52 Jahre Amnesty International

Im Landkreis Miesbach



1.    Einleitung


Wie hätten Sie es denn gerne – das berühmte Wasserglas ist schon halb leer,

„Alles zerfällt, das Zentrum hält nicht stand.
Schiere Anarchie wird losgelassen auf die Welt. …
Den Besten fehlt jede Überzeugung,
die Schlimmsten sind von der Kraft der Leidenschaft erfüllt.“


William Butler Yeats

oder es ist noch halb voll?
„Dennoch breite die Arme aus und nimm
Einen Anlauf für das Unmögliche.
Nimm einen langen Anlauf
damit du hinfliegst zu deinem Himmel
daran alle Sterne verlöschen.

Denn Tag wird.
Ein Horizont zeigt sich immer.
Nimm einen Anlauf.“

Günter Kunert.

Einen „Anlauf zum Horizont“ werde auch ich unternehmen, und er wird alle Leserinnen und Leser dieses Jahresberichts zu Tränen rühren, die einen zu Tränen der Freude, die anderen (hoffentlich) zu Tränen der Wehmut.

 

Im Gegensatz zu dem Herrn in der Tonne habe ich nämlich einen Vorsatz gefasst: den Vorsatz, den Jahresbericht wieder etwas abzuspecken. Während das Jubiläumsjahr 2022 noch auf 106 Seiten passte, ist der Bericht über das AI-Jahr 51 auf 139 Seiten angewachsen – und die müssen auch bezahlt werden.

Um diesen Vorsatz zu realisieren, führe ich die neue Rubrik AfD – Alternativen für Durchschnittsleser – ein, in der ich Meldungen in Schlagzeilenlänge liefere, auch wenn es mich in den Fingern jucken würde, zum Schlage etwas weiter auszuholen.

1.    Jahresrückblick


Januar 2024


„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.
Als die Nazis die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als die Nazis die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen;
Ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“


Martin Niemöller

Das Zitat soll nicht an die Machtergreifung Hitlers vor 71 Jahren erinnern, sondern ein Phänomen beschreiben, dass die SZ ironisch als „Morgenröte der deutschen Revolution“ bezeichnet hat. Die Vorboten waren gegenläufig, zum einen herrschte Stillstand, zum anderen wurde zum Aufmarsch geblasen: die Lokführer ließen ihre ICEs stehen, die Ärzte sperrten ihre Praxis zu, die Bauern luden die Wirte, Handwerker, Spediteure und andere „Normalos“ auf die Anhänger ihrer Traktoren und machten sich mit dem Segen ihres „Führers“ Hubert Aiwanger auf den „Marsch durch Deutschland“. Die Öffentlichkeit, einschließlich der Autofahrer, reagierte mit mehr Verständnis als bei den Blockaden durch die Klimakleber und zuckte nur kurz zusammen, als man Robert Habeck in Schlüttsiel/Nordfriesland hinderte, die Fähre zu verlassen. Als der Miesbacher Ex-Landrat Rzehak in diesem Zusammenhang von einem „Mob“ sprach, trug ihm das die Anzeige eines lokalen G’schaftlhubers ein. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde im März eingestellt, da „kein Tatnachweis zu führen war“. Der Kläger und ein gefügiger Leserbriefschreiber sind weiterhin der Meinung, dass die Bauern Habeck nicht blockieren, sondern nur an Land willkommen heißen wollten.

Wir möchten uns beim Stichwort „Morgenröte“ einer Protestbewegung widmen, bei der es nicht um Geld, sondern um unsere Zukunft als Rechtsstaat geht.

Protest gegen Rechtsextremismus

Der Auslöser, der eine seltene Koalition von „schweigender Mehrheit“ und den „üblichen Verdächtigen“ begründete, war ein Bericht des Medienhauses Correctiv über ein Treffen von Rechten und Rechtsextremen im November 2023 in Potsdam. Der Österreicher Martin Sellner hatte auf dem Treffen, das von Industriellen finanziert worden war und vor einem Publikum, dem neben der AfD auch konservative Politiker angehörten, von Remigration gesprochen. Der Begriff bedeutet für Rechtsextremisten die Rückführung von Menschen ausländischer Herkunft in ihre Heimatländer – oder sonst wohin, wenn nötig unter Zwang. Sellner scheint auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund mitgemeint zu haben, denn die Innenministerin von Sachsen-Anhalt stellte die Zahl von 24 Millionen in den Raum. Ob auch die Mitglieder der Helferkreise deportiert werden sollen, lässt sich nur vermuten.

Den Autor Timur Vermes (Verfasser von „Er ist wieder da“) hat die Verbindung von Industrie, AfD und konservativen Politikern hellhörig gemacht, und hellhörig wurden auch die Demonstranten, die sich in großer Zahl in deutschen Städten versammelten und „gegen rechts(extrem)“ und „für Demokratie“ aufmarschierten. Respekt verdiente v.a. der Protest in den ostdeutschen Mittel- und Kleinstädten, wo ein solcher Protest nicht immer das Wärmegefühl vermittelt, unter Tausenden von Gleichgesinnten zu sein, sondern eine Menge Zivilcourage erfordert – und auch einmal zu zerstochenen Autoreifen führt. Dass trotzdem so viele auf den Beinen sind, zeigt, dass die AfD im „Kaltland“ vielleicht doch noch nicht gewonnen hat.

Bei der großen Demo in München war ein Aufmarsch gar nicht möglich. Die Zahl der Teilnehmer lag zwischen 100 000 (Polizei) und 250 000 (Veranstalter). Die Stimmung war ausgelassen, es wurde viel gelacht, und zwischen den Teilnehmern aller Altersklassen und „Remigrationsgruppen“ herrschte ein ausgeprägtes Wir-Gefühl. Zum Showdown vor dem Vereinshaus der schlagenden Verbindung Danubia kam es nicht, da die Polizei, im Einvernehmen mit den Organisatoren, den Demonstrationszug absagte. Dabei hatten vier Burschenschaftler in Erwartung der Demonstranten schon die Säbel gezückt. (Vorsicht Teilsatire!) Auf das „Zammreißen!“ im Oktober 2023 folgte ein „Aufgwacht samma!“ im Januar. Der Nachhaltigkeitstest wird bei der Europawahl und bei den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland erfolgen.

 
Demo in München

Befremdlich aber war, dass nach der Sternstunde plötzlich die Misstöne dominierten: Man kritisierte die Ampel wegen der Migrationspolitik, die Ausgrenzung von Konservativen und Mitte rechts-Leuten und (zu Recht) den Aufpeitscher-Slogan, man solle, „Ganz München hasst die AfD“ skandieren. Da fühlten sich manche (im Nachhinein) an die Bundestagsrede von Alice Weidel erinnert.
Dann also bis Februar. Dann soll es wieder eine Lichterkette geben.

Der Widergänger: Israel – Palästina


Das Verfahren in Den Haag: Auf Betreiben Südafrikas untersuchte der Internationale Gerichtshof/IGH den Vorwurf, Israel begehe in Gaza einen Völkermord. Das Militär handle mit seiner Vertreibungs- und Zerstörungsstrategie „genozidal“, und rechte Politiker forderten unverhohlen die Ausradierung der Palästinenser, wenn nötig, so der (inzwischen suspendierte) Minister für Kulturerbe (!), auch mit einer Atombombe. Israel konterte mit dem Recht auf Selbstverteidigung und mit der Relativierung von „willkürlichen Zitaten“. Das Gericht erließ einen Zwischenbescheid, der zwar Israel nicht zu einer sofortigen Waffenruhe verpflichtete, aber doch als „überraschend harte Entscheidung gegen Israel“ gewertet wurde. Israel müsse die Zivilbevölkerung schonen, mehr humanitäre Hilfe zulassen und „aufhetzende Reden“ seiner Politiker unterbinden. Die Hamas und ihre Verbrechen blieben weitgehend unerwähnt, weil sie als Nicht-Staat keine Partei vor dem IGH sein kann, aber immerhin wird sie aufgefordert, alle Geiseln „unverzüglich und ohne Bedingungen freizulassen“.

Die Entscheidung des Gerichtshofes, ob die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen gegen die UN-Völkermordskonvention verstoßen, steht noch aus.

Die Geiseln: Das israelische Militär hat 31 Geiseln für tot erklärt, nach unbestätigten Hinweisen muss man noch 20 hinzufügen. Der Armee war es bisher nicht gelungen, Geiseln lebend zu befreien, erst im Februar konnten bei Rafah zwei ältere Männer befreit werden. Die Leichen der Geiseln haben „Austauschwert“, zusammen mit den Palästinensern, die in israelischen Gefängnissen einsitzen, aber bisher wird noch geschachert, wie viele Palästinenser man freilassen muss, um die verbliebenen 136 (?) Geiseln (und die Leichen) zurückzubekommen. Die Ungewissheit um das Schicksal der Geiseln treibt die Menschen (und nicht nur die Angehörigen) auf die Straße und führt zur zunehmenden Hinterfragung der Kriegsziele. Bei der Demo in Tel Aviv konnte man hören: „Oberste Priorität darf nicht die Zerstörung der Hamas, sondern muss die Freiheit der Geiseln sein.“

Verstörende Stimmen


- Bei einer Lesung im Literaturhaus in München meldete sich ein älterer Herr und merkte an, ihm sei auf seiner Reise „durch Palästina, wenn Sie so wollen Israel“, die völlige Empathielosigkeit der Israelis den Palästinensern gegenüber aufgefallen.

- Der Israeli Sagiv Jehezkel spielt Fußball beim türkischen Klub Antalyaspor. Als er im Spiel gegen Trabzon das Ausgleichstor schoss, jubelte er und zeigte auf eine Bandage an seinem Handgelenk. Darauf stand: „100 days 7.10.“ Daneben ein Davidsstern. Ein Berater von Präsident Erdogan nannte ihn noch am selben Abend einen „israelischen Hund“, gegen den man sofort Maßnahmen ergreifen müsse.

Ein Schritt zum Frieden: Vor dem Hauptgebäude in New York steht die Replik eines Vertrags in Keilschrift, den der Pharao Ramses II. mit seinem ‚Bruder‘, dem Hethiterkönig Hattusili III. im Jahre 1259 v. Chr. geschlossen hat. Die Vorgeschichte zum Vertrag weist Unterschiede aber auch Parallelen zu unserem Konflikt auf: zahlreiche Feldzüge, Opferung von Ressourcen und Menschenleben, eine Pattsituation. Dann der Vertrag, „um für das Land Ägypten und das Land Hatti niemals Feindschaft entstehen zu lassen“.

 
Übergabe des Vertrags an Ramses II

Die SZ kommentiert mit gebotenem Realismus:

„Ob Ägypter und Hethiter wirklich ‚Brüder‘ wurden, ist sehr zweifelhaft, aber sie schlachteten sich jedenfalls nicht mehr ab.“

AI-Meldungen


Urteil gegen exzessive Migrantenabwehr: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte/EGMR hat Griechenland für einen Vorfall aus dem Jahre 2014 „gerügt“, bei dem Insassen eines Flüchtlingsbootes von der griechischen Küstenwache mit 13 „potentiell tödlichen Schüssen“ bedacht wurden. Zwei Menschen wurden schwer verletzt, einer von ihnen verstarb nach mehreren Monaten im Koma. Für die Richter ein Verstoß gegen Artikel 2 der Menschenrechtskonvention, der das „Recht auf Leben“ schützt. Da kann man nur froh sein, dass wir keine Küstenwache haben und der deutsche Grenzschutz noch nicht von Beatrix von Storch befehligt wird.

Sondertribunal: Um einen „Angriffskrieg“ und dabei verübte Kriegsverbrechen ahnden zu können, müsste ein Sondertribunal eingerichtet werden, das gegen „Personen, die verdächtig sind oder beschuldigt werden, das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine begangen zu haben“, ermitteln kann. Ein solches Tribunal nimmt nach monatelangem Schweigen „jetzt Form an“. Ob es, wenn es zustande kommt, dann die Ukraine noch gibt?

Politische Gefangene: Man ist es fast schon gewohnt, dass man den Friedensnobelpreis erst dann bekommt, wenn man im Gefängnis hockt. In Bangladesch war es umgekehrt. Da wurde der Preisträger Muhammad Yunus erst nachträglich eingesperrt – vorerst auf Bewährung. Man wirft dem Erfinder des Mikrofinanzsystems und „Banker der Armen“ Korruption und Verletzung des Arbeitsrechtes vor, aber es ist zu vermuten, dass die Justiz der zunehmend repressiven Premierministerin Sheikh Ha-sina einen Gefallen tun wollte.

Todesstrafe: Dem US-Bundesstaat Alabama wurde eine erbärmliche Vorreiterrolle zuteil. Er ließ zum ersten Mal einen Todesstrafenkandidaten mit Stickstoff hinrichten, eine Methode, die Veterinäre bei der Einschläferung von Tieren ablehnen, weil sie zu qualvoll ist. Hingerichtet wurde ein Auftragsmörder, der 1996 in einem 2. Verfahren zum Tode verurteilt worden war, obwohl sich die Geschworenen mit elf zu einer Stimme für lebenslang ausgesprochen hatten. Die Prozedur soll „weniger als 30 Minuten“ gedauert haben, für AI kommt die Tötung durch Ersticken einer „Folter“ gleich.

Frauenrechte: In Teheran wurde die kurdischen Menschenrechtsaktivistin Roja Heschmati „wegen moralischer Verstöße“ zu 74 Peitschenhieben verurteilt. Sie hatte in den sozialen Medien ein Foto veröffentlicht, das sie mit offenen Haaren zeigte. Das Urteil wurde an einem Ort vollstreckt, den Heschmati als „mittelalterliche Folterkammer“ beschrieb. Vor der Vollstreckung sah Roja so aus.

 
Roja Heschmati

Und schon am 27. Dezember 2023 kam es im Evin-Gefängnis in Teheran zu einem denkwürdigen Aufstand. Als eine Gruppe von 250 hochrangigen Justizbeamten das Gefängnis besuchen wollten, wurden sie in der Frauenabteilung von einer wütenden Gruppe von weiblichen Gefangenen empfangen, unter ihnen natürlich die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Die Frauen sangen revolutionäre Lieder („Bella Ciao“) und schrien die Richter an, die Frauen aus der „Frauen, Leben, Freiheit-Kampagne“ zum Tode verurteilt hatten. Die Justizbeamten mussten von Sicherheitskräften in den Wachpersonalraum gebracht werden. Erst als man die Frauen weggesperrt hatte, konnten sie das Gefängnis verlassen. Das Bild eines Richters, der sich hinter dem Eisengitter eines Fensters wegduckte, hatte für die Frauen Trophäencharakter.

Die AfD-Rubrik


- Eurofighter für Saudi-Arabien. Auch das ist Zeitenwende.
- Ein Kriegsgegner fordert Putin heraus.
- Sudan – der unterschätzte Brandherd.
- Den Haag befragt einen katholischen Bischof zu Kriegsverbrechen in Zentralafrika.
- Das Rätsel um den Iljuschin-Absturz.
- Missbrauch in der evangelischen Kirche – die Spitze der Eisbergspitze.
- Zwei AfDler und der Disko-Eklat.
- Ohne Migranten geht es nicht.
- Einbürgerungsrecht – richtige Deutsche.
- „Mitte statt Antifa“: Aiwanger meidet die Demo.

Anklänge an die Faschingszeit


- Die „letzte Generation“ kam auf den naheliegenden Gedanken, bei ihrer Blockade am Stachus das Gefährt einzusetzen, das den Politikern Respekt eingeflößt hatte und in der Öffentlichkeit und bei der Polizei mit großem Verständnis aufgenommen worden war: den Traktor. Da man ja für das Klima demonstrierte, hatte man keinen Monstertruck eingesetzt, sondern nur Spielzeugtrakoren. Eine junge Frau stieg entnervt aus ihrem VW-Bus und rief den Aktivisten zu, dass sie den Bauernprotest gut fände, weil „uns das alle anginge“, der Klimawandel aber nur entlegene Inseln wie Tuvalu oder die Malediven. (Nein, den Nebensatz hat sie nicht mehr gesagt!)


 
„Traktorenblockade“ am Stachus

- Es war, glaube ich, das Bundesligaspiel Stuttgart gegen RB Leipzig, in dem alle sieben Tore von fünf Spielern mit Migrationshintergrund erzielt wurden. Ob der Hinweis auf den niveaufördernden „Bevölkerungsaustausch“ in der Bundesliga ein Rezept gegen die „Ausländer raus“ Gesänge der AfD wäre?

 


Februar 2024


„Ob wir in der Welt was schaffen,
oder nur die Welt begaffen,
Das tut, das tut was dazu.“


Bürgerlied von Adalbert Harnisch (1845)


Naher Osten – Naher Westen


Wir fangen mit einem Kapitel an, wo nichts „geschafft“ wurde, zumindest nichts Positives. Nur „die Welt begafft“, hat man leider auch nicht!

Tötungskommando im Krankenhaus: In Mafiamanier hat eine Spezialkommando der israelischen Armee, das sich als medizinisches Personal verkleidet hatte, in einem Krankenhaus in Dschenin/Westjordanland drei Palästinenser „neutralisiert“. Es waren beileibe keine „Unschuldslämmer“, aber nach internationalem Recht sollten Krankenhäuser ein sicherer Ort sein.

Im Geiseldrama läuft die Zeit davon: Nach Berichten der New York Times sollen von den 134/136 (?) verbliebenen Geiseln mindestens 32 nicht mehr am Leben sein. Die Hälfte der israelischen Bevölkerung, und nicht nur die Angehörigen der Geiseln, vertritt inzwischen die Meinung, dass Netanjahu im Gaza-Krieg das falsche Ziel verfolgt. Er sollte sich in erster Linie um die Freilassung der Geiseln bemühen – und erst nachrangig um die Zerstörung der Hamas. Die Dramatik des Geschehens rechtfertigt die Wiederholung.

Kratzer auf dem Leitbild der “moralischsten Armee der Welt“: Auf Videoaufnahmen israelischer Soldaten, die offensichtlich nicht fürs Privatarchiv gedacht sind, sondern öffentlich geteilt werden sollen, sind verstörende Bilder zu sehen, von Soldaten, die mit Raubgut durch die Straße laufen, die einen Lastwagen mit Lebensmitteln anzünden, die eine Moschee zerstören. Vor den Überresten der Universität in Gaza-Stadt spricht ein Soldat in die Kamera:

„Für alle, die fragen, warum es in Gaza keine Bildung gibt. Wir haben eine Rakete auf sie gefeuert. Oops, wie doof. Deswegen könnt ihr keine Ingenieure mehr werden.“

Das hier hat eine neue Dimension“ stellt der Projektleiter der Meldestelle Rias fest und meinte damit die Eskalation antisemitischer Übergriffe in Deutschland seit dem 7. Oktober. Im April wurde die Statistik für Bayern veröffentlicht: 589 Straftaten, begangen von (mehrheitlich) rechtsextremen Tätern, aber auch von Islamisten und Linksextremisten, die das Existenzrecht Israels in Frage stellten.

Ein trauriger Tiefpunkt wurde erreicht, als Lahav Shapira, ein jüdischer Student an der Freien Universität Berlin, krankenhausreif geprügelt wurde. Der Student hatte gegen die pro-palästinensischen Aktivitäten an der FU protestiert und dabei an die Geiseln erinnert. Der Täter war ein muslimischer Kommilitone, er erhielt (zunächst) ein dreimonatiges Hausverbot. Eine Exmatrikulation, so die taz, ist „derzeit nicht möglich und politisch riskant“. Da hat man wohl Angst, dass die Huthis im Jemen ihre Raketen bis Berlin schießen. Das Opfer war übrigens der Enkel eines Israelis, der beim Olympiaattentat von 1972 getötet wurde. Sein Großvater mütterlicherseits hatte als einziger in der Familie die Shoa überlebt. Deutschland ist für die Shapiras ein „unsicheres Pflaster“. (Entschuldigung: Der Ausdruck ist grenzwertig!)

Die Kraft des Rechts“ wurde vom palästinensischen Außenminister in Den Haag zitiert, wo es um Israels Besatzungspolitik in den Palästinensergebiet ging. Das Völkerrecht ist nicht eindeutig. Unstrittig ist, dass die Errichtung von Siedlungen illegal ist – und allein im Westjordanland gibt es davon 133. Rechtlich unklar ist, ob eine Besetzung so lange andauern darf, aber das ist für Israel, das (zu Recht) bewaffnete Übergriffe fürchtet, kein Problem. Wie angespannt die Situation an den Checkpoints ist, zeigt der Tod eines vierjährigen Mädchens, das einem „Kollateralschaden“ zum Opfer fiel. Es saß in einem Minibus, der bei der Ausfahrt aus dem Checkpoint von einem Auto überholt wurde, das den Kontrollposten überfuhr und dabei eine Polizistin rammte. Als die Grenzer das Feuer eröffneten, nahmen sie den Minibus gleich mit unter Beschuss. AI hat kritisiert, dass es seit dem Gaza-Krieg im Westjordanland, an den Checkpoints und in den Flüchtlingslagern zu „rechtswidriger tödlicher Gewalt“ in zahlreichen Fällen gekommen ist.

