52 Jahre Amnesty International
Im Landkreis Miesbach
1. Einleitung
Wie hätten Sie es denn gerne – das
berühmte Wasserglas ist schon halb leer,
„Alles zerfällt, das Zentrum hält nicht stand.
Schiere Anarchie wird losgelassen auf die Welt. …
Den Besten fehlt jede Überzeugung,
die Schlimmsten sind von der Kraft der Leidenschaft erfüllt.“
William Butler Yeats
oder es ist noch halb voll?
„Dennoch breite die Arme aus und nimm
Einen Anlauf für das Unmögliche.
Nimm einen langen Anlauf
damit du hinfliegst zu deinem Himmel
daran alle Sterne verlöschen.
Denn Tag wird.
Ein Horizont zeigt sich immer.
Nimm einen Anlauf.“
Günter Kunert.
Einen „Anlauf zum Horizont“ werde auch
ich unternehmen, und er wird alle Leserinnen und Leser dieses
Jahresberichts zu Tränen rühren, die einen zu Tränen der Freude, die
anderen (hoffentlich) zu Tränen der Wehmut.
Im Gegensatz zu dem Herrn in der Tonne
habe ich nämlich einen Vorsatz gefasst: den Vorsatz, den Jahresbericht
wieder etwas abzuspecken. Während das Jubiläumsjahr 2022 noch auf 106
Seiten passte, ist der Bericht über das AI-Jahr 51 auf 139 Seiten
angewachsen – und die müssen auch bezahlt werden.
Um diesen Vorsatz zu realisieren, führe ich die neue Rubrik AfD –
Alternativen für Durchschnittsleser – ein, in der ich Meldungen in
Schlagzeilenlänge liefere, auch wenn es mich in den Fingern jucken
würde, zum Schlage etwas weiter auszuholen.
1. Jahresrückblick
Januar 2024
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als die Nazis die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als die Nazis die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen;
Ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Martin Niemöller
Das Zitat soll nicht an die
Machtergreifung Hitlers vor 71 Jahren erinnern, sondern ein Phänomen
beschreiben, dass die
SZ ironisch als „Morgenröte der deutschen
Revolution“ bezeichnet hat. Die Vorboten waren gegenläufig, zum einen
herrschte Stillstand, zum anderen wurde zum Aufmarsch geblasen: die
Lokführer ließen ihre ICEs stehen, die Ärzte sperrten ihre Praxis zu,
die Bauern luden die Wirte, Handwerker, Spediteure und andere „Normalos“
auf die Anhänger ihrer Traktoren und machten sich mit dem Segen ihres
„Führers“ Hubert Aiwanger auf den „Marsch durch Deutschland“. Die
Öffentlichkeit, einschließlich der Autofahrer, reagierte mit mehr
Verständnis als bei den Blockaden durch die Klimakleber und zuckte nur
kurz zusammen, als man Robert Habeck in Schlüttsiel/Nordfriesland
hinderte, die Fähre zu verlassen. Als der Miesbacher Ex-Landrat Rzehak
in diesem Zusammenhang von einem „Mob“ sprach, trug ihm das die Anzeige
eines lokalen G’schaftlhubers ein. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn
wurde im März eingestellt, da „kein Tatnachweis zu führen war“. Der
Kläger und ein gefügiger Leserbriefschreiber sind weiterhin der Meinung,
dass die Bauern Habeck nicht blockieren, sondern nur an Land willkommen
heißen wollten.
Wir möchten uns beim Stichwort
„Morgenröte“ einer Protestbewegung widmen, bei der es nicht um Geld,
sondern um unsere Zukunft als Rechtsstaat geht.
Protest gegen Rechtsextremismus
Der Auslöser, der eine seltene Koalition von „schweigender Mehrheit“
und den „üblichen Verdächtigen“ begründete, war ein Bericht des
Medienhauses Correctiv über ein Treffen von Rechten und
Rechtsextremen im November 2023 in Potsdam. Der Österreicher Martin
Sellner hatte auf dem Treffen, das von Industriellen finanziert worden
war und vor einem Publikum, dem neben der AfD auch konservative
Politiker angehörten, von Remigration gesprochen. Der Begriff bedeutet
für Rechtsextremisten die Rückführung von Menschen ausländischer
Herkunft in ihre Heimatländer – oder sonst wohin, wenn nötig unter
Zwang. Sellner scheint auch deutsche Staatsbürger mit
Migrationshintergrund mitgemeint zu haben, denn die Innenministerin
von Sachsen-Anhalt stellte die Zahl von 24 Millionen in den Raum. Ob
auch die Mitglieder der Helferkreise deportiert werden sollen, lässt
sich nur vermuten.
Den Autor Timur Vermes (Verfasser von „Er ist wieder da“) hat die
Verbindung von Industrie, AfD und konservativen Politikern hellhörig
gemacht, und hellhörig wurden auch die Demonstranten, die sich in
großer Zahl in deutschen Städten versammelten und „gegen
rechts(extrem)“ und „für Demokratie“ aufmarschierten. Respekt
verdiente v.a. der Protest in den ostdeutschen Mittel- und
Kleinstädten, wo ein solcher Protest nicht immer das Wärmegefühl
vermittelt, unter Tausenden von Gleichgesinnten zu sein, sondern eine
Menge Zivilcourage erfordert – und auch einmal zu zerstochenen
Autoreifen führt. Dass trotzdem so viele auf den Beinen sind, zeigt,
dass die AfD im „Kaltland“ vielleicht doch noch nicht gewonnen hat.
Bei der großen Demo in München war ein Aufmarsch gar nicht möglich.
Die Zahl der Teilnehmer lag zwischen 100 000 (Polizei) und 250 000
(Veranstalter). Die Stimmung war ausgelassen, es wurde viel gelacht,
und zwischen den Teilnehmern aller Altersklassen und
„Remigrationsgruppen“ herrschte ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. Zum
Showdown vor dem Vereinshaus der schlagenden Verbindung Danubia kam es
nicht, da die Polizei, im Einvernehmen mit den Organisatoren, den
Demonstrationszug absagte. Dabei hatten vier Burschenschaftler in
Erwartung der Demonstranten schon die Säbel gezückt. (Vorsicht
Teilsatire!) Auf das „Zammreißen!“ im Oktober 2023 folgte ein
„Aufgwacht samma!“ im Januar. Der Nachhaltigkeitstest wird bei der
Europawahl und bei den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland erfolgen.
Demo in München
Befremdlich aber war, dass nach der
Sternstunde plötzlich die Misstöne dominierten: Man kritisierte die
Ampel wegen der Migrationspolitik, die Ausgrenzung von Konservativen und
Mitte rechts-Leuten und (zu Recht) den Aufpeitscher-Slogan, man solle,
„Ganz München hasst die AfD“ skandieren. Da fühlten sich manche (im
Nachhinein) an die Bundestagsrede von Alice Weidel erinnert.
Dann also bis Februar. Dann soll es wieder eine Lichterkette geben.
Der Widergänger: Israel – Palästina
Das Verfahren in Den Haag: Auf Betreiben Südafrikas untersuchte
der Internationale Gerichtshof/IGH den Vorwurf, Israel begehe in Gaza
einen Völkermord. Das Militär handle mit seiner Vertreibungs- und
Zerstörungsstrategie „genozidal“, und rechte Politiker forderten
unverhohlen die Ausradierung der Palästinenser, wenn nötig, so der
(inzwischen suspendierte) Minister für Kulturerbe (!), auch mit einer
Atombombe. Israel konterte mit dem Recht auf Selbstverteidigung und mit
der Relativierung von „willkürlichen Zitaten“. Das Gericht erließ einen
Zwischenbescheid, der zwar Israel nicht zu einer sofortigen Waffenruhe
verpflichtete, aber doch als „überraschend harte Entscheidung gegen
Israel“ gewertet wurde. Israel müsse die Zivilbevölkerung schonen, mehr
humanitäre Hilfe zulassen und „aufhetzende Reden“ seiner Politiker
unterbinden. Die Hamas und ihre Verbrechen blieben weitgehend unerwähnt,
weil sie als Nicht-Staat keine Partei vor dem IGH sein kann, aber
immerhin wird sie aufgefordert, alle Geiseln „unverzüglich und ohne
Bedingungen freizulassen“.
Die Entscheidung des Gerichtshofes, ob die israelischen Streitkräfte im
Gazastreifen gegen die UN-Völkermordskonvention verstoßen, steht noch
aus.
Die Geiseln: Das israelische Militär hat 31 Geiseln für tot
erklärt, nach unbestätigten Hinweisen muss man noch 20 hinzufügen. Der
Armee war es bisher nicht gelungen, Geiseln lebend zu befreien, erst im
Februar konnten bei Rafah zwei ältere Männer befreit werden. Die Leichen
der Geiseln haben „Austauschwert“, zusammen mit den Palästinensern, die
in israelischen Gefängnissen einsitzen, aber bisher wird noch
geschachert, wie viele Palästinenser man freilassen muss, um die
verbliebenen 136 (?) Geiseln (und die Leichen) zurückzubekommen. Die
Ungewissheit um das Schicksal der Geiseln treibt die Menschen (und nicht
nur die Angehörigen) auf die Straße und führt zur zunehmenden
Hinterfragung der Kriegsziele. Bei der Demo in Tel Aviv konnte man
hören: „Oberste Priorität darf nicht die Zerstörung der Hamas, sondern
muss die Freiheit der Geiseln sein.“
Verstörende Stimmen
- Bei einer Lesung im Literaturhaus in München meldete sich ein älterer
Herr und merkte an, ihm sei auf seiner Reise „durch Palästina, wenn Sie
so wollen Israel“, die völlige Empathielosigkeit der Israelis den
Palästinensern gegenüber aufgefallen.
- Der Israeli Sagiv Jehezkel spielt Fußball beim türkischen Klub
Antalyaspor. Als er im Spiel gegen Trabzon das Ausgleichstor schoss,
jubelte er und zeigte auf eine Bandage an seinem Handgelenk. Darauf
stand: „100 days 7.10.“ Daneben ein Davidsstern. Ein Berater von
Präsident Erdogan nannte ihn noch am selben Abend einen „israelischen
Hund“, gegen den man sofort Maßnahmen ergreifen müsse.
Ein Schritt zum Frieden: Vor dem Hauptgebäude in New York steht
die Replik eines Vertrags in Keilschrift, den der Pharao Ramses II. mit
seinem ‚Bruder‘, dem Hethiterkönig Hattusili III. im Jahre 1259 v. Chr.
geschlossen hat. Die Vorgeschichte zum Vertrag weist Unterschiede aber
auch Parallelen zu unserem Konflikt auf: zahlreiche Feldzüge, Opferung
von Ressourcen und Menschenleben, eine Pattsituation. Dann der Vertrag,
„um für das Land Ägypten und das Land Hatti niemals Feindschaft
entstehen zu lassen“.
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Übergabe des Vertrags an Ramses II
Die SZ kommentiert mit
gebotenem Realismus:
„Ob Ägypter und Hethiter wirklich ‚Brüder‘ wurden, ist sehr
zweifelhaft, aber sie schlachteten sich jedenfalls nicht mehr ab.“
AI-Meldungen
Urteil gegen exzessive Migrantenabwehr: Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte/EGMR hat Griechenland für einen Vorfall
aus dem Jahre 2014 „gerügt“, bei dem Insassen eines Flüchtlingsbootes
von der griechischen Küstenwache mit 13 „potentiell tödlichen Schüssen“
bedacht wurden. Zwei Menschen wurden schwer verletzt, einer von ihnen
verstarb nach mehreren Monaten im Koma. Für die Richter ein Verstoß
gegen Artikel 2 der Menschenrechtskonvention, der das „Recht auf Leben“
schützt. Da kann man nur froh sein, dass wir keine Küstenwache haben und
der deutsche Grenzschutz noch nicht von Beatrix von Storch befehligt
wird.
Sondertribunal: Um einen „Angriffskrieg“ und dabei verübte
Kriegsverbrechen ahnden zu können, müsste ein Sondertribunal
eingerichtet werden, das gegen „Personen, die verdächtig sind oder
beschuldigt werden, das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine
begangen zu haben“, ermitteln kann. Ein solches Tribunal nimmt nach
monatelangem Schweigen „jetzt Form an“. Ob es, wenn es zustande kommt,
dann die Ukraine noch gibt?
Politische Gefangene: Man ist es fast schon gewohnt, dass man
den Friedensnobelpreis erst dann bekommt, wenn man im Gefängnis hockt.
In Bangladesch war es umgekehrt. Da wurde der Preisträger Muhammad Yunus
erst nachträglich eingesperrt – vorerst auf Bewährung. Man wirft dem
Erfinder des Mikrofinanzsystems und „Banker der Armen“ Korruption und
Verletzung des Arbeitsrechtes vor, aber es ist zu vermuten, dass die
Justiz der zunehmend repressiven Premierministerin Sheikh Ha-sina einen
Gefallen tun wollte.
Todesstrafe: Dem US-Bundesstaat Alabama wurde eine erbärmliche
Vorreiterrolle zuteil. Er ließ zum ersten Mal einen
Todesstrafenkandidaten mit Stickstoff hinrichten, eine Methode, die
Veterinäre bei der Einschläferung von Tieren ablehnen, weil sie zu
qualvoll ist. Hingerichtet wurde ein Auftragsmörder, der 1996 in einem
2. Verfahren zum Tode verurteilt worden war, obwohl sich die
Geschworenen mit elf zu einer Stimme für lebenslang ausgesprochen
hatten. Die Prozedur soll „weniger als 30 Minuten“ gedauert haben, für
AI kommt die Tötung durch Ersticken einer „Folter“ gleich.
Frauenrechte: In Teheran wurde die kurdischen
Menschenrechtsaktivistin Roja Heschmati „wegen moralischer Verstöße“ zu
74 Peitschenhieben verurteilt. Sie hatte in den sozialen Medien ein Foto
veröffentlicht, das sie mit offenen Haaren zeigte. Das Urteil wurde an
einem Ort vollstreckt, den Heschmati als „mittelalterliche Folterkammer“
beschrieb. Vor der Vollstreckung sah Roja so aus.
Roja Heschmati
Und schon am 27. Dezember 2023 kam es
im Evin-Gefängnis in Teheran zu einem denkwürdigen Aufstand. Als eine
Gruppe von 250 hochrangigen Justizbeamten das Gefängnis besuchen
wollten, wurden sie in der Frauenabteilung von einer wütenden Gruppe von
weiblichen Gefangenen empfangen, unter ihnen natürlich die
Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Die Frauen sangen
revolutionäre Lieder („Bella Ciao“) und schrien die Richter an, die
Frauen aus der „Frauen, Leben, Freiheit-Kampagne“ zum Tode verurteilt
hatten. Die Justizbeamten mussten von Sicherheitskräften in den
Wachpersonalraum gebracht werden. Erst als man die Frauen weggesperrt
hatte, konnten sie das Gefängnis verlassen. Das Bild eines Richters, der
sich hinter dem Eisengitter eines Fensters wegduckte, hatte für die
Frauen Trophäencharakter.
Die AfD-Rubrik
- Eurofighter für Saudi-Arabien. Auch das ist Zeitenwende.
- Ein Kriegsgegner fordert Putin heraus.
- Sudan – der unterschätzte Brandherd.
- Den Haag befragt einen katholischen Bischof zu Kriegsverbrechen in
Zentralafrika.
- Das Rätsel um den Iljuschin-Absturz.
- Missbrauch in der evangelischen Kirche – die Spitze der Eisbergspitze.
- Zwei AfDler und der Disko-Eklat.
- Ohne Migranten geht es nicht.
- Einbürgerungsrecht – richtige Deutsche.
- „Mitte statt Antifa“: Aiwanger meidet die Demo.
Anklänge an die Faschingszeit
- Die „letzte Generation“ kam auf den naheliegenden Gedanken, bei ihrer
Blockade am Stachus das Gefährt einzusetzen, das den Politikern Respekt
eingeflößt hatte und in der Öffentlichkeit und bei der Polizei mit
großem Verständnis aufgenommen worden war: den Traktor. Da man ja für
das Klima demonstrierte, hatte man keinen Monstertruck eingesetzt,
sondern nur Spielzeugtrakoren. Eine junge Frau stieg entnervt aus ihrem
VW-Bus und rief den Aktivisten zu, dass sie den Bauernprotest gut fände,
weil „uns das alle anginge“, der Klimawandel aber nur entlegene Inseln
wie Tuvalu oder die Malediven. (Nein, den Nebensatz hat sie nicht
mehr gesagt!)
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„Traktorenblockade“ am Stachus
- Es war, glaube ich, das
Bundesligaspiel Stuttgart gegen RB Leipzig, in dem alle sieben Tore von
fünf Spielern mit Migrationshintergrund erzielt wurden. Ob der Hinweis
auf den niveaufördernden „Bevölkerungsaustausch“ in der Bundesliga ein
Rezept gegen die „Ausländer raus“ Gesänge der AfD wäre?
Februar 2024
„Ob wir in der Welt was schaffen,
oder nur die Welt begaffen,
Das tut, das tut was dazu.“
Bürgerlied von Adalbert Harnisch (1845)
Naher Osten – Naher Westen
Wir fangen mit einem Kapitel an, wo
nichts „geschafft“ wurde, zumindest nichts Positives. Nur „die Welt
begafft“, hat man leider auch nicht!
Tötungskommando im Krankenhaus: In Mafiamanier hat eine
Spezialkommando der israelischen Armee, das sich als medizinisches
Personal verkleidet hatte, in einem Krankenhaus in
Dschenin/Westjordanland drei Palästinenser „neutralisiert“. Es waren
beileibe keine „Unschuldslämmer“, aber nach internationalem Recht
sollten Krankenhäuser ein sicherer Ort sein.
Im Geiseldrama läuft die Zeit davon: Nach Berichten der New
York Times sollen von den 134/136 (?) verbliebenen Geiseln
mindestens 32 nicht mehr am Leben sein. Die Hälfte der israelischen
Bevölkerung, und nicht nur die Angehörigen der Geiseln, vertritt
inzwischen die Meinung, dass Netanjahu im Gaza-Krieg das falsche Ziel
verfolgt. Er sollte sich in erster Linie um die Freilassung der Geiseln
bemühen – und erst nachrangig um die Zerstörung der Hamas. Die Dramatik
des Geschehens rechtfertigt die Wiederholung.
Kratzer auf dem Leitbild der “moralischsten Armee der Welt“: Auf
Videoaufnahmen israelischer Soldaten, die offensichtlich nicht fürs
Privatarchiv gedacht sind, sondern öffentlich geteilt werden sollen,
sind verstörende Bilder zu sehen, von Soldaten, die mit Raubgut durch
die Straße laufen, die einen Lastwagen mit Lebensmitteln anzünden, die
eine Moschee zerstören. Vor den Überresten der Universität in Gaza-Stadt
spricht ein Soldat in die Kamera:
„Für alle, die fragen, warum es in Gaza keine Bildung gibt. Wir haben
eine Rakete auf sie gefeuert. Oops, wie doof. Deswegen könnt ihr keine
Ingenieure mehr werden.“
„Das hier hat eine neue Dimension“ stellt der Projektleiter der
Meldestelle Rias fest und meinte damit die Eskalation
antisemitischer Übergriffe in Deutschland seit dem 7. Oktober. Im April
wurde die Statistik für Bayern veröffentlicht: 589 Straftaten, begangen
von (mehrheitlich) rechtsextremen Tätern, aber auch von Islamisten und
Linksextremisten, die das Existenzrecht Israels in Frage stellten.
Ein trauriger Tiefpunkt wurde erreicht, als Lahav Shapira, ein jüdischer
Student an der Freien Universität Berlin, krankenhausreif geprügelt
wurde. Der Student hatte gegen die pro-palästinensischen Aktivitäten an
der FU protestiert und dabei an die Geiseln erinnert. Der Täter war ein
muslimischer Kommilitone, er erhielt (zunächst) ein dreimonatiges
Hausverbot. Eine Exmatrikulation, so die taz, ist „derzeit nicht
möglich und politisch riskant“. Da hat man wohl Angst, dass die Huthis
im Jemen ihre Raketen bis Berlin schießen. Das Opfer war übrigens der
Enkel eines Israelis, der beim Olympiaattentat von 1972 getötet wurde.
Sein Großvater mütterlicherseits hatte als einziger in der Familie die
Shoa überlebt. Deutschland ist für die Shapiras ein „unsicheres
Pflaster“. (Entschuldigung: Der Ausdruck ist grenzwertig!)
„Die Kraft des Rechts“ wurde vom palästinensischen Außenminister
in Den Haag zitiert, wo es um Israels Besatzungspolitik in den
Palästinensergebiet ging. Das Völkerrecht ist nicht eindeutig.
Unstrittig ist, dass die Errichtung von Siedlungen illegal ist – und
allein im Westjordanland gibt es davon 133. Rechtlich unklar ist, ob
eine Besetzung so lange andauern darf, aber das ist für Israel, das (zu
Recht) bewaffnete Übergriffe fürchtet, kein Problem. Wie angespannt die
Situation an den Checkpoints ist, zeigt der Tod eines vierjährigen
Mädchens, das einem „Kollateralschaden“ zum Opfer fiel. Es saß in einem
Minibus, der bei der Ausfahrt aus dem Checkpoint von einem Auto überholt
wurde, das den Kontrollposten überfuhr und dabei eine Polizistin rammte.
Als die Grenzer das Feuer eröffneten, nahmen sie den Minibus gleich mit
unter Beschuss. AI hat kritisiert, dass es seit dem Gaza-Krieg im
Westjordanland, an den Checkpoints und in den Flüchtlingslagern zu
„rechtswidriger tödlicher Gewalt“ in zahlreichen Fällen gekommen ist.
Kein sicherer Ort – von Nord bis Süd: Israel hatte die
Palästinenser dazu aufgerufen, in die Region um die Stadt Rafah zu
fliehen – und will nun auch dort angreifen. Netanjahu stellt einen
„sicheren Korridor“ für Zivilisten in Aussicht, ob in Ägypten oder
gleich im Meer weiß man nicht. So recht hat man ihm offensichtlich nicht
getraut, denn gegen Ende des Monats waren noch 1,3 Millionen
Palästinenser in Rafah. Die SZ hat auf das „Unterscheidungsgebot“ im
Völkerrecht hingewiesen, wonach Kriegsparteien verpflichtet sind, von
der Zivilbevölkerung Abstand zu halten und hat, ähnlich wunschgedacht,
auf eine Alternative zum „Sturm auf Rafah“ hingewiesen:
„Die Hamas könnte sofort verkünden, dass sie die Waffen streckt, dass
sie keine Chance mehr sieht, diesen Krieg noch zu gewinnen. Ihre
Kämpfer könnten sich … in Kriegsgefangenschaft begeben unter Aufsicht
des Roten Kreuzes.“
Realistischer ist ein Waffenstillstand auf der Basis eines
„Tauschgeschäfts“. Und wenn dann noch genügend Hilfslieferungen kämen,
könnten die Menschen im Gazastreifen den Fastenmonat Ramadan überleben,
ohne zu verhungern.
Konfliktzonen, Konferenzen,
„Keiltreiber“
Ukraine: Auch abseits vom Kampfgeschehen wird auf beiden Seiten
mit harten Bandagen gekämpft. In der Ukraine schlägt sich Selenskijs
„gespaltenes Verhältnis zu den Medien“ darin nieder, dass investigative
Journalisten, die Korruption und Bereicherungstricksereien der Mächtigen
untersuchen, immer stärkerem Druck ausgesetzt sind. Vor dem Haus des
Journalisten Jurij Nikolow schrien unbekannte Parolen wie „Verräter“ und
„Kreml-Hure“. Er hatte über überhöhte Lebensmittelpreise und schadhafte
Winterjacken für die Armee berichtet. Der russische Geheimdienst
wiederum ermordete in Spanien einen „moralischen Kadaver“, einen
Hubschrauberpiloten, der zu den Ukrainern übergelaufen war.
Hongkong: Zwar soll Peking eine Charme-Offensive gestartet haben,
um das verlorene Vertrauen internationaler Investoren zurückzugewinnen,
aber wenn das stimmt, hat diese Offensive um Hongkong einen weiten Bogen
gemacht. Die dortige Regierung plant, im Eilmarsch eine Ergänzung des
Sicherheitsgesetzes von 2020 durchzubringen, das „einige der
repressivsten Element des chinesischen Sicherheitssystems“ übernimmt.
Mit einem „Leben, das ein bisschen freier ist als auf dem Festland“, ist
es dann endgültig vorbei. AI sprach „von einem gefährlichen Moment für
die Menschenrechte“. Im März wurde es im Eiltempo verabschiedet.
Regierungschef John Lee sprach von einem “stolzen Moment“ für die Stadt.
Mehr als „uncharmant“ war auch das harte Urteil gegen den australischen
Staatsbürger Yang Hengjun. Er wurde wegen Spionage zum Tode verurteilt,
wobei die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt werden könnte – etwa
wenn Australien positiv auf die Charme-Offensive reagieren würde.
München: Da fand eine Sicherheitskonferenz statt, die man später
als „Unsicherheitskonferenz“ bezeichnet hat. Da gab es zwar ein „Frauen
100-Dinner“, bei dem sich 100 Frauen aus Politik und Wissenschaft u.a.
über feministische Außenpolitik unterhielten und bei dem die
Männer/Hotelpersonal nur „Staffage“ waren. Vielleicht hat deswegen
unsere Außenministerin die Atmosphäre als besonders „speziell“
empfunden. Aber die Grundstimmung im Plenum war eher düster, von
Kriegsängsten und enttäuschten Hoffnungen geprägt.
Polizeipatrouille im Einkkaufsviertel
Die Veranstaltungen außerhalb der Konferenzräume trugen auch nicht
gerade zur Aufhellung bei. Auf der Kundgebung der linken Szene ging es
v.a. gegen den Westen und gegen Israel. Die gefährlichsten Kriegstreiber
säßen in der Nato und in der Bundesregierung, Putin sei nur wegen des
Westens zum Diktator geworden, Israel begehe einen Genozid. Es gab keine
Verurteilung des Angriffskriegs, kein Mitleid mit den inhaftierten
Dissidenten, keine Erwähnung des 7. Oktobers als Auslöser für den
Gazakrieg. Mit gegenläufigem Tenor die Kundgebung gegen den Krieg in der
Ukraine auf dem Odeonsplatz, mit einem Gedenken an die Kriegsopfer, der
Forderung nach schweren Waffen, der Angst vor den russischen Fakes.
Dass die Polizei von einer „Siko der Superlative“ sprach, hatte damit zu
tun, dass sie, von den Falschparkern abgesehen, weitgehend reibungslos
über die Bühne ging.
Trump: Einen bitteren Vorgeschmack auf eine zweite
Präsidentschaft von Donald Trump lieferte seine Aussage, dass die USA
die Länder nicht mehr beschützen würde, wenn sie die
Verteidigungsausgaben nicht zahlten. Und, wie es seine Art ist, sattelte
er gleich noch einen drauf:
Er würde Russland
„sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur
Hölle es tun wolle“.
Da werden sich Nato und Europa warm anziehen, bzw. nach zwei Seiten hin
„kriegstauglich“ werden müssen.
Putin: In einem Interview wünschte sich Putin (zu aller
Überraschung) eine zweite Präsidentschaft Bidens, den er als „erfahrenen
und vorhersehbaren Politiker der alten Schule“ bezeichnete. Für die
meisten Politologen war das ein „giftiges Lob“ und wohl als verdrehte
Wahlkampfhilfe für Trump gedacht, denn wer von Putin gelobt wird, ist
für viele Amerikaner nicht wählbar. Wen Putin auf dem Bild mitreiten
lässt, ist eher der andere.
Machofreundschaft
Biden hat sich für das Kompliment nicht bedankt, sondern auf sehr derbe
Art darauf reagiert – auch das zu aller Überraschung. Er hat Putin als
SOB bezeichnet, was als Verb „schluchzen“ bedeutet, aber in der
Großschreibung eine Abkürzung ist, die dem deutschen „Mistkerl“
entspricht.
„Schluchzen“ werden wir/Sie, wenn beim Druck dieses Jahresberichts der
amerikanische SOB Präsident geworden ist.
AI-Nachrichten – kurzgefasst
Politische Gefangene: Der
russische Menschenrechtler und Ko-Vorsitzender von
Memorial ist
wegen „Diskreditierung der Armee“ zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft
verurteilt worden. Er hatte 2022 einen Artikel geschrieben, in dem er
das Leid der Ukrainer bedauerte, dessen Titel sich aber gegen die
„finstersten Kräfte“ seines Landes richtete. Er lautete: „Sie wollten
den Faschismus, sie haben ihn bekommen.“
Frauenrechte: Unsere Partner von Human Rights Watch/HRW
berichteten von einer „katastrophalen Gesundheitskrise in Afghanistan,
die Frauen und Mädchen unverhältnismäßig hart trifft“. Sie dürfen die
(weiten) Reisen zum nächsten Arzt oder Krankenstation nicht ohne
männliche Begleitung antreten, dürfen von männlichen Ärzten nicht
behandelt werden und können abgewiesen werden, wenn sie sich nicht an
die Kleidervorschriften halten.
Politischer Mord: Die Lagerhaft nicht überlebt hat Alexej
Nawalny. Er starb wenige Stunden nach einem Spaziergang, auf dem
Totenschein wurde eine „natürliche Todesursache“ vermerkt. Der
Karikaturist ist anderer Meinung.
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Politischer Mord
Und das passierte nach seinem Tod:
- Putin, kann man annehmen, war erleichtert. Er hatte alles getan, um
Nawalny zu brechen, und jetzt, so die
SZ in einem Leitartikel
„gehört das Land ganz ihm“. Der Name seines Gegners kam ihm nicht über
die Lippen.
