direkt von Gott dem Allmächtigen“ eine Befreiung von der Maskenpflicht erhalten habe. In Altötting behandelte ein Arzt (und AfD-Stadtrat) in einem Seniorenheim, ohne eine Maske zu tragen – und wurde deswegen vom Heimleiter aus dem Gebäude geworfen. Und in Miesbach versammelten sich rund 30 Personen vor dem Rathaus zu einem „Spaziergang“ – ohne Masken und Mindestabstand. Die Teilnehmer zeigten sich der Polizei gegenüber „unkooperativ“, 14 von ihnen wurden angezeigt, das Landratsamt ist dabei, das anfallende Bußgeld auszurechen.

62
Eine Impfung für die Ahnungslosen

Ahnungslosigkeit kann man aber auch vortäuschen. So bietet China als Auslöser der Pandemie eine tiefgefrorene „Schweinshaxe“ aus Deutschland an. Alternativ sei das Virus in Italien entstanden, das habe auch der deutsche Virologe Kekulé gesagt. Nein, hat er nicht! Er ist zwar der Meinung, das Virus sei in Italien mutiert, betonte aber ausdrücklich, dass es in China entstanden sei.

Gefährliche Orte, gefährdete Menschen

Nach Afghanistan, dem „gefährlichsten Land der Welt“ soll wieder abgeschoben werden. Dabei läuft derzeit eine mörderische Begleitmusik zu den Gesprächen von Regierung und Taliban in Doha/Katar. Die Islamisten versuchen, den Druck auf die Verhandlungen zu erhöhen, indem sie gezielt Aktivisten, Journalisten, Politiker und Frauenrechtlerinnen ermorden, also die Leute, die ihnen bei der Machtergreifung im Wege stehen würden.

Hongkong wird zu einem heißen Pflaster für Journalisten. Das neue Sicherheitsgesetz ermöglicht es, auch Journalisten anzuklagen, die außerhalb Hongkongs über die Stadt schreiben. Da wird die chinesische Polizei jetzt bald bei Lea Deuber aufkreuzen, die für die SZ von Peking aus berichtet – und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Höchste Gefahr für Leib und Leben droht diesem Berufsstand, wie erwähnt, in Mexiko. Seit dem Jahre 2000 sind mindestens 119 Journalisten getötet worden, viele sind einfach verschwunden. Wer von ihnen erschossen worden ist, hat das auch europäischen/deutschen Kleinwaffen zu verdanken, denn wegen des Krieges zwischen Polizei und Drogenbanden ist ein „Rüstungswettlauf“ entbrannt, der Europas Waffenschmieden nicht ungelegen kommt.

Gefährlich kann es für einen Afroamerikaner sein, zum Zahnarzt zu gehen, für seine Familie Sandwiches zu kaufen und dann auch noch die Haustüre aufzusperren. Dabei wurde in Columbus/Ohio Casey Goodson von einem Polizisten erschossen. Er hatte zwar eine Waffe getragen, dafür aber eine Lizenz gehabt. Die Polizei in Columbus räumte ein, dass Casey nicht die gesuchte Person gewesen sei.

Und man sollte sich gut überlegen, in Japan als Frau auf die Welt zu kommen. Das Land erfreut sich einer ausgeprägten Macho-Kultur, wo in manchen Unternehmen Frauen keine Brillen tragen dürfen und Stöckelschuhe anziehen müssen. Und zweimal wird man zum Opfer, wenn man sich gegen eine Vergewaltigung zur Wehr setzt. Das musste die Lokalpolitikerin Shoko Arai erfahren, die im Kurort Kusatsu vom Bürgermeister sexuell angegangen wurde. Als sie die Sache öffentlich machte, wählten sie ihre Kollegen aus dem Stadtrat, der Bürgermeister stellte eine Strafanzeige wegen Verleumdung und regte mit dem Stadtrat ein „Stadtreferendum“ gegen Shoko an, weil ihre „Lügen dem Ruf der Stadt geschadet hätten“. Der Abwahl stimmten 90% der Wähler zu. Shoko reagierte auf den Rauswurf mit einer Pressekonferenz in Tokio und berichtete von drei Frauen, die der Bürgermeister ebenfalls belästigt habe.

Im Nordwesten von Bosnien-Herzegowina verschärfte sich die Lage gestrandeter Flüchtlinge. Das Camp Lipa war von den Behörden geräumt worden, angeblich um es durch Umbauten winterfest zu machen. Allerdings hatte man versäumt, Ausweichquartiere bereit zu stellen. Darauf wurde das Camp abgefackelt, mutmaßlich von Flüchtlingen. Jetzt hausen sie in leerstehenden Fabrikhallen oder in den Wäldern und an Straßenrändern - mit dem Himmel über dem Kopf und dem Winter in den Gliedmaßen. Es gäbe ein leerstehendes Lager, aber gegen dessen Wiedereröffnung wehren sich die Einheimischen und die lokalen Behörden. Die Fotos von den Zuständen sind unerträglich.

Unerträglich sind auch die Zustände in Nordostsyrien, wo die Kurden ihre IS-Gefangenen festhalten. Wenn es nur die Kämpfer wären, würde sich das Mitleid in Grenzen halten, aber es gibt auch Lager für Frauen und Kinder, darunter mehr als 100 Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit, die von ihren fanatischen Müttern aus Deutschland entführt worden waren, im IS-Gebiet geboren wurden oder Kriegswaisen sind. Die Zustände sind so, dass man in den Propagandavideos des IS von „Todescamps“ spricht – und damit den Zuständen in den Lagern ziemlich nahekommt. Die Bundesregierung tut sich mit der Rückholung von Müttern und Kindern recht schwer, weniger weil sie die Kurden nicht loswerden wollen, sondern weil man fürchtet, mit einigen Müttern „tickende Zeitbomben“ einzufliegen. Aber zu bestrafen sind diese Mütter und nicht die Kinder. Und die deutsche Staatsbürgerschaft ist nicht an Wohlverhalten gekoppelt.

AI-Nachrichten

Ehrlich gesagt, mir reicht es jetzt schön langsam mit den schlechten Nachrichten, und deshalb werde ich diesen Abschnitt nur in (erweiterten) Schlagzeilen abhandeln.

- Die saudische Frauenrechtlerin Loujain al-Hathloul (s. November) wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Da ein Teil der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde und ihr die (lange) U-Haft angerechnet wird, könnte sie im März freikommen.

- Im Iran wurde der Journalist Ruhollah Zam hingerichtet. Die Hinrichtung fand nur vier Tage nach dem Urteilsspruch des Obersten Gerichtshof statt, wohl um einer internationalen Kampagne zuvor zu kommen. Zam hatte im Exil in Frankreich gelebt und wurde 2019 auf einer Reise in den Irak gekidnappt und in den Iran verschleppt. Die FDP forderte daraufhin, Oppositionelle aus Unrechtsstaaten auch in Deutschland besser zu schützen.

- Unter den ersten Fünf, die Moskau als „ausländische Agenten“ einstufte, weil sie für ihre politische (und regimekritische) Arbeit eine Unterstützung aus dem Ausland bekommen, war Lew Ponomarjow. Als Reaktion auf die Einstufung rief er seine „Mit-Agenten“ auf, die Organisation „Ausländische Agenten – für Menschenrechte“ zu gründen. Prügel, Haft oder Schlimmeres sind vorprogrammiert.