Kein sicherer Ort – von Nord bis Süd: Israel hatte die Palästinenser dazu aufgerufen, in die Region um die Stadt Rafah zu fliehen – und will nun auch dort angreifen. Netanjahu stellt einen „sicheren Korridor“ für Zivilisten in Aussicht, ob in Ägypten oder gleich im Meer weiß man nicht. So recht hat man ihm offensichtlich nicht getraut, denn gegen Ende des Monats waren noch 1,3 Millionen Palästinenser in Rafah. Die SZ hat auf das „Unterscheidungsgebot“ im Völkerrecht hingewiesen, wonach Kriegsparteien verpflichtet sind, von der Zivilbevölkerung Abstand zu halten und hat, ähnlich wunschgedacht, auf eine Alternative zum „Sturm auf Rafah“ hingewiesen:

„Die Hamas könnte sofort verkünden, dass sie die Waffen streckt, dass sie keine Chance mehr sieht, diesen Krieg noch zu gewinnen. Ihre Kämpfer könnten sich … in Kriegsgefangenschaft begeben unter Aufsicht des Roten Kreuzes.“

Realistischer ist ein Waffenstillstand auf der Basis eines „Tauschgeschäfts“. Und wenn dann noch genügend Hilfslieferungen kämen, könnten die Menschen im Gazastreifen den Fastenmonat Ramadan überleben, ohne zu verhungern.

Konfliktzonen, Konferenzen, „Keiltreiber“


Ukraine: Auch abseits vom Kampfgeschehen wird auf beiden Seiten mit harten Bandagen gekämpft. In der Ukraine schlägt sich Selenskijs „gespaltenes Verhältnis zu den Medien“ darin nieder, dass investigative Journalisten, die Korruption und Bereicherungstricksereien der Mächtigen untersuchen, immer stärkerem Druck ausgesetzt sind. Vor dem Haus des Journalisten Jurij Nikolow schrien unbekannte Parolen wie „Verräter“ und „Kreml-Hure“. Er hatte über überhöhte Lebensmittelpreise und schadhafte Winterjacken für die Armee berichtet. Der russische Geheimdienst wiederum ermordete in Spanien einen „moralischen Kadaver“, einen Hubschrauberpiloten, der zu den Ukrainern übergelaufen war.

Hongkong: Zwar soll Peking eine Charme-Offensive gestartet haben, um das verlorene Vertrauen internationaler Investoren zurückzugewinnen, aber wenn das stimmt, hat diese Offensive um Hongkong einen weiten Bogen gemacht. Die dortige Regierung plant, im Eilmarsch eine Ergänzung des Sicherheitsgesetzes von 2020 durchzubringen, das „einige der repressivsten Element des chinesischen Sicherheitssystems“ übernimmt. Mit einem „Leben, das ein bisschen freier ist als auf dem Festland“, ist es dann endgültig vorbei. AI sprach „von einem gefährlichen Moment für die Menschenrechte“. Im März wurde es im Eiltempo verabschiedet. Regierungschef John Lee sprach von einem “stolzen Moment“ für die Stadt.

 

Mehr als „uncharmant“ war auch das harte Urteil gegen den australischen Staatsbürger Yang Hengjun. Er wurde wegen Spionage zum Tode verurteilt, wobei die Strafe in lebenslange Haft umgewandelt werden könnte – etwa wenn Australien positiv auf die Charme-Offensive reagieren würde.

München: Da fand eine Sicherheitskonferenz statt, die man später als „Unsicherheitskonferenz“ bezeichnet hat. Da gab es zwar ein „Frauen 100-Dinner“, bei dem sich 100 Frauen aus Politik und Wissenschaft u.a. über feministische Außenpolitik unterhielten und bei dem die Männer/Hotelpersonal nur „Staffage“ waren. Vielleicht hat deswegen unsere Außenministerin die Atmosphäre als besonders „speziell“ empfunden. Aber die Grundstimmung im Plenum war eher düster, von Kriegsängsten und enttäuschten Hoffnungen geprägt.

 
Polizeipatrouille im Einkkaufsviertel

Die Veranstaltungen außerhalb der Konferenzräume trugen auch nicht gerade zur Aufhellung bei. Auf der Kundgebung der linken Szene ging es v.a. gegen den Westen und gegen Israel. Die gefährlichsten Kriegstreiber säßen in der Nato und in der Bundesregierung, Putin sei nur wegen des Westens zum Diktator geworden, Israel begehe einen Genozid. Es gab keine Verurteilung des Angriffskriegs, kein Mitleid mit den inhaftierten Dissidenten, keine Erwähnung des 7. Oktobers als Auslöser für den Gazakrieg. Mit gegenläufigem Tenor die Kundgebung gegen den Krieg in der Ukraine auf dem Odeonsplatz, mit einem Gedenken an die Kriegsopfer, der Forderung nach schweren Waffen, der Angst vor den russischen Fakes.

Dass die Polizei von einer „Siko der Superlative“ sprach, hatte damit zu tun, dass sie, von den Falschparkern abgesehen, weitgehend reibungslos über die Bühne ging.

Trump: Einen bitteren Vorgeschmack auf eine zweite Präsidentschaft von Donald Trump lieferte seine Aussage, dass die USA die Länder nicht mehr beschützen würde, wenn sie die Verteidigungsausgaben nicht zahlten. Und, wie es seine Art ist, sattelte er gleich noch einen drauf:

Er würde Russland „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle es tun wolle“.

Da werden sich Nato und Europa warm anziehen, bzw. nach zwei Seiten hin „kriegstauglich“ werden müssen.

Putin: In einem Interview wünschte sich Putin (zu aller Überraschung) eine zweite Präsidentschaft Bidens, den er als „erfahrenen und vorhersehbaren Politiker der alten Schule“ bezeichnete. Für die meisten Politologen war das ein „giftiges Lob“ und wohl als verdrehte Wahlkampfhilfe für Trump gedacht, denn wer von Putin gelobt wird, ist für viele Amerikaner nicht wählbar. Wen Putin auf dem Bild mitreiten lässt, ist eher der andere.

 
Machofreundschaft

Biden hat sich für das Kompliment nicht bedankt, sondern auf sehr derbe Art darauf reagiert – auch das zu aller Überraschung. Er hat Putin als SOB bezeichnet, was als Verb „schluchzen“ bedeutet, aber in der Großschreibung eine Abkürzung ist, die dem deutschen „Mistkerl“ entspricht.

„Schluchzen“ werden wir/Sie, wenn beim Druck dieses Jahresberichts der amerikanische SOB Präsident geworden ist.

AI-Nachrichten – kurzgefasst

Politische Gefangene: Der russische Menschenrechtler und Ko-Vorsitzender von Memorial ist wegen „Diskreditierung der Armee“ zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Er hatte 2022 einen Artikel geschrieben, in dem er das Leid der Ukrainer bedauerte, dessen Titel sich aber gegen die „finstersten Kräfte“ seines Landes richtete. Er lautete: „Sie wollten den Faschismus, sie haben ihn bekommen.“

Frauenrechte: Unsere Partner von Human Rights Watch/HRW berichteten von einer „katastrophalen Gesundheitskrise in Afghanistan, die Frauen und Mädchen unverhältnismäßig hart trifft“. Sie dürfen die (weiten) Reisen zum nächsten Arzt oder Krankenstation nicht ohne männliche Begleitung antreten, dürfen von männlichen Ärzten nicht behandelt werden und können abgewiesen werden, wenn sie sich nicht an die Kleidervorschriften halten.

Politischer Mord: Die Lagerhaft nicht überlebt hat Alexej Nawalny. Er starb wenige Stunden nach einem Spaziergang, auf dem Totenschein wurde eine „natürliche Todesursache“ vermerkt. Der Karikaturist ist anderer Meinung.

 
Politischer Mord

Und das passierte nach seinem Tod:

- Putin, kann man annehmen, war erleichtert. Er hatte alles getan, um Nawalny zu brechen, und jetzt, so die SZ in einem Leitartikel „gehört das Land ganz ihm“. Der Name seines Gegners kam ihm nicht über die Lippen.

- Nawalnys Witwe Julija hatte einen bewegenden Auftritt auf der Siko in München. Sie warnte vor der Kumpanei mit Putins Regime und hoffte, dass er und seine Freunde „für das bestraft werden, was sie dem Land, ihrer Familie und ihrem Mann angetan haben“. Ob ihr die linke Szene Beifall geklatscht hätte, ist unwahrscheinlich.

- Wie rachsüchtig das Regime ist, zeigte sich bei den Repressalien vor dem Begräbnis. Nawalnys Mutter musste lange auf die Freigabe der Leiche warten, und in Moskau war es schwierig, einen Bestatter, eine Kirche und einen Friedhof zu finden. Aber am Begräbnistag Anfang März zeigte sich, dass es keineswegs „nur noch Putin“ gab. Es kamen Tausende von Trauergästen, und es fielen Parolen wie „Nein zum Krieg!“ und „Nieder mit der Macht der Mörder!“ Die Herren in Kampf- und Tarnanzügen, die zahlreich den Straßenrand säumten, reagierten wie zu erwarten war, es gab mehr als 100 Festnahmen.

 
Alexej Nawalny (+)

Volksaufstände und Volkstribune


Bauernproteste und „Grünenjagd“: Wir bewegen uns auf schlüpfrigem Parkett. Mir ist klar, dass viele Bauern (beileibe nicht alle!) schwer über die Runden kommen, und dass die meisten Proteste relativ friedlich über die Bühne gegangen sind – aber eben nicht alle. In Biberach wurde die Aschermittwochsveranstaltung der Grünen gesprengt, der Auftritt von Grünen-Chefin Lang und Landwirtschaftsminister Özdemir verhindert, und Ministerpräsident Kretschmann schon vor der Stadt zum Abdrehen gezwungen. Die Bauern, durch Reichsbürger und Querdenker „verstärkt“, gingen aggressiv vor, Polizisten wurden verletzt und setzten sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray zur Wehr.

 
Der Morgenstern blieb noch zuhause

In Magdeburg ein ähnlicher Empfang für Ricarda Lang: Traktoren, Buhrufe, Blockade. Angeblich soll auch ein Gegenstand in Richtung ihres Autos geflogen sein, geworfen, so die Bauern, von einem „Nicht-Landwirt“. Die SZ sprach von „strafbarer Randale, kein politischer Protest“. Im Gegensatz zu den Klimaklebern aber hält sich der Staatsanwalt zurück. Weitgehend einverstanden, wenn man auch bei denen auf Schikanen wie Präventivgewahrsam verzichtet.

Zu Beginn hatte der Protest der Bauern eine relativ gute Presse, aber als sie begannen, Druckereien und Medienhäuser zu blockieren, tauchten in der Berichterstattung auch „unschöne“ Worte wie „Nötigung“ und „Zukunftsunfähigkeit“ auf. Wie gesagt, für einen Laien ein „schlüpfriges Parkett“.

Politischer Aschermittwoch: Für manche Politiker ein Parkett, auf dem man Schlüpfrigkeiten/Schmutzeleien loswerden kann – weil das bierselige Publikum es so erwartet. Dass es dabei zu Ausrutschern kommen kann, zeigt Söders Angriff auf die „Verbotspolitik“ der Grünen. Da verstieg er sich sogar dazu, die Bundesumweltministerin Steffi Lemke als „grüne Margot Honecker“ zu bezeichnen, die die Freiheit der Fleißigen durch immer neue Auflagen einschränke. Lemke hatte unter der Honecker eher gelitten, weil man ihr trotz guter Noten den Zugang zur erweiterten Oberschule verwehrt hatte. Der CSU-Politiker Florian Hahn sah darin keinen „Eklat“. Er meinte, „Frau Lemke sollte nicht so weinerlich sein“. Sein Ministerpräsident plant ein Genderverbot an Bayerns Schulen.

Warngau steht auf: Der Plan des Landkreises Miesbach neben dem VIVO-Wertstoffhof in Warngau ein Containerdorf für 500 Asylbewerber einzurichten und dafür drei Turnhallen wieder für ihren ursprünglichem Nutzungszweck zu öffnen, hat die Warngauer auf die Barrikaden gebracht. Nun kann man durchaus die Unterbringung einer so großen Zahl in einer kleinen Gemeinde als Problem sehen, aber was in der Bürgerversammlung an Ängsten vorgebracht wurde und mit welcher Wut diese Ängste artikuliert wurden, das passt eher zur Mülldeponie als zum Wertstoffhof. Als der Landrat in den Saal rief, dass es sich bei diesen Menschen doch nicht um Verbrecher handle, schallte ihm auf seine Frage „Oder seid’s ihr da anderer Meinung?“ aus vielen Kehlen ein „Ja“ entgegen. Und dann musste er von Polizei und Sicherheitsleuten durch eine Seitentür aus dem Saal eskortiert werden. Nach Hause brachte ihn ein Polizeiwagen, weil sein Fahrer an den Demonstranten nicht mehr vorbeikam. Nur eine Handvoll Redner mahnte zur Zurückhaltung, während ein Rosenheimer AfD-Landtagsabgeordneter und seine Begleiter „ihre Zufriedenheit kaum verbergen“ konnten. Sie träumten offensichtlich schon von der Machtergreifung. (Vorsicht Teilsatire!)

Hier das Plakat, das in Warngau und Umgebung einige Wiesen und Vorgärten ziert.

 

Holzkirchen steht auf: Ende Februar hat das Bündnis „Holzkirchen ist bunt“, so der Merkur, ein „kraftvolles Zeichen für Vielfalt, Toleranz, Menschlichkeit und Demokratie gesetzt“. Es kamen 2600 Bürger aus dem ganzen Landkreis, die auf ihren Schildern eine klare Kante gegen rechts zeigten. Der Kabarettist Christian Springer forderte die Reichsbürger, Querdenker und AfD’ler zum Heimgehen auf, weil „sie heute keinen schönen Nachmittag verleben würden“ und warnte davor, „bei den Rechten mitzulaufen, weil man dabei braune Flecken bekommt“. Bürgermeister und Gemeinderäte zeigten Präsenz und vertraten die Hoffnung, dass die Veranstaltung „den in Holzkirchen lebenden Menschen aus 97 (!) Nationen Angst und Bedenken nehmen möge“. Unter den zahlreichen Musikgruppen natürlich auch die Well-Brüder, die die Unterkunftsprobleme des „Boomtown Holzkirchen“ und der „Graffelgrube in Warngau“ besangen und undezent darauf hinwiesen, dass die „Riesenvilla vom Usmanow“ freistünde. Eines der eindrucksvollsten Bilder aber war das Foto von der Gruppier.

 
Das Gegenstück zum Tsunami

Die AfD-Rubrik

- „Ausländer raus!“-Rufe beim Faschingsumzug.
- Ein Lichtermeer gegen den Hass auf der Theresienwiese.
- Angriffe auf Flüchtlinge häufen sich.
- Antisemitischer Eklat bei Lesung in Berlin.
- Weber will Ampel-Bashing beenden.
- AfD-Vorstand erläutert seine Pläne zu Massenabschiebungen.
- Ökumenische Positionierung gegen die AfD: „AfD für Christen nicht wählbar“.
- Aiwangers Flugblatt-Affäre: Ex-Lehrer im Visier.
- Endspiel für Julien Assange.
- Wahlen im Iran, Wahlboykott durch die Wähler.

Finale – dem Fasching geschuldet nur bedingt gewaltfrei


In einer Glosse wird geschildert, wie ein bayrischer Trachtler von „der Statur des Schmieds von Kochel“ mit einem betrunkenen Skinhead umgeht, der in der Münchner S-Bahn auf „die Drecksausländer“ schimpft und rechtsradikale Parolen grölt. Der Trachtler beugt sich nach vorn und sagt: „Du hoitst jetzt die Fotzn und steigst glei wieder aus, weil sonst fangst a paar!“ Die Ansprache hatte Erfolg, der Mann maulte noch kurz und stieg an der nächsten Haltestelle aus.


März 2024


Zum Internationalen Frauentag der Ausspruch eines russischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg beim Anblick von Leichen nach einer Schlacht:

„Tod und Schmerz machen keinen Unterschied unter den Menschen. Aber das wissen nur die Frauen: Ein Mann denkt selten in solchen Begriffen. Frauen sind mit der Geburtsurkunde mit dem Leben verbunden.“

Russland – mit etwas Vatikan und Rechtsdeutschland

„Ein Horizont zeigt sich immer.
Nimm einen Anlauf.“

Die Zeilen kommen ihnen bekannt vor? Mir auch, aber leider etwas zu spät. Ich wollte sie als Einstieg zum März verwenden und hatte den folgenden Text bereits darauf abgestimmt. Aber ich finde, die Zeilen sind so schön, dass man sie auch zweimal lesen kann. Und ich brauchte meinen Folgetext nicht mehr zu ändern!

Ein zweideutiges Bild: Der Horizont, der sich im Ukrainekriegt zeigt, ist unvermindert düster. Die täglichen Nachrichten „Sechs Tote beim Bombenangriff auf Charkiw“ nimmt man schon fast nicht mehr zur Kenntnis, aber der „Anlauf“, den Papst Franziskus genommen hat, als er in einem Interview, das zunächst der Farbe „Weiss“ gewidmet war, den „Mut der weißen Fahne“ aufgriff und die Ukraine zu Verhandlungen aufforderte, stieß auf breites Unverständnis, das von „unglücklich“ (Deutsche Bischofskonferenz) bis „diplomatisches Desaster“ (Merkur) reichte. Er hatte zwar den Begriff „Kapitulation“, den der Interviewer gebrauchte, nicht wiederholt, aber da war „die Kuh auf dem Eis“ schon eingebrochen.

 
Papst und weiße Fahne

Beifall erhielt er deutscherseits eher von der falschen Seite (AfD, BSW), während Andrea Riccardi, der Gründer der katholischen Basisgemeinde Sant’Egidio, Franziskus verteidigte und vor einer „Verewigung des Krieges“ und der „Gefahr eines Flächenbrandes“ warnte.

Frauentag in Russland: Am 8. März 1917 gingen Tausende von Russinnen auf die Straße, um für ein Ende des Ersten Weltkriegs zu demonstrieren. Im Jahre 2024 fand der Protest in kleinen Gruppen oder allein statt. Mitgetragen wurde er von der Gruppe „Put Domoj/Weg nach Hause“, die ein Ende des Krieges und die Rückkehr der Männer forderten, die Putin, entgegen seinem Versprechen, zwangsmobilisiert hatte. Berührend der Soloauftritt einer jungen Russin, die vor dem Verteidigungsministerium in Moskau dieses Plakat hielt: „Freiheit für die Mobilisierten. Bringt die Ehemänner, Väter und Söhne zurück.

 
Einsamer Protest

Putins Wahlen: Noch nie, so die kritische Wählerinitiative Golos, hat es eine Präsidentschaftswahl gegeben, „die so weit hinter verfassungsrechtlichen Standards zurückbleibt“. Da wurden im Vorfeld gewichtigere Gegenkandidaten wie Boris Nadeschdin von der Wahlkommission abgelehnt, da wurden drei harmlose „Lückenbüßer“ zur Kandidatur genötigt, die dann am Tag nach der Abstimmung auch noch zu Putin auf die Bühne mussten, da wurden, nach Golos, 22 Millionen gefälschter Stimmzettel für Putin in die Urnen gestopft. Getoppt wurden diese Peinlichkeiten nur noch von den vier deutschen „Wahlbeobachtern“ von der AfD, die von der „Transparenz“ der Wahl berichteten und davon schwärmten, dass die Wahlurnen „vollkommen durchsichtig und barrierefrei“ waren und die Wählerschaft auch mit Essen und Trinken versorgt wurde. Hinter so viel Dämlichkeit wollte auch Putins Sprecher Dimitrij Peskow nicht zurückbleiben, der inzwischen einräumte, dass sich das Land „faktisch“ jetzt im Krieg befände, obwohl es „juristisch“ weiterhin eine Spezialoperation bleibe. Jetzt haben die Ukrainer wenigstens die Wahl, ob sie faktisch oder juristisch umkommen wollen.

Aber dann gab es noch den „Mittag gegen Putin“, zu dem Nawalny vor seinem Tod aufgerufen hatte. Die Opposition wollte als Zeichen des Protests geschlossen am Sonntag um 12 Uhr zur Wahl gehen, eine ungültige Stimme abgeben, einen der drei Gegenkandidaten wählen oder gleich „Nawalny“ auf den Stimmzettel schreiben. Vor einigen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen, obwohl man ein Fake in die sozialen Medien gesetzt hatte, dass die Aktion verschoben worden war. Ein „High noon/ 12 Uhr mittags“ à la Hollywood, in dem die Bande am Ende liquidiert wird, ist in Russland nicht in Sicht.

 
Ein Kotau in der falschen Richtung


IS-Anschlag in Moskau: In einem Vorort von Moskau wurden bei einem Angriff auf ein Konzertzentrum 143 Personen getötet. Vier Terroristen vom IS hatten wahllos um sich gestochen und geschossen und hatten Brandbomben gezündet. Die Moskauer waren erschüttert und legten am Tatort Massen von Blumen und Plüschtieren ab. Unser Mitgefühl gilt uneingeschränkt den Opfern, aber die (verstörende) Reaktion staatlicher Stellen soll nicht unerwähnt bleiben:

- Präsident Putin brauchte geschlagene 19 Stunden, bis er einräumte, dass der Anschlag auf das Konto der Islamisten ging. Die Ukraine hätten aber einen „Rückzugsraum“ zur Verfügung gestellt.
- Die Terroristen wurden schon einen Tag nach der Tat festgenommen und bei ihrer Festnahme und der ersten Anhörung so „vorbehandelt“, dass sie vor dem Haftrichter mit einem fehlenden Ohr, im Rollstuhl sitzend und mit deutlichen Prügelspuren erschienen.
- Absurde Schuldzuweisungen: Russische Politiker sprechen auch von einer Mitschuld des „Kollektiven Westens“, der ukrainische Geheimdienst geht von einer „bewussten Provokation“ durch russische Sondereinheiten aus.

Der Nahe Osten

Auch dort ist man von einem „Anlauf zu neuen Horizonten“ weit entfernt.