- Nawalnys Witwe Julija hatte einen bewegenden Auftritt auf der Siko in
München. Sie warnte vor der Kumpanei mit Putins Regime und hoffte, dass
er und seine Freunde „für das bestraft werden, was sie dem Land, ihrer
Familie und ihrem Mann angetan haben“. Ob ihr die linke Szene Beifall
geklatscht hätte, ist unwahrscheinlich.
- Wie rachsüchtig das Regime ist, zeigte sich bei den Repressalien vor
dem Begräbnis. Nawalnys Mutter musste lange auf die Freigabe der Leiche
warten, und in Moskau war es schwierig, einen Bestatter, eine Kirche und
einen Friedhof zu finden. Aber am Begräbnistag Anfang März zeigte sich,
dass es keineswegs „nur noch Putin“ gab. Es kamen Tausende von
Trauergästen, und es fielen Parolen wie „Nein zum Krieg!“ und „Nieder
mit der Macht der Mörder!“ Die Herren in Kampf- und Tarnanzügen, die
zahlreich den Straßenrand säumten, reagierten wie zu erwarten war, es
gab mehr als 100 Festnahmen.
Alexej Nawalny (+)
Volksaufstände und Volkstribune
Bauernproteste und „Grünenjagd“: Wir bewegen uns auf schlüpfrigem
Parkett. Mir ist klar, dass viele Bauern (beileibe nicht alle!) schwer
über die Runden kommen, und dass die meisten Proteste relativ friedlich
über die Bühne gegangen sind – aber eben nicht alle. In Biberach wurde
die Aschermittwochsveranstaltung der Grünen gesprengt, der Auftritt von
Grünen-Chefin Lang und Landwirtschaftsminister Özdemir verhindert, und
Ministerpräsident Kretschmann schon vor der Stadt zum Abdrehen
gezwungen. Die Bauern, durch Reichsbürger und Querdenker „verstärkt“,
gingen aggressiv vor, Polizisten wurden verletzt und setzten sich mit
Schlagstöcken und Pfefferspray zur Wehr.
Der Morgenstern blieb noch zuhause
In Magdeburg ein ähnlicher Empfang für Ricarda Lang: Traktoren, Buhrufe,
Blockade. Angeblich soll auch ein Gegenstand in Richtung ihres Autos
geflogen sein, geworfen, so die Bauern, von einem „Nicht-Landwirt“. Die
SZ sprach von „strafbarer Randale, kein politischer Protest“. Im
Gegensatz zu den Klimaklebern aber hält sich der Staatsanwalt zurück.
Weitgehend einverstanden, wenn man auch bei denen auf Schikanen wie
Präventivgewahrsam verzichtet.
Zu Beginn hatte der Protest der Bauern eine relativ gute Presse, aber
als sie begannen, Druckereien und Medienhäuser zu blockieren, tauchten
in der Berichterstattung auch „unschöne“ Worte wie „Nötigung“ und
„Zukunftsunfähigkeit“ auf. Wie gesagt, für einen Laien ein „schlüpfriges
Parkett“.
Politischer Aschermittwoch: Für manche Politiker ein Parkett,
auf dem man Schlüpfrigkeiten/Schmutzeleien loswerden kann – weil das
bierselige Publikum es so erwartet. Dass es dabei zu Ausrutschern kommen
kann, zeigt Söders Angriff auf die „Verbotspolitik“ der Grünen. Da
verstieg er sich sogar dazu, die Bundesumweltministerin Steffi Lemke als
„grüne Margot Honecker“ zu bezeichnen, die die Freiheit der Fleißigen
durch immer neue Auflagen einschränke. Lemke hatte unter der Honecker
eher gelitten, weil man ihr trotz guter Noten den Zugang zur erweiterten
Oberschule verwehrt hatte. Der CSU-Politiker Florian Hahn sah darin
keinen „Eklat“. Er meinte, „Frau Lemke sollte nicht so weinerlich sein“.
Sein Ministerpräsident plant ein Genderverbot an Bayerns Schulen.
Warngau steht auf: Der Plan des Landkreises Miesbach neben dem
VIVO-Wertstoffhof in Warngau ein Containerdorf für 500 Asylbewerber
einzurichten und dafür drei Turnhallen wieder für ihren ursprünglichem
Nutzungszweck zu öffnen, hat die Warngauer auf die Barrikaden gebracht.
Nun kann man durchaus die Unterbringung einer so großen Zahl in einer
kleinen Gemeinde als Problem sehen, aber was in der Bürgerversammlung an
Ängsten vorgebracht wurde und mit welcher Wut diese Ängste artikuliert
wurden, das passt eher zur Mülldeponie als zum Wertstoffhof. Als der
Landrat in den Saal rief, dass es sich bei diesen Menschen doch nicht um
Verbrecher handle, schallte ihm auf seine Frage „Oder seid’s ihr da
anderer Meinung?“ aus vielen Kehlen ein „Ja“ entgegen. Und dann musste
er von Polizei und Sicherheitsleuten durch eine Seitentür aus dem Saal
eskortiert werden. Nach Hause brachte ihn ein Polizeiwagen, weil sein
Fahrer an den Demonstranten nicht mehr vorbeikam. Nur eine Handvoll
Redner mahnte zur Zurückhaltung, während ein Rosenheimer
AfD-Landtagsabgeordneter und seine Begleiter „ihre Zufriedenheit kaum
verbergen“ konnten. Sie träumten offensichtlich schon von der
Machtergreifung. (
Vorsicht Teilsatire!)
Hier das Plakat, das in Warngau und Umgebung einige Wiesen und Vorgärten
ziert.
Holzkirchen steht auf: Ende Februar hat das Bündnis „Holzkirchen
ist bunt“, so der
Merkur, ein „kraftvolles Zeichen für Vielfalt,
Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie gesetzt“. Es kamen 2600 Bürger
aus dem ganzen Landkreis, die auf ihren Schildern eine klare Kante gegen
rechts zeigten. Der Kabarettist Christian Springer forderte die
Reichsbürger, Querdenker und AfD’ler zum Heimgehen auf, weil „sie heute
keinen schönen Nachmittag verleben würden“ und warnte davor, „bei den
Rechten mitzulaufen, weil man dabei braune Flecken bekommt“.
Bürgermeister und Gemeinderäte zeigten Präsenz und vertraten die
Hoffnung, dass die Veranstaltung „den in Holzkirchen lebenden Menschen
aus 97 (!) Nationen Angst und Bedenken nehmen möge“. Unter den
zahlreichen Musikgruppen natürlich auch die Well-Brüder, die die
Unterkunftsprobleme des „Boomtown Holzkirchen“ und der „Graffelgrube in
Warngau“ besangen und undezent darauf hinwiesen, dass die „Riesenvilla
vom Usmanow“ freistünde. Eines der eindrucksvollsten Bilder aber war das
Foto von der Gruppier.
Das Gegenstück zum Tsunami
Die AfD-Rubrik
- „Ausländer raus!“-Rufe beim Faschingsumzug.
- Ein Lichtermeer gegen den Hass auf der Theresienwiese.
- Angriffe auf Flüchtlinge häufen sich.
- Antisemitischer Eklat bei Lesung in Berlin.
- Weber will Ampel-Bashing beenden.
- AfD-Vorstand erläutert seine Pläne zu Massenabschiebungen.
- Ökumenische Positionierung gegen die AfD: „AfD für Christen nicht
wählbar“.
- Aiwangers Flugblatt-Affäre: Ex-Lehrer im Visier.
- Endspiel für Julien Assange.
- Wahlen im Iran, Wahlboykott durch die Wähler.
Finale – dem Fasching geschuldet nur bedingt gewaltfrei
In einer Glosse wird geschildert, wie ein bayrischer Trachtler von „der
Statur des Schmieds von Kochel“ mit einem betrunkenen Skinhead umgeht,
der in der Münchner S-Bahn auf „die Drecksausländer“ schimpft und
rechtsradikale Parolen grölt. Der Trachtler beugt sich nach vorn und
sagt: „Du hoitst jetzt die Fotzn und steigst glei wieder aus, weil sonst
fangst a paar!“ Die Ansprache hatte Erfolg, der Mann maulte noch kurz
und stieg an der nächsten Haltestelle aus.
März 2024
Zum Internationalen Frauentag der Ausspruch eines russischen Soldaten im
Zweiten Weltkrieg beim Anblick von Leichen nach einer Schlacht:
„Tod und Schmerz machen keinen
Unterschied unter den Menschen. Aber das wissen nur die Frauen: Ein
Mann denkt selten in solchen Begriffen. Frauen sind mit der
Geburtsurkunde mit dem Leben verbunden.“
Russland – mit etwas Vatikan und Rechtsdeutschland
„Ein Horizont zeigt sich immer.
Nimm einen Anlauf.“
Die Zeilen kommen ihnen bekannt vor? Mir auch, aber leider etwas zu
spät. Ich wollte sie als Einstieg zum März verwenden und hatte den
folgenden Text bereits darauf abgestimmt. Aber ich finde, die Zeilen
sind so schön, dass man sie auch zweimal lesen kann. Und ich brauchte
meinen Folgetext nicht mehr zu ändern!
Ein zweideutiges Bild: Der Horizont, der sich im Ukrainekriegt
zeigt, ist unvermindert düster. Die täglichen Nachrichten „Sechs Tote
beim Bombenangriff auf Charkiw“ nimmt man schon fast nicht mehr zur
Kenntnis, aber der „Anlauf“, den Papst Franziskus genommen hat, als er
in einem Interview, das zunächst der Farbe „Weiss“ gewidmet war, den
„Mut der weißen Fahne“ aufgriff und die Ukraine zu Verhandlungen
aufforderte, stieß auf breites Unverständnis, das von „unglücklich“
(Deutsche Bischofskonferenz) bis „diplomatisches Desaster“ (
Merkur)
reichte. Er hatte zwar den Begriff „Kapitulation“, den der Interviewer
gebrauchte, nicht wiederholt, aber da war „die Kuh auf dem Eis“ schon
eingebrochen.
Papst und weiße Fahne
Beifall erhielt er deutscherseits eher von der falschen Seite (AfD,
BSW), während Andrea Riccardi, der Gründer der katholischen
Basisgemeinde Sant’Egidio, Franziskus verteidigte und vor einer
„Verewigung des Krieges“ und der „Gefahr eines Flächenbrandes“ warnte.
Frauentag in Russland: Am 8. März 1917 gingen Tausende von
Russinnen auf die Straße, um für ein Ende des Ersten Weltkriegs zu
demonstrieren. Im Jahre 2024 fand der Protest in kleinen Gruppen oder
allein statt. Mitgetragen wurde er von der Gruppe „Put Domoj/Weg nach
Hause“, die ein Ende des Krieges und die Rückkehr der Männer forderten,
die Putin, entgegen seinem Versprechen, zwangsmobilisiert hatte.
Berührend der Soloauftritt einer jungen Russin, die vor dem
Verteidigungsministerium in Moskau dieses Plakat hielt: „Freiheit für
die Mobilisierten. Bringt die Ehemänner, Väter und Söhne zurück.
Einsamer Protest
Putins Wahlen: Noch nie, so die kritische Wählerinitiative
Golos, hat es eine Präsidentschaftswahl gegeben, „die so weit hinter
verfassungsrechtlichen Standards zurückbleibt“. Da wurden im Vorfeld
gewichtigere Gegenkandidaten wie Boris Nadeschdin von der Wahlkommission
abgelehnt, da wurden drei harmlose „Lückenbüßer“ zur Kandidatur
genötigt, die dann am Tag nach der Abstimmung auch noch zu Putin auf die
Bühne mussten, da wurden, nach Golos, 22 Millionen gefälschter
Stimmzettel für Putin in die Urnen gestopft. Getoppt wurden diese
Peinlichkeiten nur noch von den vier deutschen „Wahlbeobachtern“ von der
AfD, die von der „Transparenz“ der Wahl berichteten und davon
schwärmten, dass die Wahlurnen „vollkommen durchsichtig und
barrierefrei“ waren und die Wählerschaft auch mit Essen und Trinken
versorgt wurde. Hinter so viel Dämlichkeit wollte auch Putins Sprecher
Dimitrij Peskow nicht zurückbleiben, der inzwischen einräumte, dass sich
das Land „faktisch“ jetzt im Krieg befände, obwohl es „juristisch“
weiterhin eine Spezialoperation bleibe. Jetzt haben die Ukrainer
wenigstens die Wahl, ob sie faktisch oder juristisch umkommen wollen.
Aber dann gab es noch den „Mittag gegen Putin“, zu dem Nawalny vor
seinem Tod aufgerufen hatte. Die Opposition wollte als Zeichen des
Protests geschlossen am Sonntag um 12 Uhr zur Wahl gehen, eine ungültige
Stimme abgeben, einen der drei Gegenkandidaten wählen oder gleich
„Nawalny“ auf den Stimmzettel schreiben. Vor einigen Wahllokalen
bildeten sich lange Schlangen, obwohl man ein Fake in die sozialen
Medien gesetzt hatte, dass die Aktion verschoben worden war. Ein „High
noon/ 12 Uhr mittags“ à la Hollywood, in dem die Bande am Ende
liquidiert wird, ist in Russland nicht in Sicht.
Ein Kotau in der falschen Richtung
IS-Anschlag in Moskau: In einem Vorort von Moskau wurden bei
einem Angriff auf ein Konzertzentrum 143 Personen getötet. Vier
Terroristen vom IS hatten wahllos um sich gestochen und geschossen und
hatten Brandbomben gezündet. Die Moskauer waren erschüttert und legten
am Tatort Massen von Blumen und Plüschtieren ab. Unser Mitgefühl gilt
uneingeschränkt den Opfern, aber die (verstörende) Reaktion staatlicher
Stellen soll nicht unerwähnt bleiben:
- Präsident Putin brauchte geschlagene 19 Stunden, bis er einräumte,
dass der Anschlag auf das Konto der Islamisten ging. Die Ukraine hätten
aber einen „Rückzugsraum“ zur Verfügung gestellt.
- Die Terroristen wurden schon einen Tag nach der Tat festgenommen und
bei ihrer Festnahme und der ersten Anhörung so „vorbehandelt“, dass sie
vor dem Haftrichter mit einem fehlenden Ohr, im Rollstuhl sitzend und
mit deutlichen Prügelspuren erschienen.
- Absurde Schuldzuweisungen: Russische Politiker sprechen auch von einer
Mitschuld des „Kollektiven Westens“, der ukrainische Geheimdienst geht
von einer „bewussten Provokation“ durch russische Sondereinheiten aus.
Der Nahe Osten
Auch dort ist man von einem „Anlauf zu neuen Horizonten“ weit entfernt.
Menschliche Dramen
Ein UN-Bericht hat jetzt (trotz zurückhaltender Formulierung) eindeutig
bestätigt, dass Frauen beim Terrorangriff am 7. Oktober 2023 massive
sexueller Gewalt durch Hamas-Kämpfer erfahren mussten – und mutmaßlich
auch als Geiseln noch solcher Gewalt ausgesetzt sind. Mit den Opfern
selbst durften die UN-Experten „aus Rücksicht auf deren Traumatisierung“
nicht sprechen; erst die Geisel Amit Soussana, die 55 Tage festgehalten
wurde, sprach als erste öffentlich von den Erniedrigungen und Nötigungen
während ihrer Gefangenschaft.
Bedrückend auch der Vorfall, der sich im Norden Gazas ereignete, als bei
der Verteilung von Hilfsgütern 112 Palästinenser ums Leben kamen.
Widersprüchlich die Schuldzuweisungen und Erklärungsversuche von
israelischer Seite: Schüsse in Notwehr, zur Abwehr von Plünderern,
Warnschüsse auf die Beine (aber Kugel dann im Kopf gelandet), geschossen
hätten Palästinenser, Opfer von LKWs überrollt.
Deutschlands Sonderrolle
Deutschland hat aus guten Gründen lange an einer (fast) bedingungslosen
Unterstützung Israels festgehalten, aber diese Sonderrolle gerät
zusehends in Gefahr. Beim Vorfall um den Hilfskonvoi tauchte die Frage
auf, ob auch mit deutschen Waffen auf Zivilisten gefeuert wurde. Und
prompt beantragte Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof ein
Eilverfahren gegen Deutschland. Der Vorwurf: Deutsche Waffenlieferungen
trügen zu israelischen Kriegsverbrechen und zum Völkermord an
Palästinensern bei. Und deutschen Politikern fällt es zusehends
schwerer, das oberste Kriegsziel Netanjahus „Vernichtung der Hamas –
selbst auf Kosten der Zivilbevölkerung“ mitzutragen bzw. zu ignorieren.
Außenministerin Baerbock beispielsweise warnte wiederholt vor einer
humanitären Katastrophe bei einem Angriff auf Rafah, da sich „1,5
Millionen Menschen nicht in Luft auflösen können“. Wird die Sicherheit
von Zivilisten im Gazastreifen eine zweite deutsche „Staatsräson“?
Schönfärberei eines Massakers
"Ehrlicher und historisch korrekt
ist es, zu sagen, dass der Aufstand (!) vom 7. Oktober ein Akt des
bewaffneten Widerstands gewesen sei. Es war kein terroristischer
Angriff, … es war ein Angriff auf die Israelis.“
Das Zitat stammt von der „großen Denkerin“ Judith Butler und fiel auf
einer Veranstaltung in Paris, die zwei linke jüdische Organisationen und
das Debattenforum „Paroles d’honneur/Ehrenhafte Worte“ ausgerichtet
hatten. Es gab dafür viel Applaus, aber ich bin der Meinung, dass der
Hamas zu viel der Ehre zuteilwurde und auch eine große Denkerin gegen
Denkfehler nicht gefeit ist.
Einen ähnlichen Mangel an Empathie mit den Opfern zeigte Netanjahu, als
er mit „So etwas passiert im Krieg“, Anfang April auf den tödlichen
„Unfall“ der sieben Helfer der Organisation von World Central Kitchen
reagiert hat.
AI-Meldungen
Iran: Mindestens 834 Menschen hat das Regime im Jahre 2023
hinrichten lassen – mehr als die Hälfte wegen Drogendelikten, viele
Angehörige von Minderheiten, mehrere Minderjährige und Teilnehmer an den
Protesten gegen die Ermordung von Mahsa Amini. Von China abgesehen, hat
der Iran weltweit mit Abstand die höchste Hinrichtungsquote.
Russland: Der Journalist Roman Iwanow wurde wegen seiner Kritik
am russischen Angriff auf die Ukraine zu sieben Haft verurteilt.
Besonders angekreidet hat man ihm, dass er Berichte über die Tötung von
Zivilisten in Butscha ins Netz gestellt hatte. Nach seinem Schlusswort
ging er auf die Knie und sagte: „Ich möchte alle Ukrainer um Vergebung
bitten, denen mein Land Leid zugefügt hat.“ Diese Geste wird eher
strafverschärfend wirken.
Afghanistan: Der UN-Sonderberichterstatter Richard Bennet hat
auf eine dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage von Frauen
und Mädchen hingewiesen. Erstaunlich ist nur, dass das überhaupt noch
möglich ist. Bennet sprach von einer „Geschlechterapartheid“ – und wer
sich dagegen auflehne, müsse um Leib und Leben fürchten.
Bayern: Und siehe da, auch Bayern ist ins Blickfeld eines
UN-Sonderberichterstatters geraten. In seinem Bericht über „staatliche
Unterdrückung von Umweltprotest und zivilem Ungehorsam“ taucht Bayern an
zwei Stellen auf: kritisiert wird das harte Vorgehen der Polizei gegen
die „Letzte Generation“ und den (überdehnten) Präventivgewahrsam für
Klimaschützer auf der Basis des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes. Die
SZ verglich genüßlich die Härte gegen die Klimaschützer mit der
Langmut gegenüber den protestierenden Bauern.
Erfreuliches - oder Potential zum Erfreulichen
Lieferkettengesetz: Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich nach
mühsamem Geschacher und mit denkbar knapper Mehrheit auf ein deutlich
abgeschwächtes Regelwerk. Im Gesetz geht es darum, dass Großunternehmen
möglicherweise für Rechtsverstöße in ihrer Lieferkette (Rodung von
Regenwald, Ausbeutung von Kindern) haften müssen. Deutschland enthielt
sich, auf Geheiß der FDP, der Stimme.
Aufschub für Julian: Die Auslieferung des Whistleblowers an die
USA wurde von einem Londoner Gericht an eine Reihe von Zusicherungen
geknüpft, die die USA zu leisten hätte, u.a. dass sich Assange bei einem
Verfahren auf die Meinungsfreiheit berufen und dass er keinesfalls zum
Tode verurteilt werden dürfe. Aber auch die mögliche Höchststrafe von
175 Jahren (!) muss erst einmal abgesessen sein – und sollte eigentlich
gegen eine Auslieferung sprechen. Da diese „Zusicherungen“ dem High
Court/Oberstes Gericht nicht ausreichend waren, entschied es im Mai,
dass er gegen den Auslieferungsbescheid Berufung einlegen könne.
„Sei ein Mensch“: Mit diesem Slogan hat die Stadt München eine
Kampagne für Demokratie und gegen Rechtsextremismus gestartet. In einer
Erklärung von 40 Organisationen und Unternehmen wurde die Vielfalt
Münchens betont und, gewissermaßen in Fortführung der Nockherbergrede,
die Politik aufgefordert, verbal abzurüsten. Der Slogan stammt aus einer
Rede zur Befreiung des KZs Auschwitz.
Ein Herz für alle
Freiheit für Schulkinder: An einer Schule im Nordwesten Nigerias
wurden 287 Schüler und Angestellte entführt, vermutlich von Banditen,
die sich Lösegeld erhofften. Zwei Wochen später kamen sie frei,
angeblich durch „Operationen der Sicherheitskräfte“ und ohne Zahlung von
Lösegeld. Getrübt wird die gute Nachricht durch widersprüchliche Zahlen:
Der Gouverneur der Region sprach von der Befreiung aller Entführten, ein
Militärsprecher hingegen nur von 137 Jungen und Mädchen.
Verstörendes
Wahlen im Iran: Auch die hätte man sich sparen können.
Kandidieren durfte nur, wer dem Wächterrat genehm war, die Opposition
ist weitgehend im Ausland, selbst frühere Präsidenten, die als Reformer
gelten, durften nicht antreten. Das Nein zum verhassten Regime schlug
sich in der Wahlbeteiligung nieder. Das Regime kam auf 41 Prozent – und
wertete das als Erfolg, der „Nationale Widerstandsrat“, der im Ausland
ansässig ist, errechnete nur eine Beteiligung in der Einstelligkeit.
Orbán – das Irrlicht Europas
Der ungarische Ministerpräsident betreibt eine Außenpolitik, die mehr
als befremdlich ist: den Feinden/Rivalen Europas dient er sich an,
Brüssel attackiert er – außer es gibt Geld. Mit China hat er eine
“verstärkte Sicherheitskooperation“ ausgehandelt, sodass chinesische
Polizisten (zur Unterstützung von Touristen) jetzt auch in Ungarn
patrouillieren können, Trump bezeichnet er als „Präsident des Friedens“,
und dann hat er 200 ungarische Soldaten in den Tschad (!) geschickt, was
zu Spekulationen geführt hat, es könne sich um die Vorhut für einen
russischen Militäreinsatz handeln.
Trumps Wahlkampfrhetorik
In den USA bereitet sich ein anderer Irrer auf seine zweite
Machtergreifung vor, mit einer Sprache, die immer mehr an
Nazi-Deutschland erinnert. Es werde „ein Blutbad für das Land“ geben,
wenn weiter chinesische Autos eingeführt werden, die verurteilten
Gewalttäter vom Sturm auf das Kapitol seien „unglaubliche Patrioten“,
politische Gegner seien „Ungeziefer“, innerparteiliche Rivalen sollten
„ins Gefängnis“ gehen. In Ohio sagte er sogar das Ende der
amerikanischen Demokratie voraus, wenn er die Wahlen verliere. Die
SZ
kommentiert sarkastisch:
„Das sagt umgekehrt so ähnlich
auch Joe Biden, allerdings aus gutem Grund.“
Flüchtlinge
- Ein Land, das man bisher wegen eines Genozids in Erinnerung
hatte, wird zum Sehnsuchtsland von Politikern, die die Patentlösung für
eine Begrenzung der Zuwanderung in der Tasche zu haben glauben. Der
CSU-Chef im Bundestag, Alexander Dobrindt, bereiste Ruanda und kam mit
der Überzeugung zurück, dies sei „ein Land, mit dem man eine
Drittstaaten-Lösung erreichen könnte“. Flüchtlinge müssten keine
gefährlichen Überfahrten tätigen, sondern könnten dort ihr Asylverfahren
„nach unseren Standards“ abwickeln und bei Anerkennung dort in
Sicherheit leben, denn „Schutz durch Europa“ muss nicht heißen „Schutz
in Europa“. Wo sie bei einer Ablehnung hin sollen, lässt Dobrindt offen.
Aber Afrika ist ja groß, und „Aus den Augen, aus dem Sinn!“
- Ein seltsamer „Kuhhandel“ bahnt sich in Rottach-Egern an. Die
Stiftung, die nach der verstorbenen „Schönheitsunternehmerin“ Gertraud
Gruber benannt ist, bot das Schulungsgebäude der Firma dem Landratsamt
als befristete Flüchtlingsunterkunft an. Nun besteht der Verdacht, dass
die Flüchtlinge als „Verhandlungsmasse“ herhalten müssen, weil die
ursprünglich vorgesehene Nutzung des Gebäudes als Schulungszentrum zu
einem Nachbarschaftsstreit geführt hatte. Die Anlieger, so der
Rechtsanwalt der Stiftung, hätten jetzt die Wahl zwischen „zehn
Kosmetikerinnen und 54 Asylbewerbern“.
- Das führt geradlinig zum Kommentar eines schwarzen Busfahrers aus
Mainz, den er in der Sendung „Alltagsrassismus in Deutschland“ abgegeben
hat.
„Was den Umgang mit Farbigen
anbelangt, ist man in Deutschland noch nicht so weit. Deutschland
braucht noch ein bisschen, um offener zu werden, sich an Ausländer
zu gewöhnen.“
Vorbereitung auf den Ernstfall: Verstört hat auch die letzte
Broschüre des „Bundes für Soziale Verteidigung“, weil dazu aufgerufen
wurde, sich schon jetzt darauf vorzubereiten, was gegen eine
AfD-Landesregierung unternommen werden könnte. Da heißt es an vorderster
Stelle:
„Absprachen der bürgerlichen
demokratischen Parteien treffen, um zu verhindern, dass die AfD eine
funktionsfähige (Minderheiten-)Regierung bilden kann.“
Irrlichter aus der linken Szene: In Berlin zogen 600
Demonstranten durch den Stadtteil Kreuzberg und skandierten „Wir sind
nicht alle – es fehlen die Gefangenen.“ Die „Gefangenen“ waren Daniela
Klette und die anderen inhaftierten RAF-Terroristen, und die
„Untergetauchten“, die RAF’ler, die man noch nicht erwischt hat. Der
Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback fand es
„bedrückend zu sehen, wie stark die
Sympathie für ehemalige, der RAF zugerechnete Terroristen immer noch
ist“.
Die Demo fand drei Wochen vor dem 1. April statt. Der wäre als Termin
für die Demo besser geeignet gewesen. Und man hätte auch ungestraft
kiffen können!
Die AfD-Rubrik
- „Und keiner hilft“ – In Haiti regieren Chaos und Gewalt.
- Russen verkaufen Ukrainer – hinter der Front existiert ein
„Schwarzmarkt“ mit Kriegsgefangenen.
- 205 000 Bayern sind bewaffnet – Zahlen weit höher als in NRW.
- Hass und Hetze im Netz nehmen weiter zu.
- „Unaufgeregt und besonnen“ verlief die Bürgerversammlung in
Holzkirchen.
Bedrückender Schlusspunkt
Sie wurden zwar nicht an tschetschenische Militärs verkauft, aber in
russischer Kriegsgefangenschaft grausam gefoltert: ein Musiker, ein
Priester, ein Kickboxer, die im Rahmen des Zeitzeugengesprächs „Der
Preis der Freiheit“ im Miesbacher Pfarrheim von ihren traumatischen
Erlebnissen in der Gefangenschaft berichteten und an das deutsche
Publikum eine eindringliche Botschaft richteten:
„Bewahrt euren Frieden und helft
uns, unseren wieder zurückzubekommen. Auch wir Ukrainer haben mal
Kriege im Fernsehen gesehen und dachten, das ist weit weg. Wir haben
uns bitter getäuscht.“
Goethe meint damit die Reaktion auf das „Ungeheure“, und deshalb fangen
wir den Monat entsprechend an.
Gruselschocker
Nawalny-Feier – Priester suspendiert: Der russisch-orthodoxe
Patriarch Kyrill I. hat einen Priester bestraft, der im März einen
Gedenkgottesdienst für Alexej Nawalny gefeiert hat. Dmitrij Safronow
wurde als Vorsteher einer Moskauer Pfarrei abgesetzt und für drei jahre
vom priesterlichen Dienst ausgeschlossen. Die „Bußzeit“ muss er als
Psalmleser/Vorbeter verbringen.
Der Patriarch hat in seiner Osterpredigt den lieben Gott gebeten,
„Russlands Grenzen zu schützen“, aber letzterer ist mit den Grenzen
eines anderen Landes mehr als ausgelastet.
Schwere Geburt: Auf einer Demo von Abtreibungsbefürwortern im
kanadischen Toronto im Jahre 2016 wurde ein Schild mit folgender
Inschrift mitgetragen: „Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch
gegen diesen Sch… protestieren muss.“ Auch die
SZ-Journalistin,
die für die „reproduktive Selbstbestimmung“ der Schwangeren“ plädierte,
meinte, „man müsse sich von dieser Wortwahl natürlich distanzieren“.
Selbstbestimmung der Frau, Lebensrecht des Kindes, Legalisierung des
Abbruchs, Beratungspflicht – bisher eine Quadratur des Kreises, deren
Abrundung mehr erfordert als Shit-Polemik.