- Eine erste Untersuchung dieser Art hat ergeben, dass Lesben, Schwule und Transgender in Deutschland jederzeit mit Gewalt rechnen müssen. Die Täter sind in ihrer Mehrheit weder politische Extremisten, noch arabische Machos, sondern „bilden einen repräsentativen Querschnitt durch alle Bevölkerungsgruppen“.

- Auf das (bisher noch bestehende) Exportverbot von deutschen Waffen nach Saudi-Arabien hat ein saudischer Staatsminister mit einer Trotzreaktion reagiert. Er sagte: „Wir brauchen keine deutschen Waffen, um unser Militär zu betreiben.“ Eine mutige Bundesregierung würde ihm antworten: „Nun, dann kriegt ihr auch keine.“

Erfolgsmeldungen

- Relativ glimpflich verlaufen ist ein erneuter Überfall der Boko Haram (oder einer kriminellen Bande) auf eine Schule in Katsina/Nigeria. Etwa 330 Schüler wurden entführt, wurden aber wenige Tage später wieder freigelassen. Ob Lösegeld gezahlt wurde ist, ist nicht geklärt – aber auch sekundär. Von den 276 Chibok-Mädchen, die 2014 entführt worden waren, sind 100 bis heute nicht aufgetaucht.


63 Rückkehr unter Polizeischutz
Rückkehr unter Polizeischutz

- Ein deutscher Zahnarzt aus Wuppertal war am Flughafen von Antalya wegen der Abstandsregelung in Streit geraten. Eine Zeugin sagte aus, er habe Präsident Erdogan beleidigt und die Türkei ein „beschissenes Land“ genannt. Vor Gericht bestritt der Zahnarzt die Vorwürfe und zeigte auch sonst ein „gutes Verhalten“. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, und er durfte ausreisen. Wohin wird der in den nächsten Jahren (nicht) in den Urlaub reisen? Aktuell befinden sich 64 deutsche Staatsangehörige in türkischer Haft, 70 Personen sind mit einer Ausreisesperre belegt.

- Der Vatikan hat den sizilianischen Richter Rosario Livatino selig gesprochen Livatino hatte sich bei der Stidda, einer Rivalin der Cosa Nostra, unbeliebt gemacht, weil er mit modernen Ermittlungsmethoden auf sie losging. Im Jahre 1990 wurde er auf der Fahrt zur Arbeit von zwei Motorradfahrern „hingerichtet“. Papst Johannes Paul II nannte ihn einen „Märtyrer der Gerechtigkeit“. Dass ein Mafiajäger selig gesprochen wird, ist auch ein Bruch der Kirche mit ihrer Vergangenheit, denn da hat sie beim Kampf gegen die Mafia oft weggeschaut. Eine ausdrückliche Exkommunikation der Mafiosi erfolgte erst 2014. Da war man mit der Exkommunikation bei manchen Theologen wesentlich schneller.

Kuriosa

- Der (hoffentlich) scheidende US-Präsident Trump hat einige Begnadigungen ausgesprochen, die zu ihm passen – und deren Nutznießer Vergehen begangen haben, für die der Präsident einmal selbst belangt werden könnte: illegale Kontakte zu Russland, Falschaussage, Missbrauch von Wahlkampfgeldern.

- Präsident Erdogan wurde auf Twitter „osmanische Dekadenz“ vorgeworfen. Er hatte bei einem Staatsbesuch aus dem Irak ein allzu üppiges Bankett auftragen lassen. Ein Oppositionspolitiker schrieb dazu:

„Für die Nation sind die Feste verboten, den Ladenbesitzern geht es erbärmlich, den Bürgern fehlt das Brot, aber der Tisch des Sultans ist gedeckt.“

- Als möglicher Nachfolger des philippinischen Präsidenten Duterte baut sich der ehemalige Boxweltmeister Manny Pacquiao auf und macht dabei dem Sprichwort „Etwas Besseres kommt nicht nach“ alle Ehre. Er fordert die rasche Wiedereinführung der Todesstrafe und ließ schon einmal verlauten, dass „Homosexuelle schlimmer als Tiere“ seien. Er war Weltmeister in den sieben Klassen vom Fliegengewicht bis zum Superweltergewicht, und deshalb wünschen wir ihm, dass er bei seinem politischen Aufstieg bald an ein Superschwergewicht gerät.

- Deutschland verließ nach zwei Jahren den UN-Sicherheitsrat. Wegen der Blockade des Gremiums hauptsächlich durch Russland und China, waren die Erfolge bescheiden, aber bei der Frage der humanitären Zugänge nach Syrien, verlor der deutsche Botschafter Christoph Heusgen die „diplomatische Contenance“. Er stellte seine Kollegen aus Russland und China wie folgt:

„Aber wenn Sie nach Hause berichten, dann sagen Sie, dass der deutsche Botschafter Sie gefragt hat, ob die Leute, die die Anweisung (zur Reduzierung der Zugänge) gegeben haben, 500.000 Kinder von humanitärer Hilfe abzuschneiden, noch in den Spiegel schauen können.“

Während der chinesische Diplomat darauf mit asiatischer „Höflichkeit“ reagierte, - „das Auftreten Deutschlands im Sicherheitsrat hat nicht den Erwartungen der Welt und des Rats entsprochen“ – wurde sein russischer Kollege deutlicher. Er sagte an die Adresse Heusgens: „Sie werden uns nicht fehlen.“

Wir sind der Meinung: Doch, wird er schon!

Bild und Text des Monats

Eine deutliche Geste hat auch Willy Brandt bei seinem historischen Kniefall in Warschau vor 50 Jahren geliefert. Und besser wie der Spiegel-Reporter Hermann Schreiber konnte man es nicht beschreiben:

„Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selbst nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, deren er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“




 

3. Der Tätigkeitsbericht: das AI-Jahr in Miesbach

 

Nein, wir haben trotz der Coronakrise nicht den Titel „Untätigkeitsbericht“ verwendet. Natürlich blieb einiges auf der Strecke oder ging ohne unsere Mitwirkung über die Bühne – und das nicht zuletzt deswegen, weil der Gruppensprecher zu dämlich war (und andere Gruppenmitglieder zu unwillig), um an Videokonferenzen oder virtuellen Workshops teilzunehmen. Aber an den eher konventionellen Aktionen haben wir, so gut es ging, teilgenommen und in der Zeit vor der 1. Welle und zwei Wochen vor dem 2. Lockdown spektakuläre Veranstaltungen (im wahrsten Sinne des Wortes) auf die Bühne gebracht. Und v.a. haben wir den Betrieb aufrechterhalten und nicht Insolvenz angemeldet, so dass der Neujahrswunsch an die Gruppe - „Führ‘, wenn es sein kann, wieder uns zusammen“ - eine solide Basis hat.

3.1 Schreibtischtaten

Die Lektüre dieser Schreibtischtaten ist nicht sehr attraktiv, schon gar nicht, wenn die Liste, pandemiebedingt, etwas länger ausfällt. Und was den Anreiz, sie zu lesen weiter verringert: Wir können nicht immer mit Erfolgsmeldungen aufwarten. Ich kann Sie deshalb nur einladen, sich von den Schicksalen dieser Menschen/Gruppen anrühren zu lassen und die Lektüre als Geste der Solidarität zu betrachten, damit sie nicht das werden, was Peter Benenson mit der Gründung von AI verhindern wollte. „Forgotten prisoners/Vergessene Gefangene“.