Menschliche Dramen


Ein UN-Bericht hat jetzt (trotz zurückhaltender Formulierung) eindeutig bestätigt, dass Frauen beim Terrorangriff am 7. Oktober 2023 massive sexueller Gewalt durch Hamas-Kämpfer erfahren mussten – und mutmaßlich auch als Geiseln noch solcher Gewalt ausgesetzt sind. Mit den Opfern selbst durften die UN-Experten „aus Rücksicht auf deren Traumatisierung“ nicht sprechen; erst die Geisel Amit Soussana, die 55 Tage festgehalten wurde, sprach als erste öffentlich von den Erniedrigungen und Nötigungen während ihrer Gefangenschaft.

Bedrückend auch der Vorfall, der sich im Norden Gazas ereignete, als bei der Verteilung von Hilfsgütern 112 Palästinenser ums Leben kamen. Widersprüchlich die Schuldzuweisungen und Erklärungsversuche von israelischer Seite: Schüsse in Notwehr, zur Abwehr von Plünderern, Warnschüsse auf die Beine (aber Kugel dann im Kopf gelandet), geschossen hätten Palästinenser, Opfer von LKWs überrollt.

Deutschlands Sonderrolle


Deutschland hat aus guten Gründen lange an einer (fast) bedingungslosen Unterstützung Israels festgehalten, aber diese Sonderrolle gerät zusehends in Gefahr. Beim Vorfall um den Hilfskonvoi tauchte die Frage auf, ob auch mit deutschen Waffen auf Zivilisten gefeuert wurde. Und prompt beantragte Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof ein Eilverfahren gegen Deutschland. Der Vorwurf: Deutsche Waffenlieferungen trügen zu israelischen Kriegsverbrechen und zum Völkermord an Palästinensern bei. Und deutschen Politikern fällt es zusehends schwerer, das oberste Kriegsziel Netanjahus „Vernichtung der Hamas – selbst auf Kosten der Zivilbevölkerung“ mitzutragen bzw. zu ignorieren. Außenministerin Baerbock beispielsweise warnte wiederholt vor einer humanitären Katastrophe bei einem Angriff auf Rafah, da sich „1,5 Millionen Menschen nicht in Luft auflösen können“. Wird die Sicherheit von Zivilisten im Gazastreifen eine zweite deutsche „Staatsräson“?

Schönfärberei eines Massakers


"Ehrlicher und historisch korrekt ist es, zu sagen, dass der Aufstand (!) vom 7. Oktober ein Akt des bewaffneten Widerstands gewesen sei. Es war kein terroristischer Angriff, … es war ein Angriff auf die Israelis.“

Das Zitat stammt von der „großen Denkerin“ Judith Butler und fiel auf einer Veranstaltung in Paris, die zwei linke jüdische Organisationen und das Debattenforum „Paroles d’honneur/Ehrenhafte Worte“ ausgerichtet hatten. Es gab dafür viel Applaus, aber ich bin der Meinung, dass der Hamas zu viel der Ehre zuteilwurde und auch eine große Denkerin gegen Denkfehler nicht gefeit ist.

Einen ähnlichen Mangel an Empathie mit den Opfern zeigte Netanjahu, als er mit „So etwas passiert im Krieg“, Anfang April auf den tödlichen „Unfall“ der sieben Helfer der Organisation von World Central Kitchen reagiert hat.

AI-Meldungen


Iran: Mindestens 834 Menschen hat das Regime im Jahre 2023 hinrichten lassen – mehr als die Hälfte wegen Drogendelikten, viele Angehörige von Minderheiten, mehrere Minderjährige und Teilnehmer an den Protesten gegen die Ermordung von Mahsa Amini. Von China abgesehen, hat der Iran weltweit mit Abstand die höchste Hinrichtungsquote.

Russland: Der Journalist Roman Iwanow wurde wegen seiner Kritik am russischen Angriff auf die Ukraine zu sieben Haft verurteilt. Besonders angekreidet hat man ihm, dass er Berichte über die Tötung von Zivilisten in Butscha ins Netz gestellt hatte. Nach seinem Schlusswort ging er auf die Knie und sagte: „Ich möchte alle Ukrainer um Vergebung bitten, denen mein Land Leid zugefügt hat.“ Diese Geste wird eher strafverschärfend wirken.

Afghanistan: Der UN-Sonderberichterstatter Richard Bennet hat auf eine dramatische Verschlechterung der Menschenrechtslage von Frauen und Mädchen hingewiesen. Erstaunlich ist nur, dass das überhaupt noch möglich ist. Bennet sprach von einer „Geschlechterapartheid“ – und wer sich dagegen auflehne, müsse um Leib und Leben fürchten.

Bayern: Und siehe da, auch Bayern ist ins Blickfeld eines UN-Sonderberichterstatters geraten. In seinem Bericht über „staatliche Unterdrückung von Umweltprotest und zivilem Ungehorsam“ taucht Bayern an zwei Stellen auf: kritisiert wird das harte Vorgehen der Polizei gegen die „Letzte Generation“ und den (überdehnten) Präventivgewahrsam für Klimaschützer auf der Basis des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes. Die SZ verglich genüßlich die Härte gegen die Klimaschützer mit der Langmut gegenüber den protestierenden Bauern.

Erfreuliches - oder Potential zum Erfreulichen


Lieferkettengesetz: Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich nach mühsamem Geschacher und mit denkbar knapper Mehrheit auf ein deutlich abgeschwächtes Regelwerk. Im Gesetz geht es darum, dass Großunternehmen möglicherweise für Rechtsverstöße in ihrer Lieferkette (Rodung von Regenwald, Ausbeutung von Kindern) haften müssen. Deutschland enthielt sich, auf Geheiß der FDP, der Stimme.

Aufschub für Julian: Die Auslieferung des Whistleblowers an die USA wurde von einem Londoner Gericht an eine Reihe von Zusicherungen geknüpft, die die USA zu leisten hätte, u.a. dass sich Assange bei einem Verfahren auf die Meinungsfreiheit berufen und dass er keinesfalls zum Tode verurteilt werden dürfe. Aber auch die mögliche Höchststrafe von 175 Jahren (!) muss erst einmal abgesessen sein – und sollte eigentlich gegen eine Auslieferung sprechen. Da diese „Zusicherungen“ dem High Court/Oberstes Gericht nicht ausreichend waren, entschied es im Mai, dass er gegen den Auslieferungsbescheid Berufung einlegen könne.

„Sei ein Mensch“: Mit diesem Slogan hat die Stadt München eine Kampagne für Demokratie und gegen Rechtsextremismus gestartet. In einer Erklärung von 40 Organisationen und Unternehmen wurde die Vielfalt Münchens betont und, gewissermaßen in Fortführung der Nockherbergrede, die Politik aufgefordert, verbal abzurüsten. Der Slogan stammt aus einer Rede zur Befreiung des KZs Auschwitz.

 
Ein Herz für alle

Freiheit für Schulkinder: An einer Schule im Nordwesten Nigerias wurden 287 Schüler und Angestellte entführt, vermutlich von Banditen, die sich Lösegeld erhofften. Zwei Wochen später kamen sie frei, angeblich durch „Operationen der Sicherheitskräfte“ und ohne Zahlung von Lösegeld. Getrübt wird die gute Nachricht durch widersprüchliche Zahlen: Der Gouverneur der Region sprach von der Befreiung aller Entführten, ein Militärsprecher hingegen nur von 137 Jungen und Mädchen.

Verstörendes


Wahlen im Iran: Auch die hätte man sich sparen können. Kandidieren durfte nur, wer dem Wächterrat genehm war, die Opposition ist weitgehend im Ausland, selbst frühere Präsidenten, die als Reformer gelten, durften nicht antreten. Das Nein zum verhassten Regime schlug sich in der Wahlbeteiligung nieder. Das Regime kam auf 41 Prozent – und wertete das als Erfolg, der „Nationale Widerstandsrat“, der im Ausland ansässig ist, errechnete nur eine Beteiligung in der Einstelligkeit.

Orbán – das Irrlicht Europas


Der ungarische Ministerpräsident betreibt eine Außenpolitik, die mehr als befremdlich ist: den Feinden/Rivalen Europas dient er sich an, Brüssel attackiert er – außer es gibt Geld. Mit China hat er eine “verstärkte Sicherheitskooperation“ ausgehandelt, sodass chinesische Polizisten (zur Unterstützung von Touristen) jetzt auch in Ungarn patrouillieren können, Trump bezeichnet er als „Präsident des Friedens“, und dann hat er 200 ungarische Soldaten in den Tschad (!) geschickt, was zu Spekulationen geführt hat, es könne sich um die Vorhut für einen russischen Militäreinsatz handeln.

Trumps Wahlkampfrhetorik


In den USA bereitet sich ein anderer Irrer auf seine zweite Machtergreifung vor, mit einer Sprache, die immer mehr an Nazi-Deutschland erinnert. Es werde „ein Blutbad für das Land“ geben, wenn weiter chinesische Autos eingeführt werden, die verurteilten Gewalttäter vom Sturm auf das Kapitol seien „unglaubliche Patrioten“, politische Gegner seien „Ungeziefer“, innerparteiliche Rivalen sollten „ins Gefängnis“ gehen. In Ohio sagte er sogar das Ende der amerikanischen Demokratie voraus, wenn er die Wahlen verliere. Die SZ kommentiert sarkastisch:

„Das sagt umgekehrt so ähnlich auch Joe Biden, allerdings aus gutem Grund.“

Flüchtlinge


-  Ein Land, das man bisher wegen eines Genozids in Erinnerung hatte, wird zum Sehnsuchtsland von Politikern, die die Patentlösung für eine Begrenzung der Zuwanderung in der Tasche zu haben glauben. Der CSU-Chef im Bundestag, Alexander Dobrindt, bereiste Ruanda und kam mit der Überzeugung zurück, dies sei „ein Land, mit dem man eine Drittstaaten-Lösung erreichen könnte“. Flüchtlinge müssten keine gefährlichen Überfahrten tätigen, sondern könnten dort ihr Asylverfahren „nach unseren Standards“ abwickeln und bei Anerkennung dort in Sicherheit leben, denn „Schutz durch Europa“ muss nicht heißen „Schutz in Europa“. Wo sie bei einer Ablehnung hin sollen, lässt Dobrindt offen. Aber Afrika ist ja groß, und „Aus den Augen, aus dem Sinn!“

- Ein seltsamer „Kuhhandel“ bahnt sich in Rottach-Egern an. Die Stiftung, die nach der verstorbenen „Schönheitsunternehmerin“ Gertraud Gruber benannt ist, bot das Schulungsgebäude der Firma dem Landratsamt als befristete Flüchtlingsunterkunft an. Nun besteht der Verdacht, dass die Flüchtlinge als „Verhandlungsmasse“ herhalten müssen, weil die ursprünglich vorgesehene Nutzung des Gebäudes als Schulungszentrum zu einem Nachbarschaftsstreit geführt hatte. Die Anlieger, so der Rechtsanwalt der Stiftung, hätten jetzt die Wahl zwischen „zehn Kosmetikerinnen und 54 Asylbewerbern“.

- Das führt geradlinig zum Kommentar eines schwarzen Busfahrers aus Mainz, den er in der Sendung „Alltagsrassismus in Deutschland“ abgegeben hat.

„Was den Umgang mit Farbigen anbelangt, ist man in Deutschland noch nicht so weit. Deutschland braucht noch ein bisschen, um offener zu werden, sich an Ausländer zu gewöhnen.“

Vorbereitung auf den Ernstfall: Verstört hat auch die letzte Broschüre des „Bundes für Soziale Verteidigung“, weil dazu aufgerufen wurde, sich schon jetzt darauf vorzubereiten, was gegen eine AfD-Landesregierung unternommen werden könnte. Da heißt es an vorderster Stelle:

„Absprachen der bürgerlichen demokratischen Parteien treffen, um zu verhindern, dass die AfD eine funktionsfähige (Minderheiten-)Regierung bilden kann.“

Irrlichter aus der linken Szene: In Berlin zogen 600 Demonstranten durch den Stadtteil Kreuzberg und skandierten „Wir sind nicht alle – es fehlen die Gefangenen.“ Die „Gefangenen“ waren Daniela Klette und die anderen inhaftierten RAF-Terroristen, und die „Untergetauchten“, die RAF’ler, die man noch nicht erwischt hat. Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback fand es

„bedrückend zu sehen, wie stark die Sympathie für ehemalige, der RAF zugerechnete Terroristen immer noch ist“.

Die Demo fand drei Wochen vor dem 1. April statt. Der wäre als Termin für die Demo besser geeignet gewesen. Und man hätte auch ungestraft kiffen können!

Die AfD-Rubrik


- „Und keiner hilft“ – In Haiti regieren Chaos und Gewalt.
- Russen verkaufen Ukrainer – hinter der Front existiert ein „Schwarzmarkt“ mit Kriegsgefangenen.
- 205 000 Bayern sind bewaffnet – Zahlen weit höher als in NRW.
- Hass und Hetze im Netz nehmen weiter zu.
- „Unaufgeregt und besonnen“ verlief die Bürgerversammlung in Holzkirchen.

Bedrückender Schlusspunkt


Sie wurden zwar nicht an tschetschenische Militärs verkauft, aber in russischer Kriegsgefangenschaft grausam gefoltert: ein Musiker, ein Priester, ein Kickboxer, die im Rahmen des Zeitzeugengesprächs „Der Preis der Freiheit“ im Miesbacher Pfarrheim von ihren traumatischen Erlebnissen in der Gefangenschaft berichteten und an das deutsche Publikum eine eindringliche Botschaft richteten:

„Bewahrt euren Frieden und helft uns, unseren wieder zurückzubekommen. Auch wir Ukrainer haben mal Kriege im Fernsehen gesehen und dachten, das ist weit weg. Wir haben uns bitter getäuscht.“

Goethe meint damit die Reaktion auf das „Ungeheure“, und deshalb fangen wir den Monat entsprechend an.

Gruselschocker


Nawalny-Feier – Priester suspendiert: Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat einen Priester bestraft, der im März einen Gedenkgottesdienst für Alexej Nawalny gefeiert hat. Dmitrij Safronow wurde als Vorsteher einer Moskauer Pfarrei abgesetzt und für drei jahre vom priesterlichen Dienst ausgeschlossen. Die „Bußzeit“ muss er als Psalmleser/Vorbeter verbringen.

Der Patriarch hat in seiner Osterpredigt den lieben Gott gebeten, „Russlands Grenzen zu schützen“, aber letzterer ist mit den Grenzen eines anderen Landes mehr als ausgelastet.

Schwere Geburt: Auf einer Demo von Abtreibungsbefürwortern im kanadischen Toronto im Jahre 2016 wurde ein Schild mit folgender Inschrift mitgetragen: „Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch gegen diesen Sch… protestieren muss.“ Auch die SZ-Journalistin, die für die „reproduktive Selbstbestimmung“ der Schwangeren“ plädierte, meinte, „man müsse sich von dieser Wortwahl natürlich distanzieren“. Selbstbestimmung der Frau, Lebensrecht des Kindes, Legalisierung des Abbruchs, Beratungspflicht – bisher eine Quadratur des Kreises, deren Abrundung mehr erfordert als Shit-Polemik.

Voller Angst (vor Trump): Ein SZ- Artikel analysiert selbstkritisch, wie die Medien dazu beitragen, dass Trump gute Chancen hat, wieder Präsident zu werden. Dank seiner Affären erhält er mehr mediale Aufmerksamkeit als Biden, und wenn er verlautet, wofür er wirklich steht, wird das in einem Maße verharmlost, die einen „schaudern“ lässt. So hat er beispielsweise angekündigt, „das Militär einzusetzen, um politischen Widerspruch zu ersticken“. Aus diesem Angriff auf die Meinungsfreiheit macht die Nachrichtenagentur Associated Press: „Trump deutet umfassendere Rolle für das Militär an.“

Schlag gegen nigerianische Mafia: Bei einer Razzia gegen die „Black Axe-Brotherhood/Schwarze Axt-Bruderschaft“, die darauf spezialisiert ist, „einsame Herzen abzuzocken“ indem man sie mit einer „Fernbeziehung“ lockt, wurden in Süddeutschland 19 Wohnungen durchsucht und elf Männer verhaftet. Eine dieser Wohnungen war in – Miesbach.

Gaza und kein Ende


Der Hunger: In Gaza essen Menschen Tierfutter oder reißen Blätter aus dem Boden. „Satt wird hier niemand mehr“, sagt ein Arzt im Norden Gazas. „Die Menschen eilen ziellos umher wie Zombies auf der Suche nach Essbarem“, so ein Mitarbeiter des WFP/Welternährungsprogramms. Eine von der UN geförderte Initiative hat ein fünfstufiges System entwickelt, wie viele Menschen wie stark vom Hunger betroffen sind. Dazu kommen kriminelle Banden, die Hilfslieferungen stehlen und die Ware auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Die Hamas pocht auf Existenzberechtigung und beschießt israelische Militärs, die in der Nähe der Grenzübergänge stationiert sind. Israel reagiert mit der (zeitweiligen) Schließung der Übergänge, über die ein Großteil der humanitären Hilfe läuft.

 
Zwischen den Fronten

Anzeige 1: Der Palästinenser Maher Arouq hat die deutsche Regierung verklagt, weil Deutschland Waffen an Israel liefert. Er hatte bei israelischen Bombardements seine Brüder verloren, und sein Haus in Gaza liegt in Trümmern. Seine deutschen Anwälte berufen sich darauf, dass die Waffenlieferungen die Rechte von Kriegsopfern in Gaza verletzen würden, und dass Deutschland gegen sein eigenes Kriegswaffenkontrollgesetz von 1961 verstoßen würde. Die Bundesregierung hat ihre Lieferungen inzwischen dem Kriegsverlauf „angepasst“. Nach dem 7. Oktober wurden „alle Rüstungsgüter, um die Israel bat, in kürzester Zeit genehmigt“, aber zuletzt wurden nur noch „kleine Teile für Radaranlagen“ geliefert. Im Mai kam zum ersten Mal die Meldung, dass die USA eine Waffenlieferung an Israel gestoppt hat.

Die Klage wurde im Juni in erster Instanz abgewiesen.

Anzeige 2: Dann hat uns Nicaragua vor den Kadi/Internationalen Gerichtshof gezerrt. Der deutschen Regierung wird wegen ihrer Waffenlieferungen „Beihilfe zum Völkermord“ vorgeworfen. Das Gericht hat zwar die Argumentation der Bundesregierung, man habe inzwischen die Lieferungen zurückgefahren, akzeptiert und den Eilantrag abgewiesen, das Verfahren aber nicht endgültig eingestellt. Man wird uns also weiter auf die Finger schauen, ob anstelle der Radaranlagen nicht wieder Panzerfäuste geliefert werden. Dass der Eilantrag von Nicaragua kam, wo ein autoritärer Machthaber regiert, hat den Anspruch, das „humanitäre Völkerrecht“ einfordern zu wollen, etwas relativiert.

Yehuda Shaul - ein Friedensaktivist aus Israel: Yehuda gründete 2004 nach Beendigung seiner Dienstzeit in der Armee die Organisation „Breaking the Silence/das Schweigen brechen“, die sich zunächst mit dem (harschen) Umgang des israelischen Militärs im Gazastreifen und den besetzten Gebieten befasste. Das Massaker der Hamas am 7. Oktober machte ihn „natürlich wütend“,

„Aber dann setzt die Vernunft ein. Und man begreift, dass die Bombardierung des Gazastreifens zurück in die Steinzeit uns keinen Frieden und keine Stabilität bringen wird.“

Vergessene Krisenzonen


Myanmar: Dort kämpfen seit dem Militärputsch von 2021 die „People’s Defence Forces/Verteidigungskräfte des Volkes“ für die Wiederherstellung der Demokratie – und das ohne jede Hilfe von außen. Die UN konnte sich nicht einmal auf Sanktionen gegen das Militärregime einigen. Wer Hilfe bekommt, sind die Generäle. China hält seine schützende Hand über sie, denn Autokraten sind artverwandt und deshalb pfleglich zu behandeln. Die „Rebellen“, ethnische Minderheiten und Deserteure, haben der Junta seit Oktober 2023 eine Reihe von Niederlagen zugefügt. Im April fielen die Stadt Myawaddi an der Grenze zu Thailand und der dortige Militärposten in ihre Hände.

Sudan: Seit einem Jahr richten zwei Generäle das Land zugrunde, begehen ein Verbrechen, das man als „internen Völkermord“ bezeichnen könnte. Es ist ein Krieg, der die Welt lange kaltließ – wenn auch nicht die ganze Welt. Einer der Generäle wird von Ägypten mit Waffen beliefert, der andere erhält sie von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ohne die Einmischung von außen wären die Kämpfe wohl schnell vorbei. Das bestätigt auch ein AI-Bericht im Juli. Die Kleinwaffen kommen aus aller Herren Länder, Panzer und Artilleriegeschoße stellt der Sudan inzwischen schon selbst her. Die übrige Welt hat lange weggeschaut, aber aufgeschreckt durch die Aussicht auf eine Hungersnot astronomischen Ausmaßes (750 000), hat eine Geberkonferenz jetzt über zwei Milliarden gesammelt. Und im August hat man sich sogar zu einer Friedenskonferenz in Genf aufgerafft. Fortsetzung folgt!

Krisenzone Deutschland


Kriminalitätsstatistik: Der Bayer würde sagen – „Do kon i nimma lacha!“. Was Immanuel Kant denken würde, kommt später!

Die Zahl schwerwiegender Straftaten ist 2023 deutlich angewachsen. Die Gewaltkriminalität ist um 8,6% (214 000 Fälle) angestiegen, deutsche Tatverdächtige machen dabei 2,2% aus, ausländische Tatverdächtige bringen es auf 14,5%. Ein statistischer Befund, der den hohen Ausländeranteil mit ihrer steigenden Bevölkerungszahl in Beziehung setzt, kommt allerdings auf einen „ausländerfreundlicheren Wert“. Wenig erfreulich auch der Zuwachs bei den minderjährigen Tatverdächtigen (9,5%) und den Straftaten im Internet (Kinderpornographie). Zu letzterem eine Karikatur zum 300sten Geburtstag von Immanuel Kant, der Reim nicht gerade eine Spitzenleistung des „Volkes der Dichter und Denker“.