Voller Angst (vor Trump): Ein
SZ- Artikel analysiert
selbstkritisch, wie die Medien dazu beitragen, dass Trump gute Chancen
hat, wieder Präsident zu werden. Dank seiner Affären erhält er mehr
mediale Aufmerksamkeit als Biden, und wenn er verlautet, wofür er
wirklich steht, wird das in einem Maße verharmlost, die einen
„schaudern“ lässt. So hat er beispielsweise angekündigt, „das Militär
einzusetzen, um politischen Widerspruch zu ersticken“. Aus diesem
Angriff auf die Meinungsfreiheit macht die Nachrichtenagentur Associated
Press: „Trump deutet umfassendere Rolle für das Militär an.“
Schlag gegen nigerianische Mafia: Bei einer Razzia gegen die
„Black Axe-Brotherhood/Schwarze Axt-Bruderschaft“, die darauf
spezialisiert ist, „einsame Herzen abzuzocken“ indem man sie mit einer
„Fernbeziehung“ lockt, wurden in Süddeutschland 19 Wohnungen durchsucht
und elf Männer verhaftet. Eine dieser Wohnungen war in – Miesbach.
Gaza und kein Ende
Der Hunger: In Gaza essen Menschen Tierfutter oder reißen
Blätter aus dem Boden. „Satt wird hier niemand mehr“, sagt ein Arzt im
Norden Gazas. „Die Menschen eilen ziellos umher wie Zombies auf der
Suche nach Essbarem“, so ein Mitarbeiter des
WFP/Welternährungsprogramms. Eine von der UN geförderte Initiative hat
ein fünfstufiges System entwickelt, wie viele Menschen wie stark vom
Hunger betroffen sind. Dazu kommen kriminelle Banden, die
Hilfslieferungen stehlen und die Ware auf dem Schwarzmarkt verkaufen.
Die Hamas pocht auf Existenzberechtigung und beschießt israelische
Militärs, die in der Nähe der Grenzübergänge stationiert sind. Israel
reagiert mit der (zeitweiligen) Schließung der Übergänge, über die ein
Großteil der humanitären Hilfe läuft.
Zwischen den Fronten
Anzeige 1: Der Palästinenser Maher Arouq hat die deutsche
Regierung verklagt, weil Deutschland Waffen an Israel liefert. Er hatte
bei israelischen Bombardements seine Brüder verloren, und sein Haus in
Gaza liegt in Trümmern. Seine deutschen Anwälte berufen sich darauf,
dass die Waffenlieferungen die Rechte von Kriegsopfern in Gaza verletzen
würden, und dass Deutschland gegen sein eigenes
Kriegswaffenkontrollgesetz von 1961 verstoßen würde. Die Bundesregierung
hat ihre Lieferungen inzwischen dem Kriegsverlauf „angepasst“. Nach dem
7. Oktober wurden „alle Rüstungsgüter, um die Israel bat, in kürzester
Zeit genehmigt“, aber zuletzt wurden nur noch „kleine Teile für
Radaranlagen“ geliefert. Im Mai kam zum ersten Mal die Meldung, dass die
USA eine Waffenlieferung an Israel gestoppt hat.
Die Klage wurde im Juni in erster Instanz abgewiesen.
Anzeige 2: Dann hat uns Nicaragua vor den Kadi/Internationalen
Gerichtshof gezerrt. Der deutschen Regierung wird wegen ihrer
Waffenlieferungen „Beihilfe zum Völkermord“ vorgeworfen. Das Gericht hat
zwar die Argumentation der Bundesregierung, man habe inzwischen die
Lieferungen zurückgefahren, akzeptiert und den Eilantrag abgewiesen, das
Verfahren aber nicht endgültig eingestellt. Man wird uns also weiter auf
die Finger schauen, ob anstelle der Radaranlagen nicht wieder
Panzerfäuste geliefert werden. Dass der Eilantrag von Nicaragua kam, wo
ein autoritärer Machthaber regiert, hat den Anspruch, das „humanitäre
Völkerrecht“ einfordern zu wollen, etwas relativiert.
Yehuda Shaul - ein Friedensaktivist aus Israel: Yehuda gründete
2004 nach Beendigung seiner Dienstzeit in der Armee die Organisation
„Breaking the Silence/das Schweigen brechen“, die sich zunächst mit dem
(harschen) Umgang des israelischen Militärs im Gazastreifen und den
besetzten Gebieten befasste. Das Massaker der Hamas am 7. Oktober machte
ihn „natürlich wütend“,
„Aber dann setzt die Vernunft ein.
Und man begreift, dass die Bombardierung des Gazastreifens zurück in
die Steinzeit uns keinen Frieden und keine Stabilität bringen wird.“
Vergessene Krisenzonen
Myanmar: Dort kämpfen seit dem Militärputsch von 2021 die „People’s
Defence Forces/Verteidigungskräfte des Volkes“ für die Wiederherstellung
der Demokratie – und das ohne jede Hilfe von außen. Die UN konnte sich
nicht einmal auf Sanktionen gegen das Militärregime einigen. Wer Hilfe
bekommt, sind die Generäle. China hält seine schützende Hand über sie,
denn Autokraten sind artverwandt und deshalb pfleglich zu behandeln. Die
„Rebellen“, ethnische Minderheiten und Deserteure, haben der Junta seit
Oktober 2023 eine Reihe von Niederlagen zugefügt. Im April fielen die
Stadt Myawaddi an der Grenze zu Thailand und der dortige Militärposten
in ihre Hände.
Sudan: Seit einem Jahr richten zwei Generäle das Land zugrunde,
begehen ein Verbrechen, das man als „internen Völkermord“ bezeichnen
könnte. Es ist ein Krieg, der die Welt lange kaltließ – wenn auch nicht
die ganze Welt. Einer der Generäle wird von Ägypten mit Waffen
beliefert, der andere erhält sie von den Vereinigten Arabischen
Emiraten. Ohne die Einmischung von außen wären die Kämpfe wohl schnell
vorbei. Das bestätigt auch ein AI-Bericht im Juli. Die Kleinwaffen
kommen aus aller Herren Länder, Panzer und Artilleriegeschoße stellt der
Sudan inzwischen schon selbst her. Die übrige Welt hat lange
weggeschaut, aber aufgeschreckt durch die Aussicht auf eine Hungersnot
astronomischen Ausmaßes (750 000), hat eine Geberkonferenz jetzt über
zwei Milliarden gesammelt. Und im August hat man sich sogar zu einer
Friedenskonferenz in Genf aufgerafft. Fortsetzung folgt!
Krisenzone Deutschland
Kriminalitätsstatistik: Der Bayer würde sagen – „Do kon i nimma
lacha!“. Was Immanuel Kant denken würde, kommt später!
Die Zahl schwerwiegender Straftaten ist 2023 deutlich angewachsen. Die
Gewaltkriminalität ist um 8,6% (214 000 Fälle) angestiegen, deutsche
Tatverdächtige machen dabei 2,2% aus, ausländische Tatverdächtige
bringen es auf 14,5%. Ein statistischer Befund, der den hohen
Ausländeranteil mit ihrer steigenden Bevölkerungszahl in Beziehung
setzt, kommt allerdings auf einen „ausländerfreundlicheren Wert“. Wenig
erfreulich auch der Zuwachs bei den minderjährigen Tatverdächtigen
(9,5%) und den Straftaten im Internet (Kinderpornographie). Zu letzterem
eine Karikatur zum 300sten Geburtstag von Immanuel Kant, der Reim nicht
gerade eine Spitzenleistung des „Volkes der Dichter und Denker“.
Immanuel Kant bei der Lektüre der Kriminalitätsstatistik von 2023
Und als Steilvorlage für den deutschen Stammtisch der Kommentar der
Bundesinnenministerin: Trotz einiger
„Entwicklungen, die wir deutlich
benennen müssen, ist Deutschland weiterhin eines der sichersten
Länder der Welt“.
Bayerns Asylpolitik: „Ohne Herz und Verstand“ wurde sie in einem
Leitartikel der
SZ (ab) qualifiziert, weil erneut ein Iraner in
Abschiebehaft genommen wurde. Diesmal traf es einen Mann, der zum
Christentum konvertiert war, was im Iran ein Todesurteil sein könnte.
Innenminister Herrmann scheint ihm noch persönlich die Beichte
abgenommen zu haben, denn er sagte, „der hat doch keine Ahnung vom
Christentum“. (
Vorsicht: Teilsatire!) Das bayrische
Innenministerium hat mit Stolz auf einen Abschieberekord in den ersten
beiden Monaten von 2024 hingewiesen. Laut Flüchtlingshelfern waren
darunter viele, die Arbeit hatten, und auch solche mit deutschen
Ehefrauen.
Patriotismus von rechts: Da sie unser politisches System
verachtet, muss sich die AfD notgedrungen nach anderen Vorbildern
umsehen. Sie findet sie in den autoritären Regimen/Diktaturen in
Russland und China. Von den unbedarften Wahlbeobachtern bei der
Putin-Wahl war bereits die Rede, der Abgeordnete Petr Bystron steht im
Verdacht, von einem prorussischen Geschäftsmann Geld bekommen zu haben,
der Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah soll als
Mitarbeiter einen chinesischen Agenten beschäftigt haben. Der heimliche
AfD-Chef Björn Höcke wiederum macht Ausflüge in die deutsche
Vergangenheit und sucht dort zusammen, was er noch „Alles für
Deutschland“ tun kann.
Verfahren gegen Polizeibeamte: Gegen mindestens 400 Polizeibeamte
der Länder, darunter 29 aus Bayern, werden Disziplinar- oder
Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf rechtsextremistische
Gesinnung oder Unterstützung einer Verschwörungsideologie geführt. Die
Gewerkschaft der Polizei sieht das positiv – nicht die extremistischen
Umtriebe der Beamten natürlich, sondern die „hohe Sensibilität“, die in
der Polizei dem Problem gegenüber besteht.
Träume vom Kalifat: Verschwörungsaktivisten waren auch bei einer
Demo von „Muslim Interaktiv“ in Hamburg zugange. Die Gruppe hatte am 27.
April im Stadtteil St. Georg gegen (angebliche) Islamfeindlichkeit in
Politik und Medien demonstriert. Auf den Plakaten standen Slogans wie
„Deutschland = Wertediktatur“ oder „Kalifat ist die Lösung“. Bei einer
Demo im Mai mit über 2 000 Teilnehmern durfte die Forderung nach einem
Kalifat nicht mehr auftauchen. Dafür trug man Plakate wie „Zensiert“ und
„Verboten“. Gegen das Zensieren oder das Verbot einer solchen Gruppe
hätte der Hl. Georg der christlichen Legende, seines Zeichens
Drachentöter, wahrscheinlich auch keine größeren Einwände.
AI-Meldungen
Entsorgung von Flüchtlingen: Der britische Premierminister Rishi
Sunak hat das neue Abschiebegesetz durchs Parlament gebracht. Die ersten
Flüge nach Ruanda sollen bald starten. Tickets für einen Rückflug nach
Großbritannien wird es nicht geben, auch nicht für Flüchtlinge, deren
Asylgesuch in Ruanda positiv beschieden wird. AI bezeichnet das Gesetz
als „Schande“, Innenministerin Faeser lässt das Ruanda-Modell auch für
Deutschland prüfen. Allerdings verbietet das europäische Asylrecht
(noch), „Menschen in Staaten abzuschieben, zu denen sie keine Verbindung
haben“.
Politische Gefangene: Der thailändische Demokratie-Aktivist Amon
Nampa ist zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt worden, weil er 2021
auf einer Kundgebung dazu aufgerufen hatte, die Gesetze zur
Verunglimpfung des Königshauses zu ändern. Vielleicht hat er die Frage
gestellt, warum der König einen Großteil seiner Zeit in seinen Villen am
Starnberger See verbringt. Eine zusätzliche Geldstrafe wurde Nampa
aufgebrummt, weil er dazu einen Lautsprecher verwendet hatte. Seine
gesamte Haftstrafe hat sich inzwischen auf 16/18 Jahre summiert.
Frauen: Um es gleich vorwegzunehmen: der Frauentag im März hat
wieder einmal keine Wunder bewirkt. Es gibt Defizite, die abzustellen
sind, es wurden Entscheidungen getroffen und Maßnahmen ergriffen, die
einem die Haare in die Höhe treiben. In Deutschland ergab eine Anfrage
der Linken, dass man in den Frauenhäusern 13 000 zusätzliche Plätze
bräuchte, und dass viele Opfer häuslicher Gewalt nicht reinkommen, weil
sie sich die Kosten „in beachtlicher Höhe“ nicht leisten können. Und
dann hat die UN die Kommission zur Rechtsstellung der Frau mit dem
idealen Kandidaten besetzt: Jetzt wird Saudi-Arabien, das manche Frauen,
die sich regierungskritisch geäußert haben oder die männliche
Vormundschaft in Frage stellten, mit jahrzehntelangen Haftstrafen belegt
hat, die Geschlechtergerechtigkeit vorantreiben – aber wie! Und im Iran
hat man verschärfte Kontrollen bei Kopftuchverstößen eingeführt: die
Sittenwächter tauchen wieder öfter an öffentlichen Plätzen auf,
unverschleierte Autofahrerinnen werden per Videoüberwachung „dingfest“
gemacht, Frauen ohne Kopftuch bis auf Instagram verfolgt.
Todesstrafe: Wir bleiben beim Iran. Der Rapper Toomaj Salehi
wurde wegen „Korruption auf Erden“ zum Tode verurteilt. Den Mullahs
scheint die Härte seiner Lieder zu missfallen, und die Unverblümtheit,
mit der er ein Ende ihrer Herrschaft voraussagt.
„Wir machen euch fertig. Sucht
euch schon einmal ein Rattenloch.“
Am 30. April sperrte man ihm das Telefon. Ein schlechtes Zeichen! Jetzt
kann er wieder telefonieren, denn im Dezember 2024 wurde er
freigelassen.
Die AfD-Rubrik
- TV-Duell Voigt (CDU) vs. Höcke (AfD).
- Abbruch des Palästina Kongresses in Berlin.
- EU-Parlament billigt Asylreform.
- Macron räumt Mitschuld Frankreichs an Genozid in Ruanda ein.
- Ecuadors Sicherheitskräfte stürmen Mexikos Botschaft.
- “Scholz: Was Kant Putin zu sagen hätte“.
- Anklage gegen vier Seenotretter fallengelassen.
- „Der Sieg der alten Damen“ – Klimaschutz ist Menschenrecht.
- Amnesty wirft der Bundesregierung Schweigen zu Kriegsverbrechen von
Israels Armee vor.
Schlussbild – zum Schaudern
Sie werden sich vielleicht gefragt haben, warum der Ukrainekrieg im
April unerwähnt blieb. Das holen wir an dieser Stelle nach. Das Bild ist
ein trauriger Übergang zum Monat Mai, weil Putin (fast) punktgenau zum
„Tag des Sieges“ im 2. Weltkrieg (9. Mai) bei Charkiw eine Großoffensive
einleiten ließ.
Mai 2024
„Geh nicht so fügsam in die dunkle
Nacht“
Die Zeile aus einem Gedicht von Dylan Thomas dient Elke Heidenreich als
Aufhänger in ihrem Nachwort zu dem Kurzroman „Adressat unbekannt“ von
Kressmann Taylor aus dem Jahre 1938. Er handelt, soviel sei verraten,
von der ausgeklügelten „Rache“ eines amerikanischen Juden an seinem
deutschen Ex-Freund, der sich zum Hitleristen gemausert und in einem
entscheidenden Augenblick lebensrettende Hilfe verweigert hatte. Nun,
„fügsam“ sind derzeit die Israelis (und die Hamas) nicht, und die
„dunkle Nacht“ zwischen den beiden Völkern hat sich noch nicht
aufgehellt. Wir sind wieder einmal beim
Krieg zwischen Israel und Palästina
Haftbefehle im Doppelpack: In unangenehmer Nachbarschaft fand
sich Israels Premier Netanjahu wieder, als der IStGH gegen ihn und den
Hamas-Anführer Sinwar simultan einen Antrag auf Haftbefehl wegen
Kriegsverbrechen stellte. Die Vorwürfe: willkürliche Tötung und
zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten, Aushungern der Bevölkerung als
Mittel der Kriegsführung. Bei Sinwar wäre noch hinzuzufügen, dass die
Hamas zivile Einrichtungen als „Schutzschild“ benutzt und so die
Israelis zu ihren Kriegsverbrechen provoziert.
Netanjahu und Sinwar – nebeneinander und gegeneinander
Die Reaktion von Netanjahu war zu erwarten. Er nannte den Chefankläger
Karim Khan einen „der großen Antisemiten der Moderne“, von Sinwar ist
keine Reaktion bekannt. Dem wird das Treiben der Justiz in Den Haag
ziemlich egal sein. Die Regierung in Berlin ist in einer schwierigen
Lage, wenn es zu einem Haftbefehl kommen sollte. Sie war immer „einer
der größten Fans des sogenannten regelbasierten internationalen Systems“
und kann deshalb einen solchen Haftbefehl (wenn er erlassen werden
sollte) nicht einfach ignorieren, nur weil Israel mit betroffen ist, das
man aus Gründen der „Staatsräson“ hierzulande mit Samthandschuhen
anfasst/und anfassen muss. Also was tun, wenn Netanjahu nach Deutschland
auf Staatsbesuch käme?
Meine Meinung: Am Anfang dieses Konflikts stand das Massaker vom 7.
Oktober. Das sollte man dem Sinwar nicht vergessen. Dann eskalierte der
Krieg in einem Maße, der zum Vorwurf des Völkermordes führte. Und damit
gleichen sich der machtbesessene Politiker und der skrupellose
Terroristenboss immer stärker an. Der Politikwissenschaftler Wolfgang
Kraushaar lehnte den Vorwurf zum jetzigen Zeitpunkt ab, räumt aber ein,
dass „ein zunächst legitimes Kriegsziel im gewaltsamen Akt seiner
Verfolgung in ein als genozidal einzustufendes Verbrechen umschlagen“
könnte.
Nicht vergessen sollte man aber, dass Israel „bei aller berechtigten
Kritik an seiner politischen Führung immer noch ein Rechtsstaat ist,
dessen Behörden auch gegen Soldaten der eigenen Armee ermitteln. Die
Hamas würde bei „Fehlern und Missgeschicken“ eher noch Orden verleihen.
Ein paar Tage später kam für Israel aus Den Haag der zweite Schlag. Der
Internationale Gerichtshof/IGH, der für Konflikte zwischen Ländern
zuständig ist, ordnete das Ende der Offensive in Rafah an. Was die Stadt
Rafah anbelangt, ist man sich nicht einig, ob die israelische Armee noch
im Umfeld agiert (Bombardierung eines Flüchtlingslagers) oder schon im
Stadtzentrum tätig ist.
Proteste in Deutschland: Die Polizei hat „auf Weisung von oben“
eine Institutsbesetzung an der Berliner Humboldt-Universität
„aufgelöst“. Die Studierenden hatten gegen das israelische Vorgehen im
Gazastreifen protestiert, aber auch Parolen an die Wände geschmiert, die
dem jüdischen Staat das Existenzrecht absprechen. Die
Universitätspräsidentin hatte den Besetzern einen „Deal“ angeboten. Sie
sollten an einer Diskussionsveranstaltung teilnehmen, die Besetzung zu
einem festgelegten Zeitpunkt beenden – dann würde man auf eine Anzeige
wegen Hausfriedensbruch verzichten. Die Mehrheit der Besetzer ging auf
den Deal nicht ein. Das Gebäude war nach der Besetzung „noch stark
beschädigt“ – und das nicht nur nach Ansicht der
Jüdischen
Allgemeinen.
Weitere Kriegsgebiete und Konfliktherde
Ukraine – Russland: Es kam, wie in der Karikatur vom April schon
vorhergesagt, zur russischen Offensive im Osten der Ukraine. Ein
ukrainischer Offizier:
„Wir verlieren jeden Tag ein
kleines Stück an Territorium. Es mag winzig sein – aber wir
verlieren an Boden.“
Die Waffenlieferungen aus dem Westen ziehen sich hin. Die Lieferung der
800 000 Schuss Munition, die Tschechien im Februar (großspurig)
angekündigt hat, soll im Juni anlaufen. Und als Reaktion auf die
russischen Offensive haben westliche Regierungen dem Drängen der Ukraine
nachgegeben, dass westliche Waffen bei Charkiw auch für Angriffe auf
russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen. Damit steigt auch die Angst
in der grenznahen russischen Stadt Belgorod, deren Einwohner jetzt von
der russischen Propaganda zu „Helden“ hochstilisiert werden. Darauf
pfeifen sie, - aber laut nur dann, wenn sie sich vorher ins Ausland
abgesetzt haben.
In Belarus hat Putin von Verhandlungen gesprochen, „ausgehend von
heutigen Realitäten, die sich am Boden entwickelt haben“. Damit meint er
die Geländegewinne, die die ukrainischen Streitkräfte in die Defensive
gedrängt haben. Wenn er von „Frieden“ redet, meint er immer nur Frieden
zu Russlands Bedingungen.
Georgien: „Was der Hans lehrt, befolgt Hänschen immer mehr“, so
könnte man das Sprichwort (unbeholfen) abgeändert auf das seltsame
Schauspiel übertragen, das sich derzeit in Georgien abspielt. Da möchte
die große Mehrheit der Georgier zusammen mit Präsidentin Surabischwili“
in die EU, während der starke Mann des Landes, der Milliardär (und
russische Staatsbürger) Iwanischwili, der willfährige Ministerpräsident
und die Regierungspartei mit dem irreführenden Namen „Georgischer Traum“
das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“
durchgepeitscht haben, dessen Ziel es ist, (prowestliche)
Zivilorganisationen und demokratiefördernde Projekte von der
ausländischen Finanzierung abzuschneiden, das vom russischen
Agentengesetz abgekupfert ist – und deshalb von den Gegnern nur als
„Russisches Gesetz“ bezeichnet wird. Im Parlament kam es bei den
Lesungen des Gesetzes zu Schlägereien, auf der Straße gingen die
Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten mit Tränengas und
Wasserwerfern vor, und „Verhaftungen sind schon Teil des Alltags“. In
Moskau reibt sich Putin die Hände. Wenn andere für ihn die
„Drecksarbeit“ machen, braucht er nicht aufzumarschieren, um einen
EU-Beitritt zu verhindern.
Im Juni hat sich die Opposition um die Präsidentin Salome Surabischwili
geschart, die einen Reformplan ausgeheckt hat, um dem Land eine „neue
politische Realität“ zu verschaffen. Vielleicht ist die georgische
Nationalmannschaft bei der Fußball EM deswegen bis ins Achtelfinale
gekommen.
AI-Nachrichten
Politische Gefangene: In Hongkong hat man die erste Tranche der
„Hongkong 47“ verhandelt, die 2020 für Demokratie und freie Wahlen
demonstriert hatten. 16 von ihnen standen jetzt vor Gericht, 14 wurden
der „Verschwörung zur Subversion“ schuldig befunden, zwei wurden
freigesprochen. Gegen die Freisprüche legte die Staatsanwaltschaft
Berufung ein. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
Es droht eine lebenslange Haft. Für die China-Direktorin von AI stellt
„das Urteil die nahezu vollständige Zerschlagung der politischen
Opposition“ dar. Vor dem Gericht protestierte die Aktivistin „Großmutter
Wong“ mit einer britischen Flagge. Sie war zeitweise von 14 (!)
Polizisten umstellt.
Im Iran wurde der Rapper Amir Tataloo zu einer dreijährigen Haftstrafe
wegen Blasphemie verurteilt. Man kann jetzt rätseln, ob den Mullahs eher
seine Texte oder seine Ganzkörper-Tattoos als gotteslästerlich
aufgestoßen hatten. Ein anderer Künstler, der Regisseur Mohammad
Rasoulof, entzog sich durch eine abenteuerliche Flucht der Verurteilung
zu Peitschenhieben und einer mehrjährigen Haftstrafe und landete über
Deutschland – auf dem roten Teppich der Festspiele von Cannes, wo er für
seinen Film „Der Samen der heiligen Feige“ den Sonderpreis der Jury
gewann.
Tod im Hungerstreik: In einem Krankenhaus bei Bangkok ist die
thailändische Aktivistin Netipporn „Bung“ Sanesangkhom nach einem
Hungerstreik von 110 Tagen, den sie nur kurzzeitig unterbrach,
gestorben. Sie war seit Januar 2024 wegen Majestätsbeleidigung in Haft.
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Netiporn (Mitte) mit der Gruppe „Böse Studenten“ 2020
Todesstrafe: „Trump holt die Giftspritze aus dem Schrank“,
titelte der
Merkur einen Artikel über die Pläne des
Republikaners über eine Ausweitung der Todesstrafe. Die Zellen der
Todesstrafenkandidaten auf Bundesebene sollen so schnell wie möglich
adäquat „geleert“ werden, Drogendealer und Menschenhändler sind zum
Henker zu schicken, Regierungsbeamte, die geheime Informationen an die
Presse weiterleiten, sind als Hochverräter hinzurichten. Und dann kommt
natürlich noch Joe Biden an die Reihe, weil er ihm 2020 den Wahlsieg
gestohlen hat und natürlich auch Nikki Haley, weil sie ihm solange die
Kandidatur streitig gemacht hat. (
Vorsicht Teilsatire!)
„Deutschland, Deutschland nicht für alle“
Sylt und anderswo: Zu den Klängen des Liedes „L’amour toujours“
grölte eine Gruppe junger Männer im Pony-Club auf Sylt, wo die Flasche
Champagner 500 Euro kostet, den Text „Ausländer raus, Deutschland den
Deutschen, Ausländer raus“. Bevor wir sie mit dem Gutmenschenfluch
bedenken, lohnt es sich, den ursprünglichen Text des Liedes anzuschauen.
Da heißt es im Refrain: „Baby, ich werde immer an deiner Seite stehen.“
Das ist vollschnulzig, aber nicht gerade fremdenfeindlich. Das Problem
ist, dass der französische Originaltitel genauso viele Silben hat wie
das deutsche „Ausländer raus“, der Rhythmus der Zwischenmusik zu diesem
„Text“ passt und deshalb punktgenau „ver-fremdet/verfremdenfeindlicht
werden kann.
Einer der Beteiligten machte den Hitlergruß und imitierte mit den
Fingern das Hitlerbärtchen. Da der Staatsschutz wegen des Liedes und der
Gesten ermittelt, hat sich der Täter inzwischen öffentlich entschuldigt.
Sein Arbeitgeber soll ihm gekündigt haben, auch andere Beteiligte sollen
ihre Jobs los sein, aber bei unserem Fachkräftemangel und nach dem
Rechtsruck bei den Europawahlen im Juni werden sie bald wieder einen Job
finden.
Nach dem Auftritt des Gesangsvereins auf Sylt krochen sie auch anderswo
aus ihren Löchern. Die
SZ beschreibt die Welle der Nachahmung
wie folgt:
„Es ist wie ein Schneeballsystem,
das sich in den unterschiedlichsten Milieus zu verselbstständigen
scheint – vom Schützenfest in Niedersachsen, über das Pfingstfest in
der Oberpfalz, bis zum Eliteinternat in Schleswig-Holstein.“
Jetzt hat man Sorge, dass das Lied nach „Layla 2023“ der Wiesenhit von
2024 wird.
Remigrationsvorschläge
AfD-Politiker: Im November 2023 hat man bei einem Treffen
rechter Cliquen über die Rückführung von Flüchtlingen und deutschen
Staatsbürgern mit Migrationshintergrund gesprochen. Wir hätten als
Kandidaten die beiden AfD-Abgeordneten Maximilian Krah und Petr Bystron
vorzuschlagen – falls sich die Vorwürfe gegen sie erhärten sollten.
Bystron soll aus dem Umfeld des russischen Propagandaportals
Voice
of Europe Geld bekommen haben, das er dann, wie Audioaufnahmen des
tschechischen Geheimdienstes zeigen, im Auto penibel nachgezählt habe.
Krah soll bei den Russen und den Chinesen abkassiert haben, bei
Letzteren vermutlich über einen Mitarbeiter, der im Verdacht steht, ein
chinesischer Spion zu sein. Dass er die SS teilentschuldigt hat - „Nicht
alle SS-Leute waren Verbrecher“ -, hat in Frankreich sogar die Le Pen
auf die Palme getrieben. Die Remigration der beiden Politiker fand dann
im Juni statt. Strasburg zeigte sich bereit, sie aufzunehmen – als
Mitglieder des EU-Parlaments.
Reichsbürger: Auch die wäre unsereins gerne los, wenn möglich
etwas weiter weg als nach Strasburg. In Bayern erreichte ihre Zahl Ende
2023 einen neuen Höchststand. Die Szene zählt 5406 Mitglieder, im Jahre
2022 verübte sie fast 800 Straftaten, von denen mehr als die Hälfte
gegen Politiker gerichtet war.
Was Reichsbürger können, können andere auch noch, und so braucht man
sich nicht zu wundern, dass 2023 mehr als 60 000 politische Straftaten
registriert wurden, ein Trend, der sich mit verstörenden Angriffen auf
Politiker aus (fast) allen politischen Lagern auch 2024 fortsetzte:
Matthias Ecke (SPD), Yvonne Mosler (Grüne), Heinrich Koch (AfD). Und
nicht zu vergessen: die „Beiträge“ zur BKA-Statistik durch die
Antisemiten und die Islamfeinde.
Während der Karikaturist den gefährdeten Personengruppen, und da
gehörten im Vorfeld der Europawahlen auch die Wahlkampfhelfer dazu, den
Besuch einer Kampfsportschule empfiehlt, kommen auch seriöse Vorschläge:
Man müsse
„die Gerichte personell besser
ausstatten, damit politisch motivierte Straftaten schnell und
unmissverständlich beantwortet werden können.“
Die AfD-Rubrik
- Urteil: Verfassungsschutz darf AfD weiter beobachten.