Damit es Ihnen nicht so geht, wie diesen beiden „Aktivisten“, zum Auftakt diese Karikatur.




Petition an Präsident Pinera/Chile (Januar)

In Chile kam es ab Oktober 2019 zu Demonstrationen gegen die soziale Ungleichheit und gegen Fahrpreiserhöhungen bei der Metro. Die Proteste wurden von einer breiten Bevölkerungsschicht getragen und mit „systematischer Polizeigewalt“ bekämpft. Es gab einige Tote, viele Verletzte und Fälle von Folter und unmenschlicher Behandlung. Dass es auch zu 70 Sexualverbrechen kam, zeigte, dass es auf den Polizeistationen und Gefängnissen munter weiterging. AI forderte „Nachhilfestunden“ für die Carabineros mit dem Ziel, bei ihren Einsätzen „verhältnismäßig“ vorzugehen und die Menschenrechte zu wahren. Im November 2020 trat der Chef der Polizei zurück, im April 2021 soll die Verfassung aus der Zeit der Militärdiktatur ersetzt werden.

Petition an Präsident Mnangagwa/Simbabwe (Weltgebetstag März 2020)

Der Weltgebetstag war heuer dem Land Simbabwe gewidmet. Wir konnten kurz über AI-Anliegen berichten und eine Petition verteilen. Deren Inhalt: Gewalt gegen friedlich Demonstrierende. Wir hätten fast wortgleich die Liste zu Chile hernehmen können, nur haben in Simbabwe auch noch militante Jugendgruppen mitgemischt. Die Proteste richteten sich gegen die verheerende Wirtschaftslage und gegen die gezielte Tötung von Oppositionspolitikern.

Brief in den Sudan (Frauentag März 2020)

AI forderte schon 2019 die Aufhebung der Gesetze zur öffentlichen Ordnung, die den Auftritt von Frauen in der Öffentlichkeit regeln, d.h. einschränken. Frauen durften demnach nicht allein reisen oder ohne Begleitung auf die Straße gehen. Dabei waren es Frauen und junge Leute, die die friedlichen Proteste gegen den Diktator al-Bashir trugen. Im Februar 2020, zeitgleich mit unserem Brief, wurden diese Gesetze aufgehoben. Das Foto stammt aus dem Jahre 2019, ist aber noch länger aktuell.

66 Wir werden siegen -hoffentlich
 „Wir werden siegen“ – Hoffentlich!

Im Juli wurde noch eine Petition draufgesattelt, weil bestimmte Frauenrechte nach wie vor ein Schattendasein führen: Es gibt („diskriminierende“) Prügelstrafen bei Ehebruch, Genitalverstümmelung, Kinderehen mit zehn Jahren.

Mailaktion: Todesurteile in Indien (März 2020)

Die Aktion rief bei einigen Gruppenmitgliedern so starkes Bauchweh hervor, dass sie nicht mitmachten. Der Appell, Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln, bezog sich auf vier Männer, die 2012 eine Studentin vergewaltigt und anschließend ermordet hatten. Das rechtfertigt das starke Bauchweh. Meine Frau nahm die Position von AI ein und sagte: „Todesstrafe ist Todesstrafe“ – und damit „in allen Fällen und ausnahmslos“ abzulehnen. Was beängstigend ist, ist zum einen die horrende Zahl von Vergewaltigungen, die Hälfte davon Minderjährige, zum anderen die hohe Inzidenz in Bundesstaaten, die von der hindunationalistischen BJP-Partei regiert werden. Und zum dritten die gefühllosen und abwertenden Kommentare in den sozialen Medien, die dem Opfer eine Mitschuld unterstellen.

Die vier Männer wurden hingerichtet, und diese Frau haben sie zu Tode gebracht.

67 Tarnname Nirbhaya - die Furchtlose
Tarnname Nirbhaya („die Furchtlose“)

Brief an den iranischen Justizminister (März 2020)

Für Gefangene in iranischen Gefängnissen bedeutet die Pandemie eine zusätzliche Verschärfung der Haftbedingungen, da die medizinische Versorgung unzureichend bis nicht existent ist, und sie oft nicht genügend Seife und andere Hygieneartikel bekommen. Deshalb appellierten wir an den Justizminister, politische Gefangene und Risikoinsassen freizulassen. Und siehe da! Schon im Februar wurde z.B. ein alter Bekannter freigelassen, der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft Esmail Abdi, dessen Schicksal wir auf einer DGB-Kundgebung zum 1. Mai 2018 präsentierten. Allerdings scheint auch bei ihm die Freilassung befristet gewesen zu sein, denn im August 2020 wurde er aus einem Gefängnis in ein Krankenhaus verlegt. Ob er noch lebt, wissen wir nicht.

Maikundgebung privat und per Post (Mai/Juni 2020)

Anstelle unseres Auftritts bei den Maikundgebungen des DGB, bei denen wir immer mit großer Freundlichkeit empfangen und vorbehaltlos unterstützt wurden, habe ich neben der Haustüre das AI-Plakat zum 1. Mai aufgehängt. Ob deswegen jemand aus unserer Wohngemeinschaft dem DGB beigetreten ist, glaube ich eher nicht. Brieflich holten wir die Maifeier im Juni nach. Da gab es einen Brief an die chinesische Botschaft in Berlin, mit dem wir die Freilassung der Arbeits- und Frauenrechtlerin Li Qiaochu forderten, die im Februar 2020 wegen ihrer Aktivitäten gegen geschlechtsspezifische Gewalt und wegen eines „Seitensprungs“ ihres Partners – er hatte an einem Treffen mit Anwälten und Menschenrechtsaktivisten teilgenommen - inhaftiert worden war. Auch hatte sie sich in der Prävention von Covid-19 engagiert. Sie wurde in Einzelhaft gehalten, wohl damit sie im Gefängnis keine Gesichtsmasken verteilen konnte. Noch im Juni wurde sie auf Kaution freigelassen.

Appell an Angela Merkel (Juni 2020)

„Wenn es ein Verbrechen ist, Leben zu retten, dann bin ich gerne schuldig.“ So der frühere Kapitän der Iuventa 10, deren Crew im Jahre 2020 den AI-Menschenrechtspreis bekam. Da liefen die Ermittlungen der italienischen Justiz schon seit drei Jahren. Wir forderten die Kanzlerin auf, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft dafür einzusetzen, dass laufende Verfahren gegen Seenotretter eingestellt werden und Seenotrettung entkriminalisiert wird. Von einer Einstellung der Ermittlungen war noch nichts zu hören, und die Sea-Watch 4 wurde, wie erwähnt, am Auslaufen gehindert. Dafür ist das Investitionsabkommen mit China unter Dach und Fach.

Brief nach Niger

Im Juni 2020 wurde die Journalistin Samira Sabou vom Obersten Gerichtshof in Niamey/Niger im Zusammenhang mit Korruptionsvorwürfen gegen Regierungsbeamte vorgeladen. Als sie erschien, legte man ihr einen Haftbefehl vor, der nichts mehr mit der ursprünglichen Anklage zu tun hatte. Der Sohn des nigrischen Präsidenten hatte sie wegen Verleumdung angezeigt, obwohl ihn Samira in ihrem Kommentar gar nicht namentlich erwähnt hatte. Ende Juli wies ein Gericht die Verleumdungsvorwürfe zurück, und Samira wurde freigelassen.