 
Immanuel Kant bei der Lektüre der Kriminalitätsstatistik von 2023

Und als Steilvorlage für den deutschen Stammtisch der Kommentar der Bundesinnenministerin: Trotz einiger

„Entwicklungen, die wir deutlich benennen müssen, ist Deutschland weiterhin eines der sichersten Länder der Welt“.

Bayerns Asylpolitik: „Ohne Herz und Verstand“ wurde sie in einem Leitartikel der SZ (ab) qualifiziert, weil erneut ein Iraner in Abschiebehaft genommen wurde. Diesmal traf es einen Mann, der zum Christentum konvertiert war, was im Iran ein Todesurteil sein könnte. Innenminister Herrmann scheint ihm noch persönlich die Beichte abgenommen zu haben, denn er sagte, „der hat doch keine Ahnung vom Christentum“. (Vorsicht: Teilsatire!) Das bayrische Innenministerium hat mit Stolz auf einen Abschieberekord in den ersten beiden Monaten von 2024 hingewiesen. Laut Flüchtlingshelfern waren darunter viele, die Arbeit hatten, und auch solche mit deutschen Ehefrauen.

Patriotismus von rechts: Da sie unser politisches System verachtet, muss sich die AfD notgedrungen nach anderen Vorbildern umsehen. Sie findet sie in den autoritären Regimen/Diktaturen in Russland und China. Von den unbedarften Wahlbeobachtern bei der Putin-Wahl war bereits die Rede, der Abgeordnete Petr Bystron steht im Verdacht, von einem prorussischen Geschäftsmann Geld bekommen zu haben, der Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah soll als Mitarbeiter einen chinesischen Agenten beschäftigt haben. Der heimliche AfD-Chef Björn Höcke wiederum macht Ausflüge in die deutsche Vergangenheit und sucht dort zusammen, was er noch „Alles für Deutschland“ tun kann.

Verfahren gegen Polizeibeamte: Gegen mindestens 400 Polizeibeamte der Länder, darunter 29 aus Bayern, werden Disziplinar- oder Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf rechtsextremistische Gesinnung oder Unterstützung einer Verschwörungsideologie geführt. Die Gewerkschaft der Polizei sieht das positiv – nicht die extremistischen Umtriebe der Beamten natürlich, sondern die „hohe Sensibilität“, die in der Polizei dem Problem gegenüber besteht.

Träume vom Kalifat: Verschwörungsaktivisten waren auch bei einer Demo von „Muslim Interaktiv“ in Hamburg zugange. Die Gruppe hatte am 27. April im Stadtteil St. Georg gegen (angebliche) Islamfeindlichkeit in Politik und Medien demonstriert. Auf den Plakaten standen Slogans wie „Deutschland = Wertediktatur“ oder „Kalifat ist die Lösung“. Bei einer Demo im Mai mit über 2 000 Teilnehmern durfte die Forderung nach einem Kalifat nicht mehr auftauchen. Dafür trug man Plakate wie „Zensiert“ und „Verboten“. Gegen das Zensieren oder das Verbot einer solchen Gruppe hätte der Hl. Georg der christlichen Legende, seines Zeichens Drachentöter, wahrscheinlich auch keine größeren Einwände.

AI-Meldungen


Entsorgung von Flüchtlingen: Der britische Premierminister Rishi Sunak hat das neue Abschiebegesetz durchs Parlament gebracht. Die ersten Flüge nach Ruanda sollen bald starten. Tickets für einen Rückflug nach Großbritannien wird es nicht geben, auch nicht für Flüchtlinge, deren Asylgesuch in Ruanda positiv beschieden wird. AI bezeichnet das Gesetz als „Schande“, Innenministerin Faeser lässt das Ruanda-Modell auch für Deutschland prüfen. Allerdings verbietet das europäische Asylrecht (noch), „Menschen in Staaten abzuschieben, zu denen sie keine Verbindung haben“.

Politische Gefangene: Der thailändische Demokratie-Aktivist Amon Nampa ist zu einer weiteren Haftstrafe verurteilt worden, weil er 2021 auf einer Kundgebung dazu aufgerufen hatte, die Gesetze zur Verunglimpfung des Königshauses zu ändern. Vielleicht hat er die Frage gestellt, warum der König einen Großteil seiner Zeit in seinen Villen am Starnberger See verbringt. Eine zusätzliche Geldstrafe wurde Nampa aufgebrummt, weil er dazu einen Lautsprecher verwendet hatte. Seine gesamte Haftstrafe hat sich inzwischen auf 16/18 Jahre summiert.

Frauen: Um es gleich vorwegzunehmen: der Frauentag im März hat wieder einmal keine Wunder bewirkt. Es gibt Defizite, die abzustellen sind, es wurden Entscheidungen getroffen und Maßnahmen ergriffen, die einem die Haare in die Höhe treiben. In Deutschland ergab eine Anfrage der Linken, dass man in den Frauenhäusern 13 000 zusätzliche Plätze bräuchte, und dass viele Opfer häuslicher Gewalt nicht reinkommen, weil sie sich die Kosten „in beachtlicher Höhe“ nicht leisten können. Und dann hat die UN die Kommission zur Rechtsstellung der Frau mit dem idealen Kandidaten besetzt: Jetzt wird Saudi-Arabien, das manche Frauen, die sich regierungskritisch geäußert haben oder die männliche Vormundschaft in Frage stellten, mit jahrzehntelangen Haftstrafen belegt hat, die Geschlechtergerechtigkeit vorantreiben – aber wie! Und im Iran hat man verschärfte Kontrollen bei Kopftuchverstößen eingeführt: die Sittenwächter tauchen wieder öfter an öffentlichen Plätzen auf, unverschleierte Autofahrerinnen werden per Videoüberwachung „dingfest“ gemacht, Frauen ohne Kopftuch bis auf Instagram verfolgt.

Todesstrafe: Wir bleiben beim Iran. Der Rapper Toomaj Salehi wurde wegen „Korruption auf Erden“ zum Tode verurteilt. Den Mullahs scheint die Härte seiner Lieder zu missfallen, und die Unverblümtheit, mit der er ein Ende ihrer Herrschaft voraussagt.

„Wir machen euch fertig. Sucht euch schon einmal ein Rattenloch.“

Am 30. April sperrte man ihm das Telefon. Ein schlechtes Zeichen! Jetzt kann er wieder telefonieren, denn im Dezember 2024 wurde er freigelassen.

Die AfD-Rubrik


- TV-Duell Voigt (CDU) vs. Höcke (AfD).
- Abbruch des Palästina Kongresses in Berlin.
- EU-Parlament billigt Asylreform.
- Macron räumt Mitschuld Frankreichs an Genozid in Ruanda ein.
- Ecuadors Sicherheitskräfte stürmen Mexikos Botschaft.
- “Scholz: Was Kant Putin zu sagen hätte“.
- Anklage gegen vier Seenotretter fallengelassen.
- „Der Sieg der alten Damen“ – Klimaschutz ist Menschenrecht.
- Amnesty wirft der Bundesregierung Schweigen zu Kriegsverbrechen von Israels Armee vor.

Schlussbild – zum Schaudern


Sie werden sich vielleicht gefragt haben, warum der Ukrainekrieg im April unerwähnt blieb. Das holen wir an dieser Stelle nach. Das Bild ist ein trauriger Übergang zum Monat Mai, weil Putin (fast) punktgenau zum „Tag des Sieges“ im 2. Weltkrieg (9. Mai) bei Charkiw eine Großoffensive einleiten ließ.


 


Mai 2024


„Geh nicht so fügsam in die dunkle Nacht“

Die Zeile aus einem Gedicht von Dylan Thomas dient Elke Heidenreich als Aufhänger in ihrem Nachwort zu dem Kurzroman „Adressat unbekannt“ von Kressmann Taylor aus dem Jahre 1938. Er handelt, soviel sei verraten, von der ausgeklügelten „Rache“ eines amerikanischen Juden an seinem deutschen Ex-Freund, der sich zum Hitleristen gemausert und in einem entscheidenden Augenblick lebensrettende Hilfe verweigert hatte. Nun, „fügsam“ sind derzeit die Israelis (und die Hamas) nicht, und die „dunkle Nacht“ zwischen den beiden Völkern hat sich noch nicht aufgehellt. Wir sind wieder einmal beim

Krieg zwischen Israel und Palästina


Haftbefehle im Doppelpack: In unangenehmer Nachbarschaft fand sich Israels Premier Netanjahu wieder, als der IStGH gegen ihn und den Hamas-Anführer Sinwar simultan einen Antrag auf Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen stellte. Die Vorwürfe: willkürliche Tötung und zielgerichtete Angriffe auf Zivilisten, Aushungern der Bevölkerung als Mittel der Kriegsführung. Bei Sinwar wäre noch hinzuzufügen, dass die Hamas zivile Einrichtungen als „Schutzschild“ benutzt und so die Israelis zu ihren Kriegsverbrechen provoziert.

 
Netanjahu und Sinwar – nebeneinander und gegeneinander

Die Reaktion von Netanjahu war zu erwarten. Er nannte den Chefankläger Karim Khan einen „der großen Antisemiten der Moderne“, von Sinwar ist keine Reaktion bekannt. Dem wird das Treiben der Justiz in Den Haag ziemlich egal sein. Die Regierung in Berlin ist in einer schwierigen Lage, wenn es zu einem Haftbefehl kommen sollte. Sie war immer „einer der größten Fans des sogenannten regelbasierten internationalen Systems“ und kann deshalb einen solchen Haftbefehl (wenn er erlassen werden sollte) nicht einfach ignorieren, nur weil Israel mit betroffen ist, das man aus Gründen der „Staatsräson“ hierzulande mit Samthandschuhen anfasst/und anfassen muss. Also was tun, wenn Netanjahu nach Deutschland auf Staatsbesuch käme?

Meine Meinung: Am Anfang dieses Konflikts stand das Massaker vom 7. Oktober. Das sollte man dem Sinwar nicht vergessen. Dann eskalierte der Krieg in einem Maße, der zum Vorwurf des Völkermordes führte. Und damit gleichen sich der machtbesessene Politiker und der skrupellose Terroristenboss immer stärker an. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Kraushaar lehnte den Vorwurf zum jetzigen Zeitpunkt ab, räumt aber ein, dass „ein zunächst legitimes Kriegsziel im gewaltsamen Akt seiner Verfolgung in ein als genozidal einzustufendes Verbrechen umschlagen“ könnte.

Nicht vergessen sollte man aber, dass Israel „bei aller berechtigten Kritik an seiner politischen Führung immer noch ein Rechtsstaat ist, dessen Behörden auch gegen Soldaten der eigenen Armee ermitteln. Die Hamas würde bei „Fehlern und Missgeschicken“ eher noch Orden verleihen.

Ein paar Tage später kam für Israel aus Den Haag der zweite Schlag. Der Internationale Gerichtshof/IGH, der für Konflikte zwischen Ländern zuständig ist, ordnete das Ende der Offensive in Rafah an. Was die Stadt Rafah anbelangt, ist man sich nicht einig, ob die israelische Armee noch im Umfeld agiert (Bombardierung eines Flüchtlingslagers) oder schon im Stadtzentrum tätig ist.

Proteste in Deutschland: Die Polizei hat „auf Weisung von oben“ eine Institutsbesetzung an der Berliner Humboldt-Universität „aufgelöst“. Die Studierenden hatten gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen protestiert, aber auch Parolen an die Wände geschmiert, die dem jüdischen Staat das Existenzrecht absprechen. Die Universitätspräsidentin hatte den Besetzern einen „Deal“ angeboten. Sie sollten an einer Diskussionsveranstaltung teilnehmen, die Besetzung zu einem festgelegten Zeitpunkt beenden – dann würde man auf eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch verzichten. Die Mehrheit der Besetzer ging auf den Deal nicht ein. Das Gebäude war nach der Besetzung „noch stark beschädigt“ – und das nicht nur nach Ansicht der Jüdischen Allgemeinen.

Weitere Kriegsgebiete und Konfliktherde


Ukraine – Russland: Es kam, wie in der Karikatur vom April schon vorhergesagt, zur russischen Offensive im Osten der Ukraine. Ein ukrainischer Offizier:

„Wir verlieren jeden Tag ein kleines Stück an Territorium. Es mag winzig sein – aber wir verlieren an Boden.“

Die Waffenlieferungen aus dem Westen ziehen sich hin. Die Lieferung der 800 000 Schuss Munition, die Tschechien im Februar (großspurig) angekündigt hat, soll im Juni anlaufen. Und als Reaktion auf die russischen Offensive haben westliche Regierungen dem Drängen der Ukraine nachgegeben, dass westliche Waffen bei Charkiw auch für Angriffe auf russischem Gebiet eingesetzt werden dürfen. Damit steigt auch die Angst in der grenznahen russischen Stadt Belgorod, deren Einwohner jetzt von der russischen Propaganda zu „Helden“ hochstilisiert werden. Darauf pfeifen sie, - aber laut nur dann, wenn sie sich vorher ins Ausland abgesetzt haben.

In Belarus hat Putin von Verhandlungen gesprochen, „ausgehend von heutigen Realitäten, die sich am Boden entwickelt haben“. Damit meint er die Geländegewinne, die die ukrainischen Streitkräfte in die Defensive gedrängt haben. Wenn er von „Frieden“ redet, meint er immer nur Frieden zu Russlands Bedingungen.

Georgien: „Was der Hans lehrt, befolgt Hänschen immer mehr“, so könnte man das Sprichwort (unbeholfen) abgeändert auf das seltsame Schauspiel übertragen, das sich derzeit in Georgien abspielt. Da möchte die große Mehrheit der Georgier zusammen mit Präsidentin Surabischwili“ in die EU, während der starke Mann des Landes, der Milliardär (und russische Staatsbürger) Iwanischwili, der willfährige Ministerpräsident und die Regierungspartei mit dem irreführenden Namen „Georgischer Traum“ das „Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme“ durchgepeitscht haben, dessen Ziel es ist, (prowestliche) Zivilorganisationen und demokratiefördernde Projekte von der ausländischen Finanzierung abzuschneiden, das vom russischen Agentengesetz abgekupfert ist – und deshalb von den Gegnern nur als „Russisches Gesetz“ bezeichnet wird. Im Parlament kam es bei den Lesungen des Gesetzes zu Schlägereien, auf der Straße gingen die Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten mit Tränengas und Wasserwerfern vor, und „Verhaftungen sind schon Teil des Alltags“. In Moskau reibt sich Putin die Hände. Wenn andere für ihn die „Drecksarbeit“ machen, braucht er nicht aufzumarschieren, um einen EU-Beitritt zu verhindern.

Im Juni hat sich die Opposition um die Präsidentin Salome Surabischwili geschart, die einen Reformplan ausgeheckt hat, um dem Land eine „neue politische Realität“ zu verschaffen. Vielleicht ist die georgische Nationalmannschaft bei der Fußball EM deswegen bis ins Achtelfinale gekommen.

AI-Nachrichten


Politische Gefangene: In Hongkong hat man die erste Tranche der „Hongkong 47“ verhandelt, die 2020 für Demokratie und freie Wahlen demonstriert hatten. 16 von ihnen standen jetzt vor Gericht, 14 wurden der „Verschwörung zur Subversion“ schuldig befunden, zwei wurden freigesprochen. Gegen die Freisprüche legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Es droht eine lebenslange Haft. Für die China-Direktorin von AI stellt „das Urteil die nahezu vollständige Zerschlagung der politischen Opposition“ dar. Vor dem Gericht protestierte die Aktivistin „Großmutter Wong“ mit einer britischen Flagge. Sie war zeitweise von 14 (!) Polizisten umstellt.

Im Iran wurde der Rapper Amir Tataloo zu einer dreijährigen Haftstrafe wegen Blasphemie verurteilt. Man kann jetzt rätseln, ob den Mullahs eher seine Texte oder seine Ganzkörper-Tattoos als gotteslästerlich aufgestoßen hatten. Ein anderer Künstler, der Regisseur Mohammad Rasoulof, entzog sich durch eine abenteuerliche Flucht der Verurteilung zu Peitschenhieben und einer mehrjährigen Haftstrafe und landete über Deutschland – auf dem roten Teppich der Festspiele von Cannes, wo er für seinen Film „Der Samen der heiligen Feige“ den Sonderpreis der Jury gewann.

Tod im Hungerstreik: In einem Krankenhaus bei Bangkok ist die thailändische Aktivistin Netipporn „Bung“ Sanesangkhom nach einem Hungerstreik von 110 Tagen, den sie nur kurzzeitig unterbrach, gestorben. Sie war seit Januar 2024 wegen Majestätsbeleidigung in Haft.

 Netiporn (Mitte) mit der Gruppe „Böse Studenten“ 2020

Todesstrafe: „Trump holt die Giftspritze aus dem Schrank“, titelte der Merkur einen Artikel über die Pläne des Republikaners über eine Ausweitung der Todesstrafe. Die Zellen der Todesstrafenkandidaten auf Bundesebene sollen so schnell wie möglich adäquat „geleert“ werden, Drogendealer und Menschenhändler sind zum Henker zu schicken, Regierungsbeamte, die geheime Informationen an die Presse weiterleiten, sind als Hochverräter hinzurichten. Und dann kommt natürlich noch Joe Biden an die Reihe, weil er ihm 2020 den Wahlsieg gestohlen hat und natürlich auch Nikki Haley, weil sie ihm solange die Kandidatur streitig gemacht hat. (Vorsicht Teilsatire!)

„Deutschland, Deutschland nicht für alle“


Sylt und anderswo: Zu den Klängen des Liedes „L’amour toujours“ grölte eine Gruppe junger Männer im Pony-Club auf Sylt, wo die Flasche Champagner 500 Euro kostet, den Text „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Bevor wir sie mit dem Gutmenschenfluch bedenken, lohnt es sich, den ursprünglichen Text des Liedes anzuschauen. Da heißt es im Refrain: „Baby, ich werde immer an deiner Seite stehen.“ Das ist vollschnulzig, aber nicht gerade fremdenfeindlich. Das Problem ist, dass der französische Originaltitel genauso viele Silben hat wie das deutsche „Ausländer raus“, der Rhythmus der Zwischenmusik zu diesem „Text“ passt und deshalb punktgenau „ver-fremdet/verfremdenfeindlicht werden kann.


Einer der Beteiligten machte den Hitlergruß und imitierte mit den Fingern das Hitlerbärtchen. Da der Staatsschutz wegen des Liedes und der Gesten ermittelt, hat sich der Täter inzwischen öffentlich entschuldigt. Sein Arbeitgeber soll ihm gekündigt haben, auch andere Beteiligte sollen ihre Jobs los sein, aber bei unserem Fachkräftemangel und nach dem Rechtsruck bei den Europawahlen im Juni werden sie bald wieder einen Job finden.

Nach dem Auftritt des Gesangsvereins auf Sylt krochen sie auch anderswo aus ihren Löchern. Die SZ beschreibt die Welle der Nachahmung wie folgt:

„Es ist wie ein Schneeballsystem, das sich in den unterschiedlichsten Milieus zu verselbstständigen scheint – vom Schützenfest in Niedersachsen, über das Pfingstfest in der Oberpfalz, bis zum Eliteinternat in Schleswig-Holstein.“

Jetzt hat man Sorge, dass das Lied nach „Layla 2023“ der Wiesenhit von 2024 wird.

Remigrationsvorschläge


AfD-Politiker: Im November 2023 hat man bei einem Treffen rechter Cliquen über die Rückführung von Flüchtlingen und deutschen Staatsbürgern mit Migrationshintergrund gesprochen. Wir hätten als Kandidaten die beiden AfD-Abgeordneten Maximilian Krah und Petr Bystron vorzuschlagen – falls sich die Vorwürfe gegen sie erhärten sollten. Bystron soll aus dem Umfeld des russischen Propagandaportals Voice of Europe Geld bekommen haben, das er dann, wie Audioaufnahmen des tschechischen Geheimdienstes zeigen, im Auto penibel nachgezählt habe. Krah soll bei den Russen und den Chinesen abkassiert haben, bei Letzteren vermutlich über einen Mitarbeiter, der im Verdacht steht, ein chinesischer Spion zu sein. Dass er die SS teilentschuldigt hat - „Nicht alle SS-Leute waren Verbrecher“ -, hat in Frankreich sogar die Le Pen auf die Palme getrieben. Die Remigration der beiden Politiker fand dann im Juni statt. Strasburg zeigte sich bereit, sie aufzunehmen – als Mitglieder des EU-Parlaments.

Reichsbürger: Auch die wäre unsereins gerne los, wenn möglich etwas weiter weg als nach Strasburg. In Bayern erreichte ihre Zahl Ende 2023 einen neuen Höchststand. Die Szene zählt 5406 Mitglieder, im Jahre 2022 verübte sie fast 800 Straftaten, von denen mehr als die Hälfte gegen Politiker gerichtet war.

Was Reichsbürger können, können andere auch noch, und so braucht man sich nicht zu wundern, dass 2023 mehr als 60 000 politische Straftaten registriert wurden, ein Trend, der sich mit verstörenden Angriffen auf Politiker aus (fast) allen politischen Lagern auch 2024 fortsetzte: Matthias Ecke (SPD), Yvonne Mosler (Grüne), Heinrich Koch (AfD). Und nicht zu vergessen: die „Beiträge“ zur BKA-Statistik durch die Antisemiten und die Islamfeinde.