- Grundrechtereport: Grundrechte sind „gefährdet wie noch nie“.
- Papst: Eklat um Schwulen-Spott.
- Nordafrika: Flüchtlinge in der Wüste ausgesetzt – mit Wissen und
Unterstützung der EU.
- China droht Kritikern nun auch im Ausland.
- Irans Präsident Raisi stirbt bei einem Hubschrauberabsturz. Das
Beileid von AI hält sich in Grenzen.
- Pinchas Goldschmidt, oberster Rabbiner des Kontinents, erhält den
Karlspreis.
Nachrichten jenseits der „dunklen Nacht“
China: Die Bloggerin Zhang Zhan, die im Februar 2020 aus der
Stadt Wuhan über den chaotischen Umgang der Behörden mit der Epidemie
berichtet hatte und wegen „Anfangens von Streit und Provozierens von
Ärger“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, ist unter Auflagen
freigelassen worden. Ihre Strafe hat sie bis zum letzten Tag abgesessen.
Im Oktober wurde sie erneut verhaftet.
75 Jahre Grundgesetz: Trotz der Alarmsignale des
Grundgesetzreports wurde tüchtig gefeiert, mit einem Staatsakt zu einer
„Verfassung“, die „zum Besten gehört, was Deutschland hervorgebracht
hat“, mit einem Staatsbesuch des französischen Präsidenten, dem ersten
seit 24 Jahren, mit viel Musik und DJ „Alle Farben“, einem Bürgerdialog,
in dem Kanzler Scholz, dem
Spiegel zufolge eher „spröde“,
Vizekanzler Habeck hingegen „nahbarer“ auftraten, und einem Kickerspiel,
mit dem die beiden Staatspräsidenten auf ihre Weise die Fußball-EM
eröffneten.
Entspannungsfußball zwischen Frankreich und Deutschland
Im nächsten Monat ist Europawahl, und so viel vorneweg: Das
Pfingstwunder ist für einige Parteien in Deutschland ausgeblieben. Und
auf die Wähler, die sich für die Parteien des „lunatic
fringe/Narrensaum“ entschieden, kam eher der Ungeist herab.
Juni 2024
„Alles ist verdichtet zu einer
großen Unruhe. Langsam geht es an die zuversichtliche Substanz. Es
(die Abfolge der Krisen) zehrt am Reservoir an
zivilgesellschaftlicher Gefasstheit, mit dem sonst politische und
soziale Schrecken aufgefangen und ausbalanciert werden.“
Caroline Emcke
Auch mir ist diese Gefasstheit etwas abhandengekommen, wenn ich auf
diesen Monat zurückblicke. Das sind sie die
Gruselgeschichten
Bedrohungsszenarien
- Im Jahre 2023 kam es in Deutschland zu knapp 4800 antisemitischen
Vorfällen, 80 Prozent mehr als im Vorjahr, die meisten zwischen dem 7.
Oktober und dem Jahresende. Der Antisemitismusbeauftragte der
Bundesregierung, Felix Klein, sprach von katastrophalen Zahlen, - die
auch 2024 auf einem „Rekordhoch“ verblieben: (Bayern: 687 Taten vom
Oktober 2023 bis September 2024)
„Jüdisches Leben ist so stark
bedroht wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.“
- Im Jahre 2023 kam es auch zu 1926 antimuslimischen Übergriffen und
vier Tötungen. Das waren mehr als fünf Angriffe pro Tag und bedeutet
einen Anstieg um 140 Prozent. Mehr als die Hälfte richteten sich gegen
Frauen und Mädchen, die ja bekanntlich beim Massaker in Südisrael die
Hauptakteure waren. (
Vorsicht Satire!)
- Einen Höchstwert erreichte 2023 auch die Gewalt gegen die Polizei. In
Bayern wurden 3050 Polizisten im Einsatz verletzt, 14 davon schwer.
Innenminister Herrmann konstatierte, dass „die Hemmschwelle in unserer
Gesellschaft, Gewalt einzusetzen, sinkt“. Muss man noch hinzufügen, dass
83 Prozent der Täter Männer sind und mehr als die Hälfte unter Alkohol,
Drogen oder beiden stand? Nein, muss man eigentlich nicht!
- Um 6,5 Prozent gestiegen ist die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt. Das
Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023 berichtet lakonisch:
„Die meisten Tatverdächtigen sind
Männer, überproportional viele haben keinen deutschen Pass.“
Das häufigste Delikt war „einfache Körperverletzung, aber in 12 Fällen
hat man auch stärker „zugeschlagen“. In den letzten zwei Jahren gab es
12 tödliche „Ehrenmorde“, zehn Frauen, die gegen aufgezwungene
Sexualnormen verstießen, aber auch zwei Männer, die als Partner von
Frauen nicht von deren Familien akzeptiert wurden.
- Die AfD hat in Bayern eine Mailadresse geschaltet, die es ihren
Mitgliedern (und Sympathisanten und jedermann) ermöglicht, „Verfehlungen
anderer Parteien“ und deren Mandatsträger zu melden. Das Passwort ist
aber nicht wie erwartet „Denunziantenportal“ sondern
„Demokratiewächter“. Irgendwie hat man das Gefühl, dass es so etwas in
Deutschland schon gegeben hat. Meldeportale für AfD-kritische
Lehreräußerungen gibt es schon seit 2018. Wer weiß, wann die Schreiber
(und Leser!) dieses Jahresberichtes dran sind?
Verbrechen – oder der Ansatz dazu
- Zwei brutale Attacken haben die Öffentlichkeit erschüttert und die
Stimmung gegen Flüchtlinge (pauschal) aufgeheizt. In Mannheim verletzte
ein Afghane bei der Veranstaltung eines rechtspopulistischen Vereins
sechs Menschen, unter ihn einen Polizisten, der später seinen
Verletzungen erlag. Der Täter war bisher polizeilich nicht aufgefallen,
soll aber Kontakte in die islamistische Szene haben. In Bad
Oeynhausen/NRW wurde ein junger Mann, der vom Abiball seiner Schwester
heimging, von einem Syrer zu Tode geschlagen und getreten. Der Täter war
(einschlägig) polizeibekannt. Die Sanktionsvorschläge gingen in zwei
Richtungen: „Abschieben – und zwar sofort!“ Und: „Hier einsperren – und
zwar lange. Und nach Verbüßung der Strafe abschieben – wenn kein
regulärer Aufenthaltstitel vorliegt“. Bei der Bestrafung vor Ort könnte
man vermeiden, was der Zeichner beim Afghanen befürchtet, nämlich ein
herzliches „Willkommen!“.
- In Grevesmühlen/Meck-Pomm wurde eine Familie aus Ghana von 20
Jugendlichen angepöbelt. Die Ermittlungen dauern noch an, aber es steht
fest, dass üble Beleidigungen fielen, das achtjährige Mädchen auf dem
Roller am Weiterfahren gehindert wurde und es beim Eingreifen des Vaters
zu einem Handgemenge kam. Der Tritt gegen den Kopf des Mädchens scheint
nicht stattgefunden zu haben, aber einer der Täter führte ein Messer mit
sich, an dessen Einsatz er aus der Gruppe heraus gehindert wurde. Ein
Bündnis „Grevesmühlen für alle“ hat mit einer Menschenkette von 500
Leuten reagiert, am Stadtumzug durfte es allerdings nicht teilnehmen,
weil es „sehr politisch“ sei.
Europawahlen
Als Gruselgeschichte nur bedingt geeignet. In Deutschland wurde zwar die
Ampel abgestraft, aber die Union wurde mit Abstand stärkste Partei und
ließ die AfD (noch einmal) weit hinter sich zurück. Aber bedenklich ist:
- dass die AfD mit 15,9 Prozent bei uns zweitstärkste Partei wurde,
- dass in mehreren Ländern rechte Parteien dominierten, die die EU eher
abschaffen, als beibehalten wollen und denen der Green Deal ein rotes
Tuch ist,
- dass die Wählermeinung immer stärker von den Nachrichtenschnipseln von
Tiktok oder von der Desinformation durch
Voice of Europe
geprägt wird,
- dass 16 Prozent der deutschen Jungwähler von 16 bis 25 die AfD gewählt
haben.
Darauf ein kühles Bier.
TV-Debatte Biden – Trump
Das Adjektiv, das zu Bidens Auftritt am häufigsten gebraucht wurde, war
„desaströs“. Er selbst gab zu, „auf der Bühne fast eingeschlafen zu
sein“ - statt einem Mann Contra zu geben, der mit Beleidigungen um sich
warf und wie immer dreiste Lügen verbreitete. Beim Thema „Abtreibungen“
behauptete er beispielsweise, dass Demokraten Babys auch noch „nach der
Geburt“ töten wollten. Ich halte es (zunächst) lieber mit Jill Biden,
die es „nicht zulassen will, dass diese 90 Minuten seine vier Jahre als
Präsident definieren“ sollen, glaube aber auch, dass ein freiwilliger
Verzicht auf die Kandidatur die MAGA/GAGA-Katastrophe im November
vielleicht noch verhindern könnte. Bei einem Wahlsieg Trumps bekämen die
Amerikaner (möglicherweise) die Diktatur, die er ihnen im Dezember schon
einmal angekündigt hat und die er (möglicherweise) über „den Tag eins“
hinaus verlängern würde. Fortsetzung folgt!
Kriegsgebiete – diesmal in Schlagzeilen
Gazakrieg
- Angriff auf eine Schule im Flüchtlingslager Nuseirat
- Befreiung von vier Geiseln durch israelische Armee
- Israels Militär verärgert Regierung durch Einführung „taktischer
Feuerpausen aus humanitären Gründen“
Nuseirat – Schule oder/und Hamas-Versteck?
Ukrainekrieg – Ausstrahlungstendenzen
- Ausweitung des Einsatzes amerikanischer und deutscher Waffen zur
Verteidigung der Region Charkiw.
- Putins „Schattenkrieg“ im Westen, russische Geheimdienste in Litauen,
Polen, Deutschland und (aktuell) besonders in Frankreich aktiv.
(gezinkte) Särge mit Trikolore für „Französische Soldaten in der
Ukraine“
- Berlin blockiert Sanktionspaket 14. Soll den „Re-Export“ von
sanktionierten Gütern über Drittstaaten nach Russland erschweren.
- Ukraine-Konferenz in der Schweiz. Bundeskanzler spricht von einer
„zarten Pflanze“.
- Alexander Dobrindt fordert, Ukrainer, die in Deutschland nicht
arbeiten (wollen), wieder in „sichere Gebiete“ ihrer Heimat
zurückzuschicken.
AI-Nachrichten
Politische Gefangene: In Jekaterinenburg/Russland steht jetzt der
US-Reporter Evan Gershkovich vor Gericht. Er wird der Spionage für den
CIA bezichtigt, hatte aber wohl nur Recherchen zur Gruppe Wagner
durchgeführt. Putin möchte ihn für einen „Ringtausch“ nutzen, denn in
Deutschland sitzt der Tiergartenmörder Krasikow im Gefängnis, und der
ist für Putin kein Mörder, sondern ein „Patriot“.
Gefangenenaustausch: Ein Deal, der genauso fragwürdig ist, aber
bereits zustande kam, war ein Austausch zwischen Schweden und dem Iran.
Im Iran entlassen wurden der EU-Diplomat Johan Floderus und der
Doppelstaatler Saeed Azizi. Schweden lieferte, und das allein ist
fragwürdig, Hamid Nouri, der im Iran an den Massenhinrichtungen von 1988
beteiligt war. Während seine Verbrechen durch Zeugenaussagen erwiesen
waren, waren die Anklagepunkte gegen die beiden Schweden („Spionage,
Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“) mit heißer Nadel
gestrickt.
Justizirrtum: Ein Bezirksrichter in Missouri/USA erklärte nach
mehrtägigen Anhörungen, dass es „klare Beweise“ gebe, dass die heute
64-jährige Sandra Hemme 43 Jahre lang unschuldig hinter Gittern saß. Die
Frau habe 1980 wohl aus einer seelischen Krise heraus, unter
Medikamenteneinfluss, oder weil sie die Fragen der Vernehmer nicht
verstanden hatte, den Mord gestanden. Sie habe aber weder ein Tatmotiv
gehabt, noch habe es gerichtstaugliche Beweismittel gegeben. Es gäbe
allerdings „direkte Beweise“, dass ein örtlicher Polizist die Tat
begangen habe. Wenn sie freigelassen wird, kommt sie ins Guinnessbuch:
Es wäre die längste ungerechtfertigte Verurteilung einer Frau in der
Geschichte der USA.
Entführung: Russland hat, nach ukrainischen Angaben, fast 20 000
Kinder verschleppt und bietet sie meist nach einer gründlichen
Indoktrination in einem Netz von Lagern landesweit zur Adoption an. Wer
von den Teenagern das passende Alter hat, wird Berichten zufolge einem
paramilitärischen Training unterzogen oder ab 18 Jahren gleich an die
Front geschickt – zum Kampf gegen sein eigenes Volk. Russlands
Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa wird deswegen per Haftbefehl
aus Den Haag gesucht – zusammen mit ihrem Chef Putin.
Die AfD-Rubrik
- Polizei stürmt Gedenkfeier für Nawalny.
- Präsident Biden erschwert Flüchtlingen ohne Papiere die Einreise aus
Mexiko.
- Donald Trump wird in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen,
Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels verschleiert zu haben.
- Mexiko, eines der gefährlichsten Länder für Frauen, wählt eine
Präsidentin mit einer zweifelhaften Feminismus-Bilanz.
- Julian Assange, der Mann mit den zwei Gesichtern, kehrt nach einem
Deal mit der USA nach Australien zurück.
- Trauer um Holocaust-Überlebenden Zwi Katz.
- In Deutschland tritt das neue Staatsangehörigkeitsgesetz in Kraft. Es
erlaubt die doppelte Staatsbürgerschaft.
Randnotizen vom Fußball
Hongkong: Bei einem Fußballspiel gegen den Iran wurden drei
Leute festgenommen, die beim Abspielen der chinesischen Nationalhymne
„dem Spielfeld den Rücken zugekehrt hatten und nicht aufgestanden
waren“. Es drohen bei einer Verurteilung Gefängnisstrafen bis zu drei
Jahren.
Bremen: Die Stadt soll mit der UEFA in Konflikt geraten sein,
weil sie die „clean zone“, die 500 Meter um das Stadium, wo politische
Versammlungen nicht zulässig sind, verkleinern wollte. Das Satiremagazin
Extra 3 hat verlautet, dass die Stadt wegen ihrer
Widerspenstigkeit keine WM-Spiele bekommen hätte.
Katrin Göring-Eckardt: Nicht widerspenstig genug war für mich
die Vizepräsidentin des Bundestages. Sie hatte (mutmaßlich) auf eine
Umfrage in einer
WDR-Sendung reagiert, in der jeder Fünfte auf
eine Suggestivfrage antwortete, dass er es besser fände, wenn wieder
mehr weiße Spieler in der Nationalmannschaft spielen würden. KGE. hatte
einen Post losgelassen, in dem sie die Mannschaft „großartig“ fand und
hinzugefügt, dass man sich nur einmal vorstellen solle, „da wären nur
weiße deutsche Spieler“. Sie zog den Post nach einem Shitstorm schnell
zurück, aber was daran „rassistisch“ sein soll, muss man mir noch
erklären. Julian Nagelsmann hat seinerseits die Vorlage im
WDR
als „Scheißumfrage“ bezeichnet. Das braucht er nicht zurückzunehmen.
Kylian Mbappé: Der Kapitän der französischen Nationalmannschaft
hat am Vorabend des ersten EM-Spiels seine Hoffnung ausgedrückt, dass
die Mannschaft „am 7. Juli noch stolz darauf sein kann, dieses Trikot zu
tragen“. Und er hat dabei nicht prophetisch an das Spiel gegen Portugal
gedacht, das die Franzosen am 5. Juli mit viel Glück beim
Elfmeterschießen gewannen, sondern an die 2. Runde der französischen
Parlamentswahlen. Uneingeschränkt stolz zu sein, dafür hatte Frankreich
keinen Grund. Zwar hielt die „Brandmauer gegen Le Pen“ stand, aber von
Stabilität kann keine Rede sein.
Und ich kann durch diesen Vorgriff auf den Juli, wo die Rechte in
Frankreich eine „Ohrfeige“ bekam und in Großbritannien eine
(vorsichtige) Annäherung an Europa anlaufen könnte, (zunächst einmal)
mit mehr „Gefasstheit“ in die Zukunft blicken. Das war, werden Sie
wahrscheinlich sagen, (leider) nur ein Halbjahresstand, der weitere
Verlauf des Jahres hat mich mehrere Male „fassungslos“ gemacht.
Juli 2024
Du sagst: Jedes Ding hat zwei
Seiten.
Warum siehst du immer nur die eine?
Die schwarze.
Altes Sprichwort
USA – ein „Ding“ mit zwei Seiten
Wer bis weit in den Juli hinein auf die USA geschaut hat, hatte allen
Grund schwarz zu sehen: Der Oberste Gerichtshof hatte Trump für
Handlungen während seiner Amtszeit Immunität zugesprochen – und damit
seinen Appetit gefördert, in einer 2. Amtszeit als „gewählter Diktator“
zu regieren, auf bayrisch „die Sau noch stärker rauszulassen“. In der
Fernsehdebatte reagierte Präsident Biden auf Trumps Lügen mit Heiserkeit
und peinlichen Sprechpausen, und er zögerte lange, bis er seinen
Ausstieg aus dem Rennen um die Präsidentschaft erklärte. Dann kam das
Attentat auf Trump in Butler/Pennsylvania, das
- einem Feuerwehrmann das Leben kostete,
- Trump kurz auf den Boden zwang, aber dann zu einer Kämpfergeste
motivierte, die nahtlos an das ikonische Foto von der Eroberung Iwojimas
im 2. Weltkrieg erinnerte,
- dem deutschen Kabarettisten Sebastian Hotz ein Auftrittsverbot
bescherte, weil er eine Gemeinsamkeit von Attentat und „letztem Bus“
festgestellt hatte. „Leider knapp verpasst!“ – stammt von Holz,
wohlgemerkt.
Trump wurde am Ohr verletzt und feierte beim Parteitag der Republikaner
eine Auferstehungsfeier, neben der eine Heiligsprechungszeremonie in der
katholischen Kirche wie ein Dorffest aussah. Da war sein Vorsatz, einen
moderaten Ton anschlagen zu wollen, schon wieder Material für die
Mülltonne. Und was man nach einem Wahlsieg Trumps erwarten kann,
offenbarte er vor konservativen Christen in Florida:
„Christen, geht raus und wählt! Nur
dieses Mal. Ihr werdet es nicht mehr tun müssen.“
Da hatte aber schon „Gott, der Allmächtige“ eingegriffen, der Joe Biden
gesagt hatte, dass er nicht gewinnen könne. Und Biden machte den Weg
frei für Kamala Harris. Und die Freiheitsstatue, die man in der
Karikatur abwechselnd beim Psychiater oder auf der Flucht aus den USA
gesehen hatte, setzte wieder ein verstohlenes Lächeln auf, das sie
hoffentlich über den 5. November hinaus beibehalten kann.
Russland – das „Ding“ mit der schwarzen Seite
Angriff auf eine Kinderklinik: In Kiew schlug mindestens eine
Rakete/ein Marschflugkörper in eine Kinderklinik ein. Zwei Erwachsene
wurden getötet, zehn Kinder verletzt, Labore und Behandlungsräume
verwüstet. Russland tat den Angriff als „Hysterie des Kiewer Regimes“ ab
und behauptete, die Schäden seien durch eine ukrainische
Flugabwehrrakete verursacht worden.
Politische Gefangene – eine Auswahl
Dmitry Skurikhin: Der Ladenbesitzer bemalte die Fassade seines
Dorfladens mit den Namen von ukrainischen Städten, die von der
russischen Armee angegriffen wurden. Wegen „Diskreditierung der
Streitkräfte“ wurde er zu 18 Monaten Strafkolonie verurteilt.
Jewgenija Berkowitsch: Sie sitzt in U-Haft, weil sie ein
Theaterstück inszeniert hatte, das den Terrorismus ausdrücklich
verurteilt. Der Anklagepunkt: Rechtfertigung von Terrorismus. Den
Richter sprach sie in Versform an, aber er schien sich aus Gedichten
nichts zu machen, denn er verurteilte sie und die Autorin des Stücks zu
sechs Jahren.
Zwei russische Terrorismussympathisantinnen
Wladimir Kara-Mursa: Der Dissident, der wegen „Hochverrats“ zur
bisher härtesten Strafe gegen Oppositionelle (25 Jahre) verurteilt
wurde, sitzt in einem sibirischen Lager – weitgehend in Isolationshaft.
Sein Zustand verschlechtert sich, nicht zuletzt wegen der zwei
Giftanschlägen, die auf ihn verübt worden waren. Dass er beim
„Geiselaustausch“ im August noch am Leben war, grenzte an ein Wunder.
Evan Gershkovich: Der US-Amerikaner wurde in nur drei
Prozesstagen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen „Spionage“ zu
16 Jahren verurteilt. Vermutlich bekam er ein Eilverfahren, weil man
schon wusste, dass er sowieso nicht mehr lange im Lande sein würde. Im
August war er Putins „Haupttrumpf“ beim Deal mit Deutschland, der zur
Auslieferung des Tiergartenmörders von Berlin führte.
Rico Krieger: Dessen Fall spielte sich in Belarus ab, aber das
Muster ist ähnlich, weil ja Lukaschenko auch sonst nach Putins Pfeife
tanzt. Dem Deutschen wurde ein „Terrorakt“ an einem Bahnhof (ein
Sprengstoffanschlag mit einem Sachschaden von 460€) vorgeworfen, er
wurde zum Tode verurteilt, aber dann von Lukaschenko begnadigt – nach
Verhandlungen mit Berlin, die ebenfalls Richtung Tiergarten gingen.
AI-Nachrichten – auch eher schwarzseitig
Politische Gefangene: Chinas prominenteste „Me Too“- Aktivistin
Huang Yueqin ist jetzt endlich da gelandet, wo sie nach Meinung vieler
Männer auch hingehört. Ein Gericht verurteilte sie zu fünf Jahren
Gefängnis, weil sie die (männliche) „Staatsgewalt untergraben wollte“.
Vorher schon war sie für längere Zeit (in einem Geheimgefängnis)
verschwunden. Ihre Karriere als Investigativjournalistin hatte sie 2017
mit einer Umfrage begonnen, die zu Tage brachte, dass vier von zehn
Journalistinnen in ihrem Job schon mehr als einmal sexuell belästigt
worden waren.
Polizeigewalt: Eine schwarze Frau wurde in Springfield/Illinois
von einem weißen Polizisten erschossen, ohne dass für den Täter auch nur
ein Hauch von Gefahr bestanden hätte. Die Frau hatte die Polizei
gerufen, weil sie in ihrem Garten Geräusche gehört hatte. Eine
missverständliche Bemerkung zu ihrem überlaufenden Kochtopf (!) hin, „Im
Namen Jesu, ich werde dich züchtigen“, brachte den Polizisten zum
Kochen. Als sie den Topf zur Seite stellen wollte, drückte er mindestens
dreimal ab. Den Polizisten erwartet eine Anklage wegen vorsätzlichen
Mordes. Aber ein Präsident Trump wird ihn schon begnadigen!
Todesstrafe: In Sahiwai/Pakistan wurde ein Christ wegen des
Vorwurfs der Blasphemie zum Tode verurteilt. Der Mann soll in sozialen
Medien Fotos von zerrissenen Seiten des Koran hochgeladen haben. Das
Urteil wurde von einem Anti-Terrorgericht verhängt, aber selbst wenn man
der Meinung ist, es wäre besser, den Koran (oder die Bibel) unbeschädigt
ins Netz zu stellen, stellt man sich unter Terrorismus doch etwas
Anderes vor.
Die AfD-Rubrik
- Ein Gericht in Moskau erlässt Haftbefehl gegen Julija Nawalnaja.
- Irans neuer Präsident Massud Peseschkian – ein Reformer mit dem Segen
von oben.
- Anschläge in Nigeria an drei Tatorten: eine Hochzeitsfeier, ein
Krankenhaus, eine Begräbniszeremonie.
- Ultraorthodoxe Israelis stürmen Militärbasis aus Protest gegen
Einberufungsbescheide.
- Attentat auf Rheinmetallchef Papperger vereitelt.
- Täterfreundliches Urteil im dritten Prozess gegen Jérôme Boateng.
- Verkehrsminister Wissmann fordert schärfere Gesetze gegen
Klimaaktivisten.
- Aiwanger-Affäre: Ermittlungen gegen Lehrer eingestellt,
Disziplinarverfahren gegen Lehrer wird „zeitnah“ fortgesetzt.
Die hellere Seite des „Dings“
Asylanträge: Entgegen landläufiger Meinung ist die
Anerkennungsquote von Geflüchteten, deren Antrag inhaltlich vom
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge/Bamf überprüft wurde hoch –
egal, ob sie mit oder ohne Ausweispapiere kommen. Etwa zwei von drei
dieser Asylanträge waren erfolgreich, allerdings mit sinkender Tendenz.
„Tag der Freude“ in Potsdam: Bei der Eröffnung der neuen
Synagoge gab Bundespräsident Steinmeier angesichts des wachsenden
Antisemitismus folgendes Versprechen ab:
„Deutschland bleibt ein Zuhause für
Jüdinnen und Juden. Dafür stehe ich persönlich, und dafür tritt die
Mehrheit aller Deutschen ein – das versichere ich Ihnen.“
Kinderehen: Julius Maada Bio, Präsident von Sierra Leone, hat
ein Gesetz gegen Kinderehen unterzeichnet. Die neue Regelung verbietet
Ehen für Kinder unter 18 Jahren und sieht hohe Strafen für den
erwachsenen Ehepartner vor. Zudem sollen auch jene bestraft werden, die
eine solche Ehe ermöglichen, etwa die Eltern und Hochzeitsgäste (!).
Sein Ziel (und das Ziel seiner Frau) ist, dass Frauen die Möglichkeit
haben sollen, „ihr volles Potential auszuschöpfen“.
In der Hoffnung, das „volle Potential“ des Monats Juli ausgeschöpft zu
haben, auch ohne die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen, die
Wahlen in Frankreich, Großbritannien und Venezuela, die Fußball EM - und
die Internationalen Tage des Witzes und des Kusses zu erwähnen,
verabschiede mich in die Sommerferien, die, das kann ich jetzt schon
versprechen, auch heuer wieder keine ereignislose „Saure-Gurken-Zeit“
werden.
August 2024
„Du bist wirklich saudumm, darum
geht’s dir gut
Hass ist deine Attitüde, ständig kocht dein Blut
alles muss man dir erklären, weil du wirklich gar nichts weißt;
höchstwahrscheinlich nicht einmal, was Attitüde heißt.“
Die Ärzte auf einer CD von 1993
Die Weirdos des Monats
Das englische Wort „weird“/seltsam“ spukt im amerikanischen Wahlkampf
herum, seit der Vizekandidat der Demokraten Tim Walz so das Auftreten
und den Charakter von Donald Trump und seinen Anhängern bezeichnet hat.
Ein „weirdo“ als Person wird im Deutschen (gnadenlos) als „Psychopath“
wiedergegeben, und mit solchen wollen wir uns im Sinne der „Ärzte“
zuerst befassen. Eine Rangordnung in der „Seltsamkeit“ dieser Personen
zu erstellen, bleibt Ihnen überlassen.
J.D. Vance, Vizekandidat der US-Republikaner: Vance bedauerte,
dass die USA von „unglücklichen Katzenfrauen“ regiert würden. Kinderlose
Frauen seien aber „soziopathisch“ und „geistig weniger stabil“ und
deshalb zum Regieren nicht geeignet. Mit den „Katzenfrauen“ meinte er
natürlich nicht Joe Biden, sondern Kamala Harris, die seinen Chef Donald
Trump derzeit (und hoffentlich auch noch im November) respektlos in die
Enge treibt. Sie hat zwar keine biologischen Kinder, aber zwei
Stieftöchter, die sie liebevoll „Momala“ nennen, ist also weit entfernt
von der „crazy cat lady“, die „außer 20 Katzen keine Sozialkontakte
hat“.
Sahra Wagenknecht: Vom
Merkur als „Schlüsselfigur in
Moskaus Kriegsführung“ bezeichnet, macht sie diesem schmeichelhaften
Titel alle Ehre. Putins Kriegsverbrechen gegenüber betreibt sie einen
absurden Reinwaschgang. Die Kinderklinik in Kiew sei mutmaßlich von den
Trümmern einer ukrainischen Abwehrrakete getroffen worden, und Putins
Angriffskrieg, ein Wort, das sie meistens meidet wie der Teufel das
Weihwasser, sei nicht etwa von Putins Großmachtnostalgie, sondern vom
Imperialismus des Westens ausgelöst worden. Und Friedensverhandlungen
werden von der Ukraine blockiert. Von wem denn sonst? Aber die Wähler in
Thüringen und Sachsen haben ihr das alles abgenommen. Sie schaut halt
einfach zu gut aus!
Wir haben durchaus ein gewisses Verständnis für den Wunsch von Olav
Scholz.
Im Austausch Krim-Sekt
Bezalel Smotrich, israelischer Finanzminister: Er kritisierte die
Hilfslieferungen nach Gaza, weil sie Israel daran hinderten, den Krieg
zu führen, wie es sich gehört, denn
„Niemand wird zulassen, dass wir
zwei Millionen Zivilisten verhungern lassen, auch wenn das
gerechtfertigt und moralisch sein könnte, bis unsere Geiseln
freigelassen werden.“
Ebenso „gerechtfertigt und moralisch“ war dann wohl auch der Geiselmord
vom September „aus nächster Nähe und kurz vor ihrer Befreiung“.
Smotrichs gibt es auch auf Seiten der Palästinenser.