(Scharfer) Brief an US-Justizminister (August 2020)

Im Juli 2020 hatte die Trump-Regierung wieder die Todesstrafe nach Bundesrecht eingeführt und bis wenige Tage vor Trumps Abtritt weidlich davon Gebrauch gemacht. Von Trump begnadigt wurden nur die Lügner und Betrüger, die ihm früher aus der Hand gefressen hatten. Der Brief, der im August nach den ersten vier Hinrichtungen an Justizminister Barr ging, war für AI-Verhältnisse eher grob geraten. Da war von „Fehlern, Willkür, rassistischen Vorurteilen und unangemessenen juristischen Entscheidungen“ die Rede, und die Rechtsprechung in Sachen Todesstrafe wurde als „broken/zusammengebrochen“ bezeichnet. Leid tut uns aber nicht die Härte der Formulierungen, sondern die Erfolglosigkeit unseres Appells. Es wurden insgesamt 13 Todesurteile vollstreckt. Trumps Nachfolger Biden lehnt die Todesstrafe ab.

Brief nach Belarus (Oktober 2020)

Im September wurde Marfa Rabkova, die Managerin des Menschenrechtszentrums Viasna, festgenommen. Sie wurde des „Trainings von Menschen zur Teilnahme an Aufständen“ angeklagt, vermutlich weil sie ihnen empfohlen hat, bei Prügelattacken die Hände über den Kopf zu halten. Obwohl auch deutsche Bundestagsabgeordnete für sie (und Mitstreiter) eine Patenschaft übernommen hatten, wird sie weiterhin festgehalten. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu drei Jahre Haft.

Brief an die Justizministerin von Mosambik (Oktober 2020)

Im Jahre 2015 wurde die bekannte Feministin und Stieftochter Nelson Mandelas, Josina Machel, ein Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt. Ihr damaliger Partner Rufino Licuco, ein einflussreicher Geschäftsmann, schlug ihr das rechte Auge aus. In einem 1. Prozess wurde er zu (umgerechnet)

2,9 Millionen US Dollar Schadenersatz verurteilt. Im Juni 2020 hob ein Berufungsgericht das Urteil auf. Der Verlust des Auges könnte auch auf einen „Fall“ oder einen „stumpfen Gegenstand“ zurückzuführen sein. Dass es nur recht und billig sei, eine afrikanische Frauenrechtlerin auf die traditionelle Rolle der afrikanischen Frau zurückzustutzen, hat das Gericht (möglicherweise) mitgemeint. Josina wiederum hat beim Obersten Gerichtshof Berufung eingelegt. Ein Urteil ist „in naher Zukunft“ zu erwarten.

68 Das Lachen einer starken Frau
Das Lachen einer starken Frau

Freilassung statt Todesstrafe (Oktober 2020)

Zum Welttag gegen die Todesstrafe wurden wir für Barzan Nasrollahzadeh, einen Angehörigen der kurdischen Minderheit im Iran, tätig. Barzan war noch minderjährig, als er 2010 wegen (gefühlter) „Feindschaft gegen Gott“ und (angeblicher) „Beteiligung an Attentaten“ zum Tode verurteilt wurde – wie im Iran üblich, nach einem unsanft erzwungenen Geständnis und ohne nennenswerten Rechtsbeistand. Seine Hinrichtung schien unmittelbar bevorzustehen. Da erreichte uns im Januar 2021 die Nachricht von einer „Kehrtwende“: Das Todesurteil war in eine Freiheitsstrafe umgewandelt worden, und auf Grund seiner langen Haftzeit, kam er sofort frei. Die Nachricht schloss mit „Ein schöner Erfolg, besonders für Barzan, wie wir meinen.“

Einspruch Abtreibung (Oktober 2020)

Ein Mail des Sprechers des Bezirks Lübeck machte uns darauf aufmerksam, dass AI auf internationaler Ebene (und zum Unbehagen der deutschen Delegation) seine Position zur Abtreibung dahingehend geändert hat, dass unter dem Deckmantel „liberale“ Abtreibungspolitik und gewissermaßen durch die Hintertüre ein absolutes und unbefristetes Recht auf Abtreibung eingeführt wird, weil (angeblich internationaler Rechtsprechung zufolge) ein Menschenrecht auf Leben erst nach der Geburt existiert. Bisher hatte sich AI gegen die Strafverfolgung von Frauen eingesetzt, die wegen Abtreibung kriminalisiert und zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren und damit eine Position vertreten, zu der man stehen kann. Wir haben an ein Mitglied der Themengruppe „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ geschrieben, dass wir nicht zu Fällen arbeiten werden, die unter das erweiterte Mandat fallen. Mit Genugtuung haben wir zur Kenntnis genommen, dass die Iran-Kogruppe zur virtuellen Jahresversammlung im Dezember einen Antrag gestellt hat, der den Vorstand von AI-Deutschland auffordert, das neue Positionspapier als „unvertretbar“ abzulehnen. Wie über diesen Antrag entschieden wurde, war uns Ende Januar 2021 noch nicht bekannt.

Petition Afghanistan (November 2020)

Zielgruppe dieser Petition waren diesmal keine Gefangenen, sondern vier Frauen, die zwar noch in (relativer) Freiheit leben, aber massiv gefährdet sind. Es handelt sich um die weiblichen Mitglieder der Delegation der afghanischen Regierung bei den Friedensgesprächen mit den Taliban in Doha/Katar. Wir haben im Dezember von den gezielten Tötungen von Aktivisten, Journalisten und Politikern durch die Taliban gesprochen, und deshalb fordert der erste Punkt der Petition, dass „die vier Frauen auch außerhalb der Verhandlungsräume besonders geschützt sind“.

Brief nach Bahrain (November 2020)

„Menschenrechtsverletzungen überschatten Formel 1-Rennen“, aber von einem Boycott ist beim Automobil-Weltverband FIA nichts zu hören. Dabei kommt es im Lande immer wieder zu willkürlichen Festnahmen. Da sitzt z.B. der Jugendliche Kameel Juma Hasan eine fünfjährige Haftstrafe ab, weil er an friedlichen Demonstrationen gegen die Monarchie teilgenommen hat. Kameel war erst 16 Jahre, als er festgenommen wurde, aber in Bahrain wird man ab 15 schon als Erwachsener abgeurteilt. Es ist sicher kein Zufall, dass er zeitgleich mit der Freilassung seiner Mutter eingesperrt wurde, nachdem die sich als „undankbar“ erwiesen hatte und öffentlich machte, dass sie in Haft missbraucht worden war. Nachrichten dieser Art werden bei der FIA vom Heulen der Motoren und dem Rascheln der Scheckbücher übertönt.

Briefe an den iranischen Justizminister (Dezember 2020)

Diesmal ging es nicht um die Todesurteile an (zur Tatzeit) Minderjährigen, sondern um einen Angehörigen einer Derwischgruppe, die im Februar 2018 auf den Straßen Teherans nicht tanzten, sondern, von der Attacke eines Buses auf Polizisten abgesehen, friedlich demonstrierten. Die Gruppe gehört zu den Sufis, die die religiöse Führerschaft der Ayatollahs nicht anerkennen. Behnam Mahjoubi wurde ein Fall für AI, weil zu befürchten ist, dass er das Gefängnis nicht mehr lebend verlässt. Er leidet an Panikattacken, die nicht mit Medikamenten, sondern mit Schikanen und Folter „behandelt“ werden. Sein Gesundheitszustand soll sich entsprechend verschlechtert haben.