Während der Karikaturist den gefährdeten Personengruppen, und da gehörten im Vorfeld der Europawahlen auch die Wahlkampfhelfer dazu, den Besuch einer Kampfsportschule empfiehlt, kommen auch seriöse Vorschläge: Man müsse

„die Gerichte personell besser ausstatten, damit politisch motivierte Straftaten schnell und unmissverständlich beantwortet werden können.

Die AfD-Rubrik


- Urteil: Verfassungsschutz darf AfD weiter beobachten.
- Grundrechtereport: Grundrechte sind „gefährdet wie noch nie“.
- Papst: Eklat um Schwulen-Spott.
- Nordafrika: Flüchtlinge in der Wüste ausgesetzt – mit Wissen und Unterstützung der EU.
- China droht Kritikern nun auch im Ausland.
- Irans Präsident Raisi stirbt bei einem Hubschrauberabsturz. Das Beileid von AI hält sich in Grenzen.
- Pinchas Goldschmidt, oberster Rabbiner des Kontinents, erhält den Karlspreis.

Nachrichten jenseits der „dunklen Nacht“


China: Die Bloggerin Zhang Zhan, die im Februar 2020 aus der Stadt Wuhan über den chaotischen Umgang der Behörden mit der Epidemie berichtet hatte und wegen „Anfangens von Streit und Provozierens von Ärger“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, ist unter Auflagen freigelassen worden. Ihre Strafe hat sie bis zum letzten Tag abgesessen. Im Oktober wurde sie erneut verhaftet.

75 Jahre Grundgesetz: Trotz der Alarmsignale des Grundgesetzreports wurde tüchtig gefeiert, mit einem Staatsakt zu einer „Verfassung“, die „zum Besten gehört, was Deutschland hervorgebracht hat“, mit einem Staatsbesuch des französischen Präsidenten, dem ersten seit 24 Jahren, mit viel Musik und DJ „Alle Farben“, einem Bürgerdialog, in dem Kanzler Scholz, dem Spiegel zufolge eher „spröde“, Vizekanzler Habeck hingegen „nahbarer“ auftraten, und einem Kickerspiel, mit dem die beiden Staatspräsidenten auf ihre Weise die Fußball-EM eröffneten.

 
Entspannungsfußball zwischen Frankreich und Deutschland

Im nächsten Monat ist Europawahl, und so viel vorneweg: Das Pfingstwunder ist für einige Parteien in Deutschland ausgeblieben. Und auf die Wähler, die sich für die Parteien des „lunatic fringe/Narrensaum“ entschieden, kam eher der Ungeist herab.


Juni 2024


„Alles ist verdichtet zu einer großen Unruhe. Langsam geht es an die zuversichtliche Substanz. Es (die Abfolge der Krisen) zehrt am Reservoir an zivilgesellschaftlicher Gefasstheit, mit dem sonst politische und soziale Schrecken aufgefangen und ausbalanciert werden.“
Caroline Emcke

Auch mir ist diese Gefasstheit etwas abhandengekommen, wenn ich auf diesen Monat zurückblicke. Das sind sie die

Gruselgeschichten


Bedrohungsszenarien

- Im Jahre 2023 kam es in Deutschland zu knapp 4800 antisemitischen Vorfällen, 80 Prozent mehr als im Vorjahr, die meisten zwischen dem 7. Oktober und dem Jahresende. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach von katastrophalen Zahlen, - die auch 2024 auf einem „Rekordhoch“ verblieben: (Bayern: 687 Taten vom Oktober 2023 bis September 2024)

„Jüdisches Leben ist so stark bedroht wie nie seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.“

 

- Im Jahre 2023 kam es auch zu 1926 antimuslimischen Übergriffen und vier Tötungen. Das waren mehr als fünf Angriffe pro Tag und bedeutet einen Anstieg um 140 Prozent. Mehr als die Hälfte richteten sich gegen Frauen und Mädchen, die ja bekanntlich beim Massaker in Südisrael die Hauptakteure waren. (Vorsicht Satire!)

- Einen Höchstwert erreichte 2023 auch die Gewalt gegen die Polizei. In Bayern wurden 3050 Polizisten im Einsatz verletzt, 14 davon schwer. Innenminister Herrmann konstatierte, dass „die Hemmschwelle in unserer Gesellschaft, Gewalt einzusetzen, sinkt“. Muss man noch hinzufügen, dass 83 Prozent der Täter Männer sind und mehr als die Hälfte unter Alkohol, Drogen oder beiden stand? Nein, muss man eigentlich nicht!

- Um 6,5 Prozent gestiegen ist die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt. Das Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023 berichtet lakonisch:

„Die meisten Tatverdächtigen sind Männer, überproportional viele haben keinen deutschen Pass.“

Das häufigste Delikt war „einfache Körperverletzung, aber in 12 Fällen hat man auch stärker „zugeschlagen“. In den letzten zwei Jahren gab es 12 tödliche „Ehrenmorde“, zehn Frauen, die gegen aufgezwungene Sexualnormen verstießen, aber auch zwei Männer, die als Partner von Frauen nicht von deren Familien akzeptiert wurden.

- Die AfD hat in Bayern eine Mailadresse geschaltet, die es ihren Mitgliedern (und Sympathisanten und jedermann) ermöglicht, „Verfehlungen anderer Parteien“ und deren Mandatsträger zu melden. Das Passwort ist aber nicht wie erwartet „Denunziantenportal“ sondern „Demokratiewächter“. Irgendwie hat man das Gefühl, dass es so etwas in Deutschland schon gegeben hat. Meldeportale für AfD-kritische Lehreräußerungen gibt es schon seit 2018. Wer weiß, wann die Schreiber (und Leser!) dieses Jahresberichtes dran sind?

Verbrechen – oder der Ansatz dazu


- Zwei brutale Attacken haben die Öffentlichkeit erschüttert und die Stimmung gegen Flüchtlinge (pauschal) aufgeheizt. In Mannheim verletzte ein Afghane bei der Veranstaltung eines rechtspopulistischen Vereins sechs Menschen, unter ihn einen Polizisten, der später seinen Verletzungen erlag. Der Täter war bisher polizeilich nicht aufgefallen, soll aber Kontakte in die islamistische Szene haben. In Bad Oeynhausen/NRW wurde ein junger Mann, der vom Abiball seiner Schwester heimging, von einem Syrer zu Tode geschlagen und getreten. Der Täter war (einschlägig) polizeibekannt. Die Sanktionsvorschläge gingen in zwei Richtungen: „Abschieben – und zwar sofort!“ Und: „Hier einsperren – und zwar lange. Und nach Verbüßung der Strafe abschieben – wenn kein regulärer Aufenthaltstitel vorliegt“. Bei der Bestrafung vor Ort könnte man vermeiden, was der Zeichner beim Afghanen befürchtet, nämlich ein herzliches „Willkommen!“.

 

- In Grevesmühlen/Meck-Pomm wurde eine Familie aus Ghana von 20 Jugendlichen angepöbelt. Die Ermittlungen dauern noch an, aber es steht fest, dass üble Beleidigungen fielen, das achtjährige Mädchen auf dem Roller am Weiterfahren gehindert wurde und es beim Eingreifen des Vaters zu einem Handgemenge kam. Der Tritt gegen den Kopf des Mädchens scheint nicht stattgefunden zu haben, aber einer der Täter führte ein Messer mit sich, an dessen Einsatz er aus der Gruppe heraus gehindert wurde. Ein Bündnis „Grevesmühlen für alle“ hat mit einer Menschenkette von 500 Leuten reagiert, am Stadtumzug durfte es allerdings nicht teilnehmen, weil es „sehr politisch“ sei.

Europawahlen


Als Gruselgeschichte nur bedingt geeignet. In Deutschland wurde zwar die Ampel abgestraft, aber die Union wurde mit Abstand stärkste Partei und ließ die AfD (noch einmal) weit hinter sich zurück. Aber bedenklich ist:

- dass die AfD mit 15,9 Prozent bei uns zweitstärkste Partei wurde,
- dass in mehreren Ländern rechte Parteien dominierten, die die EU eher abschaffen, als beibehalten wollen und denen der Green Deal ein rotes Tuch ist,
- dass die Wählermeinung immer stärker von den Nachrichtenschnipseln von Tiktok oder von der Desinformation durch Voice of Europe geprägt wird,
- dass 16 Prozent der deutschen Jungwähler von 16 bis 25 die AfD gewählt haben.


 
Darauf ein kühles Bier.

TV-Debatte Biden – Trump


Das Adjektiv, das zu Bidens Auftritt am häufigsten gebraucht wurde, war „desaströs“. Er selbst gab zu, „auf der Bühne fast eingeschlafen zu sein“ - statt einem Mann Contra zu geben, der mit Beleidigungen um sich warf und wie immer dreiste Lügen verbreitete. Beim Thema „Abtreibungen“ behauptete er beispielsweise, dass Demokraten Babys auch noch „nach der Geburt“ töten wollten. Ich halte es (zunächst) lieber mit Jill Biden, die es „nicht zulassen will, dass diese 90 Minuten seine vier Jahre als Präsident definieren“ sollen, glaube aber auch, dass ein freiwilliger Verzicht auf die Kandidatur die MAGA/GAGA-Katastrophe im November vielleicht noch verhindern könnte. Bei einem Wahlsieg Trumps bekämen die Amerikaner (möglicherweise) die Diktatur, die er ihnen im Dezember schon einmal angekündigt hat und die er (möglicherweise) über „den Tag eins“ hinaus verlängern würde. Fortsetzung folgt!

Kriegsgebiete – diesmal in Schlagzeilen


Gazakrieg

- Angriff auf eine Schule im Flüchtlingslager Nuseirat
- Befreiung von vier Geiseln durch israelische Armee
- Israels Militär verärgert Regierung durch Einführung „taktischer Feuerpausen aus humanitären Gründen“

 
Nuseirat – Schule oder/und Hamas-Versteck?

Ukrainekrieg – Ausstrahlungstendenzen

- Ausweitung des Einsatzes amerikanischer und deutscher Waffen zur Verteidigung der Region Charkiw.
- Putins „Schattenkrieg“ im Westen, russische Geheimdienste in Litauen, Polen, Deutschland und (aktuell) besonders in Frankreich aktiv.

 
(gezinkte) Särge mit Trikolore für „Französische Soldaten in der Ukraine“

- Berlin blockiert Sanktionspaket 14. Soll den „Re-Export“ von sanktionierten Gütern über Drittstaaten nach Russland erschweren.
- Ukraine-Konferenz in der Schweiz. Bundeskanzler spricht von einer „zarten Pflanze“.
- Alexander Dobrindt fordert, Ukrainer, die in Deutschland nicht arbeiten (wollen), wieder in „sichere Gebiete“ ihrer Heimat zurückzuschicken.

AI-Nachrichten


Politische Gefangene: In Jekaterinenburg/Russland steht jetzt der US-Reporter Evan Gershkovich vor Gericht. Er wird der Spionage für den CIA bezichtigt, hatte aber wohl nur Recherchen zur Gruppe Wagner durchgeführt. Putin möchte ihn für einen „Ringtausch“ nutzen, denn in Deutschland sitzt der Tiergartenmörder Krasikow im Gefängnis, und der ist für Putin kein Mörder, sondern ein „Patriot“.

Gefangenenaustausch: Ein Deal, der genauso fragwürdig ist, aber bereits zustande kam, war ein Austausch zwischen Schweden und dem Iran. Im Iran entlassen wurden der EU-Diplomat Johan Floderus und der Doppelstaatler Saeed Azizi. Schweden lieferte, und das allein ist fragwürdig, Hamid Nouri, der im Iran an den Massenhinrichtungen von 1988 beteiligt war. Während seine Verbrechen durch Zeugenaussagen erwiesen waren, waren die Anklagepunkte gegen die beiden Schweden („Spionage, Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“) mit heißer Nadel gestrickt.

Justizirrtum: Ein Bezirksrichter in Missouri/USA erklärte nach mehrtägigen Anhörungen, dass es „klare Beweise“ gebe, dass die heute 64-jährige Sandra Hemme 43 Jahre lang unschuldig hinter Gittern saß. Die Frau habe 1980 wohl aus einer seelischen Krise heraus, unter Medikamenteneinfluss, oder weil sie die Fragen der Vernehmer nicht verstanden hatte, den Mord gestanden. Sie habe aber weder ein Tatmotiv gehabt, noch habe es gerichtstaugliche Beweismittel gegeben. Es gäbe allerdings „direkte Beweise“, dass ein örtlicher Polizist die Tat begangen habe. Wenn sie freigelassen wird, kommt sie ins Guinnessbuch: Es wäre die längste ungerechtfertigte Verurteilung einer Frau in der Geschichte der USA.

 

Entführung: Russland hat, nach ukrainischen Angaben, fast 20 000 Kinder verschleppt und bietet sie meist nach einer gründlichen Indoktrination in einem Netz von Lagern landesweit zur Adoption an. Wer von den Teenagern das passende Alter hat, wird Berichten zufolge einem paramilitärischen Training unterzogen oder ab 18 Jahren gleich an die Front geschickt – zum Kampf gegen sein eigenes Volk. Russlands Kinderrechtsbeauftragte Maria Lwowa-Belowa wird deswegen per Haftbefehl aus Den Haag gesucht – zusammen mit ihrem Chef Putin.

Die AfD-Rubrik


- Polizei stürmt Gedenkfeier für Nawalny.
- Präsident Biden erschwert Flüchtlingen ohne Papiere die Einreise aus Mexiko.
- Donald Trump wird in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen, Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels verschleiert zu haben.
- Mexiko, eines der gefährlichsten Länder für Frauen, wählt eine Präsidentin mit einer zweifelhaften Feminismus-Bilanz.
- Julian Assange, der Mann mit den zwei Gesichtern, kehrt nach einem Deal mit der USA nach Australien zurück.
- Trauer um Holocaust-Überlebenden Zwi Katz.
- In Deutschland tritt das neue Staatsangehörigkeitsgesetz in Kraft. Es erlaubt die doppelte Staatsbürgerschaft.

Randnotizen vom Fußball


Hongkong: Bei einem Fußballspiel gegen den Iran wurden drei Leute festgenommen, die beim Abspielen der chinesischen Nationalhymne „dem Spielfeld den Rücken zugekehrt hatten und nicht aufgestanden waren“. Es drohen bei einer Verurteilung Gefängnisstrafen bis zu drei Jahren.

Bremen: Die Stadt soll mit der UEFA in Konflikt geraten sein, weil sie die „clean zone“, die 500 Meter um das Stadium, wo politische Versammlungen nicht zulässig sind, verkleinern wollte. Das Satiremagazin Extra 3 hat verlautet, dass die Stadt wegen ihrer Widerspenstigkeit keine WM-Spiele bekommen hätte.

Katrin Göring-Eckardt: Nicht widerspenstig genug war für mich die Vizepräsidentin des Bundestages. Sie hatte (mutmaßlich) auf eine Umfrage in einer WDR-Sendung reagiert, in der jeder Fünfte auf eine Suggestivfrage antwortete, dass er es besser fände, wenn wieder mehr weiße Spieler in der Nationalmannschaft spielen würden. KGE. hatte einen Post losgelassen, in dem sie die Mannschaft „großartig“ fand und hinzugefügt, dass man sich nur einmal vorstellen solle, „da wären nur weiße deutsche Spieler“. Sie zog den Post nach einem Shitstorm schnell zurück, aber was daran „rassistisch“ sein soll, muss man mir noch erklären. Julian Nagelsmann hat seinerseits die Vorlage im WDR als „Scheißumfrage“ bezeichnet. Das braucht er nicht zurückzunehmen.

Kylian Mbappé: Der Kapitän der französischen Nationalmannschaft hat am Vorabend des ersten EM-Spiels seine Hoffnung ausgedrückt, dass die Mannschaft „am 7. Juli noch stolz darauf sein kann, dieses Trikot zu tragen“. Und er hat dabei nicht prophetisch an das Spiel gegen Portugal gedacht, das die Franzosen am 5. Juli mit viel Glück beim Elfmeterschießen gewannen, sondern an die 2. Runde der französischen Parlamentswahlen. Uneingeschränkt stolz zu sein, dafür hatte Frankreich keinen Grund. Zwar hielt die „Brandmauer gegen Le Pen“ stand, aber von Stabilität kann keine Rede sein.

Und ich kann durch diesen Vorgriff auf den Juli, wo die Rechte in Frankreich eine „Ohrfeige“ bekam und in Großbritannien eine (vorsichtige) Annäherung an Europa anlaufen könnte, (zunächst einmal) mit mehr „Gefasstheit“ in die Zukunft blicken. Das war, werden Sie wahrscheinlich sagen, (leider) nur ein Halbjahresstand, der weitere Verlauf des Jahres hat mich mehrere Male „fassungslos“ gemacht.


Juli 2024


Du sagst: Jedes Ding hat zwei Seiten.
Warum siehst du immer nur die eine?
Die schwarze.

Altes Sprichwort

USA – ein „Ding“ mit zwei Seiten


Wer bis weit in den Juli hinein auf die USA geschaut hat, hatte allen Grund schwarz zu sehen: Der Oberste Gerichtshof hatte Trump für Handlungen während seiner Amtszeit Immunität zugesprochen – und damit seinen Appetit gefördert, in einer 2. Amtszeit als „gewählter Diktator“ zu regieren, auf bayrisch „die Sau noch stärker rauszulassen“. In der Fernsehdebatte reagierte Präsident Biden auf Trumps Lügen mit Heiserkeit und peinlichen Sprechpausen, und er zögerte lange, bis er seinen Ausstieg aus dem Rennen um die Präsidentschaft erklärte. Dann kam das Attentat auf Trump in Butler/Pennsylvania, das
- einem Feuerwehrmann das Leben kostete,
- Trump kurz auf den Boden zwang, aber dann zu einer Kämpfergeste motivierte, die nahtlos an das ikonische Foto von der Eroberung Iwojimas im 2. Weltkrieg erinnerte,
- dem deutschen Kabarettisten Sebastian Hotz ein Auftrittsverbot bescherte, weil er eine Gemeinsamkeit von Attentat und „letztem Bus“ festgestellt hatte. „Leider knapp verpasst!“ – stammt von Holz, wohlgemerkt.

Trump wurde am Ohr verletzt und feierte beim Parteitag der Republikaner eine Auferstehungsfeier, neben der eine Heiligsprechungszeremonie in der katholischen Kirche wie ein Dorffest aussah. Da war sein Vorsatz, einen moderaten Ton anschlagen zu wollen, schon wieder Material für die Mülltonne. Und was man nach einem Wahlsieg Trumps erwarten kann, offenbarte er vor konservativen Christen in Florida:

„Christen, geht raus und wählt! Nur dieses Mal. Ihr werdet es nicht mehr tun müssen.“

Da hatte aber schon „Gott, der Allmächtige“ eingegriffen, der Joe Biden gesagt hatte, dass er nicht gewinnen könne. Und Biden machte den Weg frei für Kamala Harris. Und die Freiheitsstatue, die man in der Karikatur abwechselnd beim Psychiater oder auf der Flucht aus den USA gesehen hatte, setzte wieder ein verstohlenes Lächeln auf, das sie hoffentlich über den 5. November hinaus beibehalten kann.

 

Russland – das „Ding“ mit der schwarzen Seite


Angriff auf eine Kinderklinik: In Kiew schlug mindestens eine Rakete/ein Marschflugkörper in eine Kinderklinik ein. Zwei Erwachsene wurden getötet, zehn Kinder verletzt, Labore und Behandlungsräume verwüstet. Russland tat den Angriff als „Hysterie des Kiewer Regimes“ ab und behauptete, die Schäden seien durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden.

Politische Gefangene – eine Auswahl

Dmitry Skurikhin: Der Ladenbesitzer bemalte die Fassade seines Dorfladens mit den Namen von ukrainischen Städten, die von der russischen Armee angegriffen wurden. Wegen „Diskreditierung der Streitkräfte“ wurde er zu 18 Monaten Strafkolonie verurteilt.

Jewgenija Berkowitsch: Sie sitzt in U-Haft, weil sie ein Theaterstück inszeniert hatte, das den Terrorismus ausdrücklich verurteilt. Der Anklagepunkt: Rechtfertigung von Terrorismus. Den Richter sprach sie in Versform an, aber er schien sich aus Gedichten nichts zu machen, denn er verurteilte sie und die Autorin des Stücks zu sechs Jahren.

 
Zwei russische Terrorismussympathisantinnen

Wladimir Kara-Mursa: Der Dissident, der wegen „Hochverrats“ zur bisher härtesten Strafe gegen Oppositionelle (25 Jahre) verurteilt wurde, sitzt in einem sibirischen Lager – weitgehend in Isolationshaft. Sein Zustand verschlechtert sich, nicht zuletzt wegen der zwei Giftanschlägen, die auf ihn verübt worden waren. Dass er beim „Geiselaustausch“ im August noch am Leben war, grenzte an ein Wunder.

Evan Gershkovich: Der US-Amerikaner wurde in nur drei Prozesstagen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen „Spionage“ zu 16 Jahren verurteilt. Vermutlich bekam er ein Eilverfahren, weil man schon wusste, dass er sowieso nicht mehr lange im Lande sein würde. Im August war er Putins „Haupttrumpf“ beim Deal mit Deutschland, der zur Auslieferung des Tiergartenmörders von Berlin führte.

Rico Krieger: Dessen Fall spielte sich in Belarus ab, aber das Muster ist ähnlich, weil ja Lukaschenko auch sonst nach Putins Pfeife tanzt. Dem Deutschen wurde ein „Terrorakt“ an einem Bahnhof (ein Sprengstoffanschlag mit einem Sachschaden von 460€) vorgeworfen, er wurde zum Tode verurteilt, aber dann von Lukaschenko begnadigt – nach Verhandlungen mit Berlin, die ebenfalls Richtung Tiergarten gingen.