Vom Musikfestival in den Tunnel der Hamas
Die Weirdos von München: In der „Stadt der Bewegung“ war am
Monatsende einiges los. Zum Antikriegstag am 1. September trafen sich
die Querdenker von „München steht auf“ auf dem Marienplatz, und linke
Gruppen und Gewerkschaften auf dem Königsplatz. Zwar fielen auch bei den
Querdenkern weirde Sätze wie „Die Ukraine führt einen
Stellvertreterkrieg für den Westen“, aber eingehen wollen wir auf die
Reichsbürger-Demo vom Vortag. Da kamen bei einem Treffen etwa 500 Bürger
aus den „25+1 Bundesstaaten“ zusammen, die das Deutschland von 1871
wieder auferstehen lassen wollten. Der „Staat + 1“ ist das Reichsland
Elsass-Lothringen, deshalb sollte sich die französische Armee besser
wieder warm anziehen. Ein Redner hat dann auch noch das
Geschichtsbewusstsein des Publikums dahingehend mobilisiert, dass „am
deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen soll“. Aber da wünscht man
sich noch eher eine weitere Corona-Pandemie.
Die Konfliktgebiete – teilweise in Kurzfassung
Israel – Palästina
- Gezielte Tötung: Wenige Stunden nach der Amtseinführung des neuen
iranischen Präsidenten wurde einer seiner wichtigsten Gäste, der
Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran durch einen Marschflugkörper
getötet. Im Vergleich zu anderen Hamas-Führern galt er als moderat und
war zentraler Ansprechpartner bei den Verhandlungen zwischen USA, Katar,
Ägypten und Israel. Sein Nachfolger wurde mit Jahja Sinwar ein
Hardliner. Er gilt als Drahtzieher des Angriffs vom 7. Oktober. Es ist
deshalb zu fragen, ob das Attentat in Teheran tatsächlich eine
Glanzleistung des Mossad und nicht doch eine Riesendummheit gewesen ist.
- Gewalttaten: israelischer „Präzisonsschlag“ gegen eine Schule mit
Dutzenden von Toten, Hamas-Anschlagsversuch in Tel Aviv, terroristische
Übergriffe israelischer Siedler im Westjordanland – ideale
Voraussetzungen für Verhandlungen.
- „Finale“ Verhandlungen: Trotz vollmundiger Versprechen großer
„Durchbrüche“ haben die Verhandlungen in Kairo nichts gebracht.
Ironman mit Antony Blinken
Fußnote aus der
SZ:
„Nirgendwo, in keiner der vielen
Hauptstädte der Region, ist auch nur eine Frau an den Beratungen
beteiligt.“
- Schuldzuweisungen: In Israel wächst der Zorn auf Premier Netanjahu.
Selbst Militärs und Geheimdienstler stecken den Medien, dass er es ist,
der alle Verhandlungen über einen Waffenstillstand und ein Abkommen zur
Freilassung der Geiseln torpediert. Die Gegenseite sieht die Schuld bei
der Hamas. Sie instrumentalisiert das Leid der Zivilbevölkerung, stellt
Maximalforderungen und lässt (auch durch ihre Bindung an den Iran) den
Verdacht aufkommen, dass ihr eigentliches Kriegsziel die Auslöschung
Israels „vom Fluss bis zum Meer“ ist. Man kann davon ausgehen, dass
derzeit weder Netanjahu noch Sinwar Frieden wollen.
- Impfungen: Einer der wenigen Lichtblicke dieses Monats war, dass
endlich die Impfungen der Kinder gegen Polio angefangen haben – aber
auch erst, nachdem die Krankheit bei einem 11-Monate alten Kind schon
aufgetreten war. Für die Durchführung der Impfung haben Israel und die
Hamas „befristete Feuerpausen“ zugesagt. Wenn alle 640 000 Kinder unter
zehn Jahren drankommen sollen, müsste es sehr lange Pausen geben.
Ukraine – Russland
Nach massiven Drohnenangriffen auf russischem Boden hat Präsident
Selenskyj auch rhetorisch auf Vergeltung geschaltet:
„Russland hat den Krieg in unser
Land gebracht und soll spüren, was es getan hat.“
Sie sollten einmal „Ukrainekrieg im August 2024“ googeln. Da findet man
für jeden Tag einen Eintrag, am 26. August beispielsweise „einen Tag
nach dem ukrainischen Unabhängigkeitstag der größte russische
Raketenangriff seit Beginn des Krieges“.
Großbritannien
In Southport/Nordwestengland hat ein 17-Jähriger drei kleine Mädchen
getötet, die an einem Tanz-Workshop für Kinder teilgenommen hatten. Der
Täter war in Wales geboren, seine Eltern waren aus Ruanda eingewandert.
In den sozialen Medien wurde er zum Bootsflüchtling, der erst vor einem
Monat angekommen war und sich vorgenommen hatte, als erstes auf Kinder
einzustechen. Die Falschmeldungen trieben in mehreren Städten den
rechten Mob auf die Straßen, in Southport wurde die Moschee attackiert
und 39 Polizisten verletzt. Die britische Justiz reagierte schnell:
Schon drei Wochen nach den Unruhen waren 600 festgenommene Demonstranten
verurteilt, 30 von ihnen ausschließlich wegen ihrer Online-Kommentare.
Elon Musk war unseres Wissens nicht darunter.
Venezuela
Nach den gezinkten Wahlen, die Staatschef Maduro in seinem Amt
bestätigten, gab es massive Proteste der Opposition, bei denen, nach
Informationen von AI, mindestens 17 Menschen getötet und mehr als 2000
festgenommen wurden. Maduro soll statt der offiziellen 51,2 Prozent nur
30 Prozent der Stimmen erhalten haben, sitzt aber dank der Unterstützung
des Militärs und des Obersten Gerichtshofs (bis jetzt) wieder fest im
Sattel. Im Netz kursiert ein Witz:
„Maduro-treues Oberstes Gericht
bestätigt die Entscheidung des Maduro-treuen Wahlrates – und Maduro
ist einverstanden.“
Bangladesch
Nach der spektakulären Flucht von Sheikh Hasina, der „eisernen Lady von
Dhaka“, soll jetzt Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger und Erfinder
der Mikrokredite für Frauen, das von den Studentenprotesten erschütterte
Land regieren. Das Militär hat diesmal die richtige Seite gewählt und
unterstützt die neue Regierung. Und Yunus ist ein Mann, der „sich mit
Hoffnung auskennt“.
Sudan
Zunächst blieb alles beim Alten: die Kriegsherren stur, die Helfer
blockiert, die Menschen am Verhungern. Dann initiierten die USA
Gespräche in Genf, um den Krieg zu entschärfen. Erschienen war mit der
Miliz RSF nur eine der Konfliktparteien, die Armee SAF blockierte die
Gespräche, weil daran auch die Vereinigten Arabischen Emirate
teilnahmen, die die RSF unterstützen. Sie blicken nicht mehr durch? Die
Amerikaner auch nicht, denn nach zehn Tagen waren die Gespräche erneut
gescheitert. Als Erfolg zu werten ist lediglich die Öffnung von drei
humanitären Korridoren. Für eine UN-Friedensmission, so Generalsekretär
Guterres im Oktober, seien „die Bedingungen nicht gegeben“. Was er damit
meint ist, dass sie am Veto Russlands im Sicherheitsrat scheitern würde.
Flüchtlinge und Asylbewerber – Nein danke!
Die tapferen Einzelkämpfer von „Pro Asyl“ sind wieder einmal einem
scharfen Gegenwind ausgesetzt, denn das Land hat einem CDU-Politiker
zufolge, drei Probleme: „Migration, Migration, Migration!“ Was macht uns
Sorge, was stößt uns auf, was hat man an Lösungen anzubieten?
- Die Messerangriffe in Mannheim (Täter: Afghane mit
Aufenthaltsgenehmigung) und Solingen (Täter: Syrer und
Abschiebungskandidat) riefen zu Recht bundesweites Entsetzen hervor.
Auch Zahlen, die beispielsweise auf den hohen Ausländeranteil bei der
Clankriminalität hinweisen (41 Prozent/2023), tragen nicht gerade zur
Beruhigung bei. Da war man ja dann schon fast dankbar, dass der
Flintenmann in München ein Österreicher war – wenn auch, das vergaß man
nicht hinzuzufügen, mit bosnischen Wurzeln!
- Dann kam die Nachricht von den „Urlaubern“ in Afghanistan. Die Zahlen
dazu sind widersprüchlich - zwischen 160 seit 2014, also 16 pro Jahr (!)
und „Tausenden“ -, aber die Empörung ist einhellig: „Deutschland muss
weltoffen bleiben, aber nicht blöd“. Viele dieser „Rückreisenden“ haben
triftige Gründe, aber die
BILD sieht sie eher auf
Besichtigungstour. Es gibt Asylexperten, die betonen, dass Menschen mit
Schutzstatus auch in ihre Heimat reisen dürfen, aber wenn das neue
Asylpaket der Bundesregierung durchgeht, verlieren sie diesen Status.
- Lösungsversuche in Auswahl: Hohe Priorität haben die Abschiebungen,
auch in Konfliktzonen. Gegen Monatsende wurden 28 Straftäter nach
Afghanistan abgeschoben, die meisten von ihnen „schwere Jungen“, denen
kaum jemand nachtrauert, aber einer aus Bayern scheint (nur) ein Dealer
gewesen zu sein, und da sollte man hellhörig werden. Nicht, dass unter
den abzuschiebenden Straftätern bald die Schwarzfahrer sind!
- Was die Aufnahme in Afghanistan betrifft, bieten sich
Mehrfachantworten an. Bei ihrer Ankunft in Kabul wurden
a) zehn sofort
freigelassen,
b) wurden sie in ein berüchtigtes Gefängnis
verbracht,
c) wurden sie an ihre Verwandten übergeben.
- Söder möchte das Grundgesetz ändern und das individuelle Recht auf
Asyl abschaffen, nein „umwandeln“.
„Dann entscheidet Deutschland, wer
in unser Land kommt – und nicht jeder Einzelne hat ein Recht dazu.“
Wie Deutschland entscheidet, solange das Durchschnittsalter der
Bevölkerung nicht bei 65 ist, können Sie sich selbst ausmalen.
- Die Ampel will Sozialleistungen für Ausreisepflichtige kürzen,
Maßnahmen gegen Messergewalt ergreifen, den Sicherheitsbehörden den
Einsatz künstlicher Intelligenz (z.B. Gesichtserkennung) erlauben, die
Gründe erweitern, die eine Abschiebung erleichtern (z.B. Hetze gegen
ethnische Gruppen).
Die
SZ sieht bei einigen solcher Maßnahmen eine
Kollisionsgefahr mit Grundgesetz und europäischem Recht und kommentiert
mit einem dubiosen Unterton:
„Mehr geht jetzt nicht.“
AI-Nachrichten
„Volksjustiz“: Ein hartes Urteil fällte ein Berliner Amtsgericht
gegen einen Klimakleber. Er soll für fast zwei Jahre in Haft, weil er
wiederholt an Blockaden teilgenommen hat – und dies wieder tun will. Die
Klimakleber mögen nerven, aber ihr Ziel ist sinnvoll. Die Mitverursacher
der Erderhitzung hingegen, z.B. die Abgastrickser von Audi, kommen
mit Bewährungsstrafen davon.
Diskriminierung von Frauen: Die Taliban haben neue Tugendgesetze
erlassen – zum Schutze der Männer vor unfrommen Gedanken. Sie dürfen
keine Absätze mehr tragen, weil die auf der Straße klappern, und sie
dürfen in der Öffentlichkeit nicht mehr singen oder Gedichte rezitieren,
weil die Stimme der Frau zu „intim“ sei. Dahinter steckt wohl eher die
Angst, dass die Frauen den verklemmten Vollbartträgern häßliche Lieder
vorsingen könnten.
Pressefreiheit: Journalismus ist in Mexiko „ein tödliches
Geschäft“. Im letzten Jahr wurden im Schnitt alle 16 Stunden ein
Journalist/eine Journalistin angegriffen, und bei „Angriffen“ sind auch
Verschwinden und Ermordung miteingeschlossen. Da die Drogenkartelle mit
Politik und Justiz gut „vernetzt“ sind, landen die Täter, sofern man
ihrer überhaupt habhaft wird, so gut wie nie im Knast.
Hetze im Netz: Politikerinnen werden, und das wohl nicht nur bei
uns, in den (a)sozialen Medien wesentlich härter angefasst als ihre
männlichen Kollegen. Wenn ihnen nur das Aussehen oder das Alter
vorgeworfen werden, sind das noch die netteren Beleidigungen.
Iran
- Seit vier Jahren sitzt die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi in
Geiselhaft. Man wirft ihr das Engagement für Frauenrechte als
„Beteiligung an einer illegalen Vereinigung“ und „Propaganda gegen den
Staat“ vor. Das Auswärtige Amt weiß Bescheid, scheint aber auf „stille
Diplomatie“ zu setzen, also nichts zu tun. Taghavis Pech ist, dass es
„derzeit keine politisch relevanten iranischen Staatsbürger in deutschen
Gefängnissen gibt“, mit denen man sie austauschen könnte, gewissermaßen
„ein Faustpfand auf Halde“.
Nahid Taghavi – Traktälteste im Evin-Gefängnis
- In Teheran setzte die Sittenpolizei wieder einmal äußerst brutal das
Kopftuchgebot durch. Diesmal traf es die 14-jähirge Nafas H., die nach
ihrer Abführung im Krankenhaus behandelt werden musste. Die Mutter will
Anzeige erstatten.
- Auch die Hinrichtungsorgie ging ungebremst weiter. Zwischen dem 22.
Juli und dem 21. August sind nach Auskunft der Internationalen
Gesellschaft für Menschenrechte 106 Menschen hingerichtet worden,
darunter auch politische Gefangene und Demonstranten.
Die AfD-Rubrik
- Verfassungsgericht in Thailand löst siegreiche Reformpartei auf.
- Tote bei friedlichen Protesten gegen Hunger und Armut in Nigeria.
- Nach der Vergewaltigung einer angehenden Kollegin legen mehr als eine
Million Mediziner in Indien für ein Wochenende die Arbeit nieder.
- Appell an Den Haag, keinen Haftbefehl gegen Netanjahu zu verhängen –
zumindest vorerst nicht.
- Austausch ungleicher Gefangener – Oppositionelle gegen Auftragskiller.
- Urteil gegen KZ-Sekretärin Irmgard F. bestätigt.
- Björn Höckes Wahlkampfauftritt in Jena durch Demonstranten blockiert.
-
Correctiv-Recherche: Mehrere BSW-Mitglieder sollen
Stasi-Spitzel gewesen sein.
- Vor 85 Jahren begann der 2. Weltkrieg.
Letztes Abendmahl oder antikes Gelage?
Da es in diesem Monat doch wieder einen Haufen düster-graue Tristesse zu
verdauen gab, wollen wir den Monat mit dem farbenprächtigen „Tableau
vivant/lebendes Bild“ von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in
Paris beenden. Es hat zwar das Missfallen von seriösen Institutionen
(Vatikan, Ökumenischer Rat der Kirchen) und zweifelhaften Figuren
(Donald Trump, Elon Musk, AfD-Abgeordneter Till Schneider) erregt, weil
sie darin eine Parodie des Letzten Abendmahls sahen, aber beim Vergleich
der Bilder braucht es schon eine verquere Fantasie, um im fetten Bacchus
den würdigen Jesus von Leonardo da Vinci zu sehen.
Olympiade in Paris – „Feste der Götter“
September 2024
Zum Einstieg diesmal etwas zur Entspannung, auch wenn die folgenden
Seiten dazu etwas gegenläufig sind. Aber das kennen sie ja!
Unter dem Titel „Beruhigt euch“ wirft die
SZ einen gelassenen
Blick auf unsere gegenwärtigen Probleme.
„Deutschland ist noch immer das
wirtschaftsstärkste Land Europas, es verfügt vom Parlament bis zum
Bundesverfassungsgericht über stabile Grundpfeiler, und es wird auch
auf die rechtsextremistischen Bedrohungen Antworten finden, wie sie
eine wehrhafte Demokratie kennt. … Das Dauergeplärre über
Staatsversagen wirkt, als stünde das Land vor dem Untergang.“
Sie könnten sich jetzt entspannt zurücklehnen und die Septemberlektüre
für abgeschlossen erklären. Wenn Sie weiterlesen, sind Sie selbst
schuld.
Anstiegsphänomene
Im September häuften sich Schlagzeilen über Entwicklungen, auf deren
Anstieg man gerne verzichten könnte. Und dabei handelt es sich nicht
(nur) um den Anstieg des Bierpreises auf dem Oktoberfest. Ich begnüge
mich mit den erweiterten Schlagzeilen:
„Angst vor islamfeindlichen
Übergriffen wächst.“
Nach der Messerattacke in Solingen scheinen auch in München die
„alltäglichen Anfeindungen“ und Übergriffe gegen Musliminnen und Muslime
gestiegen zu sein.
„Die Macht der Angst.“
Viele Jüdinnen und Juden in München fürchten um ihre Sicherheit.
Stimmungshebend war dann sicher nicht, dass ein österreichischer
Islamist mit bosnischen Wurzeln zwei Schüsse auf das Dokuzentrum und das
israelische Generalkonsulat abgab. Die Schüsse fielen am Jahrestag des
Olympia-Attentats von 1972.
„Gewalt an Schulen nimmt zu.“
Lehrer (nicht Schüler!) schlagen Alarm und fordern Sicherheitskräfte für
Schulen. Im Jahre 2023 wurde ein Anstieg der Delikte um 27 Prozent
registriert.
„Anfällig für autoritäres Denken.“
Unter Polizeibeamten wächst einer Studie zufolge die Bereitschaft,
Minderheiten wie Muslime und Obdachlose herabzusetzen. Bisher zeigen
solche Einstellungen allerdings nur eine Minderheit.
„Zahl der Frauenmorde gestiegen.“
Im Jahre 2023 wurden 155 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet, 22 mehr
als im Vorjahr. Ihr Anteil an den Opfern von tödlicher Gewalt betrug 86
Prozent.
Asyldebatte – die Fortsetzung
Nach den Wahlen vom 1. September konnte es nicht ausbleiben, dass man
sich dran machte, Tabus zu schleifen. So ließ die Innenministerin
prüfen, ob Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze möglich wären.
Da das Abkommen von Schengen dummerweise beinhaltet, dass man niemand
zurückweisen darf, der um Asyl bittet, ist also an der Grenze zu
überlegen, wie man dieses „Unwort“ umgehen kann. Früh genug zugreifen,
wenn sich ein Wagen nähert, dessen Insassen „illegal“ aussehen,
oder das Wort „Asyl“ einfach überhören, oder die Entscheider gleich an
den Grenzen zu platzieren. Dann könnte man auch das leidige
Herumstreiten mit den Anwälten vermeiden. (
Satire beendet!)
Ab Mitte des Monats wurden „smarte“ Grenzkontrollen eingeführt, die von
den Medien und den Nachbarländern mit unterschiedlicher Begeisterung
aufgenommen wurden und einige Fragen offenließen:
- Bleibt eine der Grundideen Europas, der freie Grenzverkehr, auf der
Strecke?
- Was geschieht mit den abgewiesenen Flüchtlingen? Von Österreich über
den Balkan nach Griechenland – und dann ab ins Mittelmeer?
- Es ist anzunehmen, dass die Flüchtlinge und ihre Schleuser bald wieder
Wege einschlagen, wo die Bundespolizei nicht steht, das Ganze also nur
eine „Illusion von Grenzkontrolle“ ist.
Ein Zwischenbericht im Oktober hat ergeben, dass es über 1500
Zurückweisungen gab und 49 Schleuser festgenommen wurden. Und Menschen,
die „Asyl“ sagen, werden (bis jetzt) immer noch in Aufnahmelager
verbracht.
Ein anderes Tabu geschleift hat einer, von dem man es nicht vermutet
hätte. Markus Söder will Asylbewerber „von der Straße weg“ in Arbeit
bringen. Er denkt natürlich v.a. an gemeinnützige Arbeit, aber da sich
seine Partei bisher nicht gerade hervorgetan hat, Flüchtlingen den
Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist das, um mit Neil Armstrong
zu sprechen „ein großer Schritt für die CSU“. Dass statt einer
Arbeitserlaubnis gleich eine Arbeitspflicht verordnet wird, war zu
erwarten.
Da bei vielen AfD-Anhängern (und nicht nur bei diesen) die Meinung
vorherrscht, dass alle unsere Probleme migrationsbedingt sind, schließen
wir diesen Abschnitt mit einem Zitat aus der
Heute-Show:
„Glauben Sie, dass, wenn der letzte
Flüchtling abgeschoben ist, unsere Züge auch wieder pünktlich sind?“
Kriegsgebiete – auf deren Erwähnung wir gerne verzichten würden
Russland – Ukraine
Die „Spezialoperation“ ist unverdient in den Hintergrund gerückt,
unverdient, weil der Konflikt weiterhin mit voller Härte geführt wird
und von bitterem Leid begleitet ist. Hier eine Auswahl aus der Bilanz
des
BR vom 23. bis zum 27. September:
- Ostukraine – Artillerieduelle und russische Luftangriffe
- Moskau verteidigt Erweiterung der Nukleardoktrin
- Ukraine meldet zehn Tote bei russischem Angriff auf Krankenhaus
- Neun verschleppte Kinder wieder zurück in der Ukraine
- Zwei Tote nach ukrainischen Angriffen in der Region Belgorod
- Selenskyj – Ukraine wird gegen Russland siegen
- Moskau – Krieg endet erst bei Erreichung aller Ziele
Naher Osten – Verzweiflung, Resignation, Hoffnung
- In der Nacht zum 1. September wurden die Leichen von sechs
israelischen Geiseln im Gazastreifen geborgen – kurz vor ihrer Befreiung
und aus nächster Nähe erschossen. Unter ihnen war die 39-Jährige Carmel
Gat, die während des Waffenstillstands vom November 2023 schon zur
Freilassung vorgesehen war, aber in Geiselhaft blieb, weil Israel den
Deal mit der Hamas platzen ließ. Carmel hatte auch die deutsche
Staatsbürgerschaft. Das Foto ist zum Weinen (schön).
Carmel Gat (+)
- Eine Schuld am Tod der Geiseln sahen die Demonstranten auch bei
Premier Netanjahu, weil er einen der israelischen Grundwerte ignoriert,
nämlich „dass niemand zurückgelassen wird und jeder sich auf Rettung
verlassen kann, egal wie hoch der Preis ist“.
- Harte Kritik am Verhalten mancher israelischer Soldaten übte ihr
Ex-Kollege Yuval Green. Offiziere hätten die „Einsatzregeln nicht
weitergegeben und eher dazu aufgefordert, „wenig Zurückhaltung“ zu
zeigen. Es werde „aus Langeweile herumgeballert“ und es käme zu
Plünderungen. Green möchte eine neue Menschenrechtsorganisation starten
und einen „Soldatenbrief zur Freilassung der Geiseln“ zirkulieren
lassen. Der Gegenwind, der ihm und seinesgleichen aus Armee und
Gesellschaft entgegenschlägt, hat sich durch die Ausweitung der
Kampfzone in den Libanon hinein, eher noch verstärkt.
- Der Olivenbauer Mussab Sufan lebt im Westjordanland wie in einer
Festung. Viele Dörfer sind umzingelt von gewaltbereiten Siedlern, deren
Ziel es ist, den palästinensischen Bauern das Leben unerträglich zu
machen. Äcker und Weiden können nicht mehr bewirtschaftet werden, weil
Sperrmauern und Checkpoints den Zugang blockieren. Attacken von Siedlern
werden von Armee und Polizei heruntergespielt und von der Justiz nicht
geahndet. Aber Mussab möchte bleiben und sagt: „Wir sind weit länger
hier als die Siedler.“
- Der Soziologe Natan Sznaider hat die Botschaft des „Genug“, die
Zehntausende von Demonstranten bei der Demo am Abend des 1. Septembers
skandierten, auf seine Weise interpretiert.
„Die radikale Zukunft birgt
Überraschungen, die radikale Vergangenheit nicht. Sie birgt auch
keine Hoffnung.“
Und dann leiht er sich bei Franz Kafka eine Vision aus, wie sich ein
alter Israeli die Zukunft erträumt:
„Oh, Hoffnung genug, unendlich viel
Hoffnung – nur nicht für uns.“
AI-Nachrichten – mit erfreulichen Einsprengseln
Politische Gefangene: Tunesiens Präsident Kais Saied führt
derzeit vor, wie Wahlen gehen, genauer gesagt, wie man eine Wahl
gewinnen kann, ohne dass man sich mit lästigen Gegenkandidaten
herumschlagen muss. Drei Kandidaten wurden schon im Vorfeld von der
Wahlkommission abserviert, und von den zwei hinterbliebenen Kandidaten
wurde einer um drei Uhr morgens aus dem Bett geholt und wegen Fälschung
von Wahlempfehlungen festgenommen. Zur Erinnerung: In Tunesien hatte
2011 der Arabische Frühling seinen Anfang genommen, der flächendeckend
gescheitert ist – jetzt auch endgültig in seinem „Heimatland“.
Frauenrechte: Die Schauspielerin Meryl Streep hat Vergleiche aus
dem Tierreich bemüht, um eindringlich auf das Schicksal von Mädchen und
Frauen in Afghanistan hinzuweisen.
„Ein Eichhörnchen hat mehr Rechte
als ein Mädchen, weil die Taliban die Parks für Frauen und Mädchen
geschlossen haben. Und ein Vogel darf in Kabul singen, aber ein
Mädchen nicht.“
Kinderrechte: In der Türkei sind ein Vater und ein Ex-Ehemann
(im zweiten Anlauf) zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Der Vater,
Gründer einer islamischen Sekte, hatte 2004 seine sechsjährige (!)
Tochter mit einem 29-jährigen Sektenmitglied trauen lassen. Im Jahre
2020 ließ sich die Frau scheiden und ging anschließend gleich zum
Staatsanwalt. Schon 2012 hatte ein Arzt die Behörden verständigt, aber
zu einer Strafverfolgung ist es nicht gekommen. Islamische Orden haben
bei Erdogan und seiner AKP Narrenfreiheit.
Begnadigung: Die iranische Justiz hat die Haftstrafe gegen den
Grammy Preisträger Sherwin Hajipour aufgehoben. Man hatte ihm
vorgeworfen, „Musik gegen das System“ produziert zu haben. Gemeint ist
die Ballade „Baraye/Für“, die zur inoffiziellen Hymne der Proteste von
2022 geworden ist. Der Text gipfelt in der Zeile „Für Frau, Leben,
Freiheit“, dem bekanntesten Slogan der Protestbewegung. Nach dem ersten
Urteil hatte man ihm noch aufgebrummt, dass er als Sühne Musik über
„Amerikas Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ produzieren muss.
Todesstrafe: Ein alter Bekannter der Miesbacher AI-Gruppe ist der
88-jährige Japaner Iwao Hakamada. Er war 1968 wegen Mordes zum Tode
verurteilt worden und gilt als der Häftling, der weltweit am längsten in
einer Todeszelle saß. 2014 wurde er bis zum Wiederaufnahmeverfahren
freigelassen, aber erst jetzt wurde er für unschuldig erklärt. Das
Gericht stellte mehrere Beweisfälschungen fest, sein Geständnis von
einst war in brutalen Verhören erzwungen worden. Bei einem Kulinarischen
Abend vor ca. 20 Jahren haben wir mit einem Flugblatt auf sein Schicksal
hingewiesen. Die Passanten haben unseren Crêpes den Vorzug gegeben.
So richtig freuen konnte sich Iwao nicht. Die Jahrzehnte im Todestrakt
haben ihm psychisch sehr zugesetzt.
Gedenkfeier: Berührt hat uns auch eine Gedenkfeier, die in
Mexiko-Stadt abgehalten wurde. Sie fand zum zehnten Jahrestag des
Verschwindens von 43 Studenten eines Lehrerseminars statt. Ihr Bus wurde
in der Stadt Iguala gestoppt, sechs Studenten wurden sofort von der
Polizei erschossen, 43 Studenten wurden zunächst verhaftet und dann
einem Drogensyndikat zur „Entsorgung“ übergeben. Bisher hat man nur die
Knochenfragmente von drei der jungen Männer gefunden. Ihre Angehörigen
wollen sie „lebend zurück“, wir haben ihnen vor einigen Jahren in
Miesbach das Friedensgebet gewidmet.
Oktober 2024
„Das Unmögliche zu schaffen,
gelingt einem nur, wenn man es für möglich hält.“
Alice im Wunderland
Kamala Harris ist US-Präsidentin geworden, und die Ampel hat sich wieder
zusammengerauft. Wäre ja möglich gewesen, oder? Aber da merkt man halt,
dass „Alice im Wunderland“ (auch) ein Märchenbuch ist. Ob es irgendwo
doch gelungen ist, in diesem Monat „das Unmögliche zu schaffen“, wird
sich zeigen. Sicherlich nicht in den
Konfliktgebiete(n)
Ukraine
Als ich zur Eröffnung der Ausstellung „Ukraine Alltag im Krieg“ eine
Chronologie des Monats Oktober zusammenstellte, merkte ich, dass der
Krieg zwar weitgehend aus unseren Schlagzeilen verschwunden ist, aber in
der Ukraine munter weitertobt und als Konflikt immer stärker auch auf
Deutschland (und die EU) überschwappt.
- „Buh-Rufe für Ralf Stegner: Als der SPD-Politiker auf der Friedensdemo
in Berlin vom „russischen Angriffskrieg“ sprach, wurde er tausendfach
ausgebuht. Die
taz schrieb dazu: Die Friedensbewegung in
Deutschland ist „am 3. Oktober gestorben.“
- „Wenn die Kräfte schwinden“: Viele ukrainische Soldaten sind alt,
ausgelaugt oder Alkoholiker, andere desertieren. Präsident Selenskij hat
enorme Probleme, die Kampfbereitschaft der Armee zu erhalten.