Dem Justizminister sind wir (hoffentlich) noch mit zwei weiteren Briefen auf die Nerven gegangen. Wir forderten die Aufhebung des Todesurteils und die sofortige Freilassung des irano-schwedischen Arztes Ahmadreza Djalali, der der Spionage und Zusammenarbeit mit Israel bezichtigt wurde, was für die iranische Justiz der „Verderbtheit auf Erden“ gleichkommt. Seine Hinrichtung wurde bisher auf Anweisung „von oben“ zurückgestellt. Und wir setzten uns für den Irano-Österreicher Massud Mossaheb ein, dem u.a. „Spionage für Deutschland“ vorgeworfen wird. Zuhause in Österreich war Massud immerhin Generalsekretär der Österreichisch-Iranischen Gesellschaft.

Briefmarathon (Dezember 2020)

Und dann ließen wir andere für uns schreiben – Schüler am Gymnasium Miesbach, die zum 2. Mal am weltweiten Briefmarathon teilnahmen. Wir freuen uns, dass wir mit Nicolas Klöcker (und anderen Lehrern) wieder ein festes Standbein an unserem „Ursprungsort“ haben und im Wahlkurs „Politik und Zeitgeschichte“ ein Team von engagierten Multiplikatoren, die es fertiggebracht haben, 267 Briefe selbst abzuschicken und unter ihre Mitschüler zu bringen. Wir sagen „Chapeau!“ und „Danke!“

Als „Weihnachtsgeschenk“ hatten wir für sie einen Fall aus dem Briefmarathon von 2019 mitgebracht, an dem die Schule auch schon teilgenommen hatte. Es handelte sich um den Südsudanesen Magai Matiop Ngong, der als 15-Jähriger wegen eines tödlichen Unfalls zum Tode verurteilt worden war und drei Jahre warten musste, bis ein Berufungsgericht das Todesurteil aufhob.

3.2 Veranstaltungen

Wie gesagt, da fiel einiges aus, aber was stattfand, war hochkarätig.

Themenabend zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (30. Januar)

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Da mache ich es mir leicht, im Gegensatz zu den vielen Akteuren am Gymnasium Miesbach, die sich mit Ausstellung und Abendgestaltung eine Heidenarbeit gemacht haben. Ich drucke einfach den ausführlichen Bericht von Barbara Stefan im Jahresbericht 2020 ab, der diese Akteure namentlich oder bildlich erwähnt, so dass mir nur übrigbleibt, ihnen allen für ihr Engagement zu danken und dezent darauf hinzuweisen, dass AI Miesbach im Jahre 2022 seinen 50. Geburtstag hat – und, wenn’s geht, diesen auch gerne feiern möchte.

In Zusammenarbeit mit Vertretern der Ortsgruppe Amnesty International veranstaltete das Gymnasium Miesbach am 30. Januar 2020 unter der Leitung von Matthias Brandstäter dank des Engagements zahlreicher Kolleginnen und Kollegen sowie einer Vielzahl von Schülerinnen und Schülern aus den unterschiedlichsten Jahrgangsstufen und Fachgruppen einen Themenabend zu Geschichte und Bedeutung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948“

In das fächerübergreifende Projekt waren Fächer wie Kunst, Musik, Ethik oder Religion ebenso eingebunden wie etwa Deutsch, Englisch, Geschichte oder Sozialkunde. Die Darbietungen reichten von künstlerischer Veranschaulichung, musikalischen Einlagen oder filmischen Inszenierungen bis hin zu szenischem Spiel, engagierten Vorträgen oder informativen Power-Point-Präsentationen.

In einer ausgewogenen Mischung aus hohem Informationsgehalt wie auch gelungenem Unterhaltungswert wurde einerseits auf drastische Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Brasilien, der DR Kongo, Saudi-Arabien oder der VR China aufmerksam gemacht, andererseits wurde aber auch das unermüdliche Engagement von Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie bekannter Persönlichkeiten und berühmter Menschenrechtsaktivisten/innen hervorgehoben.

Den Einstieg in das komplexe Thema bildete ein Kurzfilm, gedreht von Schülern der 12. Jahrgangsstufe, in dem die schönen Visionen eines Engels in einer Diskussion über den Zustand der Welt auf den harten Realismus des Teufels treffen.

In seiner Begrüßungsrede griff der Sprecher der Ortsgruppe Amnesty International, Fritz Weigl, diesen Gedanken nochmals auf, indem er Papst Johannes Paul II zitierte: „Ich wäre bereit, sogar mit dem Teufel zu reden, wenn es um die Wahrheit, die Religion und die Menschenrechte geht“.

Schließlich wies Fritz Weigl darauf hin, dass es ohne die großen Ideen von Demokratie und Freiheit im ausgehenden 18. Jahrhundert, die sowohl in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 als auch in der französischen „Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers“ von 1789 ihren Ausdruck gefunden haben, wohl weder zur Paulskirchenversammlung von 1848 noch zur „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948“ gekommen wäre. Doch auch E. Roosevelt, die Witwe des amerikanischen Kriegspräsidenten, musste viele Widerstände überwinden, bis es am

10. 12. 1948 endlich zur Unterzeichnung durch 48 Staaten und damit zur Verabschiedung dieses bedeutsamen Dokuments kommen konnte. Die Ostblockstaaten wie auch Saudi-Arabien enthielten sich der Stimme, Stalins Großer Terror musste völlig unerwähnt bleiben und etliche islamische Staaten kritisierten scharf das westliche Frauen– und Familienbild, und bis heute ignoriert China grundsätzlich die Bedeutung individueller Persönlichkeitsrechte sowie jeglicher Rechte auf Meinungsfreiheit oder Privatsphäre.

Eine Vielzahl von Schülerarbeiten aus einem Kunstprojekt ( von Schülern einer 10. Klasse sowie Teilnehmern aus einem Additum-Kurs) von Jan Lauerbach zur bildlichen Darstellung der „Erklärung der Menschenrechte“ illustrierte auf abstrakte Art und Weise in Form von Karikaturen und Cartoons äußerst eindrucksvoll die dramatischen Folgen von Menschenrechtsverletzungen auf die betroffenen Menschen sowie den brennenden Wunsch unterdrückter Menschen unterschiedlichster Herkunft nach Freiheit und Gleichheit.

Es folgten mehrere szenische Darstellungen sowie Power-Point-Präsentationen zu Menschenrechtsverletzungen wie auch Menschenrechtsinitiativen in verschiedenen Ländern.

In dem Theaterstück „Wir sind alle Kinder dieser Welt – Kinderarbeit im Kongo“ illustrierte die Religionsklasse 6c/e von Silvia Mayr auf besonders anrührende Art und Weise die schlimmen Misstände in Bezug auf die Kinderarbeit in kongolesischen Kobaltminen, in denen häufig von Kinderhänden die Rohstoffe für die E-Autos sowie Handy-Akkus der Industrienationen abgebaut werden, indem in einem szenischen Spiel schwer arbeitende kongolesische Kinder einer Gruppe fröhlich chattender europäischer Kinder gegenübergestellt wurden.