AI-Nachrichten – auch eher schwarzseitig


Politische Gefangene: Chinas prominenteste „Me Too“- Aktivistin Huang Yueqin ist jetzt endlich da gelandet, wo sie nach Meinung vieler Männer auch hingehört. Ein Gericht verurteilte sie zu fünf Jahren Gefängnis, weil sie die (männliche) „Staatsgewalt untergraben wollte“. Vorher schon war sie für längere Zeit (in einem Geheimgefängnis) verschwunden. Ihre Karriere als Investigativjournalistin hatte sie 2017 mit einer Umfrage begonnen, die zu Tage brachte, dass vier von zehn Journalistinnen in ihrem Job schon mehr als einmal sexuell belästigt worden waren.

Polizeigewalt: Eine schwarze Frau wurde in Springfield/Illinois von einem weißen Polizisten erschossen, ohne dass für den Täter auch nur ein Hauch von Gefahr bestanden hätte. Die Frau hatte die Polizei gerufen, weil sie in ihrem Garten Geräusche gehört hatte. Eine missverständliche Bemerkung zu ihrem überlaufenden Kochtopf (!) hin, „Im Namen Jesu, ich werde dich züchtigen“, brachte den Polizisten zum Kochen. Als sie den Topf zur Seite stellen wollte, drückte er mindestens dreimal ab. Den Polizisten erwartet eine Anklage wegen vorsätzlichen Mordes. Aber ein Präsident Trump wird ihn schon begnadigen!

Todesstrafe: In Sahiwai/Pakistan wurde ein Christ wegen des Vorwurfs der Blasphemie zum Tode verurteilt. Der Mann soll in sozialen Medien Fotos von zerrissenen Seiten des Koran hochgeladen haben. Das Urteil wurde von einem Anti-Terrorgericht verhängt, aber selbst wenn man der Meinung ist, es wäre besser, den Koran (oder die Bibel) unbeschädigt ins Netz zu stellen, stellt man sich unter Terrorismus doch etwas Anderes vor.

Die AfD-Rubrik


- Ein Gericht in Moskau erlässt Haftbefehl gegen Julija Nawalnaja.
- Irans neuer Präsident Massud Peseschkian – ein Reformer mit dem Segen von oben.
- Anschläge in Nigeria an drei Tatorten: eine Hochzeitsfeier, ein Krankenhaus, eine Begräbniszeremonie.
- Ultraorthodoxe Israelis stürmen Militärbasis aus Protest gegen Einberufungsbescheide.
- Attentat auf Rheinmetallchef Papperger vereitelt.
- Täterfreundliches Urteil im dritten Prozess gegen Jérôme Boateng.
- Verkehrsminister Wissmann fordert schärfere Gesetze gegen Klimaaktivisten.
- Aiwanger-Affäre: Ermittlungen gegen Lehrer eingestellt, Disziplinarverfahren gegen Lehrer wird „zeitnah“ fortgesetzt.

Die hellere Seite des „Dings“


Asylanträge: Entgegen landläufiger Meinung ist die Anerkennungsquote von Geflüchteten, deren Antrag inhaltlich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge/Bamf überprüft wurde hoch – egal, ob sie mit oder ohne Ausweispapiere kommen. Etwa zwei von drei dieser Asylanträge waren erfolgreich, allerdings mit sinkender Tendenz.

„Tag der Freude“ in Potsdam: Bei der Eröffnung der neuen Synagoge gab Bundespräsident Steinmeier angesichts des wachsenden Antisemitismus folgendes Versprechen ab:

„Deutschland bleibt ein Zuhause für Jüdinnen und Juden. Dafür stehe ich persönlich, und dafür tritt die Mehrheit aller Deutschen ein – das versichere ich Ihnen.“

 

Kinderehen: Julius Maada Bio, Präsident von Sierra Leone, hat ein Gesetz gegen Kinderehen unterzeichnet. Die neue Regelung verbietet Ehen für Kinder unter 18 Jahren und sieht hohe Strafen für den erwachsenen Ehepartner vor. Zudem sollen auch jene bestraft werden, die eine solche Ehe ermöglichen, etwa die Eltern und Hochzeitsgäste (!). Sein Ziel (und das Ziel seiner Frau) ist, dass Frauen die Möglichkeit haben sollen, „ihr volles Potential auszuschöpfen“.

In der Hoffnung, das „volle Potential“ des Monats Juli ausgeschöpft zu haben, auch ohne die Konflikte in der Ukraine und im Gazastreifen, die Wahlen in Frankreich, Großbritannien und Venezuela, die Fußball EM - und die Internationalen Tage des Witzes und des Kusses zu erwähnen, verabschiede mich in die Sommerferien, die, das kann ich jetzt schon versprechen, auch heuer wieder keine ereignislose „Saure-Gurken-Zeit“ werden.


August 2024


„Du bist wirklich saudumm, darum geht’s dir gut
Hass ist deine Attitüde, ständig kocht dein Blut
alles muss man dir erklären, weil du wirklich gar nichts weißt;
höchstwahrscheinlich nicht einmal, was Attitüde heißt.“

Die Ärzte auf einer CD von 1993

Die Weirdos des Monats


Das englische Wort „weird“/seltsam“ spukt im amerikanischen Wahlkampf herum, seit der Vizekandidat der Demokraten Tim Walz so das Auftreten und den Charakter von Donald Trump und seinen Anhängern bezeichnet hat. Ein „weirdo“ als Person wird im Deutschen (gnadenlos) als „Psychopath“ wiedergegeben, und mit solchen wollen wir uns im Sinne der „Ärzte“ zuerst befassen. Eine Rangordnung in der „Seltsamkeit“ dieser Personen zu erstellen, bleibt Ihnen überlassen.

J.D. Vance, Vizekandidat der US-Republikaner: Vance bedauerte, dass die USA von „unglücklichen Katzenfrauen“ regiert würden. Kinderlose Frauen seien aber „soziopathisch“ und „geistig weniger stabil“ und deshalb zum Regieren nicht geeignet. Mit den „Katzenfrauen“ meinte er natürlich nicht Joe Biden, sondern Kamala Harris, die seinen Chef Donald Trump derzeit (und hoffentlich auch noch im November) respektlos in die Enge treibt. Sie hat zwar keine biologischen Kinder, aber zwei Stieftöchter, die sie liebevoll „Momala“ nennen, ist also weit entfernt von der „crazy cat lady“, die „außer 20 Katzen keine Sozialkontakte hat“.

Sahra Wagenknecht: Vom Merkur als „Schlüsselfigur in Moskaus Kriegsführung“ bezeichnet, macht sie diesem schmeichelhaften Titel alle Ehre. Putins Kriegsverbrechen gegenüber betreibt sie einen absurden Reinwaschgang. Die Kinderklinik in Kiew sei mutmaßlich von den Trümmern einer ukrainischen Abwehrrakete getroffen worden, und Putins Angriffskrieg, ein Wort, das sie meistens meidet wie der Teufel das Weihwasser, sei nicht etwa von Putins Großmachtnostalgie, sondern vom Imperialismus des Westens ausgelöst worden. Und Friedensverhandlungen werden von der Ukraine blockiert. Von wem denn sonst? Aber die Wähler in Thüringen und Sachsen haben ihr das alles abgenommen. Sie schaut halt einfach zu gut aus!

Wir haben durchaus ein gewisses Verständnis für den Wunsch von Olav Scholz.

 
Im Austausch Krim-Sekt

Bezalel Smotrich, israelischer Finanzminister: Er kritisierte die Hilfslieferungen nach Gaza, weil sie Israel daran hinderten, den Krieg zu führen, wie es sich gehört, denn

„Niemand wird zulassen, dass wir zwei Millionen Zivilisten verhungern lassen, auch wenn das gerechtfertigt und moralisch sein könnte, bis unsere Geiseln freigelassen werden.“

Ebenso „gerechtfertigt und moralisch“ war dann wohl auch der Geiselmord vom September „aus nächster Nähe und kurz vor ihrer Befreiung“. Smotrichs gibt es auch auf Seiten der Palästinenser.

 
Vom Musikfestival in den Tunnel der Hamas

Die Weirdos von München: In der „Stadt der Bewegung“ war am Monatsende einiges los. Zum Antikriegstag am 1. September trafen sich die Querdenker von „München steht auf“ auf dem Marienplatz, und linke Gruppen und Gewerkschaften auf dem Königsplatz. Zwar fielen auch bei den Querdenkern weirde Sätze wie „Die Ukraine führt einen Stellvertreterkrieg für den Westen“, aber eingehen wollen wir auf die Reichsbürger-Demo vom Vortag. Da kamen bei einem Treffen etwa 500 Bürger aus den „25+1 Bundesstaaten“ zusammen, die das Deutschland von 1871 wieder auferstehen lassen wollten. Der „Staat + 1“ ist das Reichsland Elsass-Lothringen, deshalb sollte sich die französische Armee besser wieder warm anziehen. Ein Redner hat dann auch noch das Geschichtsbewusstsein des Publikums dahingehend mobilisiert, dass „am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen soll“. Aber da wünscht man sich noch eher eine weitere Corona-Pandemie.

Die Konfliktgebiete – teilweise in Kurzfassung


Israel – Palästina

- Gezielte Tötung: Wenige Stunden nach der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten wurde einer seiner wichtigsten Gäste, der Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran durch einen Marschflugkörper getötet. Im Vergleich zu anderen Hamas-Führern galt er als moderat und war zentraler Ansprechpartner bei den Verhandlungen zwischen USA, Katar, Ägypten und Israel. Sein Nachfolger wurde mit Jahja Sinwar ein Hardliner. Er gilt als Drahtzieher des Angriffs vom 7. Oktober. Es ist deshalb zu fragen, ob das Attentat in Teheran tatsächlich eine Glanzleistung des Mossad und nicht doch eine Riesendummheit gewesen ist.

- Gewalttaten: israelischer „Präzisonsschlag“ gegen eine Schule mit Dutzenden von Toten, Hamas-Anschlagsversuch in Tel Aviv, terroristische Übergriffe israelischer Siedler im Westjordanland – ideale Voraussetzungen für Verhandlungen.

- „Finale“ Verhandlungen: Trotz vollmundiger Versprechen großer „Durchbrüche“ haben die Verhandlungen in Kairo nichts gebracht.

 
Ironman mit Antony Blinken

Fußnote aus der SZ:

„Nirgendwo, in keiner der vielen Hauptstädte der Region, ist auch nur eine Frau an den Beratungen beteiligt.“

- Schuldzuweisungen: In Israel wächst der Zorn auf Premier Netanjahu. Selbst Militärs und Geheimdienstler stecken den Medien, dass er es ist, der alle Verhandlungen über einen Waffenstillstand und ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln torpediert. Die Gegenseite sieht die Schuld bei der Hamas. Sie instrumentalisiert das Leid der Zivilbevölkerung, stellt Maximalforderungen und lässt (auch durch ihre Bindung an den Iran) den Verdacht aufkommen, dass ihr eigentliches Kriegsziel die Auslöschung Israels „vom Fluss bis zum Meer“ ist. Man kann davon ausgehen, dass derzeit weder Netanjahu noch Sinwar Frieden wollen.

- Impfungen: Einer der wenigen Lichtblicke dieses Monats war, dass endlich die Impfungen der Kinder gegen Polio angefangen haben – aber auch erst, nachdem die Krankheit bei einem 11-Monate alten Kind schon aufgetreten war. Für die Durchführung der Impfung haben Israel und die Hamas „befristete Feuerpausen“ zugesagt. Wenn alle 640 000 Kinder unter zehn Jahren drankommen sollen, müsste es sehr lange Pausen geben.

Ukraine – Russland

Nach massiven Drohnenangriffen auf russischem Boden hat Präsident Selenskyj auch rhetorisch auf Vergeltung geschaltet:

„Russland hat den Krieg in unser Land gebracht und soll spüren, was es getan hat.“

Sie sollten einmal „Ukrainekrieg im August 2024“ googeln. Da findet man für jeden Tag einen Eintrag, am 26. August beispielsweise „einen Tag nach dem ukrainischen Unabhängigkeitstag der größte russische Raketenangriff seit Beginn des Krieges“.
 
Großbritannien

In Southport/Nordwestengland hat ein 17-Jähriger drei kleine Mädchen getötet, die an einem Tanz-Workshop für Kinder teilgenommen hatten. Der Täter war in Wales geboren, seine Eltern waren aus Ruanda eingewandert. In den sozialen Medien wurde er zum Bootsflüchtling, der erst vor einem Monat angekommen war und sich vorgenommen hatte, als erstes auf Kinder einzustechen. Die Falschmeldungen trieben in mehreren Städten den rechten Mob auf die Straßen, in Southport wurde die Moschee attackiert und 39 Polizisten verletzt. Die britische Justiz reagierte schnell: Schon drei Wochen nach den Unruhen waren 600 festgenommene Demonstranten verurteilt, 30 von ihnen ausschließlich wegen ihrer Online-Kommentare. Elon Musk war unseres Wissens nicht darunter.

Venezuela

Nach den gezinkten Wahlen, die Staatschef Maduro in seinem Amt bestätigten, gab es massive Proteste der Opposition, bei denen, nach Informationen von AI, mindestens 17 Menschen getötet und mehr als 2000 festgenommen wurden. Maduro soll statt der offiziellen 51,2 Prozent nur 30 Prozent der Stimmen erhalten haben, sitzt aber dank der Unterstützung des Militärs und des Obersten Gerichtshofs (bis jetzt) wieder fest im Sattel. Im Netz kursiert ein Witz:

„Maduro-treues Oberstes Gericht bestätigt die Entscheidung des Maduro-treuen Wahlrates – und Maduro ist einverstanden.“

Bangladesch

Nach der spektakulären Flucht von Sheikh Hasina, der „eisernen Lady von Dhaka“, soll jetzt Muhammad Yunus, Friedensnobelpreisträger und Erfinder der Mikrokredite für Frauen, das von den Studentenprotesten erschütterte Land regieren. Das Militär hat diesmal die richtige Seite gewählt und unterstützt die neue Regierung. Und Yunus ist ein Mann, der „sich mit Hoffnung auskennt“.

Sudan

Zunächst blieb alles beim Alten: die Kriegsherren stur, die Helfer blockiert, die Menschen am Verhungern. Dann initiierten die USA Gespräche in Genf, um den Krieg zu entschärfen. Erschienen war mit der Miliz RSF nur eine der Konfliktparteien, die Armee SAF blockierte die Gespräche, weil daran auch die Vereinigten Arabischen Emirate teilnahmen, die die RSF unterstützen. Sie blicken nicht mehr durch? Die Amerikaner auch nicht, denn nach zehn Tagen waren die Gespräche erneut gescheitert. Als Erfolg zu werten ist lediglich die Öffnung von drei humanitären Korridoren. Für eine UN-Friedensmission, so Generalsekretär Guterres im Oktober, seien „die Bedingungen nicht gegeben“. Was er damit meint ist, dass sie am Veto Russlands im Sicherheitsrat scheitern würde.

Flüchtlinge und Asylbewerber – Nein danke!


Die tapferen Einzelkämpfer von „Pro Asyl“ sind wieder einmal einem scharfen Gegenwind ausgesetzt, denn das Land hat einem CDU-Politiker zufolge, drei Probleme: „Migration, Migration, Migration!“ Was macht uns Sorge, was stößt uns auf, was hat man an Lösungen anzubieten?

- Die Messerangriffe in Mannheim (Täter: Afghane mit Aufenthaltsgenehmigung) und Solingen (Täter: Syrer und Abschiebungskandidat) riefen zu Recht bundesweites Entsetzen hervor. Auch Zahlen, die beispielsweise auf den hohen Ausländeranteil bei der Clankriminalität hinweisen (41 Prozent/2023), tragen nicht gerade zur Beruhigung bei. Da war man ja dann schon fast dankbar, dass der Flintenmann in München ein Österreicher war – wenn auch, das vergaß man nicht hinzuzufügen, mit bosnischen Wurzeln!

- Dann kam die Nachricht von den „Urlaubern“ in Afghanistan. Die Zahlen dazu sind widersprüchlich - zwischen 160 seit 2014, also 16 pro Jahr (!) und „Tausenden“ -, aber die Empörung ist einhellig: „Deutschland muss weltoffen bleiben, aber nicht blöd“. Viele dieser „Rückreisenden“ haben triftige Gründe, aber die BILD sieht sie eher auf Besichtigungstour. Es gibt Asylexperten, die betonen, dass Menschen mit Schutzstatus auch in ihre Heimat reisen dürfen, aber wenn das neue Asylpaket der Bundesregierung durchgeht, verlieren sie diesen Status.

- Lösungsversuche in Auswahl: Hohe Priorität haben die Abschiebungen, auch in Konfliktzonen. Gegen Monatsende wurden 28 Straftäter nach Afghanistan abgeschoben, die meisten von ihnen „schwere Jungen“, denen kaum jemand nachtrauert, aber einer aus Bayern scheint (nur) ein Dealer gewesen zu sein, und da sollte man hellhörig werden. Nicht, dass unter den abzuschiebenden Straftätern bald die Schwarzfahrer sind!

- Was die Aufnahme in Afghanistan betrifft, bieten sich Mehrfachantworten an. Bei ihrer Ankunft in Kabul wurden

a)    zehn sofort freigelassen,
b)    wurden sie in ein berüchtigtes Gefängnis verbracht,
c)    wurden sie an ihre Verwandten übergeben.

- Söder möchte das Grundgesetz ändern und das individuelle Recht auf Asyl abschaffen, nein „umwandeln“.

„Dann entscheidet Deutschland, wer in unser Land kommt – und nicht jeder Einzelne hat ein Recht dazu.“

Wie Deutschland entscheidet, solange das Durchschnittsalter der Bevölkerung nicht bei 65 ist, können Sie sich selbst ausmalen.

- Die Ampel will Sozialleistungen für Ausreisepflichtige kürzen, Maßnahmen gegen Messergewalt ergreifen, den Sicherheitsbehörden den Einsatz künstlicher Intelligenz (z.B. Gesichtserkennung) erlauben, die Gründe erweitern, die eine Abschiebung erleichtern (z.B. Hetze gegen ethnische Gruppen).

Die SZ sieht bei einigen solcher Maßnahmen eine Kollisionsgefahr mit Grundgesetz und europäischem Recht und kommentiert mit einem dubiosen Unterton: „Mehr geht jetzt nicht.“

AI-Nachrichten


„Volksjustiz“: Ein hartes Urteil fällte ein Berliner Amtsgericht gegen einen Klimakleber. Er soll für fast zwei Jahre in Haft, weil er wiederholt an Blockaden teilgenommen hat – und dies wieder tun will. Die Klimakleber mögen nerven, aber ihr Ziel ist sinnvoll. Die Mitverursacher der Erderhitzung hingegen, z.B. die Abgastrickser von Audi,  kommen mit Bewährungsstrafen davon.

Diskriminierung von Frauen: Die Taliban haben neue Tugendgesetze erlassen – zum Schutze der Männer vor unfrommen Gedanken. Sie dürfen keine Absätze mehr tragen, weil die auf der Straße klappern, und sie dürfen in der Öffentlichkeit nicht mehr singen oder Gedichte rezitieren, weil die Stimme der Frau zu „intim“ sei. Dahinter steckt wohl eher die Angst, dass die Frauen den verklemmten Vollbartträgern häßliche Lieder vorsingen könnten.

Pressefreiheit: Journalismus ist in Mexiko „ein tödliches Geschäft“. Im letzten Jahr wurden im Schnitt alle 16 Stunden ein Journalist/eine Journalistin angegriffen, und bei „Angriffen“ sind auch Verschwinden und Ermordung miteingeschlossen. Da die Drogenkartelle mit Politik und Justiz gut „vernetzt“ sind, landen die Täter, sofern man ihrer überhaupt habhaft wird, so gut wie nie im Knast.

Hetze im Netz: Politikerinnen werden, und das wohl nicht nur bei uns, in den (a)sozialen Medien wesentlich härter angefasst als ihre männlichen Kollegen. Wenn ihnen nur das Aussehen oder das Alter vorgeworfen werden, sind das noch die netteren Beleidigungen.

Iran

- Seit vier Jahren sitzt die Deutsch-Iranerin Nahid Taghavi in Geiselhaft. Man wirft ihr das Engagement für Frauenrechte als „Beteiligung an einer illegalen Vereinigung“ und „Propaganda gegen den Staat“ vor. Das Auswärtige Amt weiß Bescheid, scheint aber auf „stille Diplomatie“ zu setzen, also nichts zu tun. Taghavis Pech ist, dass es „derzeit keine politisch relevanten iranischen Staatsbürger in deutschen Gefängnissen gibt“, mit denen man sie austauschen könnte, gewissermaßen „ein Faustpfand auf Halde“.

 
Nahid Taghavi – Traktälteste im Evin-Gefängnis

- In Teheran setzte die Sittenpolizei wieder einmal äußerst brutal das Kopftuchgebot durch. Diesmal traf es die 14-jähirge Nafas H., die nach ihrer Abführung im Krankenhaus behandelt werden musste. Die Mutter will Anzeige erstatten.

- Auch die Hinrichtungsorgie ging ungebremst weiter. Zwischen dem 22. Juli und dem 21. August sind nach Auskunft der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte 106 Menschen hingerichtet worden, darunter auch politische Gefangene und Demonstranten.

Die AfD-Rubrik


- Verfassungsgericht in Thailand löst siegreiche Reformpartei auf.
- Tote bei friedlichen Protesten gegen Hunger und Armut in Nigeria.
- Nach der Vergewaltigung einer angehenden Kollegin legen mehr als eine Million Mediziner in Indien für ein Wochenende die Arbeit nieder.
- Appell an Den Haag, keinen Haftbefehl gegen Netanjahu zu verhängen – zumindest vorerst nicht.
- Austausch ungleicher Gefangener – Oppositionelle gegen Auftragskiller.
- Urteil gegen KZ-Sekretärin Irmgard F. bestätigt.
- Björn Höckes Wahlkampfauftritt in Jena durch Demonstranten blockiert.
- Correctiv-Recherche: Mehrere BSW-Mitglieder sollen Stasi-Spitzel gewesen sein.
- Vor 85 Jahren begann der 2. Weltkrieg.