- Beim Besuch Selenskijs in Berlin versichert der Bundeskanzler dem
Präsidenten, man werde keinen Diktatfrieden Moskaus akzeptieren.
- „Selenskij als Zaungast“: Beim EU-Gipfeltreffen stieß seine Forderung,
eine verbindliche Einladung für den Nato-Beitritt der Ukraine zu
bekommen, auf wenig Gegenliebe.
- 10 000 nordkoreanische Soldaten in Russland.
- „Ukraine verliert im Osten an Boden“: Die russischen Angreifer rücken
so schnell vor wie seit Kriegsbeginn nicht mehr.
Fazit am 4. November: Nach 900 Bombenangriffen in der Vorwoche scheint
Putin noch einmal in die vollen zu gehen, bevor Präsident Trump ab
morgen, d.h. ab 20. Januar 2025, den Krieg in einem Tag beendet.
Naher Osten
- Zum 7. Oktober erinnerte der israelische Botschafter in Deutschland
eindringlich an das Massaker in Südisrael vor einem Jahr, bei dem auch
das Baby Mila Cohen in den Armen ihrer Mutter ums Leben kam. Er griff
den rechten, islamischen aber „vor allem“ linken Antisemitismus in
Deutschland an und tadelte die Bundesregierung, weil sie sich bei
israelkritischen UN-Abstimmungen „gleich zweimal der Stimme enthalten
habe“. Der ganzen Welt warf er vor, dass man Israel das Recht auf
Selbstverteidigung nur dann zugestehe, wenn „man es nicht merkt“.
- Gemerkt hat man es sehr wohl. Die Angriffe auf Ziele im Libanon und im
Gazastreifen wechselten sich fast im Tagesrhythmus ab, und Ende des
Monats erfolgte ein Schlag gegen Militäranlagen im Iran. Ein Angriff auf
iranische Nuklear- und Ölanlagen unterblieb - mutmaßlich auf Drängen Joe
Bidens hin. Da wird Trump einmal nicht so zimperlich sein.
- Auf schmalem Grat bewegt sich die Bundesregierung bei der
Entscheidung, ob Israel wieder Kriegswaffen bekommen soll. Israel
scheint zwar zugesichert zu haben, dass das „Gerät“ aus Deutschland nur
im Rahmen des humanitären Völkerrechts eingesetzt wird, aber wenn
einmal, über die Lieferung von Ersatzteilen für Hubschrauber und Panzer
hinaus, auch noch Panzermunition geliefert werden sollte, wird die
Kontrolle schwierig. Man kann ja mit den Geschossen nicht gut
mitfliegen, um zu sehen, ob sie völkerrechtsgemäß verwendet werden.
- Auf schmalem Grat bewegt sich auch Israel, als es dem
Palästina-Hilfswerk UNRWA verbot, auf israelischem Staatsgebiet tätig zu
werden. Das Verbot hätte gravierende Folgen für die Palästinenser in
Ostjerusalem, dem Westjordanland – aber auch dem Gazastreifen. Israel
wirft der Organisation vor, ihre Neutralitätspflicht zu verletzen, weil
Mitarbeiter mit der Hamas sympathisieren und Schulbücher antisemitische
Inhalte haben, aber die
SZ möchte nicht ausschließen, dass es
den Rechtsauslegern in der israelischen Regierung nicht ungelegen käme,
wenn das palästinensische Leben in den besetzten Gebieten zum Erliegen
käme. Das Gesetz zur Schließung der UNRWA-Zentrale in Ost-Jerusalem soll
Ende Januar in Kraft treten. Wer sich dann um die palästinensischen
Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem
kümmern soll, steht nicht im Gesetz.
- Einen (derzeit irrealen) Ausflug in die Geschichte machten der
Philosoph Omro Boehm (jüdisch-israelisch) und die
Politikwissenschaftlerin Rula Hardal (palästinensisch- israelisch). Sie
erinnerten an den UN-Teilungsplan von 1947. Er sah zwar eine Teilung in
zwei Staaten vor, aber eine „Teilung mit Wirtschaftsunion“, mit
gemeinsamen Behörden, einer gemeinsamen Währung, einem gemeinsamen
Flughafen – sogar so etwas wie ein gemeinsames Gericht, denn schon
damals hatte man begriffen, dass man das Gebiet (sinnvoll) nicht in zwei
Stücke trennen kann.
Vom das „Unmögliche schaffen“ des Eingangsspruchs sind wir hier weit
entfernt.
Buntes Allerlei
- Nachlese zur Wahl in Österreich: Ist nur als Karikatur
erträglich!
Und mit den Worten in einer bösen Satire, die das Wahlergebnis mit dem
Hochwasser im September in Beziehung setzt.
„Die Österreicher wählten die
Klimaleugner, auch wenn sie dabei untergehen.“
„Die Selbstdemontage der Klima-Heiligen“: Unter diesem Titel
kritisierte ein Leitartikel im
Merkur die Aktivistin Greta
Thunberg, die an einer propalästinensischen Demo in Berlin teilgenommen
hatte, die dann aus dem Ruder lief. Nun kann man Gretas
„Schwerpunktverlagerung“ in Richtung Israelphobie durchaus kritisch
sehen, aber der Leitartikler schießt weit über das Ziel hinaus, als er
noch im gleichen Aufwasch der Ampelregierung „Klimahysterie“
unterstellte und gegen den Bischof von Berlin giftete, der im April 2019
(!) Gretas Rolle in der „Fridays for Future-Bewegung“ gewürdigt, sich
inzwischen aber wegen ihrer Äußerungen zum Gaza-Krieg von ihr
distanziert hatte.
Dauerbrenner „Migration“
Wie im September angedeutet, scheint man im Kampf gegen die illegale
Einwanderung auch vor Tricksereien an der Grenze nicht
zurückzuschrecken. Auf einem Formular, das ein Flüchtling ausfüllen
muss, wird auch nach dem Reisegrund gefragt, aber unter den vorgegebenen
Antwortmöglichkeiten fehlt „Asylgesuch“.
Ein härterer Wind weht auch durch das Kirchenasyl. Im Juli wurden sieben
Kirchenasyle von der Polizei geräumt, Ende September war ein schwer
kranker Afghane in Hamburg an der Reihe. Er wurde nach Schweden
abgeschoben, wo zwar derzeit nicht nach Afghanistan abgeschoben wird,
aber wo es eine medizinische Behandlung nur in Notfällen gibt. Die
Präses der Synode der EKD war „richtig wütend“.
„Die Wende zur Unwillkommenskultur“, so die
SZ, zeigte sich auch
beim EU-Gipfel in Brüssel. Die „innovativen Ideen“, die v.a. die
italienische Regierungschefin Meloni aus der Tasche zaubert, stießen auf
breite Zustimmung. Es ist nur noch zu klären, ob die Abschiebezentren in
Albanien, an den europäischen Außengrenzen, in Afrika – oder gleich auf
dem Mond einzurichten sind. Dass ein römisches Gericht Melonis Asyllager
in Albanien demolierte, war ein Schönheitsfehler, den sie möglichst bald
korrigieren möchte. Als auch eine 2. Gruppe von Flüchtlingen durch
Gerichtsentscheid nach Italien gebracht werden musste, blies man zum
Angriff auf die Justiz. Vizepremier Salvini warf den Richtern vor, sie
seien Kommunisten, Meloni verkündete trotzig, „die Richter werden uns
nicht stoppen“. Von Plänen, die albanischen Lager mit eben diesen
Richtern zu füllen, hat man aber (noch) nichts gehört.
Shell-Jugendstudie
De Ergebnisse der Studie sind widersprüchlich, beängstigend und
erfreulich. Was den Rechtsruck der Jugend anbelangt, driften zwar die
jungen Männer weiter nach rechts ab, im Mittel aber verortet man sich
eher „leicht links“. Besorgniserregend sind die 44 Prozent (!), die der
Aussage zustimmen, „eine starke Hand müsste mal wieder Ordnung in
unseren Staat bringen“. Und da denken sie wahrscheinlich nicht an Typen
wie Taylor Swift. Ausgesprochen erfreulich war der Rückblick auf die
Pandemie: die meisten Jugendlichen waren der Meinung, „dass wir sie als
Gesellschaft insgesamt doch ganz gut gemeistert haben“.
„Mauerbau“ in Peking
Es handelt sich natürlich nicht um die chinesische Grenzmauer, die gibt
es ja schon länger, sondern um die Gitterzäune, die in letzter Zeit um
die ausländischen Botschaften in Peking errichtet wurden. Auslöser war
ein Messergangriff auf einen israelischen Diplomaten im letzten Jahr,
aber jetzt nutzt man die Barrieren, die zusätzlich mit
Sicherheitskräften garniert sind, dazu, Besucher einzuschüchtern, die
aus suspekten Gründen die Botschaften aufsuchen wollen. Von Seiten der
Botschaften (und deren Regierungen) gab es bisher kaum Widerstand, bis
man mit den Bauarbeiten vor der türkischen Botschaft begann. Die Antwort
der Türkei: Man baute einen Zaun vor der chinesischen Botschaft in
Ankara. Die Chinesen lenkten schnell ein, und heute gehört die türkische
Botschaft in Peking zu den wenigen Botschaften ohne Zutrittskontrolle.
So weit wird kommen, dass wir von der Türkei Nachhilfe in „wehrhafter
Demokratie“ erhalten müssen!
Die AI-Nachrichten in der AfD-Rubrik: Es waren einfach zu viele!
Dissonanzen
„Sklaverei ohne Grenzen“: Tausende Inder werden in südostasiatischen
Betrugsfabriken (Cyberkriminalität) festgehalten.
„Karikaturist muss 23 Jahre in Haft“: Dem saudi-arbabischen Zeichner
Al-Hassa wird vorgeworfen, mit seinen Karikaturen die Staatsführung
beleidigt zu haben.
„Wir waren noch Kinder“: Grönländische Frauen verklagen den dänischen
Staat. Man hatte Tausende von ihnen in den 1960er und 1970er Jahren ohne
ihre Zustimmung Spiralen eingesetzt, um das Bevölkerungswachstum in
Grönland zu reduzieren.
„Orbáns Pranger“: Mit dem ‚Gesetz zum Schutz der nationalen
Souveränität‘ werden Kritiker drangsaliert.
„Sie glauben einfach nicht, dass wir gleich viel wert sind“: eine Reihe
von Morden an Frauen und Mädchen erschüttert die Türkei.
Afghanische Frauen
- Ex-Polizistinnen werden sowohl von den Taliban, als auch von
Familienangehörigen bedroht.
- Afghanin öffentlich ausgepeitscht: Die Frau wurde wegen einer
außerehelichen Beziehung mit 30 Peitschenhieben und einer Haft von sechs
Monaten bestraft.
Konsonanzen
Afghanische Frauen: Der EuGH hat geurteilt, dass afghanische Frauen
wegen der Diskriminierung in ihrem Heimatland rein auf Grund ihres
Geschlechts ein Recht auf Asyl haben. Die Union äußert scharfe Kritik,
weil jetzt 40 Millionen Afghanen (Frauen + Familiennachzug) nach Europa
kommen, 39 Millionen von ihnen nach Deutschland. (
Vorsicht:
Teilsatire!)
„Hoffnung in der Todeszelle“: Die Hinrichtung von Robert Roberson, der
2003 für schuldig befunden war, seine zweijährige Tochter zu Tode
geschüttelt zu haben, wurde 90 Minuten vor Vollzug gestoppt. Und das in
– Texas!
Robert Roberson
Hafturlaub für Taghavi: Die deutsch-iranische Staatsgeisel wurde mit
einer elektronischen Fußfessel in den Hafturlaub entlassen. Im Januar
2025 kam sie endlich frei und durfte nach Deutschland ausreisen.
Da wir leider keine Situation finden konnten, wo das „Unmögliche
geschafft“ wurde, enden wir mit einer Episode, die man (heute)
nicht/noch nicht für möglich halten würde. Der Altnazi Konrad Hedler,
der 1949 für die Deutsche Partei im Bundestag saß, hat seine Sicht auf
die Kriegsschuld wie folgt präsentiert:
„Die Deutsche Partei stellt fest,
dass Deutschland die geringste Schuld am Ausbruch des 2. Weltkriegs
hat; schuld seien vielmehr die Widerstandskämpfer.“
Wer die Wirklichkeit so verkennt oder verschleiert, hätte am 5. November
2024 ebenfalls Donald Trump gewählt.
November 2024
„Lebbe geht weider“,
sagte der Fußballtrainer Dragoslav Stepanovic, als er 1991 mit seiner
Mannschaft Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag die Meisterschaft
vergeigte. Und uns wird (zunächst) auch nichts anderes übrigbleiben,
nachdem wir am Morgen des 6. November „mit Donald Trump als Präsident
erwachten und am Abend ohne Ampel ins Bett gingen“. Obwohl – da gäbe es
vielleicht doch eine Alternative zum Durchhalten mit zusammengebissenen
Zähnen?
Nein, ich steige aus dem Bett, stelle mich der Flut an Nachrichten und
beginne, eingedenk des Eingangsversprechens, mit der
AfD-Rubrik – abendfüllend
- Die Klimakonferenz in Baku – eine Lachnummer.
- „Mehr Kinder für Putins Reich“ – Wegen sinkender Geburtenzahlen plant
die Duma, ‚Propaganda gegen Kinderlosigkeit‘ zu verbieten.
- „Auf die Straße, jeden Tag“ – In Georgien kommt es nach mutmaßlichen
Wahlfälschungen und dem zunehmend autoritären Regierungskurs zu heftigen
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.
- „Hart gegen die Freiheit“ – Ein Gericht in Hongkong verurteilt
Aktivisten der Demokratiebewegung zu mehrjähriger Haft.
- „Hass in der Freitagspredigt“ – Ein islamischer Geistlicher wünscht
den Tod von „Juden“ und wird wegen Volksverhetzung angeklagt.
- „Eine pechschwarze Nacht“ in Amsterdam – Im Umfeld eines Fußballspiels
kommt es zu Ausschreitungen. Fans von Maccabi Tel Aviv werden von
pro-palästinensischen Männern durch die Straßen gejagt - und schlagen
zurück.
- „Fasst doch endlich den Kaktus an“ – Die Landtagsfraktion der SPD
fordert ‚mehr Ordnung und Steuerung‘ in der Asylpolitik.
- Der AfD-Slogan vom Minimalpaket für Asylbewerber („Bett, Brot und
Seife“) erklingt jetzt auch in der bayrischen Staatsregierung.
- „62 Prozent der Abschiebungen 2024 gescheitert“ – Anfrage kam von
Sahra Wagenknecht.
- „Schock für die Stadt der Menschenrechte“ – Das Bayerische
Verwaltungsgericht verfügt, das die Stadt Nürnberg, wie von der AfD
gefordert, aus der Allianz gegen Rechtsextremismus austreten muss.
- In der Stadt Seitz/Sachsen-Anhalt wurden in der Nacht zum 7. Oktober
zehn Stolpersteine gestohlen. Bei einem Spendenaufruf kamen innerhalb
einer Woche 33 000 Euro zusammen.
- „Sieg für Europa“ – Die proeuropäischen Präsidentin Maia Sandu gewinnt
die Stichwahl in Moldau.
- „Überfälliger Abschied“ – VW gibt sein Werk in der Uiguren-Provinz
Xinjiang auf, aber nicht aus ethischen Gründen.
- „Kardinal Marx: Frauenordination wird kommen“ – aber nicht in den
nächsten Jahren.
Und am Schluss die „Mutter aller Meldungen“:
Die australische Regierung möchte Jugendlichen unter 16 Jahren den
Zugang zu sozialen Medien verbieten.
Den Aufschrei hört man von Down Under bis Oberbayern!
Die Kriegsgebiete
Ukraine
- Aufmarsch der Söldner: Um die hohen russischen Verluste auszugleichen,
geht Putin zum „Einkaufen“. Nordkorea hat bereits geliefert und erhofft
sich Technologie, um sein Raketen- und Atomprogramm vorantreiben zu
können. Aus dem Jemen, so ein Bericht einer britischen Zeitung, hat man
Huthis angeworben, mit dem Versprechen, sie erhielten hoch bezahlte Jobs
und die russische Staatsbürgerschaft. Bei ihrer Ankunft aber sind sie
umgehend eingezogen und an die Front geschickt worden. Dem Bericht
zufolge, sollen auch Söldner aus Indien und Nepal auf Seite der Russen
kämpfen. Die Schweizer Garde des Vatikans ist allerdings noch nicht
vertreten. Man wähnt sich wieder im 30-jährigen Krieg. Es ist nur zu
hoffen, dass der Krieg diesmal nicht so lange dauert.
- Terror an allen Fronten: Russland bombardiert die ukrainische
Infrastruktur an allen Fronten. Bevorzugte Ziele, die Energiebetriebe:
Wenn im Winter bei minus 20 Grad auch noch Strom und Wasser ausfallen,
erlahmt der Wille zum Widerstand. Im Oktober sprach sich erstmals eine
Mehrheit der Ukrainer für Verhandlungen aus. Aus Russland hört man
inzwischen, dass zur Verhandlungsmasse nicht nur die besetzten Gebiete,
sondern auch Odessa und Kiew gehören.
- „Hybride Kriegsführung“: Es ist noch unklar, ob der Absturz eines
Frachtflugzeugs in Litauen durch „technische Probleme“ verursacht, und
die Unterseekabel in der Ostsee nicht doch von einem Hai angeknabbert
wurden, aber es steht fest, dass Putin bei seinem Kampf gegen den Westen
auf einen „umfassenden Einsatz von hybriden Mitteln und Methoden“ setzt,
als da sind: Sabotageakte, Mordkomplotte, Hackerangriffe. Und es steht
fest, dass der Westen, und insbesondere Deutschland, dem nicht genug
entgegensetzen kann, weil der BND nicht genügend „operative
Beinfreiheit“ hat. So stammt beispielsweise die Information, dass ein
IS-Unterstützer einen Anschlag auf die israelische Botschaft geplant
hatte, von einem ausländischen Geheimdienst. Damit wären wir wieder bei
der „wehrhaften Demokratie“.
Naher Osten
- Waffenruhe im Libanon: auf Druck der USA, Frankreichs und
(möglicherweise des Iran!) haben sich Israel und die Hisbollah auf eine
Waffenruhe von vorerst 60 Tagen geeinigt. Warum auch nicht? Israel hat
seine Maximalziele erreicht: Demütigung der Hisbollah, Ausschaltung
ihrer Führung, Dezimierung des Waffenarsenals. Die Hisbollah feiert den
„Sieg“, weil sie als Organisation überlebt hat. Aber wenn man Anfang
Dezember im Netz die „Waffenruhe im Libanon“ aufruft, ist v.a. von
Störungen der Waffenruhe die Rede.
- Krieg im Gazastreifen: Wer sich jetzt erhofft hätte, dass das Abkommen
sich besänftigend auf den Konflikt im Gazastreifen auswirken würde,
sollte diese Hoffnung gleich wieder fahren lassen. Es ist eher zu
befürchten, dass die israelische Regierung im Gazastreifen wieder die
„freie Hand“ nutzen würde, um ihr Kriegsziel zu erreichen. Es muss ja
nicht gerade der „Plan der (pensionierten) Generäle“ sein, den es zu
verwirklichen gilt – und der so furchtbar ist, dass wir ihn gar nicht
erwähnen wollen. Aber wenn in Israel ein Verteidigungsminister sagt,
„Es gibt in Gaza nichts mehr zu
tun. Die wichtigsten Errungenschaften sind erreicht.“
dann wird er gefeuert.
- „Handschellen für Netanjahu“: Da kam mit dem Haftbefehl des IStGH für
Netanjahu, Ex-Verteidigungsminister Galant (und dem Chef der Hamas
Al-Masri) ein echter Hammer aus Den Haag, und den Reaktionen aus
Deutschland kann man nicht recht entnehmen, ob der Hammerschlag
tatsächlich die Israelis oder nicht doch die Deutschen getroffen hat. Da
bezeichnet ein CSU-Politiker das Urteil als „bodenlose Dummheit“,
während die Außenministerin konstatiert, dass „niemand über dem Gesetz
steht“, da hält eine Zeitung das Urteil für „richtig“, die andere
hingegen meint, dass sich der IStGH als glaubwürdige Instanz abgemeldet
hätte. Und über allem schwebt die existentielle Frage: Was tun, wenn
Netanjahu auf Staatsbesuch nach Berlin (oder München) kommen möchte?
Handschellen oder roter Teppich? Als Palästinenser verkleidet oder unter
Geleitschutz von Alexander Dobrindt? Gott sei Dank, dass ich kein
Politiker oder Staatsanwalt bin!
Der Super-GAU aus den USA
„Er ist wieder da“ war eine Filmkomödie aus dem Jahre 2015, bei der
einem das Lachen im Hals stecken blieb, denn der Wiedergänger war Adolf
Hitler. Obwohl auch Trump angekündigt hat, „am ersten Tag als Diktator“
aufzutreten, um Biden, Harris und das übrige Pack ins Gefängnis zu
werfen (
Vorsicht Teilsatire!), sollte man den Vergleich nicht
überziehen. Zu einem “1000-jährigen Reich“ wird es nicht kommen, auch
wenn die Leute vom Project 2025 mit ihrer „zweiten amerikanischen
Revolution“ durchaus auf einer rechtsautoritären Schiene agieren, und
das Schattenkabinett überwiegend aus Figuren besteht, die aus der
Geisterbahn entlaufen sind.
Aber wer genügend Geld hat, kann bei einem US-Reiseunternehmen eine
vierjährige Kreuzfahrt buchen, die es ermöglicht, Trumps Amtszeit auf
hoher See zu überbrücken – und dann (möglicherweise) in ein Amerika
zurückkehren, das wir uns lieber nicht vorstellen wollen.
Schlagzeilen aus Deutschland – Verdaulichkeit unterschiedlich
Sächsische Separatisten/SS: Acht mutmaßliche Rechtsterroristen
festgenommen. Sie wollten Gebiete in Ostdeutschland mit Waffengewalt
erobern.
Resolution für millionenfache Remigration: Auf ihrem
Landesparteitag setzte sich die bayrische AfD für die massenhafte
Ausweisung von Ausländern ein. Abgeschoben sollten nicht nur Straftäter
werden, sondern auch “Personengruppen mit schwach ausgeprägter
Integrationsfähigkeit und Integrationswilligkeit“ – also praktisch alle!
Vereinter Widerstand: Bei der Aktuellen Stunde zum Thema
„Remigration“ gingen die Parteien unisono auf die AfD los.
Sozialministerin Ulrike Scharf verteidigte den sozialen Frieden im Land
gegen Hass und Destruktion und warf der AfD vor, dass „unter ihren
Parolen die braune Sauce schimmere“. Im Bayerntrend liegt die AfD
derzeit mit 17 Prozent auf Platz zwei.
Aktionstag gegen antisemitische Straftaten: Die Polizei
durchsucht acht Wohnungen im Großraum München auf Hassposts, stellt
Handys und Computer sicher und vernimmt Verdächtige. Fazit: Importierter
Judenhass trifft hierzulande auf ein eingesessenes rechtes Milieu.
Charlotte Knobloch in Düsseldorf: Sie beginnt ihre Rede mit dem
Satz ‚Ich stehe vor Ihnen als stolze Deutsche“, aber der Satz fiel vor
vier Jahren. Heute ist ihr Vertrauen in die Deutschen „fast
aufgebraucht“. Erst am Ende ihrer Rede „wallt wieder ein Rest von
Zuversicht auf“.
Angela Merkels Autobiografie: In einem Interview vor der
Veröffentlichung ihrer Autobiografie bekannte sich Merkel zu ihrer
Migrationspolitik von 2015:
„Ich hatte damals das Gefühl, ich
hätte sonst die gesamte Glaubwürdigkeit der Sonntagsreden über
unsere tollen Werte in Europa … preisgegeben. Die Vorstellung,
Wasserwerfer an der deutschen Grenze aufzustellen, war für mich
furchtbar und wäre sowieso keine Lösung gewesen.“
AI-Nachrichten
Strafvollzug: Wir reden nicht über iranische Gefängnisse oder
russische Straflager, wir bleiben im Lande – bei der
Justizvollzugsanstalt/JVA Augsburg-Gaiblingen. Ende Oktober wurden
Meldungen „viral“, die man beim besten Willen nicht mehr unter der Decke
halten konnte. In „besonders gesicherten Hafträumen/BgHs“ wurden
gewalttätige und suizidgefährdete Häftlinge untergebracht – manchmal
ohne Matratze, Unterhose oder Klopapier. Gelegentlich scheint man aber
auch psychisch kranke Häftlinge „entsorgt“ zu haben, für die keine
entsprechende Betreuung zur Verfügung stand. Unter Beschuss gerieten
nacheinander die beiden Gefängnisleiterinnen wegen Duldung von
Misshandlungen und Täuschung bei Kontrollen, aber auch der bayrische
Justizminister, der einräumen musste, dass sein Haus schon früh von dem
Verdacht wusste, dass man in Gaiblingen etwas „rigide“ zur Sache ging –
ihn aber nicht informiert habe.
Politische Gefangene: Groß war die Erleichterung, als jetzt zwei
Fotos von Maria Kolesnikowa/Belarus auftauchten. Man hatte 21 Monate
nichts mehr von ihr gehört. Bekannt geworden ist sie, als sie im
September 2020 verschleppt wurde, an der Grenze zur Ukraine ihren Pass
zerriss und vor den Augen ihrer Entführer umkehrte. Wegen „Gefährdung
der staatlichen Sicherheit“ wurde sie zu 11 Jahren verurteilt. Ins
Gefängnis würde eher ihr Präsident gehören.
Hinrichtung: Da der Iran im Kampf gegen Israel bisher eher
schlecht aussah, suchte er ein Opfer, das sein Image als harter
Gotteskrieger etwas aufpolieren sollte. Er fand es in der Person des
Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, der am 28. Oktober wegen
Terrorvorwürfen hingerichtet wurde – oder auch nicht, denn nach
Darstellung der iranischen Justiz „verstarb er, bevor das Urteil
vollstreckt wurde“.
Jamshid Sharmahd mit Tochter Gazelle
Sharmads Tochter erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Berlin,
deren „stille Diplomatie“ ihren Bürger „in Stich gelassen“ hätte. Unsere
Außenministerin kündigte „schwerwiegenden Folgen“ an, aber ob die
Schließung der drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland die
Mullahs erzittern lassen, ist mehr als fraglich. Die Tochter einer
anderen deutsch-iranischen Geisel, Nahid Taghavi, bilanziert
schonungslos:
„Das Blut von Jamshid Sharmahd
klebt nicht nur an den Händen der Islamischen Republik.“
Frauenrechte
Iran: Eine Studentin an einer Uni in Teheran hat in Unterwäsche
gegen die Kleiderordnung protestiert. Vorausgegangen war vermutlich,
dass das Wachpersonal nach einem Streit ihr Kopftuch zerrissen hatte.
Auf Grund ihrer „psychischen Probleme“ wurde sie in ein „Zentrum für
Spezialbehandlung“ verfrachtet. Man darf sich gar nicht vorstellen, in
welchem Zustand sie da wieder rauskommt. Angeblich wurde sie zwei Wochen
später wieder bei ihrer Familie abgeliefert. Bei unserem Infoabend im
November haben wir für sie Appellbriefe verteilt.
Frankreich: Der Ausspruch von Gisèle Pelicot „La honte doit
changer de camp/Die Scham muss die Seiten wechseln“ verdient einen Platz
im Zitatenschatz der Weltliteratur. Es ist schwer zu sagen, was einen
stärker berührt: das monströse Verhalten des Ehemannes und seiner
Kunden, oder der Mut der Frau, die diese Schandtaten öffentlich macht
und sich damit der Öffentlichkeit aussetzt. Zum Internationalen Tag zur
Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, - der Name ist so sperrig wie das
Verhalten der betroffenen Männer -, haben Tausende gegen Gewalt an
Frauen protestiert, und das nicht nur in Frankreich, sondern auch in
Deutschland: Hier sollte man meinen, hätten sich die Frauenrechte
in den vergangenen Jahren verbessert, aber das Bundeskriminalamt/BKA
liefert andere Belege. „Hass und Gewalt gegen Frauen“ seien ein
„zunehmendes gesellschaftliches Problem“, sagt der BKA-Vizepräsident.
Steigerungen gibt es bei häuslicher Gewalt, eine drastische Zunahme bei
Hasskriminalität im Netz. Im Jahre 2023 gab es 360 Femizide, davon 155
Frauen, die von ihrem Partner/Ex-Partner getötet wurden. Von einem
flächendeckenden Angebot an Frauenhäusern ist man weit entfernt, und das
geplante Gewalthilfegesetz geht wohl im Wahlkampf den Bach hinunter.
Dazu eine Karikatur, deren Bedeutung sich erst erschließt, wenn man sie
laut liest und dabei richtig betont.
Zur Entspannung - Eine Feuerwehrwache in München: Die
Feuerwehrleute hatten zur Motivation ein Bild aufgehängt, das ihre
Rettungsaktionen aus einem sexistischen Blickwinkel sieht – vornehm
ausgedrückt. Eine Gleichstellungsbeauftragte veranlasste eine
Übermalung, die auch nicht besser wurde. Als die übermalte Version auch
verschwinden musste, ließ der Popo-Künstler Tassen mit seiner
Originalversion anfertigen, deren Nutzung die Leitung der Feuerwehr
(angeblich) untersagte, was aber einige Münchner CSU-Stadträte nicht
daran hinderte, mit ihnen „aus Solidarität mit der Feuerwehr“ zu
posieren - damit die „Me too‘ler“ nicht gar zu groß werden.