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In der Power-Point-Präsentation der Englischklasse 10b unter Leitung von Sophie Merz stellten die Schüler/innen Lars Gottschalk und Sophie Avril anhand von ausgewählten Texten und Bildern die berühmte Rede „I have a dream“ von M. L. King der oft bitteren Lebensrealität der afro-amerikanischen Bevölkerung in amerikanischen Großstädten gegenüber.

Die Kunst- und Ethikklassen der 9. Jahrgangsstufe von Matthias Brandstäter und Markus Arnold wiederum haben sich die grundsätzliche Frage gestellt, ob denn der „zahnlose Tiger“ der Menschenrechte überhaupt effektiv zubeißen könne, oder ob Menschenrechtserklärungen im allgemeinen eigentlich nur einen naiven Wunsch beschreiben würden, da sie ja in den meisten Staaten keineswegs irgendeine rechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung besitzen würden. Die Schülerinnen und Schüler haben den Gedanken schließlich bildlich umgesetzt und einen riesigen zahnlosen Tiger aus Holz auf der Bühne präsentiert, den einige Schülerinnen aus der Klasse 10e/f gebastelt und bemalt haben und dem nach und nach Zähne eingesetzt werden sollten.

Mit Hilfe des Publikums sowie von im Publikum verteilten Schülern/innen wurden unter der Moderation von Selin Irin und Julia Friedlmeier verschiedene Organisationen wie Greenpeace oder amnesty international und bekannte Menschenrechtsaktivisten/innen wie N. Mandela oder M. Gandhi vorgestellt, deren Namen jeweils auf Zähne aus Presspan geschrieben und anschließend im Mund des Tigers angebracht werden sollten. Auf diese Weise wurde eindrucksvoll gezeigt, dass im Grunde jeder einzelne die Verantwortung für die weltweite Umsetzung der Menschenrechte trägt.

Etliche Schülerinnen aus den Klassen 9c und 10c sowie einige Schülerinnen aus dem Französisch-W-Seminar der Q11 haben unter Leitung von Frau Stefan eine aufwändige Power-Point-Präsentation vorbereitet, um anhand einer Weltreise von West nach Ost besonders schlimme Menschenrechtsverletzungen verschiedenster Art in etlichen Ländern dieser Welt aufzuzeigen.

So stellten die Schülerinnen Pia Sieburg und Julia Friedlmeier anhand von Bildern brennender Regenwälder in Brasilien die Probleme indigener Stämme dar, während Anna Juffinger und Aleyna Ahrens mithilfe dramatischer Bilder von Kindersoldaten die Ausbeutung von Kindern im seit Jahrzehnten andauernden kongolesischen Bürgerkrieg aufzeigten. Anhand von Bildern verhafteter Demon-stranten machten die Schülerinnen Lucie Baudisch und Alena Zapf auf die Misstände in Weissrussland, der letzten Diktatur Europas, aufmerksam, während die Schülerinnen Katharina Baur und Stella Nikolaidou mithilfe erschütternder Bilder von zerstörten Städten die schlimme Lage der Zivilbevölkerung in Syrien darlegten. Mit aufrüttelnden Bildern zu grausamen Methoden der Todesstrafe wiesen die Schülerinnen Johanna Unsin und Anna Schaffer auf die brutale Missachtung von Menschenrechten, insbesondere von Frauenrechten, auf der saudi-arabischen Halbinsel hin.

Anhand von besonders erschütternden Bildern aus chinesischen Foltergefängnissen und Arbeitslagern machten die Schülerinnen Thori Fritzenwenger, Selin Irin und Nathalia Blaskovic auf die unglaublichen Zustände im größten Arbeits- und Straflagersystem der Welt aufmerksam.

Den Abschluss dieses informativen wie vielseitigen Abends bildete die von amnesty international organisierte Briefmarathon-Aktion, die auch am Gymnasium Miesbach in dem von Nicolas Klöcker geleiteten PZG-Kurs mit Erfolg durchgeführt wurde. Unter der Moderation von Anian von Mengershausen wurden die Ergebnisse dieser äußerst erfolgreichen Aktion vorgestellt, bei der weltweit fast 6 Millionen Briefe, in Miesbach im Dezember 2019 insgesamt etwa 890 Briefe zusammengekommen sind. Mit verteilten Rollen wurden die verschiedenen Petitionen vorgetragen: In den Petitionen geht es zum einen um eine junge Iranerin und ihre Tochter, die wegen ihrer Weigerung, ein Kopftuch zu tragen, für 15 Jahre inhaftiert wurden, es geht zum anderen um einen minderjährigen weißrussischen Schüler, der wegen Beteiligung an einer unerlaubten Demonstration im Gefängnis sitzt, des weiteren geht es um einen minderjährigen jungen Mann aus dem Südsudan, der wegen eines tödlichen Unfalls zum Tode verurteilt wurde, und schließlich engagiert sich die Aktion auch noch für eine junge philippinische Klima- und Umweltaktivistin.

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Musikalisch umrahmt wurde der äußerst gelungene Abend zum einen durch den Kammerchor unter der Leitung von Markus Zellinger, der durch den Beatles-Song „Blackbird“ sowie durch das Irische Segenslied „May the road rise“ wichtige Akzente zu setzen vermochte, zum anderen von der Big Band unter der Leitung von Simon Weiss, die sowohl durch den Michael Jackson-Song „Man in the mirror“ als auch durch das Stück „The bare necessities“ aus dem Dschungelbuch einen klangvollen Abschluss bieten konnte.


Vortrag: „Der Iran im Fadenkreuz“ (18. Februar)

Die VHS hatte dazu Werner Menner eingeladen, der lange Jahre beim Merkur als leitender Redakteur für Außenpolitik gearbeitet hatte. Wir wurden als Kooperationspartner eingeladen und stellten ein Fünftel der immerhin 30 Zuhörer. Im Vorfeld hatten wir den Referenten gebeten, auch auf die Menschenrechtsverletzungen einzugehen, aber er hat gemeint, das sei nicht sein Themenschwerpunkt, und wir sollten das besser selbst machen. Wir gingen darauf in der Begrüßung ein, stellten unsere Problemfälle vor und wurden am Ende 24 Briefe und Karten für die Damen Sotoudeh und Mohammadi los. Dass sich H. Menner nicht im Detail (auch noch) auf dieses Thema einlassen wollte, war uns klar, als wir nach eineinhalb Stunden Vortrag und einer (durch Erschöpfung) reduzierten Diskussionsrunde den Raum verließen.

Hier ein paar Schlaglichter aus dem Vortrag des Referenten, der glänzend informiert war und eine glasklare Meinung hatte, die wir von AI nicht in allen Punkten teilten:


- pointierte Kritik an Israel und den USA, Russland kam glimpflicher davon;

- viel Verständnis für den Iran

- Hauptforderung: keine Einmischung von außen

- Auslöser der chaotischen Situation: der Irakkrieg 2003

- negative Zukunftsperspektive

In der Diskussion ging es im Wesentlichen um die Frage, wie vom Westen aus mit dem Regime umzugehen ist. Wir sind der Meinung (und tun es auch), dass man sich bei Menschenrechtsverletzungen durchaus einmischen sollte, dass man aber auf politischer Ebene nicht nur auf Sanktionen und Boycotte setzen, sondern ausloten sollte, wo Zusammenarbeit möglich ist. Denn machen wir uns nichts vor: Wie in anderen Weltteilen knieen Russland und China bereits in den Startlöchern.