Letztes Abendmahl oder antikes Gelage?


Da es in diesem Monat doch wieder einen Haufen düster-graue Tristesse zu verdauen gab, wollen wir den Monat mit dem farbenprächtigen „Tableau vivant/lebendes Bild“ von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris beenden. Es hat zwar das Missfallen von seriösen Institutionen (Vatikan, Ökumenischer Rat der Kirchen) und zweifelhaften Figuren (Donald Trump, Elon Musk, AfD-Abgeordneter Till Schneider) erregt, weil sie darin eine Parodie des Letzten Abendmahls sahen, aber beim Vergleich der Bilder braucht es schon eine verquere Fantasie, um im fetten Bacchus den würdigen Jesus von Leonardo da Vinci zu sehen.

 
Olympiade in Paris – „Feste der Götter“


September 2024


Zum Einstieg diesmal etwas zur Entspannung, auch wenn die folgenden Seiten dazu etwas gegenläufig sind. Aber das kennen sie ja!

Unter dem Titel „Beruhigt euch“ wirft die SZ einen gelassenen Blick auf unsere gegenwärtigen Probleme.

„Deutschland ist noch immer das wirtschaftsstärkste Land Europas, es verfügt vom Parlament bis zum Bundesverfassungsgericht über stabile Grundpfeiler, und es wird auch auf die rechtsextremistischen Bedrohungen Antworten finden, wie sie eine wehrhafte Demokratie kennt. … Das Dauergeplärre über Staatsversagen wirkt, als stünde das Land vor dem Untergang.“

Sie könnten sich jetzt entspannt zurücklehnen und die Septemberlektüre für abgeschlossen erklären. Wenn Sie weiterlesen, sind Sie selbst schuld.

Anstiegsphänomene


Im September häuften sich Schlagzeilen über Entwicklungen, auf deren Anstieg man gerne verzichten könnte. Und dabei handelt es sich nicht (nur) um den Anstieg des Bierpreises auf dem Oktoberfest. Ich begnüge mich mit den erweiterten Schlagzeilen:

„Angst vor islamfeindlichen Übergriffen wächst.“

Nach der Messerattacke in Solingen scheinen auch in München die „alltäglichen Anfeindungen“ und Übergriffe gegen Musliminnen und Muslime gestiegen zu sein.

„Die Macht der Angst.“

Viele Jüdinnen und Juden in München fürchten um ihre Sicherheit. Stimmungshebend war dann sicher nicht, dass ein österreichischer Islamist mit bosnischen Wurzeln zwei Schüsse auf das Dokuzentrum und das israelische Generalkonsulat abgab. Die Schüsse fielen am Jahrestag des Olympia-Attentats von 1972.

„Gewalt an Schulen nimmt zu.“

Lehrer (nicht Schüler!) schlagen Alarm und fordern Sicherheitskräfte für Schulen. Im Jahre 2023 wurde ein Anstieg der Delikte um 27 Prozent registriert.

„Anfällig für autoritäres Denken.“

Unter Polizeibeamten wächst einer Studie zufolge die Bereitschaft, Minderheiten wie Muslime und Obdachlose herabzusetzen. Bisher zeigen solche Einstellungen allerdings nur eine Minderheit.

„Zahl der Frauenmorde gestiegen.“

Im Jahre 2023 wurden 155 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet, 22 mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an den Opfern von tödlicher Gewalt betrug 86 Prozent.

Asyldebatte – die Fortsetzung


Nach den Wahlen vom 1. September konnte es nicht ausbleiben, dass man sich dran machte, Tabus zu schleifen. So ließ die Innenministerin prüfen, ob Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze möglich wären. Da das Abkommen von Schengen dummerweise beinhaltet, dass man niemand zurückweisen darf, der um Asyl bittet, ist also an der Grenze zu überlegen, wie man dieses „Unwort“ umgehen kann. Früh genug zugreifen, wenn sich ein Wagen nähert, dessen Insassen „illegal“ aussehen,

 

oder das Wort „Asyl“ einfach überhören, oder die Entscheider gleich an den Grenzen zu platzieren. Dann könnte man auch das leidige Herumstreiten mit den Anwälten vermeiden. (Satire beendet!)

Ab Mitte des Monats wurden „smarte“ Grenzkontrollen eingeführt, die von den Medien und den Nachbarländern mit unterschiedlicher Begeisterung aufgenommen wurden und einige Fragen offenließen:

- Bleibt eine der Grundideen Europas, der freie Grenzverkehr, auf der Strecke?
- Was geschieht mit den abgewiesenen Flüchtlingen? Von Österreich über den Balkan nach Griechenland – und dann ab ins Mittelmeer?
- Es ist anzunehmen, dass die Flüchtlinge und ihre Schleuser bald wieder Wege einschlagen, wo die Bundespolizei nicht steht, das Ganze also nur eine „Illusion von Grenzkontrolle“ ist.

Ein Zwischenbericht im Oktober hat ergeben, dass es über 1500 Zurückweisungen gab und 49 Schleuser festgenommen wurden. Und Menschen, die „Asyl“ sagen, werden (bis jetzt) immer noch in Aufnahmelager verbracht.

Ein anderes Tabu geschleift hat einer, von dem man es nicht vermutet hätte. Markus Söder will Asylbewerber „von der Straße weg“ in Arbeit bringen. Er denkt natürlich v.a. an gemeinnützige Arbeit, aber da sich seine Partei bisher nicht gerade hervorgetan hat, Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, ist das, um mit Neil Armstrong zu sprechen „ein großer Schritt für die CSU“. Dass statt einer Arbeitserlaubnis gleich eine Arbeitspflicht verordnet wird, war zu erwarten.

Da bei vielen AfD-Anhängern (und nicht nur bei diesen) die Meinung vorherrscht, dass alle unsere Probleme migrationsbedingt sind, schließen wir diesen Abschnitt mit einem Zitat aus der Heute-Show:

„Glauben Sie, dass, wenn der letzte Flüchtling abgeschoben ist, unsere Züge auch wieder pünktlich sind?“

Kriegsgebiete – auf deren Erwähnung wir gerne verzichten würden


Russland – Ukraine

Die „Spezialoperation“ ist unverdient in den Hintergrund gerückt, unverdient, weil der Konflikt weiterhin mit voller Härte geführt wird und von bitterem Leid begleitet ist. Hier eine Auswahl aus der Bilanz des BR vom 23. bis zum 27. September:

- Ostukraine – Artillerieduelle und russische Luftangriffe
- Moskau verteidigt Erweiterung der Nukleardoktrin
- Ukraine meldet zehn Tote bei russischem Angriff auf Krankenhaus
- Neun verschleppte Kinder wieder zurück in der Ukraine
- Zwei Tote nach ukrainischen Angriffen in der Region Belgorod
- Selenskyj – Ukraine wird gegen Russland siegen
- Moskau – Krieg endet erst bei Erreichung aller Ziele

Naher Osten – Verzweiflung, Resignation, Hoffnung

- In der Nacht zum 1. September wurden die Leichen von sechs israelischen Geiseln im Gazastreifen geborgen – kurz vor ihrer Befreiung und aus nächster Nähe erschossen. Unter ihnen war die 39-Jährige Carmel Gat, die während des Waffenstillstands vom November 2023 schon zur Freilassung vorgesehen war, aber in Geiselhaft blieb, weil Israel den Deal mit der Hamas platzen ließ. Carmel hatte auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Das Foto ist zum Weinen (schön).

 

Carmel Gat (+)

- Eine Schuld am Tod der Geiseln sahen die Demonstranten auch bei Premier Netanjahu, weil er einen der israelischen Grundwerte ignoriert, nämlich „dass niemand zurückgelassen wird und jeder sich auf Rettung verlassen kann, egal wie hoch der Preis ist“.

- Harte Kritik am Verhalten mancher israelischer Soldaten übte ihr Ex-Kollege Yuval Green. Offiziere hätten die „Einsatzregeln nicht weitergegeben und eher dazu aufgefordert, „wenig Zurückhaltung“ zu zeigen. Es werde „aus Langeweile herumgeballert“ und es käme zu Plünderungen. Green möchte eine neue Menschenrechtsorganisation starten und einen „Soldatenbrief zur Freilassung der Geiseln“ zirkulieren lassen. Der Gegenwind, der ihm und seinesgleichen aus Armee und Gesellschaft entgegenschlägt, hat sich durch die Ausweitung der Kampfzone in den Libanon hinein, eher noch verstärkt.

- Der Olivenbauer Mussab Sufan lebt im Westjordanland wie in einer Festung. Viele Dörfer sind umzingelt von gewaltbereiten Siedlern, deren Ziel es ist, den palästinensischen Bauern das Leben unerträglich zu machen. Äcker und Weiden können nicht mehr bewirtschaftet werden, weil Sperrmauern und Checkpoints den Zugang blockieren. Attacken von Siedlern werden von Armee und Polizei heruntergespielt und von der Justiz nicht geahndet. Aber Mussab möchte bleiben und sagt: „Wir sind weit länger hier als die Siedler.“

- Der Soziologe Natan Sznaider hat die Botschaft des „Genug“, die Zehntausende von Demonstranten bei der Demo am Abend des 1. Septembers skandierten, auf seine Weise interpretiert.

„Die radikale Zukunft birgt Überraschungen, die radikale Vergangenheit nicht. Sie birgt auch keine Hoffnung.“

Und dann leiht er sich bei Franz Kafka eine Vision aus, wie sich ein alter Israeli die Zukunft erträumt:

„Oh, Hoffnung genug, unendlich viel Hoffnung – nur nicht für uns.“

AI-Nachrichten – mit erfreulichen Einsprengseln


Politische Gefangene: Tunesiens Präsident Kais Saied führt derzeit vor, wie Wahlen gehen, genauer gesagt, wie man eine Wahl gewinnen kann, ohne dass man sich mit lästigen Gegenkandidaten herumschlagen muss. Drei Kandidaten wurden schon im Vorfeld von der Wahlkommission abserviert, und von den zwei hinterbliebenen Kandidaten wurde einer um drei Uhr morgens aus dem Bett geholt und wegen Fälschung von Wahlempfehlungen festgenommen. Zur Erinnerung: In Tunesien hatte 2011 der Arabische Frühling seinen Anfang genommen, der flächendeckend gescheitert ist – jetzt auch endgültig in seinem „Heimatland“.

Frauenrechte: Die Schauspielerin Meryl Streep hat Vergleiche aus dem Tierreich bemüht, um eindringlich auf das Schicksal von Mädchen und Frauen in Afghanistan hinzuweisen.

„Ein Eichhörnchen hat mehr Rechte als ein Mädchen, weil die Taliban die Parks für Frauen und Mädchen geschlossen haben. Und ein Vogel darf in Kabul singen, aber ein Mädchen nicht.“

Kinderrechte: In der Türkei sind ein Vater und ein Ex-Ehemann (im zweiten Anlauf) zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Der Vater, Gründer einer islamischen Sekte, hatte 2004 seine sechsjährige (!) Tochter mit einem 29-jährigen Sektenmitglied trauen lassen. Im Jahre 2020 ließ sich die Frau scheiden und ging anschließend gleich zum Staatsanwalt. Schon 2012 hatte ein Arzt die Behörden verständigt, aber zu einer Strafverfolgung ist es nicht gekommen. Islamische Orden haben bei Erdogan und seiner AKP Narrenfreiheit.

Begnadigung: Die iranische Justiz hat die Haftstrafe gegen den Grammy Preisträger Sherwin Hajipour aufgehoben. Man hatte ihm vorgeworfen, „Musik gegen das System“ produziert zu haben. Gemeint ist die Ballade „Baraye/Für“, die zur inoffiziellen Hymne der Proteste von 2022 geworden ist. Der Text gipfelt in der Zeile „Für Frau, Leben, Freiheit“, dem bekanntesten Slogan der Protestbewegung. Nach dem ersten Urteil hatte man ihm noch aufgebrummt, dass er als Sühne Musik über „Amerikas Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ produzieren muss.

Todesstrafe: Ein alter Bekannter der Miesbacher AI-Gruppe ist der 88-jährige Japaner Iwao Hakamada. Er war 1968 wegen Mordes zum Tode verurteilt worden und gilt als der Häftling, der weltweit am längsten in einer Todeszelle saß. 2014 wurde er bis zum Wiederaufnahmeverfahren freigelassen, aber erst jetzt wurde er für unschuldig erklärt. Das Gericht stellte mehrere Beweisfälschungen fest, sein Geständnis von einst war in brutalen Verhören erzwungen worden. Bei einem Kulinarischen Abend vor ca. 20 Jahren haben wir mit einem Flugblatt auf sein Schicksal hingewiesen. Die Passanten haben unseren Crêpes den Vorzug gegeben.

So richtig freuen konnte sich Iwao nicht. Die Jahrzehnte im Todestrakt haben ihm psychisch sehr zugesetzt.

 

Gedenkfeier: Berührt hat uns auch eine Gedenkfeier, die in Mexiko-Stadt abgehalten wurde. Sie fand zum zehnten Jahrestag des Verschwindens von 43 Studenten eines Lehrerseminars statt. Ihr Bus wurde in der Stadt Iguala gestoppt, sechs Studenten wurden sofort von der Polizei erschossen, 43 Studenten wurden zunächst verhaftet und dann einem Drogensyndikat zur „Entsorgung“ übergeben. Bisher hat man nur die Knochenfragmente von drei der jungen Männer gefunden. Ihre Angehörigen wollen sie „lebend zurück“, wir haben ihnen vor einigen Jahren in Miesbach das Friedensgebet gewidmet.


 


Oktober 2024


„Das Unmögliche zu schaffen, gelingt einem nur, wenn man es für möglich hält.“

Alice im Wunderland

Kamala Harris ist US-Präsidentin geworden, und die Ampel hat sich wieder zusammengerauft. Wäre ja möglich gewesen, oder? Aber da merkt man halt, dass „Alice im Wunderland“ (auch) ein Märchenbuch ist. Ob es irgendwo doch gelungen ist, in diesem Monat „das Unmögliche zu schaffen“, wird sich zeigen. Sicherlich nicht in den

Konfliktgebiete(n)


Ukraine

Als ich zur Eröffnung der Ausstellung „Ukraine Alltag im Krieg“ eine Chronologie des Monats Oktober zusammenstellte, merkte ich, dass der Krieg zwar weitgehend aus unseren Schlagzeilen verschwunden ist, aber in der Ukraine munter weitertobt und als Konflikt immer stärker auch auf Deutschland (und die EU) überschwappt.


- „Buh-Rufe für Ralf Stegner: Als der SPD-Politiker auf der Friedensdemo in Berlin vom „russischen Angriffskrieg“ sprach, wurde er tausendfach ausgebuht. Die taz schrieb dazu: Die Friedensbewegung in Deutschland ist „am 3. Oktober gestorben.“

- „Wenn die Kräfte schwinden“: Viele ukrainische Soldaten sind alt, ausgelaugt oder Alkoholiker, andere desertieren. Präsident Selenskij hat enorme Probleme, die Kampfbereitschaft der Armee zu erhalten.

- Beim Besuch Selenskijs in Berlin versichert der Bundeskanzler dem Präsidenten, man werde keinen Diktatfrieden Moskaus akzeptieren.

- „Selenskij als Zaungast“: Beim EU-Gipfeltreffen stieß seine Forderung, eine verbindliche Einladung für den Nato-Beitritt der Ukraine zu bekommen, auf wenig Gegenliebe.

- 10 000 nordkoreanische Soldaten in Russland.

- „Ukraine verliert im Osten an Boden“: Die russischen Angreifer rücken so schnell vor wie seit Kriegsbeginn nicht mehr.

Fazit am 4. November: Nach 900 Bombenangriffen in der Vorwoche scheint Putin noch einmal in die vollen zu gehen, bevor Präsident Trump ab morgen, d.h. ab 20. Januar 2025, den Krieg in einem Tag beendet.

Naher Osten

- Zum 7. Oktober erinnerte der israelische Botschafter in Deutschland eindringlich an das Massaker in Südisrael vor einem Jahr, bei dem auch das Baby Mila Cohen in den Armen ihrer Mutter ums Leben kam. Er griff den rechten, islamischen aber „vor allem“ linken Antisemitismus in Deutschland an und tadelte die Bundesregierung, weil sie sich bei israelkritischen UN-Abstimmungen „gleich zweimal der Stimme enthalten habe“. Der ganzen Welt warf er vor, dass man Israel das Recht auf Selbstverteidigung nur dann zugestehe, wenn „man es nicht merkt“.
- Gemerkt hat man es sehr wohl. Die Angriffe auf Ziele im Libanon und im Gazastreifen wechselten sich fast im Tagesrhythmus ab, und Ende des Monats erfolgte ein Schlag gegen Militäranlagen im Iran. Ein Angriff auf iranische Nuklear- und Ölanlagen unterblieb - mutmaßlich auf Drängen Joe Bidens hin. Da wird Trump einmal nicht so zimperlich sein.

- Auf schmalem Grat bewegt sich die Bundesregierung bei der Entscheidung, ob Israel wieder Kriegswaffen bekommen soll. Israel scheint zwar zugesichert zu haben, dass das „Gerät“ aus Deutschland nur im Rahmen des humanitären Völkerrechts eingesetzt wird, aber wenn einmal, über die Lieferung von Ersatzteilen für Hubschrauber und Panzer hinaus, auch noch Panzermunition geliefert werden sollte, wird die Kontrolle schwierig. Man kann ja mit den Geschossen nicht gut mitfliegen, um zu sehen, ob sie völkerrechtsgemäß verwendet werden.

- Auf schmalem Grat bewegt sich auch Israel, als es dem Palästina-Hilfswerk UNRWA verbot, auf israelischem Staatsgebiet tätig zu werden. Das Verbot hätte gravierende Folgen für die Palästinenser in Ostjerusalem, dem Westjordanland – aber auch dem Gazastreifen. Israel wirft der Organisation vor, ihre Neutralitätspflicht zu verletzen, weil Mitarbeiter mit der Hamas sympathisieren und Schulbücher antisemitische Inhalte haben, aber die SZ möchte nicht ausschließen, dass es den Rechtsauslegern in der israelischen Regierung nicht ungelegen käme, wenn das palästinensische Leben in den besetzten Gebieten zum Erliegen käme. Das Gesetz zur Schließung der UNRWA-Zentrale in Ost-Jerusalem soll Ende Januar in Kraft treten. Wer sich dann um die palästinensischen Flüchtlinge im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ost-Jerusalem kümmern soll, steht nicht im Gesetz.

- Einen (derzeit irrealen) Ausflug in die Geschichte machten der Philosoph Omro Boehm (jüdisch-israelisch) und die Politikwissenschaftlerin Rula Hardal (palästinensisch- israelisch). Sie erinnerten an den UN-Teilungsplan von 1947. Er sah zwar eine Teilung in zwei Staaten vor, aber eine „Teilung mit Wirtschaftsunion“, mit gemeinsamen Behörden, einer gemeinsamen Währung, einem gemeinsamen Flughafen – sogar so etwas wie ein gemeinsames Gericht, denn schon damals hatte man begriffen, dass man das Gebiet (sinnvoll) nicht in zwei Stücke trennen kann.

Vom das „Unmögliche schaffen“ des Eingangsspruchs sind wir hier weit entfernt.

Buntes Allerlei


- Nachlese zur Wahl in Österreich: Ist nur als Karikatur erträglich!

 
Und mit den Worten in einer bösen Satire, die das Wahlergebnis mit dem Hochwasser im September in Beziehung setzt.

„Die Österreicher wählten die Klimaleugner, auch wenn sie dabei untergehen.“

„Die Selbstdemontage der Klima-Heiligen“: Unter diesem Titel kritisierte ein Leitartikel im Merkur die Aktivistin Greta Thunberg, die an einer propalästinensischen Demo in Berlin teilgenommen hatte, die dann aus dem Ruder lief. Nun kann man Gretas „Schwerpunktverlagerung“ in Richtung Israelphobie durchaus kritisch sehen, aber der Leitartikler schießt weit über das Ziel hinaus, als er noch im gleichen Aufwasch der Ampelregierung „Klimahysterie“ unterstellte und gegen den Bischof von Berlin giftete, der im April 2019 (!) Gretas Rolle in der „Fridays for Future-Bewegung“ gewürdigt, sich inzwischen aber wegen ihrer Äußerungen zum Gaza-Krieg von ihr distanziert hatte.

Dauerbrenner „Migration“

Wie im September angedeutet, scheint man im Kampf gegen die illegale Einwanderung auch vor Tricksereien an der Grenze nicht zurückzuschrecken. Auf einem Formular, das ein Flüchtling ausfüllen muss, wird auch nach dem Reisegrund gefragt, aber unter den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten fehlt „Asylgesuch“.

Ein härterer Wind weht auch durch das Kirchenasyl. Im Juli wurden sieben Kirchenasyle von der Polizei geräumt, Ende September war ein schwer kranker Afghane in Hamburg an der Reihe. Er wurde nach Schweden abgeschoben, wo zwar derzeit nicht nach Afghanistan abgeschoben wird, aber wo es eine medizinische Behandlung nur in Notfällen gibt. Die Präses der Synode der EKD war „richtig wütend“.