Schlusschoral
Wenn wir wollen, dass „das Lebbe vernünftig weitergeht“ sollten wir uns
nicht an den Retrotendenzen unserer Zeit orientieren, an einer AfD, die
sich als „Partei der Zukunft“ stilisiert, an Politikern wie Putin und
Trump, die ihr Land auf Kosten anderer „wieder groß machen“ möchten, an
Leugnern des Klimawandels und Verschwörungstheoretikern. Wir sollten uns
eher dem Paradoxon aussetzen, das Tomaso di Lampedusa wie folgt
formuliert hat:
"Wenn wir wollen,
dass die Dinge so bleiben, wie sie sind,
brauchen wir Veränderungen.“
Dezember 2024
„Die Kriege werden kein Ende
nehmen,
die Friedenstaube wird wieder eingefangen,
gekauft und verkauft und wieder gekauft;
die Taube ist niemals frei.“
Düstere Töne in dem Lied „Anthem/Hymne“ von Leonhard Cohen, wie wir sie
„wenigstens an Weihnachten“ nicht gerne hören wollen. Aber dann fährt
Cohen fort, und es wird eine Hymne auf die Hoffnung:
„Es gibt einen Riss, einen Riss in
allen Dingen,
und da kommt das Licht herein.“
Dazu gibt es gleich
Erfreuliche Meldungen – oft nur Lichtblitze
Rettungsaktion: Vor Lampedusa wurde die 11-jährige Yasmine von
einem deutschen Segelboot gerettet. Sie war stundenlang an zwei
Autoreifen geklammert im Mittelmeer getrieben. Sie hatte als einzige von
40 Bootsinsassen überlebt. Die von Schleusern für eine einmalige Fahrt
zusammengeschweißten Stahlkähne sind völlig hochseeuntauglich.
Kirchenasyl: In Bremen scheiterte um drei Uhr nachts ein
Polizeieinsatz, bei dem man einen Somalier aus dem Kirchenasyl holen
wollte. Rund 100 Leute stellten sich den Beamten entgegen, der Pastor
läutet die Glocken, „bis die Polizei abgezogen war“. Im Anschluss wurden
Schuldzuweisungen ausgetauscht. Der Innensenator bezichtigte die Kirche,
dass sie die Vereinbarung über Härtefälle gebrochen habe, die AG „Asyl
in der Kirche“ kritisierte die schärfere Gangart gegen das Kirchenasyl
von Seiten des Bundesamts für Flüchtlinge/BAMF.
Trendwidrige Zustimmung: In Baierbrunn/Lkr. München hat eine
belastbare Mehrheit von 57,1 Prozent bei einem Ratsentscheid dafür
gestimmt, dass Unterkünfte für 68 Flüchtlinge gebaut werden können. Das
Landratsamt hatte im Vorfeld zugesagt, vornehmlich Familien in die
Gemeinde zu entsenden.
Haarrisse
Iran: Als das Parlament Anfang des Monats ein neues Gesetz
verabschieden wollte, war die Empörung groß – und das nicht nur bei den
Frauen. Auch im Macholager zeigte sich eine gewisse Skepsis, ob das
Gesetz dem vorsichtig eingeschlagenen Kurs, der darauf zielt, eine
Lockerung der Sanktionen zu erreichen, entgegenstehen könnte. Im
Nationalen Sicherheitsrat wurde die Verabschiedung des Gesetzes zunächst
aufgeschoben, und dann legte auch noch der Präsident sein Veto ein.
Jetzt erwartet man, dass das Gesetz, das bei Verstößen hohe Geldstrafen,
Berufsverbote und Ausreisesperren vorsah, zumindest teilweise revidiert
wird, dass beispielsweise der sichtbare Haaransatz bis zu einem
Zentimeter straffrei ist. (
Vorsicht: Teilsatire!)
Türkei: Da grenzt eine Nachricht aus dem islamischen Staat fast
schon an das christliche Weihnachtswunder. Da hatte die
rechtsnationalistische Partei MHP, Erdogans Koalitionspartner,
Spekulationen über eine mögliche Freilassung des kurdischen PKK-Chefs
Öcalan getätigt, wenn die PKK bereit wäre, ihre Waffen niederzulegen.
Erdogan hat sie nicht zurückgepfiffen. Und zum ersten Mal durfte Öcalan,
der seit 1999 inhaftiert ist, von zwei kurdischen Abgeordneten besucht
werden.
Umsturz in Syrien
Das war der „Hammer“ im Monat Dezember. Als Ende November das
islamistische HTS-Bündnis aus seinem „Reservat“ in Idlib ausbrach und
mit anderen Milizen den Kampf gegen Assad aufnahm, war das zunächst nur
Stoff für eine Kurzmeldung. Dann überschlugen sich binnen kurzer Zeit
die Ereignisse, die in der Folge „Aleppo – Hama -Homs – Damaskus -
Flucht Assads“ jeweils nur zwei Tage beanspruchten.
Dann kamen die Bilder: skandalös die Fotos von Assads Luxuspalast,
verständlich der Sturz der Denkmäler, berührend die Videos von
Gefangenen, die barfuß in die Freiheit torkeln, die Angehörigen, die in
den verwinkelten Gängen des Saidnaya-Gefängnisses nach verschwundenen
Familienmitgliedern suchen, schockierend die Fotos von toten
Folteropfern und den Instrumenten, mit denen sie zu Tode gebracht
wurden.
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„Kleiderbasar“ im Schlachthaus von Saidnaya
Und dann kamen die Fragen? Wie ergreift man die Täter, die sich nicht in
ein russisches Fluchtzeug retten konnten? Wie werden die Islamisten mit
den Minderheiten umgehen (Kurden, Christen, Alawiten)? Wie mit den
Frauen? Werden sie es lernen, dass man auch Politikerinnen wie Frau
Baerbock mit Handschlag begrüßt? Die
SZ formuliert ihre
Erwartungen an die neuen Herrscher sehr vorsichtig:
„Das HTS ist weder ein Verein zur
Förderung der Demokratie, noch ist es der IS/Islamischer Staat. … Es
ist eine Gruppe, die sich nach radikalen Anfängen gemäßigt hat,
damit sie regieren kann.“
Genauso schnell wie der Siegeszug des HTS von statten ging, tauchte in
Deutschland die Frage auf, wie man mit den syrischen Flüchtlingen
umspringen soll, v.a. mit jenen, die wir nicht in Krankenhäusern und
Pflegeheimen brauchen können. Da gehörten Aussagen wie die von Herrn
Merz „Für mich ist es heute noch zu früh, darüber ein endgültiges Urteil
abzugeben“ fast schon zu den systemgefährdenden Ausnahmen. Als es dann
auf Weihnachten zuging, wurden die Töne in Sachen Abschiebung etwas
weniger schrill. Ob da eine Geschichte von einer vergeblichen
Herbergssuche eine Rolle gespielt hat? Oder Erwägungen folgender Art?
Nachrichten aus den anderen Konfliktzonen
Russland- Ukraine
- Das Anti-Imperium schlägt zurück: In Moskau wurden der General Igor
Kirillow und sein Fahrer getötet, als neben ihnen ein E-Scooter
explodierte. Der General soll für den Einsatz von Chemiewaffen im Krieg
verantwortlich gewesen sein. Für den ukrainischen Geheimdienst galt er
deswegen als „legitimes Ziel“.
- Friedensfantasien: Die Aussicht, dass sich der Konflikt zu einem
anhaltenden Zermürbungskrieg entwickelt, „heizt die Fantasien von einem
politischen Friedensschluss an“. Inder EU gibt es Überlegungen, wie die
Sicherheit der Ukraine garantiert werden kann, für Putin gibt es nur
einen Frieden zu seinen Bedingungen, und von Trump weiß man weder, wie
er den Krieg „in einem Tag“ beenden will, noch, ob er sich überhaupt
damit befassen will.
Naher Osten
- Amnesty-Bericht: AI wirft Israel vor, mit der Kriegsführung im
Gazastreifen Völkermord zu begehen. Auf 296 Seiten wird eine These
aufgestellt, die beim IGH noch unter „Anfangsverdacht“ läuft und für den
der IStGH „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ hat. Dass der Vorwurf von
Israels Regierung als „falsch und verlogen“ zurückgewiesen wird, war zu
erwarten. Ernst zu nehmen ist der Einwand von Eva Illouz, eine
französisch-israelische Soziologin. Sie hält den Vorwurf für „unehrlich
und antisemitisch“, weil in der Vergangenheit Vergehen von weitaus
größerer Dimension (Ruanda 1994) nicht als Völkermord gewertet wurden.
Aber sollte man gerade deswegen in Gegenwart und Zukunft nicht
deutlicher werden, wenn es um die Einstufung als Genozid geht? Was
hingegen den Vorwurf von AI anbelangt, dass israelische Politiker von
Rechtsaußen die Palästinenser am liebsten als Ganzes loswerden möchten,
ist zu sagen, dass deren Vorschläge, von Ausnahmen abgesehen, in
Richtung Zwangsaussiedlung gehen, und nicht auf die physische
Vernichtung der Palästinenser abzielen. „Mörderisch“ ist die derzeitige
Kriegsführung in Gaza allemal, ob sie schon „völkermörderisch“ ist,
sollten wir als Deutsche eher nicht entscheiden.
- Zwei Ex-Generäle – zwei Meinungen: Auch beim israelischen Militär sind
die Meinungen über die Kriegsführung konträr. Giora Eiland, der führende
Kopf hinter dem „Plan der Generäle“ ist für eine Verschärfung. Die
Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen soll vertrieben werden, und wer
nicht gehen will, wird ausgehungert. Mosche Jaalon hingegen wirft seinem
Land „ethnische Säuberungen“ vor und spricht von „Kriegsverbrechen“, die
Israel „in den Ruin“ treiben.
- Haftbedingungen – grausam auf beiden Seiten: Seit dem Terrorangriff
der Hamas steigt die Anzahl palästinensischer Gefangener in Israels
Gefängnissen. Ihre Behandlung, so die MR-Organisationen, gleicht
„systematischer Folter“. Das „Gegenstück“ liefern israelische Ärzte, die
freigelassene Geiseln behandelten. Nahezu alle waren körperlicher,
seelischer oder sexueller Gewalt unterworfen.
Georgien – ein Land in der „Zerreißprobe“
Nach den Wahlen im Oktober, deren Ergebnis für viele Beobachter
„statistisch unmöglich oder nur durch Wahlbetrug zu erklären war“, kam
es im Dezember erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen
Sicherheitskräften und Opposition. Sie erreichten ihren (vorläufigen)
Höhepunkt, als der neue Präsident Kawelaschwili sein Amt antrat und die
EU-freundliche Präsidentin Surabischwili unter Androhung von Verhaftung
aus ihrem Amtssitz geekelt wurde. Mit dem neuen Präsidenten und dem
„Strippenzieher“, dem Milliardär Iwanischwili im Hintergrund, wird sich
das Land Richtung Moskau ausrichten. Als amtierender EU-Ratspräsident
kam ausgerechnet Orbán nach Tiflis – und gratulierte seinem
„Autokraten-Bruder“. Donald Trump hingegen lud die geschasste
Präsidentin zur Amtseinführung ein.
Südkorea – „Putsch eines Inkompetenten“
Auch dort brodelt es, seit Präsident Yoon Suk Yeol am Monatsanfang für
ein paar Stunden das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Als Begründung nannte
er, dass die Opposition mit Nordkorea sympathisiere. Dann stürmten 190
(von 300) Abgeordneten das Parlament und stimmten für eine Aufhebung der
Maßnahme. Soldaten, die die Abstimmung verhindern sollten, wurden mit
Feuerlöschern zurückgedrängt. Zur Monatsmitte wurde Yoon von seinem Amt
suspendiert, und auch sein Nachfolger hielt nicht lange durch. Gegen
Jahresende war man damit beschäftigt, Yoon zu verhaften, aber der
Polizei gelang es bisher nicht, sich gegen das Militär durchzusetzen. In
Nordkorea werden sie sich ins Fäustchen lachen - und bedauern, dass sie
ihre Soldaten an Putin verliehen haben.
AI-Nachrichten
Strafgerichtsbarkeit: Als im März Premierminister Netanjahu in
den „Genuss“ eines Haftbefehls kam, warnte eine deutsche Diplomatin von
einem „Selbstmord“ des Gerichts, weil es sich übernehme und Gefahr
laufe, die Unterstützung westlicher Staaten zu verlieren. Jetzt könnte
es zu einem „Fremdmord“ kommen, denn die US-Republikaner bereiten
Sanktionen vor, die das Gericht lahmlegen könnten. Diese Sanktionen
würden alle treffen, die IStGH-Ermittlungen gegen die USA und ihre
Verbündeten (Israel) unterstützen. Das Gericht, so der Republikaner
Lindsey Graham, sei ein „gefährlicher Witz“ und solle sich gefälligst
wieder auf Ermittlungen gegen afrikanische Milizenführer beschränken.
Letzteres hat er nicht gesagt, aber gemeint.
Frauenrechte: In Avignon ging der spektakuläre
Vergewaltigungsprozess um Gisèle Pelicot zu Ende. Der Ehemann erhielt
zwanzig Jahre und scheint das Urteil akzeptiert zu haben, bei den
Mitangeklagten blieben die Richter teilweise hinter den Forderungen der
Staatsanwaltschaft zurück. Trotzdem wollen viele von ihnen Berufung
einlegen. Ihre Anwälte hatten teils haarsträubende Argumente
vorgebracht, etwa, dass sie überzeugt waren, sich nur „an einem Sexspiel
eines freizügigen Paares beteiligt zu haben“. Frau Pelicot hatte den
Mut, das Verfahren öffentlich zu machen, „damit die Scham die Seite
wechselt“. Dieser Slogan wird hoffentlich Geschichte machen.
Eine mutige Frau
Polizeigewalt: In einem New Yorker Gefängnis wurde der Häftling
Robert Brooks von Gefängniswärtern brutal verprügelt und tags darauf für
tot erklärt. Einer der Wärter stand dabei, lachte und scherzte mit einem
Kollegen. Muss man noch dazu sagen, dass die Wärter weiß und das Opfer
schwarz waren?
Politische Gefangene – gleich deren drei
- Algerien: Friedenspreisträger, das hat Algerien von China und
dem Iran gelernt, sind am besten hinter Gittern aufgehoben. Der
Schriftsteller Boualem Sansal, immerhin Träger des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels, wurde im November am Flughafen von Algier
verhaftet. Zum Verhängnis geworden scheint ihm ein Interview zu sein, in
dem er im Konflikt Algier – Marokko um die Westsahara die Staatsgrenzen
Algeriens in Frage stellte.
- Russland: Der 19-jährigen Aktivistin Darya Kosyrewa drohen
siebeneinhalb Jahre Straflager, weil sie am Sockel einer Statue des
ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko einen Zettel mit einem seiner
Verse angeklebt hatte. Die Verse sind in der Freiheitslyrik des 19.
Jahrhunderts gehalten, aber mit einem faulen Trick versuchte die
Anklage, Kosyrewa die Diskreditierung der russischen Armee zu
unterstellen. Sie habe den Punkt am Ende der Verse durch ein
Ausrufezeichen ersetzt und damit einen neuen Text mit aktualisierter
Bedeutung geschaffen. Die Tatsache, dass auch in anderen Ausgaben des
Gedichtes das Ausrufezeichen stand, interessierte das Gericht nicht.
- Iran: Als am Mailänder Flughafen ein Iraner verhaftet wurde,
dem die Auslieferung in die USA drohte, hätten bei allen italienischen
Einrichtungen, die Vertreter im Iran haben, die Alarmglocken läuten
müssen. Der Iran hält seinen regimetreuen Staatsbürgern die Stange –
ganz gleich, wie kriminell sie sind, und nimmt sich zu deren Schutz
Geiseln – ganz gleich, wie unschuldig diese sind. Nur wenige Tage nach
der Verhaftung in Mailand wurde im Iran die Journalistin Cecilia Sala
festgenommen, aber die Anschuldigung lautete natürlich „Verstoß gegen
die Mediengesetze“ und nicht „Austauschobjekt“. Am 8. Januar 2025 wurde
sie freigelassen – bis jetzt ohne „Gegenleistung“ Italiens.
AfD-Rubrik
- Kanaren-Route: 10 000 Flüchtlinge ertrunken.
- Infantinos Meisterwerk: Der Fifa-Boss vergibt die Fußball-WM 2034 ohne
Abstimmung nach Saudi-Arabien.
- Rechtsradikale greifen in Berlin SPD-Wahlkämpfer an.
- Justizopfer Genditzki soll 100.000 Euro zahlen, u.a. für „Unterkunft
und Verpflegung“.
- Die AfD will ihre Jugendorganisation JA „umbauen“, d.h. an die Leine
nehmen. Dann ist sie in zweifacher Hinsicht „gesichert
rechtsextremistisch“.
- Verleihung des Sacharow-Preises an zwei venezolanische Oppositionelle:
Edmondo Urrutia ist nach Spanien geflüchtet, María Machado lebt im
Untergrund.
Dissonanzen zum Jahresausklang
Haft für Klimaprotest: Der Klimaschutz-Aktivist Karl Braig
musste kurz vor Weihnachten seine Haftstrafe von fünf Monaten antreten.
Er hatte sich in Passau zweimal auf Straßen festgeklebt, war zu einer
Strafe auf Bewährung verurteilt worden, hatte sich geweigert, die
Bewährungsauflage von 500€ zu zahlen und obendrein noch die Frist für
eine Berufung versäumt (oder ignoriert). 50 Sympathisanten bereiteten
ihm bei Haftantritt vor der JVA Kempten einen tränenreichen Abschied.
Man kann durchaus die Meinung vertreten, dass die „Letzte Generation“
mit ihrem Protest auf den Straßen nichts verloren hat (und besser den
Straßenrand besetzen sollte), - aber ins Gefängnis gehört sie
keinesfalls.
Haarspaltereien bei Waffenexporten: Deutschland hat sich seit
Beginn des Jahres mit Waffenexporten nach Israel zurückgehalten, sodass
Israel schon von einem “stillen Embargo“ sprach. Im Oktober aber hat die
Aufsichtsbehörde BAFA die Ausfuhr von Getrieben für den israelischen
Merkava-Panzer genehmigt. Die Getriebe seien nämlich keine
„Kriegswaffen“, sondern nur „sonstige Rüstungsgüter“. Und dafür sind die
Exportvorschriften lockerer. Aber eingebaut werden sie nicht in
Traktoren, sondern in die Kriegswaffe „Panzer“.
Deutscher Wahlkampf mit Elon Musk: Der Tech-Milliardär soll
Autist sein, aber während man anderen Autisten von Herzen wünscht, dass
ihre Sprechhemmung geheilt oder zumindest gelindert wird, wünscht man
sich bei Musk, nach allem, was er für die AfD gefaselt und wie er unsere
Politiker angerotzt hat, er möge doch endlich das Maul halten.
Klaasohm auf Borkum: Der Nikolaus/Krampus geht auf Borkum nicht
auf die Kinder, sondern auf die Frauen los, und das nicht mit der Rute,
sondern mit Kuhhörnern. Es hat relativ lange gedauert, bis das Ritual
unter Beschuss geriet, denn der zuständige Burschenverein wurde schon
1830 gegründet. Nach der Kritik, die durch einen Bericht in
Panorama
ausgelöst wurde, beschloss der Verein, den „Brauch des Schlagens“
dieses Jahr abzuschaffen. Im Vorfeld hatten übrigens 150-200 Frauen
dafür demonstriert, den Brauch beizubehalten. Denen … ! (
Der Rest des
Satzes wurde wieder einmal von der Zensur gestrichen!)
Und keiner fragt, wie es die Männer überleben sollen!
Um den Weihnachtsmonat nicht allzu düster ausklingen zu lassen, - die
Ankündigung, dass die Frauen auf Borkum
dieses Jahr nicht
geschlagen wurden -, trägt ja auch nicht gerade viel zur Aufhellung bei,
fügen wir ein Gedicht von Mascha Kaléko an, das uns helfen soll, die
Alpträume Trump und Putin zu ertragen (und womöglich zu überstehen).
Die Nacht, in der das Fürchten
wohnt,
Hat auch die Sterne und den Mond.
Tätigkeitsbericht: Das AI-Jahr
Im Landkreis Miesbach
3.1 Schreibtischtaten
Unvorsichtigerweise haben wir uns heuer im „Netzwerk Eilaktionen“
angemeldet. Das hat zum einen dazu geführt, dass wir mit Appellbriefen
geflutet werden, zum anderen aber auch dazu, dass wir im Kerngeschäft
von AI, dem Einsatz für Einzelfälle mit Dringlichkeitsstatus, mitmischen
können. Wo verfügbar, ergänzen wir die Fälle mit Informationen über
deren weiteres Schicksal – die nicht immer erfreulich sind und bisweilen
AI und andere Initiativen als „lahme Enten“ erscheinen lassen.
Vier kurdische Dissidenten/Iran (Januar)
Die vier Männer verschwanden schon im Juli 2022 und wurden später einem
unfairen Gerichtsverfahren unterworfen. Die Todesurteile wurden im
Januar 2024 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Am Monatsende wurden sie
hingerichtet. Die Leichen wurden den Familien nicht übergeben, sondern
an einem unbekannten Ort verscharrt. Ihr Verbrechen: Sie waren Kurden.
Zwei Jahre Krieg in der Ukraine (Februar)
Da ging die Post ab in Richtung russische Botschaft, und es waren keine
verspäteten Glückwünsche zum russischen Weihnachtsfest. Es wurde alles
aufgezählt, was die „russische Welt“ dem zivilisierten Rest des Planeten
zu bieten hat: Angriffskrieg, Attacken auf Krankenhäuser und
Wohngebiete, Einsatz verbotener Waffen, Unterdrückung der Opposition.
Der Botschafter hat nicht geantwortet, der Krieg geht weiter.
Yu Wensheng, Xu Yan/China (März)
Ein dreistes Bubenstück leisteten sich die chinesischen Behörden, als
sie den bekannten Menschenrechtsanwalt und seine Frau festsetzten, als
sie im April 2023 auf dem Weg zu einem Treffen mit einer EU-Delegation
in Peking waren. Man warf ihnen vor, „Streit anzuzetteln“, und man
setzte, da dieses Vergehen wohl doch nicht schwer genug war, noch
„Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ hinzu. Das
Ernährungsangebot im Gefängnis scheint eher bescheiden zu sein, denn
Frau Yan soll 14 Kilo verloren haben. Im Oktober 2024 wurden sie dann
beide zu Haftstrafen verurteilt.
Manahel al-Otaibi/Saudi-Arabien (April)
Die junge Frau wurde im Januar 2024 in einem Geheimprozess zu 11 Jahren
verurteilt. Ihre „terroristischen Aktivitäten“ bestanden aus Tweets für
Frauenrechte und einem geposteten Foto, auf dem sie in einem
Einkaufszentrum ohne die traditionelle Abaya/Nonnenkutte auftrat.
Manahel wurde im November 2022 festgenommen und ein Jahr später für fünf
Monate „aus dem Verkehr gezogen“. Die Familie wurde erst wieder im April
2024 über ihren Verbleib informiert. Im Gefängnis wurde sie brutal
geschlagen und erhielt trotz eines gebrochenen Beins keine medizinische
Behandlung. Wie man hört, hat man Gianni Infantino ihre Freilassung
versprochen, wenn er die Fußball-WM von 2034 an Saudi-Arabien vergibt. (
Vorsicht
Satire!)
Chhim Sithar/Kambodscha (Mai)
Die Gewerkschaftlerin wurde im November 2022 festgenommen und im Mai
2023 zu zwei Jahren Haft verurteilt, wegen „Anstiftung zu einem
Verbrechen und Störung der sozialen Sicherheit“ - was ein
Gewerkschaftler halt so begeht, wenn er/sie zu Streiks gegen
Massenentlassungen aufruft. Während ihrer Haft lehrte sie ihre
Mitgefangenen, Blumen aus Restmaterialien zu basteln, die sie dann
verkaufen konnten. Im September 2024 hat man sie vorzeitig entlassen.
Todeskandidaten der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung/Iran (Juni)
Sie werden es nicht glauben, aber mindestens zwei von ihnen sind
davongekommen. Für Mahmoud Mehrabi hatte sich der Bischof von Mainz
eingesetzt. Im November 2024 wurde er vom Vorwurf der „Korruption auf
Erden“ freigesprochen. Dafür hat man seine Schwester zu sechs Jahren
verurteilt. Auch der Rapper Toomaj Salehi, Ehrenmitglied von PEN Berlin,
ist wieder auf freiem Fuß. Wie lange? wird man sich fragen, wenn man
seine mehrjährige Protestgeschichte kennt. Bei seiner Verurteilung im
Herbst 2022 veröffentlichte er eine Videobotschaft, die ahnen lässt, wie
einsam jemand ist, der seiner/ihrer Hinrichtung entgegensieht.
„Weint nicht um mich, wenn ich
morgen sterbe. Eure Tränen würden mich nicht zurückbringen. Wenn ihr
euch ernsthaft um mich sorgen würdet, wäret ihr jetzt an meiner
Seite.“
Das wäre im Iran aber gar nicht so leicht, weil der Familie und den
Anwälten für gewöhnlich der Zugang verwehrt wird.
Leonard Peltier/USA (Juli)
Sein Fall gehört zu den krassesten Beispielen in der Justizgeschichte
der USA, und selbst, wenn er schuldig wäre, sollte seine Freilassung
ganz oben auf die Amnestieliste von Präsident Biden gehören. Hier einige
„Kostproben“ zum Fall:
- verurteilt 1977 wegen mutmaßlicher Tötung von zwei FBI-Agenten bei
einer Auseinandersetzung mit Mitgliedern der Initiative American Indian
Movement
- wiederholte Ablehnung von Entlastungszeugen, deren Aussage „nachteilig
für die Regierung sein könnte“
- Einbehaltung von Beweismaterial zum Zeitpunkt des Verfahrens
- Eingeständnis der Staatsanwaltschaft, dass es „keine direkten Beweise
für seine Täterschaft gäbe“
- Empfehlung des zuständigen Staatsanwalts: Begnadigung
Ob Peltier zu den 39 Tätern zählt, die Präsident Biden im Dezember
begnadigt hat, oder als „Terrorist“ geführt wird, die nicht begnadigt
werden, weiß ich (noch) nicht. Wenn Trump sein Amt antritt, wird er
Peltier nach fast 50 Jahren Haft eher hinrichten lassen, als ihn
begnadigen.
Verhaftung von Demonstranten/Venezuela (August)
Im Nachgang zu den Präsidentschaftswahlen wurden mehr als 2000 Personen
verhaftet, die gegen das schamlos gefälschte Wahlergebnis protestiert
oder regierungskritische Äußerungen getätigt hatten. 105 Inhaftierte
sind Jugendliche, mindestens 16 sind behindert. Da man sie In
Hochsicherheitsgefängnisse verlegt hat, besteht die Gefahr, dass sie
misshandelt und gefoltert werden.
Sharifeh Mohammadi/Iran (September)
Die Frau hatte sich aller Verbrechen schuldig gemacht, die den Mullahs
den Turban hochtreibt: Einsatz für Frauenrechte, gewerkschaftliche
Aktivitäten, Kampf gegen die Todesstrafe. Umso erstaunlicher ist es,
dass das Urteil vom Juli 2024, wo sie wegen „bewaffneter Rebellion gegen
den Staat“ zum Tode verurteilt worden war, schon im Oktober aufgehoben
wurde. Neben AI hatte auch die IG Metall in Zwickau Unterschriftslisten
zirkulieren lassen. Im November sollte allerdings ein neuer Prozess
beginnen.
Khaled Al Serr/Israel (Oktober)
Der palästinensische Chirurg wurde im März 2024 nach einer Durchsuchung
des Nasser-Krankenhauses in Khan Younis/Gazastreifen festgenommen Sein
Verbleib wurde drei Monate lang geheim gehalten, dann wurde er in ein
Militärgefängnis im Westjordanland verlegt und im Rahmen des Gesetzes
über ungesetzliche Kombattanten ohne Anklage und Gerichtsverfahren
festgehalten. Vom ersten Tag seiner Haft an, so sein Rechtsbeistand,
wurde er erniedrigt und gefoltert. Das deckt sich mit jüngsten Berichten
über die unmenschliche Behandlung von Palästinensern in den israelischen
Militärgefängnissen. Ende September wurde er entlassen. Bei einem Verhör
durch den Inlandsgeheimdienst erfuhr er, dass für ihn eine Kampagne
laufe.
Carey Grayson/USA (November)
Er war einer von vier jungen Tätern, die 1994 eine Anhalterin
ermordeten. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete nacheinander alle vier
als „Führer der Bande“, aber Grayson kam als Einziger in die Todeszelle,
weil er zur Tatzeit schon 19 Jahre und damit volljährig war. Am 21.
November wurde er hingerichtet. Die Vollstreckungsmethode durch
Stickstoffgas soll er selbst gewählt haben, aber da es fast eine halbe
Stunde dauerte, dürfte der Tatbestand der „grausamen und ungewöhnlichen
Bestrafung“, die von der Verfassung verboten ist, gegeben sein. Alabama
verzeichnet 2024 mit (bisher) sechs Hinrichtungen die (bislang) höchste
Zahl an Hinrichtungen aller US-Bundesstaaten. Da versteht man, warum der
Sänger „mit dem Banjo auf dem Knie“ nicht in Alabama bleiben möchte.
Sonia Dahmani/Tunesien (Dezember)
Die Rechtsanwältin ist seit Mai 2024 in Haft. Die Behörden gehen gleich
mit fünf Strafverfahren gegen sie vor. Sie hatte in (teils ironischen)
Fernsehkommentaren die Haftbedingungen in den Gefängnissen und die
Misshandlung von Flüchtlingen kritisiert – ein typischer Fall des
Tatbestands „Cyberkriminalität“. Die Haftbedingungen für Frau Dahmani
sind unmenschlich. Sie ist extremer Kälte ausgesetzt und hat keinen
Zugriff auf saubere Kleidung.