Theateraufführung der Berliner Compagnie (4. März)

Gerade noch vor der Schulschließung des 1. Lockdowns konnten die Veranstalter eines denkwürdigen Theaterabends – Netzwerk Integration, VHS, KBW, Gymnasium Miesbach, Studienzentrum Josefstal, AI – noch einmal die Aula des Gymnasiums besetzen. „Besetzen“ war das angemessene Verb, den „Anders als du glaubst“ – so der Titel des Stücks – also wider Erwarten, war die Aula ausverkauft. (Gott sei Dank, haben wir nicht gehört, dass sich jemand an diesem Abend angesteckt hätte.)

Das Stück handelte vom „Riss durch die Welt“, verursacht durch den Absolutheitsanspruch der Religionen, den Auswüchsen des Kapitalismus, dem Wechselspiel von Ausbeutung und Abschottung und den Hegemonialansprüchen von dunklen Mächten. Das Ende aber ist versöhnlich: die fünf Protagonisten werden aus dem Jenseits auf die Erde zurückgeschickt und erhalten eine 2. Chance, Mitmenschlichkeit und Verständnis für Andere zu praktizieren und die Erkenntnis zu leben, „dass jede Handlung Konsequenzen hat“.

Das Stück bot mit einem minimalistischen Bühnenbild und einem spielfreudigen Ensemble eine Reihung von Szenen, die manchmal etwas wortlastig waren, dem Publikum einiges abverlangten, aber immer „für Gänsehaut“ sorgten. Die große Mehrheit des Publikums dankte mit einem stürmischen Applaus.

Die Gruppe konnte sich übrigens noch an ihren 1. Auftritt vor ca. 20 Jahren und an gleicher Stelle erinnern. Damals hatten Katholisches Bildungswerk und AI die Gruppe zum Thema „Asyl“ eingeladen.

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Vortrag: „Die Frau im Islam“ (21. Oktober)

Für die Querleser vorwegzunehmen ist Folgendes: die Referentin Gönül Yerli, Vizedirektorin der Islamischen Gemeinde Penzberg, sympathisch, souverän und hochgebildet, sorgte kurz vor dem 2. Lockdown für einen überzeugenden Schlusspunkt im Kulturleben von Miesbach. Dem Personal des Waitzinger Kellers an dieser Stelle unseren Dank für die umsichtige Planung der Rahmenbedingungen. Wir mussten nur die „Sheriffs“ selber stellen. „Wir“ das war wieder einmal das bewährte Team aus VHS, KBW, Netzwerk Integration und AI. Es kamen die zugelassenen 50 Personen, drei Viertel davon Frauen, manche sogar mit (Ehe)Partnern, – und ließen sich ohne Protest die Plätze zuweisen.

Das Anliegen der Referentin war es, das gängige Bild der „unterdrückten muslimischen Frau“ zurechtzurücken, wobei sie durchaus Defizite bei der Gleichwertigkeit der Geschlechter im Koran andeutete (Erbrecht), auf die Bücher kritischer Muslimas hinwies, frauenfeindliche Auslegungen von Koran- und Hadithstellen einräumte, aber auch mit (freundlichem) Nachdruck betonte, dass manche dieser Problemstellen im Kontext ihrer Entstehungszeit zu interpretieren sind (Polygamie), dass es auf manchen Gebieten Fortschritte gäbe (Erbrecht) – und dass wir uns vor „christlicher Arroganz“ hüten sollten, da es auch in christlichen Gesellschaften der Vergangenheit (arrangierte Ehen im Bauernstand) oder der Gegenwart (Gewalt gegen Frauen) solche „Defizite“ gäbe oder gegeben hätte.


Die Diskussion stand ein wenig unter Zeitdruck, und den Fragen merkte man an, dass die Fragesteller der Ausstrahlung der Referentin erlegen waren. Fragen nach der realen Situation der Frauen in manchen muslimischen Ländern blieben ausgespart, und auch die AI-Mitglieder im Publikum (einschließlich ihres Gruppensprechers) befleißigten sich vornehmer Zurückhaltung, obwohl sie bei ihrer Arbeit zum Iran und zu Saudi-Arabien mit der anderen Realität zu tun haben.

Deshalb erlaube ich mir an dieser Stelle zwei persönliche Anmerkungen:

- Der brillante Vortrag hätte einen anderen Titel haben sollen. Es ging eher um „Das Frauenbild im Koran“.

- Die Islamische Gemeinde in Penzberg kann stolz auf ihre Vizedirektorin sein. Solche Frauen in höheren Ämtern würden der Katholischen Kirche auch gut anstehen.


 70 Gönül Yerli
Gönül Yerli

3.3 Die Fälle

Narges Mohammadi/Iran

Wir übernehmen einfach den 1. Satz aus dem Jahresbericht 2019 und ändern ihn (mit Freude) etwas ab: „Von unserem Iranfall gibt es, Allah sei Dank, etwas Tröstliches zu berichten …“. Narges Mohammadi wurde Anfang Oktober freigelassen, nachdem sie achteinhalb Jahre ihrer Haftstrafe verbüßt hatte. Die verbliebenen eineinhalb Jahre hat man ihr, vermutlich wegen ihrer Covid-19 Erkrankung und ihres angegriffenen Gesundheitszustands „erlassen“. In einem Video bedankt sie sich für die Unterstützung durch AI. Wir sind stolz darauf, dass sie uns dabei als „Freunde und Kollegen“ anspricht und wünschen ihr, dass sie ins Leben zurückfindet und dass die Hoffnung, die sie im Video äußert, in Erfüllung geht.

71 Narges Mohammadi
 Narges Mohammadi

Yasaman Aryani und Monireh Arabashi/Iran

Das Video der beiden Frauen (Mutter und Tochter), deren Fall wir im Anschluss übernommen haben, ging im März 2019 durch die ganze Welt. Sie hatten zum Internationalen Frauentag in der U-Bahn in Teheran Blumen an Mitreisende verteilt und versucht, mit ihnen über Frauenrechte zu sprechen – und das alles ohne Kopftuch. Umgehende Inhaftierung, ein erzwungenes Geständnis, ein unfaires Gerichtsverfahren, eine empfindliche Haftstrafe (neun Jahre und sieben Monate), Einzelhaft – das übliche Prozedere im Gottesstaat Iran. Einer der Anklagepunkte lautete übrigens „Förderung der Prostitution“, was bei Frauen, die ihre Haare zeigen, ja auch zu erwarten ist.

72 Blumen zum Frauentag
Blumen zum Frauentag

In unserem 1. Brief an den Justizminister forderten wir neben der sofortigen Freilassung auch die Abschaffung des gesetzlichen Kopftuchzwangs. Und vielleicht werden wir ihn auch daran erinnern, dass die Islamische Revolution von 1979 maßgeblich von Frauen mitgetragen wurde, und die hatten damals noch kein Kopftuch auf - das hatte ihnen nämlich 1936 der Schah verboten. Kann man diese Entscheidung nicht endlich den Frauen überlassen?

Aber so wie es jetzt noch aussieht, sind wir wieder auf Jahre beschäftigt.

Hoo Yew Waa/Malaysia

Bei der Todesstrafe in Malaysia geht es gemächlicher zu wie bei der Echternacher Spingprozession: Man macht zwei Schritte vor und zwei zurück, d.h. nichts geht voran. Im Jahre 2018 wurde ein Moratorium für die Todesstrafe verkündet, im Jahre 2019 sollte sie generell abgeschafft werden. Davon rückte man wieder ab und beschränkte sich auf die Abschaffung der obligatorischen Todesstrafe für einige Verbrechen. Ob dazu das Drogendelikt von Hoo Yew Waa – Handel mit 188 Gramm Crystal Meth - gehört, wissen wir nicht. Die letzte Nachricht stammt vom 4. Dezember 2020. Da hat ihm AI-Malaysia zum 35. Geburtstag gratuliert und berichtet, dass er immer noch (und das seit zehn Jahren) in einer Todeszelle sitzt und „versprochen hat, sich zu bessern“. Das sollte sich eher die malaysische Justiz vornehmen.

3.4 Die Gruppe

Im Gegensatz zu Trump sind wir noch da und dürfen weitermachen. Und es hat keiner von uns staatlicherseits die Härte erfahren, mit der unsere „Fälle“ behandelt wurden. Ein ehemaliges Mitglied hat in Miesbach entbunden, ist aber wieder nach Nordafrika gegangen, so dass wir keine Neuzugänge (von Mutter und Sohn) verzeichnen konnten. Ganz im Gegenteil: ein aktives Mitglied hat sich Richtung nördlicher Polarkreis/Husum abgesetzt und damit den Altersdurchschnitt nach oben verändert. Umso mehr freuen wir uns, dass die jüngeren Mitglieder, soweit es Beruf und Familie zuließen, bei der Stange geblieben sind. Deswegen gehen wir mit Zuversicht (und hoffentlich ohne Lock- und Breakdown) dem Jahre 2022 entgegen, wo AI-Miesbach 50 Jahre alt zu werden gedenkt, was für eine AI-Gruppe ein respektables Alter ist.

Allerdings wurden wir nicht nur durch den Wegzug, sondern auch durch Krankheit von aktuellen Mitgliedern und Todesfällen von ehemaligen Mitgliedern „gebeutelt“. Es starben Klaus Giebe, der die Gruppe jahrelang mit Keramik für die Weihnachts- und Ostermärkte versorgte, und es starb Heinrich/Enrique Skudlik, ein begnadeter Künstler, Künstler-generierender Pädagoge - und Gründer von AI-Miesbach

 



Beiden ein dankbares RIP!

3.5 Die Finanzen

Im Gegensatz zur Bundesregierung mussten wir uns wegen der Pandemie nicht von der Schwarzen Null verabschieden. Zwar brachen die Einnahmen von den Märkten und den Großveranstaltungen weg, aber wir mussten keine Schulden machen oder auf unsere Rücklagen zurückgreifen, denn die Zahlungen der Spender und Förderer reichten aus, um uns (knapp) über Wasser zu halten, d.h. um den Gruppenbeitrag von 2300 Euro zu entrichten. Diese Zahlungen kommen seit Ewigkeit zuverlässig wie das „Amen“ in der Kirche und werden inzwischen sogar von den Angehörigen der Förderer geleistet, die sich vor Jahrzehnten auf uns eingelassen haben und inzwischen verstorben sind. So erreichte uns heuer noch eine Spende von Hubert Büchler, die dieser (oder ein Angehöriger) noch kurz vor seinem Tod veranlasst hatte. Wir danken allen Unterstützer für ihre Treue.

3.6 Verschiedenes

Rückmeldungen auf Jahresbericht 2019

Es meldeten sich die üblichen Verdächtigen, die mit Lob für unsere Aktivitäten und deren „sarkastisch-kritischer“ Beleuchtung nicht sparten, auf die blutdrucksteigernde Wirkung bei der Lektüre hinwiesen, aber auch um mehr „Schonung“ für die hiesigen „Wohlmeinenden aber unglücklich Handelnden“ baten. Besonders gefallen hat uns die Karte mit „Frau Welt“ aus der Sebalduskirche in Nürnberg, weil sie zeigt, dass man die Welt von allen Seiten anschauen muss (s. Titelblatt)


Briefe gegen das Vergessen

Mit dieser Monatsaktion an ca. 80 Abonnenten halten wir per Mail/Post und Briefkasten Kontakt zu Leuten, die einmal Gruppenmitglied waren, von uns (gewaltlos) angeworben wurden oder einfach einen Beitrag zur Menschenrechtsarbeit in (meist) drei konkreten Fällen leisten wollen. Man muss mit einer erhöhten Frustrationstoleranz ausgestattet sein, denn Rückmeldungen erhält man selten, außer die Post kommt wegen unterbrochener Zustellung zurück, oder der Empfänger hat die Annahme verweigert. Aber nach Schätzungen von AI kann in einem Drittel der Fälle eine Verbesserung der Situation erreicht werden.

Todesstrafe

Die Bilanz ist zweigesichtig: Im letzten Jahr gingen die Vollstreckungszahlen um fünf Prozent zurück, aber dafür gab es kein Land, das die Todesstrafe abgeschafft hat. Eher hat man von Wiedereinführung gesprochen.

Pressepräsenz

Da AI auf Öffentlichkeit angewiesen ist, sei es kurz angemerkt: Wir tauchten 13 mal und gerade auch in der Coronapause im Merkur und im Gelben Blatt auf. Wir bedanken uns bei beiden Blättern für die gute Zusammenarbeit – und werden weiterhin mit Nachdruck für ihre Berufskollegen eintreten.

Die lange Nacht der Volkshochschulen – Ausgefallen

In diese Nacht, die dem Virus zum Opfer fiel, hatten wir die meiste Arbeit investiert. Genauer gesagt war es v.a. Monika Wiegert, die die Arbeit machte. Sie stellte ein hervorragendes Dossier zu „Demokratie und Menschenrechte“ zusammen, das dann nur in unserem Schaukasten und auf der Treppe zu den VHS-Räumen präsentiert wurde. Gerade in einer Zeit, wo weltweit Demokratien gefährdet oder als System in Frage gestellt werden, werden wir dieses Dossier sehr sorgfältig aufbewahren – und bei Gelegenheit gegen die AfD verwenden. Zusammen mit diesen streitbaren Damen.

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Zum Titelblatt von der „Frau Welt“ passt der Spruch aus dem Evangelischen Gesangbuch:

Man kann in dieser Welt, wie sie ist,
nur dann weiterleben, wenn man zutiefst glaubt,
dass sie nicht so bleibt,
sondern werden wird, wie sie sein soll.
(Carl Friedrich von Weizsäcker)

Kontaktadressen und Kontonummer

Fritz Weigl, Wallenburger Straße 28 d, 83714 Miesbach

Tel.: 08025/3895, Fax: 08025/998030,

Mail:fritz.weigl@gmx.de

Bernard Brown, Carl-Weinberger-Str. 5, 83607 Holzkirchen

Tel.: 08024/3502,

Mail:bernard.brown@web.de

Homepage: http://www.amnesty-miesbach.de

Bank für Sozialwirtschaft (BfS) Köln, IBAN: DE 233 70 20 50 0000 80 90 100

Verwendungszweck: Gruppe 1431 Miesbach (Gruppennummer unbedingt mit angeben)