3.2 Verschiedenes
Reaktionen auf den Jahresbericht 2023
- Der
Merkur hat uns unter dem Titel „Kleine Gruppe, großes
Engagement“ einen langen Artikel gewidmet und ist dabei ausführlich auf
die Freilassung der beiden „Blumenfrauen“ aus der U-Bahn in Teheran
eingegangen. An dieser Stelle dem
Merkur und dem
Gelben
Blatt unseren Dank für die wohlwollende und pünktliche Abdeckung
unserer Arbeit und unserer Veranstaltungen. Sie tragen dazu bei, dass
unsere Randgruppenexistenz etwas „aufgelockert“ wird.
- Eine Leserin hat sich dem Jahresbericht „mit bangem bis grausendem
Interesse und doch auch mit Vergnügen“ gewidmet.
- Ein Leser hat uns zu seinen „Consensualen Grüßen“ hinzu eine
suggestive Karte geschickt.
Wendelsteinbahn zum Thema „Lichtblick“
- Und von einem anderen getreuen Leser stammt auch heuer wieder das
Titelbild. Es zeigt eine Gruppe einheitlich gekleideter
Menschen/Gefangene (?), die voller Hoffnung auf eine gebrochene Sonne
blicken – oder sich abwenden, weil sie die Hoffnung schon aufgegeben
haben.
Bilanz zur Todesstrafe 2023
Es gibt zwar „weniger ‚Henkerstaaten‘ aber mehr Hinrichtungen“. Die Zahl
der (bekannt gewordenen) Hinrichtungen war bei 1153, ein Anstieg von 31
Prozent gegenüber 2022 und damit die höchste Zahl seit fast einem
Jahrzehnt. Und das sind nur Mindestzahlen, denn in Staaten wie China
wird das Thema Todesstrafe als Staatsgeheimnis geführt, was durchaus
verständlich ist, denn man geht von Tausenden von Hinrichtungen aus.
Rekordhalter bei den bekanntgewordenen Hinrichtungen war und ist der
Iran.
Trotz dieser Zahlen ist AI verhalten optimistisch: Es gibt Staaten, die
die Todesstrafendelikte reduziert, ein Hinrichtungsmoratorium verhängt
oder 2023, im Gegensatz zum Vorjahr, niemand hingerichtet haben. Aber es
gibt auch immer wieder Meldungen wie „Das Land hat damit zum ersten Mal
seit x- Jahren wieder eine Hinrichtung vollzogen.“
Leserbrief zur Bürgerversammlung in Warngau
Nach der stürmischen Bürgerversammlung in Warngau (s. Februar 2024) hat
Inge Jooß, Integrationsbeauftragte und Chefin des Helferkreises in
Miesbach, einen couragierten Leserbrief eschrieben, aus dem ich eine
Passage zitieren möchte.
„… und es ist sehr traurig, dass
sich anscheinend wenig in der Öffentlichkeitsmeinung geändert hat.
Vorurteile und Abgrenzung beherrschen die lauten Töne, z.B. wenn es
um die Unterkunft in Warngau geht. Diese Töne sind nicht nur laut,
sondern verletzend, „g’schert“ und ohne jeden Anstand, gerade wenn
es um die Attacken auf die Kommunalpolitiker und
Verwaltungsangestellten geht, die die Situation zu meistern
versuchen.“
Warngau hat sich in der einen oder anderen Form im Landkreis noch öfter
abgespielt. Flüchtlingsunterkünfte wurden instrumentalisiert – „Wenn ich
keine Baugenehmigung bekomme, stecke ich Flüchtlinge rein“ – oder mit
durchaus widersprüchlichen Parolen von Bürgerinitiativen – „Miteinander
für unser Dahoam – Stoppt die Massenunterkunft in … “ blockiert.
Finanzen
Dank eines Großspenders, diverser Förderer und Einzelspender und zweier
Veranstaltungen dürften wir unseren Jahresbeitrag von 2200€ problemlos
„erbettelt“ haben. Allen Beteiligten unseren herzlichen Dank. Wenn Sie
sich mit dem Gedanken tragen, als Groß-, Mittel- oder Kleinspender
Mitglied dieser Gruppe zu werden (und es noch nicht sind), dürfen Sie
den Satz mit dem „problemlos“ getrost überlesen.
Die Gruppe
Es gab wieder einen Neuzugang, für den wir sehr dankbar sind, denn
einige von uns werden älter, wenn auch langsam. Über Nachwuchs, neben
rüstigen Senioren/innen, auch Vertreter „jüngeren (und mittleren)
Datums“ würden wir uns freuen. Es wären auch immer wieder zwar nicht
lukrative, aber doch attraktive Posten zu vergeben, beispielsweise
„Einzelfallexperte, Kampagnenleiter, Infostandanimator,
Geldbeschaffungsprofi, Plakatmultiplikator und Gruppensprecher“. Und
alle Posten können angestrebt werden, ohne mit lästigen Gegenkandidaten
rechnen zu müssen.
3.3 Unser Fall in Malaysia: Hoo Yew Wah
Im August dieses Jahres erfuhren wir offiziell, dass Hoos Todesstrafe in
eine Freiheitsstrafe umgewandelt worden ist. Diese Strafe beträgt 30
Jahre und wird vom Zeitpunkt seiner Verhaftung 2005 berechnet. Er müsste
also 2035 freikommen. Verhaftet wurde er im Alter von 20 Jahren, weil
man ihn mit 188 Gramm Crystal Meth erwischt hatte. Der letzte
Jahresbericht wäre also wie folgt fortzuschreiben:
„Hoo wurde jetzt zu 30 Jahren Haft
verurteilt. Das bedeutet ein Jahr Haft für je sechs Gramm. Das ist
etwas überzogen, meint AI.“
Vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit wurde einmal der Fall eines
Heroinjunkies verhandelt, der sich zwei winzige Kügelchen Heroingemisch
(1,235 Gramm) gekauft hatte. Er wurde zu einer Geldstrafe in einer Höhe
verurteilt, die seinem Nettoeinkommen von drei Monaten entsprach. Das
ist ziemlich weit von einem Todesurteil entfernt, aber der
Gerichtsreporter deutete (zwischen den Zeilen) an, dass er auch das für
„etwas überzogen“ hielt.
Als zweiten Fall werden wir möglicherweise einen Fall aus Belarus
übernehmen.
3.4 Veranstaltungen und Aktionen
Quo vadis Afghanistan? (Januar)
Wir wurden von einer Lehrerin des Gymnasiums Tegernsee zu einem
Infoabend mit Dr. Reinhard Erös eingeladen, der über „Die politische und
soziale Lage nach Abzug der westlichen Truppen“ referierte – und das vor
einer Anzahl von Zuhörern, von der wir meist nur träumen können. Der
Militärarzt (und Ex-Oberst) engagiert sich seit 1986 in Afghanistan, hat
dort schon während der russischen Invasion mit hohem persönlichem Risiko
ärztliche Hilfe geleistet und betreibt jetzt mit seiner Familie die
„Kinderhilfe Afghanistan“, die u.a. eine Kette von Schulen umfasst, in
die auch Mädchen gehen können – (vermutlich) solange sie nicht 12 Jahre
sind. Vor diesem Engagement kann man nur den Hut ziehen!
Allerdings hatte er klare geopolitische Feindbilder (Grüne,
Nato-Staaten), attackierte aber auch „Widersacher“ im Saal, die seine
doch recht positive Sicht auf die Taliban – „Sie brachten Sicherheit“ –
zu relativieren suchten und Fragen nach den Einschränkungen für Frauen
(Kleiderordnung) stellten. Ich lieferte ihm eine Schreiduell, das ich
mit einem wütenden „Ich bin nicht Ihr Untergebener“ abschloss. Meine
Versöhnungsgeste am Ende der Veranstaltung wurde übersehen oder
ignoriert.
Demonstration gegen Rechtsextremismus (März)
Ausgelöst durch das Geheimtreffen in Potsdam vom November 2023, das den
deutschen Wortschatz mit dem Begriff „Remigration“ bereicherte, und das
derzeit durch die Gerichte geistert, weil man etwas gar nicht gesagt
oder so nicht gemeint hat, kam es in Deutschland zu einer beachtlichen
Anzahl von Demos. In Miesbach wurde sie von der Goldenen Parkbank und
von Fridays for Future organisiert, von 30 Organisationen unterstützt
und von mehr als 1000 Teilnehmern bestritten – einige davon
„Demodebütanten“. Die Reden am Marktplatz riefen auf zur Verteidigung
der Demokratie, zu Toleranz und Gastfreundschaft und zogen Parallelen zu
den Anfängen der Naziherrschaft. Dann setzte sich der Zug in Bewegung,
begleitet von „Nazi raus“- Sprechchören (der jüngeren Generationen!) und
von Rap-Slogans, die manchmal die Gürtellinie touchierten. Am
Kriegerdenkmal appellierten die Vertreter der Kirchen an die
Nächstenliebe und forderten dazu auf, auch AfD-Sympathisanten
„zurückzuholen“ – sofern sie das wollen, möchte man hinzufügen. Die Band
„Fun für Followers“ setzte den Schlusspunkt unter eine Demo, die der
Polizei einen geruhsamen Nachmittag bescherte und an die man sich bei
den nächsten Wahlen erinnern sollte.
Das Foto entstand wie auf Bestellung. Der Chefredakteur des
Gelben
Blattes hatte sich hoch oben an der Kirchenmauer postiert und
schien geradezu auf uns gewartet zu haben. Wir bedanken uns herzlich.
Ostermarkt in Fischbachau (März)
Wir hatten wieder ein vielfältiges Angebot an Ostersachen, Textilien,
Astviechern und Kleinmöbeln, aber, hinter vorgehaltener Hand, auch
einige „Ladenhüter“ und „Flohmarktkandidaten“. Und, aufgemerkt, nicht
alles waren Spenden, die Backwaren entstanden in Eigenleistung. Danke
für alles!
Was den Kundenverkehr anbelangte, hatte man fast den Eindruck, wir wären
auf zwei Märkten gewesen. Bei der ersten Schicht herrschte reger
Betrieb, die Einnahmen sprudelten, wir wurden zwei Jahresberichte, wenn
auch nur wenige Appellkarten los und konnten mit dem Begründer des
„Bayrischen Feuilletons“ ein Gespräch über das Goldene Rössl in
Altötting führen, zugegeben kein typisches AI-Thema.
Bei den folgenden Schichten war eher „wenig los“, es gab „keine
besonderen Vorkommnisse“, außer dass eine Frau die Appellkarte wieder
zurücklegte, als man ihr sagte, sie müsse sie nicht nur lesen, sondern
auch absenden. Immerhin nahmen wir über 400 Euro ein.
Schichtwechsel am Ostermarkt
Oster“Marsch“ (April)
Da im ersten Konzept der Veranstalter noch die Forderung „Keine
Waffenlieferungen an Konfliktparteien“ enthalten war, entschieden wir
uns mehrheitlich, die Veranstaltung nicht als AI-Gruppe, sondern nur
privatissimo zu unterstützen. Sie fand, deshalb die Anführungszeichen um
den „Marsch“, als Mahnfeuer statt. Es kamen etwa 35 Leute, die Reden
waren weitgehend völkerrechtskonform. Der „verbrecherische
Angriffskrieg“ wurde erwähnt, und es gab (diesmal) keinen Widerspruch,
weil keine Putin-Versteher präsent waren, bei der Verurteilung der
Kriegsziele wurden die der Ukraine als „unrealistisch“ bezeichnet, die
Ziele Russlands aber ausgespart, Waffenlieferungen an die Bereitschaft
zum Waffenstillstand geknüpft. Die Rede zum Krieg im Gazastreifen war
(zu Recht) sehr emotional, hätte aber auch den Terrorangriff der Hamas
mit einbeziehen müssen.
Bei den Klängen von „Bella ciao“, präsentiert von einem Ukulele-Duo, kam
Gemeinschaftsstimmung auf. Auch wenn wir nur „halb anwesend“ waren,
danken wir den Organisatoren. Sie waren uneingeschränkt
„friedenstauglich“.
Menschenrechts-Gala am Gymnasium (April)
Die Exklusivität, die der Titel der Veranstaltung ausstrahlt, schlug
sich auch im Programm nieder. Auf einer Länge von zweieinhalb Stunden
folgte ein buntes Feuerwerk an Tanz- und Musikdarbietungen, an
Theaterszenen und Infosequenzen zu den Themen Rassismus, Integration,
fairer Handel, Umwelt und zu Ländern wie China und Iran, wo es keine
Schulen gibt, an denen eine solche Menschenrechtsgala möglich ist. Nicht
vergessen wurde auch der Hinweis auf den AI-Briefmarathon, an dem das
Gymnasium schon seit mehreren Jahren teilnimmt. Im Gedächtnis bleiben
(neben allen anderen Auftritten) der Trauertanz über den Zustand der
Welt, der multikulturelle Komposthaufen – und natürlich die Verbrennung
des Feuervogels im Schulhof, der einem Phönix gleich wiederauferstand.
Nächtliche Auferstehung
Passend zum Problemland Iran durfte ich vom Aufstand der Frauen im
Evin-Gefängnis von Teheran und von der Freilassung der beiden
„Blumenfrauen“ berichten und mich bei Schüler- und Lehrpersonal dafür
bedanken, dass es innerhalb von vier Jahren schon drei Abende zum Thema
„Menschenrechte“ gab. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem AI 1972
kroch.“
Demo 2 – in Abwesenheit (Mai)
Die AfD hatte zur „reaktionärsten Wahlparty des Jahres “ eine Einladung
ins Netz gestellt, von der viele glaubten, es sei eine Verarschung der
Partei. Da war vom „Duft von Benzin“ und vom „Knacken der Spanferkel“
die Rede, und sexy Models posierten neben einem amerikanischen
Straßenkreuzer. Als Star des Nachmittags sollte „Mad Max“ auftreten,
hinter dem sich der unter Korruptionsvorwürfen „leidende“ Abgeordnete
Maximilian Krah verbarg. Aber zur Party kam es nicht. Krah und seine
„echten Männer“, die bekanntlich rechts sind, und ein paar versprengte
Frauen mussten ihren Auftritt nach Holzkirchen verlagern, weil der Wirt
in Miesbach kalte Füße bekommen hatte. Angeblich hatte man sein Auto
beschädigt und seinen minderjährigen Sohn belästigt.
In Miesbach hatte sich eine Gruppe von 270 Demonstranten versammelt, um
Krah in Abwesenheit „willkommen“ zu heißen, skandierte unter anderen
„Aufheizern“ auch „Miesbach hasst die AfD“, was zu Recht zu empörten
Zwischenrufen führte. Dann marschierte man zum Wirtshaus, wurde von der
Polizei in gebührender Entfernung platziert und ging bald friedlich
auseinander, weil einige den Zug nach Holzkirchen erwischen wollten. Das
befürchtete Haberfeldtreiben gegen den Wirt fand nicht statt. Aufsehen
erregte ein älterer Miesbacher, der auf seinem Rollator einen Kasten
Bier mitführte. Da die AfD im Vorfeld Freibier versprochen hatte, wollte
auch er ausschenken – aber nur an „echte Patrioten“.
Infoabend der VHS-Holzkirchen (Mai)
Wir waren eingeladen worden, bei einem Infoabend der VHS als
Mitveranstalter aufzutreten, und bei solchen Einladungen können wir
einfach nicht widerstehen. Unter dem Titel „Flucht aus Afghanistan – Von
Sammelabschiebungen zum Bundesaufnahmeprogramm“ sprach Professor Martin
Sökefeld von der LMU München mit großem Engagement über
Aufweichungstendenzen beim Abschiebeverbot und kritisierte scharf die
zögerliche bis unbarmherzige Aufnahme von gefährdeten Afghanen durch
Deutschland. Im Aufnahmeprogramm war ursprünglich von 18 000 Personen
die Rede, bis Ende Juni 2024 waren, so der
Deutschlandfunk, aber
erst 530 eingereist.
Der Referent gab auch einige bestürzende Beispiele von Opfern der
deutschen Bürokratie. Eine Frau, die bereits eine Zusage der
Kunstakademie in Berlin hatte, wurde von einem Beamten der deutschen
Botschaft in Pakistan aufgefordert, einen Löwen zu zeichnen. Als die
Zeichnung seiner Vorstellung von einem richtigen Löwen nicht entsprach,
erhielt sie keine Einreiseerlaubnis. Man kann davon ausgehen, dass der
Beamte eher kein Kunstsachverständiger war.
Infostand in Miesbach (20. Juli)
Es liegt uns fern, unseren Infostand in irgendeinen Bezug zum Attentat
auf Hitler zu bringen, außer, dass wir relativ erfolgreich waren,
während das Attentat leider gescheitert ist.
Wir hatten keine Hitzetoten zu verzeichnen, wurden 36 Karten und drei
Jahresberichte los, sammelten 11 Unterschriften und hätten
fast
zwei neue Mitglieder geworben. Die meisten Kommentare der Passanten
kannten wir schon: „Politik? Nein, danke!“, „Nein, heute nicht!“. Aber
keiner war ausgesprochen negativ, auch nicht die der Franz-Josef-Strauß
Nostalgikerin, die Angst vor Fremden hatte. Gefreut hat uns die Äußerung
einer Verkäuferin, die davon erzählte, dass sie „das (Menschenrechteln)
an ihrer Schule auch machten“.
Unser verstorbenes Mitglied Bernard Brown würde den Stand mit T.S. Eliot
so zusammenfassen: „It was (you may say) satisfactory.“
Intergenerationeller Infostand
Lange Nacht der Demokratie (Oktober)
Unser Befund dazu ist etwas gespalten. Einerseits wurde ein großartiges
Programm angeboten, das von Theaterszenen, Podiumsdiskussion, über
Graffiti-Workshop, Poetry Slam zu Friedensgebet und Silent Disco reichte
– und sehr gut besucht wurde. Dem Kreisjugendring sollte der Orden
„Halte Wacht, Demokratie“ verliehen werden.
Andererseits wurden wir von AI unbarmherzig an unsere Randexistenz
erinnert. Für unsere eindrucksvollen Plakate zum Thema „Demokratie und
Menschenrechte“ wurde uns eine Ecke zugewiesen, die abwechselnd von der
geöffneten Tür und von einem Bügelbrett blockiert wurde, sodass auch
Gruppenmitglieder unsere Schauwand nicht fanden. Der Eimer auf dem Foto
hat eher symbolische Bedeutung. Man hat uns zwar nach vier Stunden schon
abgehängt, aber wir haben die Bilder unversehrt bergen können.
Beim Aufbau hatten wir noch Platz
Glücklicherweise hat uns die Stadtbücherei die Möglichkeit geboten, die
Plakate, die Monika Wiegert konzipiert und Thierry Nédélec aktualisiert
hat, in Intervallen an einem Ort zu platzieren, wo sie auch sichtbar
sind und auch nicht in Gefahr sind, im Eimer zu landen.
Konzert mit Erich Kogler – „So is as Leben“ (Oktober)
Schon das Veranstaltungsplakat war ein Augenschmaus und stimmte auf
einen Abend ein, wo man sich als Publikum behaglich zurücklehnen konnte,
zusammen mit 70 anderen Besuchern, die uns den Vorzug vor attraktiven
Lesungen (der KulturVision) und richtungsweisenden Generalversammlungen
(der Gartenbauer und Imker) gegeben hatten. Bereut, glaube ich, hat es
niemand, denn der „Vollblutmusiker“ Erich Kogler, Ex-Schüler am
Gymnasium Miesbach, wo wir wieder die Aula nutzen durften, hat mit
leisen und schrägen Liedern und seinen originellen Texten für eine tolle
Stimmung gesorgt. Ob im Dialog mit seiner Frau (übers „Recht und Unrecht
haben“), seinen Einkaufsgewohnheiten bei Ikea („Fleischpflanzerl“),
seinen seltsamen Hobbys („Am Wochenende steh‘ i im Stau“) und seinen
nostalgischen Ausflügen in seine Schulzeit („Grabstein“) – alles passte.
Nur die Bereitschaft des Publikums zur Interaktion ließ etwas zu
wünschen übrig. Es wollte halt „einfach nur dasitz’n“.
Als Zugabe hat er dann sein Lied „Weihnachten in den Bergen“ gespielt,
das mit einem Höchstmaß an „Innerlichkeit“ daherkommt, sodass es gut zum
Musikantenstadel gepasst hätte, der es aber (angeblich und
unverständlicherweise) zurückgewiesen hat. Da mag man sich vielleicht
gefragt haben, ob sich da jemand nicht in hinterfotziger Manier über
Weihnachtsschnulzen lustig macht, indem er selbst eine schreibt.
Unser herzlicher Dank in alle Richtungen: Musiker, Techniker, Personal,
Schüler und Schulleitung.
Aufbau der Ausstellung „Ukraine – Alltag im Krieg“ (Oktober)
Die Ausstellung (Fotos
Agentur Ostkreuz, Beratung durch
Oleksandra Bienert, Recherchen von AI) fand bei der VHS-Holzkirchen
statt, und an Stelle der Ecke bei der „Langen Nacht“ hatte man uns jetzt
einen Platz im Keller zugewiesen, der allerdings den Vorteil hatte, dass
die Teilnehmer an den VHS-Kursen hier vorbeimussten. Auch wenn das jetzt
ein paar zusätzliche Zeilen zum (Über)lesen sind, kann ich es mir nicht
verkneifen, den Hängevorgang zu skizzieren, weil da drei Multitasker am
Werke waren, die anscheinend im Leben nie etwas anderes gemacht haben.
Hier der Vormittag in Stichworten:
Freundlicher Empfang durch die VHS-Leute – Abstieg zum Tatort – Leerung
der Bilderrahmen – Einfügung und Befestigung unserer Poster – Ergänzung
der Hängungshaken – Justierung der Hängungsschnüre – Hängung –
zufriedener Abgang.
Ausstellung: Vernissage (4. November)
Die Hochstimmung, die beim Aufbau geherrscht hatte, fiel schnell in sich
zusammen, obwohl Trump noch gar nicht Präsident war, denn zur Vernissage
kamen nur acht Leute, darunter ein AI-Kollege von der Würmtalgruppe, die
die Ausstellung im Januar 2025 machen wollte, und Monika Ziegler,
Vorsitzende der
KulturVision, deren wohlwollende Artikel von der
Dimension her schon öfter den Andrang des Publikums übertroffen haben.
Der Pressefotograf des
Merkur kam glücklicherweise so früh,
dass er die große Leere im Kellergang nicht mehr einfangen musste.
Die Anwesenden gingen (geradezu gespannt) durch die Ausstellung, folgten
(mit großer Betroffenheit) dem Kriegstagebuch des Monats Oktober und
stellten sich einfühlsam den Fragen, die beispielsweise ein verwüstetes
Esszimmer in Butscha hinterließ. Ob dies später auch die Kursteilnehmer
der VHS taten, wissen wir nicht. Wir danken der VHS, dass sie uns ein
ganzes Monat beherbergt hat.
Infoabend „Iran - Frau, Leben, Freiheit“ (November)
Obwohl wir die bewährte „Viererbande“ mobilisiert und 38 unserer Plakate
(mit ausgeprägtem Aufforderungscharakter!) verteilt hatten, kamen nur
zehn Besucher, acht davon Frauen. Die Männer scheinen von der
Kombination „Frauen – Freiheit“ abgeschreckt worden sein. Nicht dass die
eigene Frau da auf blöde Gedanken kommt! Die Referentin, Maryam
Shirinsokhan, hatte sich gründlich vorbereitet, ging punktgenau auf
unsere Themenwünsche ein und hat ihr Referat mit Kurzfilmen
angereichert. Einen ließ sie weg, weil er ihr selbst „zu nahe ging“.
Das kann man sich gut vorstellen, wenn man mit der (Vor)Geschichte der
Islamischen Republik Iran konfrontiert wird. Da war die prunkvolle
Krönung des Schah in einem Land, das voller sozialer Probleme war, da
gab es die Massentötungen der 1980/90er Jahre, wo auch Kinder getötet
wurden, wenn sie Augenzeugen der Liquidation ihres Vaters waren, da gab
es die Revolten gegen die Mullahs, die nach einigen „Schrecksekunden“
immer wieder niedergeschlagen wurden und zu verstärkter Repression
führten – da gab und gibt es aber auch die vielen Widerstandsgruppen im
Land, beispielsweise die Bewegung von den „weißen Mittwochen“, an denen
die Frauen das Kopftuch ablegen.
Nach dem (nur von der Besucherzahl her) enttäuschenden Infoabend habe
ich mir geschworen, keinen solchen mehr zu machen, aber bei der nächsten
AI-Sitzung kam schon der Vorschlag, dem neuen US-Präsidenten auf den
Zahn zu fühlen, ob er die Menschenrechte überhaupt auf seiner Agenda hat
– oder ob der Elon Musk darüber etwas weiß.
Adventsmarkt (November)
Da haben uns am Samstag die Viehhändler einen satten Strich durch die
Gewinnrechnung gemacht. Sie haben eine Konkurrenzveranstaltung
aufgezogen, und da war offensichtlich „der Teufel los“. Das Wort
„Teufel“ sollte man tunlichst ernst nehmen, denn er nahm uns dort das
Publikum weg, das der liebe Gott mit Sicherheit uns zugedacht hatte.
Am Sonntag waren dann mehr Leute da, haben unseren Stand aber eher
gestreift als belagert. Wenn ich trotzdem mit „Maria hat geholfen“
anfange, liegt das daran, dass der Verkauf einer Madonna einige Tage
nach dem Markt uns schließlich doch noch über die 300€ Marke gehievt
hat. Dabei hatten wir ein Angebot, das von Grödnertal-Figuren über
Wintersachen bis zu Aussteuergut und Flohmarktutensilien
hinunterreichte. Was uns etwas fehlte, waren Sachen zum „Sofortkonsum“.
Die Kommentare der Schichtbesatzungen waren entsprechend:
- „Das Sortiment ist nicht mehr zeitgemäß.“
- „Mein Highlight war die Grillfleischsemmel.“
- „Nichts zu berichten, außer dass es langweilig war.“
Das (oder den) hätte man doch wirklich kaufen können!
Silvesterkonzert (31. Dezember, 22.00 Uhr)
Zum Jahresschluss hingegen hauten wir noch einmal richtig „auf die
Pauke“, genau gesagt, das „wir“ waren die Damen Verena Meurers-Zeiser
und Regina Brandner und die Herren Benedikt Meurers und Johannes
Skudlik, und die „Pauke“ waren vier andere Instrumente, die das Quartett
souverän bespielte. „Es war ein toller Abend“, so eine Zuhörerin, „eine
gewagte Mischung aus Orgel und Kammermusik, aber schön räumlich
getrennt“. Dazwischen zur Auflockerung ein Spottgedicht auf Orgel und
Cembalo und pointierte Einführungen in einzelne Musikstücke. Am Ende
dann ein strammer Radetzkymarsch, bei dem man fast versucht war, mit
einem unpassenden Text mitzusingen.
Es kamen weit über 100 Leute, unter ihnen Miesbachs Bürgermeister mit
Frau, Gäste aus der Umgebung, Mitglieder des Kirchenchors und „alte
Seilschaften“ vom Gymnasium. Das Konzert war nämlich Nachklang auf die
Kunstausstellung von Heinrich Skudlik (2023), der AI in Miesbach vor 52
Jahren gegründet hat und der gewiss „vom Himmel herab“ mit Wohlgefallen
auf dieses Konzert (und den stattlichen Spendenerlös) geschaut hat.
Das Konzert stand silvesterbedingt unter dem Thema „Abschied“, aber es
war so schön, dass ich mir den folgenden (holprigen) Zweizeiler erlaube:
"Wenn so der Weg ins Jahr hinein,
dann kann der Rest nicht traurig sein.“
3.5 Ausblick
Da wollen wir realistisch bleiben. Solange nicht die Flutwelle an
„Zugängen jüngeren (und mittleren) Datums“ bei uns eintrudelt, gilt es
v.a. dafür zu sorgen, dass es uns am Ende des Jahres noch gibt. Und da
bin ich eher zuversichtlich. Was wir auf jeden Fall vermeiden wollen,
ist, dass uns für die Herbstmonate der Münchner Bezirksrundbrief wieder
eine halbe Seite widmen muss.
Jahresausklangsmarathon
Warum vermeiden? Die Antwort finden Sie in unserer
Veranstaltungschronik, wo für die letzten drei Monaten des Jahres sechs
Veranstaltungen ausgewiesen sind, bei denen, vorsichtig ausgedrückt, zu
viele Leute auf ihre Anwesenheit verzichtet haben und es auch in der
Gruppe gewisse Ermüdungserscheinungen gab.
Ganz ohne Pläne sind wir allerdings nicht. Die Verlängerung unseres
Schauwandauftritts in der „Langen Nacht der Demokratie“ vom 2. Oktober
ist noch bis Ende Februar in der Stadtbücherei Miesbach zu sehen, ein
bekannter Musiker aus der Gegend wird vielleicht ein Konzert abhalten,
von dem er zwar etwas ahnt, aber noch nichts Genaues weiß – und wir
werden sicher wieder bei anderen Veranstaltern Trittbrett fahren. In
diesem Sinne „Gehn ma’s o!“
Neujahrsvorsatz für 2024 erfüllt –
Jahresbericht ist um 29 Seiten geschrumpft - Ist ja auch nicht viel
passiert, oder?
Kontaktadressen und Kontonummer
Fritz Weigl, Wallenburger Straße 28 d, 83714 Miesbach
Tel.: 08025/3895 Mail:
fritz.weigl@gmx.de
Homepage:
http://www.amnesty-miesbach.de
Bank für Sozialwirtschaft Köln
IBAN: DE23 3702 0500 0008 0901 00 BIC:BFSWDE33XXX
Verwendungszweck: Gruppe 1431 Miesbach (
Gruppennummer unbedingt mit
angeben)