„Die Wende zur Unwillkommenskultur“, so die SZ, zeigte sich auch beim EU-Gipfel in Brüssel. Die „innovativen Ideen“, die v.a. die italienische Regierungschefin Meloni aus der Tasche zaubert, stießen auf breite Zustimmung. Es ist nur noch zu klären, ob die Abschiebezentren in Albanien, an den europäischen Außengrenzen, in Afrika – oder gleich auf dem Mond einzurichten sind. Dass ein römisches Gericht Melonis Asyllager in Albanien demolierte, war ein Schönheitsfehler, den sie möglichst bald korrigieren möchte. Als auch eine 2. Gruppe von Flüchtlingen durch Gerichtsentscheid nach Italien gebracht werden musste, blies man zum Angriff auf die Justiz. Vizepremier Salvini warf den Richtern vor, sie seien Kommunisten, Meloni verkündete trotzig, „die Richter werden uns nicht stoppen“. Von Plänen, die albanischen Lager mit eben diesen Richtern zu füllen, hat man aber (noch) nichts gehört.


Shell-Jugendstudie

De Ergebnisse der Studie sind widersprüchlich, beängstigend und erfreulich. Was den Rechtsruck der Jugend anbelangt, driften zwar die jungen Männer weiter nach rechts ab, im Mittel aber verortet man sich eher „leicht links“. Besorgniserregend sind die 44 Prozent (!), die der Aussage zustimmen, „eine starke Hand müsste mal wieder Ordnung in unseren Staat bringen“. Und da denken sie wahrscheinlich nicht an Typen wie Taylor Swift. Ausgesprochen erfreulich war der Rückblick auf die Pandemie: die meisten Jugendlichen waren der Meinung, „dass wir sie als Gesellschaft insgesamt doch ganz gut gemeistert haben“.

„Mauerbau“ in Peking

Es handelt sich natürlich nicht um die chinesische Grenzmauer, die gibt es ja schon länger, sondern um die Gitterzäune, die in letzter Zeit um die ausländischen Botschaften in Peking errichtet wurden. Auslöser war ein Messergangriff auf einen israelischen Diplomaten im letzten Jahr, aber jetzt nutzt man die Barrieren, die zusätzlich mit Sicherheitskräften garniert sind, dazu, Besucher einzuschüchtern, die aus suspekten Gründen die Botschaften aufsuchen wollen. Von Seiten der Botschaften (und deren Regierungen) gab es bisher kaum Widerstand, bis man mit den Bauarbeiten vor der türkischen Botschaft begann. Die Antwort der Türkei: Man baute einen Zaun vor der chinesischen Botschaft in Ankara. Die Chinesen lenkten schnell ein, und heute gehört die türkische Botschaft in Peking zu den wenigen Botschaften ohne Zutrittskontrolle.

So weit wird kommen, dass wir von der Türkei Nachhilfe in „wehrhafter Demokratie“ erhalten müssen!


Die AI-Nachrichten in der AfD-Rubrik: Es waren einfach zu viele!


Dissonanzen

„Sklaverei ohne Grenzen“: Tausende Inder werden in südostasiatischen Betrugsfabriken (Cyberkriminalität) festgehalten.

„Karikaturist muss 23 Jahre in Haft“: Dem saudi-arbabischen Zeichner Al-Hassa wird vorgeworfen, mit seinen Karikaturen die Staatsführung beleidigt zu haben.

„Wir waren noch Kinder“: Grönländische Frauen verklagen den dänischen Staat. Man hatte Tausende von ihnen in den 1960er und 1970er Jahren ohne ihre Zustimmung Spiralen eingesetzt, um das Bevölkerungswachstum in Grönland zu reduzieren.

„Orbáns Pranger“: Mit dem ‚Gesetz zum Schutz der nationalen Souveränität‘ werden Kritiker drangsaliert.

„Sie glauben einfach nicht, dass wir gleich viel wert sind“: eine Reihe von Morden an Frauen und Mädchen erschüttert die Türkei.

Afghanische Frauen
- Ex-Polizistinnen werden sowohl von den Taliban, als auch von Familienangehörigen bedroht.
- Afghanin öffentlich ausgepeitscht: Die Frau wurde wegen einer außerehelichen Beziehung mit 30 Peitschenhieben und einer Haft von sechs Monaten bestraft.

Konsonanzen

Afghanische Frauen: Der EuGH hat geurteilt, dass afghanische Frauen wegen der Diskriminierung in ihrem Heimatland rein auf Grund ihres Geschlechts ein Recht auf Asyl haben. Die Union äußert scharfe Kritik, weil jetzt 40 Millionen Afghanen (Frauen + Familiennachzug) nach Europa kommen, 39 Millionen von ihnen nach Deutschland. (Vorsicht: Teilsatire!)

„Hoffnung in der Todeszelle“: Die Hinrichtung von Robert Roberson, der 2003 für schuldig befunden war, seine zweijährige Tochter zu Tode geschüttelt zu haben, wurde 90 Minuten vor Vollzug gestoppt. Und das in – Texas!

 
Robert Roberson

Hafturlaub für Taghavi: Die deutsch-iranische Staatsgeisel wurde mit einer elektronischen Fußfessel in den Hafturlaub entlassen. Im Januar 2025 kam sie endlich frei und durfte nach Deutschland ausreisen.

Da wir leider keine Situation finden konnten, wo das „Unmögliche geschafft“ wurde, enden wir mit einer Episode, die man (heute) nicht/noch nicht für möglich halten würde. Der Altnazi Konrad Hedler, der 1949 für die Deutsche Partei im Bundestag saß, hat seine Sicht auf die Kriegsschuld wie folgt präsentiert:

„Die Deutsche Partei stellt fest, dass Deutschland die geringste Schuld am Ausbruch des 2. Weltkriegs hat; schuld seien vielmehr die Widerstandskämpfer.“

Wer die Wirklichkeit so verkennt oder verschleiert, hätte am 5. November 2024 ebenfalls Donald Trump gewählt.


November 2024


„Lebbe geht weider“,

sagte der Fußballtrainer Dragoslav Stepanovic, als er 1991 mit seiner Mannschaft Eintracht Frankfurt am letzten Spieltag die Meisterschaft vergeigte. Und uns wird (zunächst) auch nichts anderes übrigbleiben, nachdem wir am Morgen des 6. November „mit Donald Trump als Präsident erwachten und am Abend ohne Ampel ins Bett gingen“. Obwohl – da gäbe es vielleicht doch eine Alternative zum Durchhalten mit zusammengebissenen Zähnen?

 

Nein, ich steige aus dem Bett, stelle mich der Flut an Nachrichten und beginne, eingedenk des Eingangsversprechens, mit der


AfD-Rubrik – abendfüllend


- Die Klimakonferenz in Baku – eine Lachnummer.
- „Mehr Kinder für Putins Reich“ – Wegen sinkender Geburtenzahlen plant die Duma, ‚Propaganda gegen Kinderlosigkeit‘ zu verbieten.
- „Auf die Straße, jeden Tag“ – In Georgien kommt es nach mutmaßlichen Wahlfälschungen und dem zunehmend autoritären Regierungskurs zu heftigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei.
- „Hart gegen die Freiheit“ – Ein Gericht in Hongkong verurteilt Aktivisten der Demokratiebewegung zu mehrjähriger Haft.
- „Hass in der Freitagspredigt“ – Ein islamischer Geistlicher wünscht den Tod von „Juden“ und wird wegen Volksverhetzung angeklagt.
- „Eine pechschwarze Nacht“ in Amsterdam – Im Umfeld eines Fußballspiels kommt es zu Ausschreitungen. Fans von Maccabi Tel Aviv werden von pro-palästinensischen Männern durch die Straßen gejagt - und schlagen zurück.
- „Fasst doch endlich den Kaktus an“ – Die Landtagsfraktion der SPD fordert ‚mehr Ordnung und Steuerung‘ in der Asylpolitik.
- Der AfD-Slogan vom Minimalpaket für Asylbewerber („Bett, Brot und Seife“) erklingt jetzt auch in der bayrischen Staatsregierung.
- „62 Prozent der Abschiebungen 2024 gescheitert“ – Anfrage kam von Sahra Wagenknecht.
- „Schock für die Stadt der Menschenrechte“ – Das Bayerische Verwaltungsgericht verfügt, das die Stadt Nürnberg, wie von der AfD gefordert, aus der Allianz gegen Rechtsextremismus austreten muss.
- In der Stadt Seitz/Sachsen-Anhalt wurden in der Nacht zum 7. Oktober zehn Stolpersteine gestohlen. Bei einem Spendenaufruf kamen innerhalb einer Woche 33 000 Euro zusammen.
- „Sieg für Europa“ – Die proeuropäischen Präsidentin Maia Sandu gewinnt die Stichwahl in Moldau.
- „Überfälliger Abschied“ – VW gibt sein Werk in der Uiguren-Provinz Xinjiang auf, aber nicht aus ethischen Gründen.
- „Kardinal Marx: Frauenordination wird kommen“ – aber nicht in den nächsten Jahren.

Und am Schluss die „Mutter aller Meldungen“:

Die australische Regierung möchte Jugendlichen unter 16 Jahren den Zugang zu sozialen Medien verbieten.

Den Aufschrei hört man von Down Under bis Oberbayern!


Die Kriegsgebiete


Ukraine

- Aufmarsch der Söldner: Um die hohen russischen Verluste auszugleichen, geht Putin zum „Einkaufen“. Nordkorea hat bereits geliefert und erhofft sich Technologie, um sein Raketen- und Atomprogramm vorantreiben zu können. Aus dem Jemen, so ein Bericht einer britischen Zeitung, hat man Huthis angeworben, mit dem Versprechen, sie erhielten hoch bezahlte Jobs und die russische Staatsbürgerschaft. Bei ihrer Ankunft aber sind sie umgehend eingezogen und an die Front geschickt worden. Dem Bericht zufolge, sollen auch Söldner aus Indien und Nepal auf Seite der Russen kämpfen. Die Schweizer Garde des Vatikans ist allerdings noch nicht vertreten. Man wähnt sich wieder im 30-jährigen Krieg. Es ist nur zu hoffen, dass der Krieg diesmal nicht so lange dauert.

- Terror an allen Fronten: Russland bombardiert die ukrainische Infrastruktur an allen Fronten. Bevorzugte Ziele, die Energiebetriebe: Wenn im Winter bei minus 20 Grad auch noch Strom und Wasser ausfallen, erlahmt der Wille zum Widerstand. Im Oktober sprach sich erstmals eine Mehrheit der Ukrainer für Verhandlungen aus. Aus Russland hört man inzwischen, dass zur Verhandlungsmasse nicht nur die besetzten Gebiete, sondern auch Odessa und Kiew gehören.

- „Hybride Kriegsführung“: Es ist noch unklar, ob der Absturz eines Frachtflugzeugs in Litauen durch „technische Probleme“ verursacht, und die Unterseekabel in der Ostsee nicht doch von einem Hai angeknabbert wurden, aber es steht fest, dass Putin bei seinem Kampf gegen den Westen auf einen „umfassenden Einsatz von hybriden Mitteln und Methoden“ setzt, als da sind: Sabotageakte, Mordkomplotte, Hackerangriffe. Und es steht fest, dass der Westen, und insbesondere Deutschland, dem nicht genug entgegensetzen kann, weil der BND nicht genügend „operative Beinfreiheit“ hat. So stammt beispielsweise die Information, dass ein IS-Unterstützer einen Anschlag auf die israelische Botschaft geplant hatte, von einem ausländischen Geheimdienst. Damit wären wir wieder bei der „wehrhaften Demokratie“.

Naher Osten

- Waffenruhe im Libanon: auf Druck der USA, Frankreichs und (möglicherweise des Iran!) haben sich Israel und die Hisbollah auf eine Waffenruhe von vorerst 60 Tagen geeinigt. Warum auch nicht? Israel hat seine Maximalziele erreicht: Demütigung der Hisbollah, Ausschaltung ihrer Führung, Dezimierung des Waffenarsenals. Die Hisbollah feiert den „Sieg“, weil sie als Organisation überlebt hat. Aber wenn man Anfang Dezember im Netz die „Waffenruhe im Libanon“ aufruft, ist v.a. von Störungen der Waffenruhe die Rede.

- Krieg im Gazastreifen: Wer sich jetzt erhofft hätte, dass das Abkommen sich besänftigend auf den Konflikt im Gazastreifen auswirken würde, sollte diese Hoffnung gleich wieder fahren lassen. Es ist eher zu befürchten, dass die israelische Regierung im Gazastreifen wieder die „freie Hand“ nutzen würde, um ihr Kriegsziel zu erreichen. Es muss ja nicht gerade der „Plan der (pensionierten) Generäle“ sein, den es zu verwirklichen gilt – und der so furchtbar ist, dass wir ihn gar nicht erwähnen wollen. Aber wenn in Israel ein Verteidigungsminister sagt,

„Es gibt in Gaza nichts mehr zu tun. Die wichtigsten Errungenschaften sind erreicht.“

dann wird er gefeuert.

- „Handschellen für Netanjahu“: Da kam mit dem Haftbefehl des IStGH für Netanjahu, Ex-Verteidigungsminister Galant (und dem Chef der Hamas Al-Masri) ein echter Hammer aus Den Haag, und den Reaktionen aus Deutschland kann man nicht recht entnehmen, ob der Hammerschlag tatsächlich die Israelis oder nicht doch die Deutschen getroffen hat. Da bezeichnet ein CSU-Politiker das Urteil als „bodenlose Dummheit“, während die Außenministerin konstatiert, dass „niemand über dem Gesetz steht“, da hält eine Zeitung das Urteil für „richtig“, die andere hingegen meint, dass sich der IStGH als glaubwürdige Instanz abgemeldet hätte. Und über allem schwebt die existentielle Frage: Was tun, wenn Netanjahu auf Staatsbesuch nach Berlin (oder München) kommen möchte? Handschellen oder roter Teppich? Als Palästinenser verkleidet oder unter Geleitschutz von Alexander Dobrindt? Gott sei Dank, dass ich kein Politiker oder Staatsanwalt bin!

Der Super-GAU aus den USA


„Er ist wieder da“ war eine Filmkomödie aus dem Jahre 2015, bei der einem das Lachen im Hals stecken blieb, denn der Wiedergänger war Adolf Hitler. Obwohl auch Trump angekündigt hat, „am ersten Tag als Diktator“ aufzutreten, um Biden, Harris und das übrige Pack ins Gefängnis zu werfen (Vorsicht Teilsatire!), sollte man den Vergleich nicht überziehen. Zu einem “1000-jährigen Reich“ wird es nicht kommen, auch wenn die Leute vom Project 2025 mit ihrer „zweiten amerikanischen Revolution“ durchaus auf einer rechtsautoritären Schiene agieren, und das Schattenkabinett überwiegend aus Figuren besteht, die aus der Geisterbahn entlaufen sind.

Aber wer genügend Geld hat, kann bei einem US-Reiseunternehmen eine vierjährige Kreuzfahrt buchen, die es ermöglicht, Trumps Amtszeit auf hoher See zu überbrücken – und dann (möglicherweise) in ein Amerika zurückkehren, das wir uns lieber nicht vorstellen wollen.


Schlagzeilen aus Deutschland – Verdaulichkeit unterschiedlich


Sächsische Separatisten/SS: Acht mutmaßliche Rechtsterroristen festgenommen. Sie wollten Gebiete in Ostdeutschland mit Waffengewalt erobern.

Resolution für millionenfache Remigration: Auf ihrem Landesparteitag setzte sich die bayrische AfD für die massenhafte Ausweisung von Ausländern ein. Abgeschoben sollten nicht nur Straftäter werden, sondern auch “Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und Integrationswilligkeit“ – also praktisch alle!

Vereinter Widerstand: Bei der Aktuellen Stunde zum Thema „Remigration“ gingen die Parteien unisono auf die AfD los. Sozialministerin Ulrike Scharf verteidigte den sozialen Frieden im Land gegen Hass und Destruktion und warf der AfD vor, dass „unter ihren Parolen die braune Sauce schimmere“. Im Bayerntrend liegt die AfD derzeit mit 17 Prozent auf Platz zwei.

Aktionstag gegen antisemitische Straftaten: Die Polizei durchsucht acht Wohnungen im Großraum München auf Hassposts, stellt Handys und Computer sicher und vernimmt Verdächtige. Fazit: Importierter Judenhass trifft hierzulande auf ein eingesessenes rechtes Milieu.

Charlotte Knobloch in Düsseldorf: Sie beginnt ihre Rede mit dem Satz ‚Ich stehe vor Ihnen als stolze Deutsche“, aber der Satz fiel vor vier Jahren. Heute ist ihr Vertrauen in die Deutschen „fast aufgebraucht“. Erst am Ende ihrer Rede „wallt wieder ein Rest von Zuversicht auf“.

Angela Merkels Autobiografie: In einem Interview vor der Veröffentlichung ihrer Autobiografie bekannte sich Merkel zu ihrer Migrationspolitik von 2015:

„Ich hatte damals das Gefühl, ich hätte sonst die gesamte Glaubwürdigkeit der Sonntagsreden über unsere tollen Werte in Europa … preisgegeben. Die Vorstellung, Wasserwerfer an der deutschen Grenze aufzustellen, war für mich furchtbar und wäre sowieso keine Lösung gewesen.“

AI-Nachrichten


Strafvollzug: Wir reden nicht über iranische Gefängnisse oder russische Straflager, wir bleiben im Lande – bei der Justizvollzugsanstalt/JVA Augsburg-Gaiblingen. Ende Oktober wurden Meldungen „viral“, die man beim besten Willen nicht mehr unter der Decke halten konnte. In „besonders gesicherten Hafträumen/BgHs“ wurden gewalttätige und suizidgefährdete Häftlinge untergebracht – manchmal ohne Matratze, Unterhose oder Klopapier. Gelegentlich scheint man aber auch psychisch kranke Häftlinge „entsorgt“ zu haben, für die keine entsprechende Betreuung zur Verfügung stand. Unter Beschuss gerieten nacheinander die beiden Gefängnisleiterinnen wegen Duldung von Misshandlungen und Täuschung bei Kontrollen, aber auch der bayrische Justizminister, der einräumen musste, dass sein Haus schon früh von dem Verdacht wusste, dass man in Gaiblingen etwas „rigide“ zur Sache ging – ihn aber nicht informiert habe.

Politische Gefangene: Groß war die Erleichterung, als jetzt zwei Fotos von Maria Kolesnikowa/Belarus auftauchten. Man hatte 21 Monate nichts mehr von ihr gehört. Bekannt geworden ist sie, als sie im September 2020 verschleppt wurde, an der Grenze zur Ukraine ihren Pass zerriss und vor den Augen ihrer Entführer umkehrte. Wegen „Gefährdung der staatlichen Sicherheit“ wurde sie zu 11 Jahren verurteilt. Ins Gefängnis würde eher ihr Präsident gehören.

Hinrichtung: Da der Iran im Kampf gegen Israel bisher eher schlecht aussah, suchte er ein Opfer, das sein Image als harter Gotteskrieger etwas aufpolieren sollte. Er fand es in der Person des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd, der am 28. Oktober wegen Terrorvorwürfen hingerichtet wurde – oder auch nicht, denn nach Darstellung der iranischen Justiz „verstarb er, bevor das Urteil vollstreckt wurde“.

 
Jamshid Sharmahd mit Tochter Gazelle

Sharmads Tochter erhob schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Berlin, deren „stille Diplomatie“ ihren Bürger „in Stich gelassen“ hätte. Unsere Außenministerin kündigte „schwerwiegenden Folgen“ an, aber ob die Schließung der drei iranischen Generalkonsulate in Deutschland die Mullahs erzittern lassen, ist mehr als fraglich. Die Tochter einer anderen deutsch-iranischen Geisel, Nahid Taghavi, bilanziert schonungslos:

„Das Blut von Jamshid Sharmahd klebt nicht nur an den Händen der Islamischen Republik.“

Frauenrechte


Iran: Eine Studentin an einer Uni in Teheran hat in Unterwäsche gegen die Kleiderordnung protestiert. Vorausgegangen war vermutlich, dass das Wachpersonal nach einem Streit ihr Kopftuch zerrissen hatte. Auf Grund ihrer „psychischen Probleme“ wurde sie in ein „Zentrum für Spezialbehandlung“ verfrachtet. Man darf sich gar nicht vorstellen, in welchem Zustand sie da wieder rauskommt. Angeblich wurde sie zwei Wochen später wieder bei ihrer Familie abgeliefert. Bei unserem Infoabend im November haben wir für sie Appellbriefe verteilt.

Frankreich: Der Ausspruch von Gisèle Pelicot „La honte doit changer de camp/Die Scham muss die Seiten wechseln“ verdient einen Platz im Zitatenschatz der Weltliteratur. Es ist schwer zu sagen, was einen stärker berührt: das monströse Verhalten des Ehemannes und seiner Kunden, oder der Mut der Frau, die diese Schandtaten öffentlich macht und sich damit der Öffentlichkeit aussetzt. Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, - der Name ist so sperrig wie das Verhalten der betroffenen Männer -, haben Tausende gegen Gewalt an Frauen protestiert, und das nicht nur in Frankreich, sondern auch in

Deutschland: Hier sollte man meinen, hätten sich die Frauenrechte in den vergangenen Jahren verbessert, aber das Bundeskriminalamt/BKA liefert andere Belege. „Hass und Gewalt gegen Frauen“ seien ein „zunehmendes gesellschaftliches Problem“, sagt der BKA-Vizepräsident. Steigerungen gibt es bei häuslicher Gewalt, eine drastische Zunahme bei Hasskriminalität im Netz. Im Jahre 2023 gab es 360 Femizide, davon 155 Frauen, die von ihrem Partner/Ex-Partner getötet wurden. Von einem flächendeckenden Angebot an Frauenhäusern ist man weit entfernt, und das geplante Gewalthilfegesetz geht wohl im Wahlkampf den Bach hinunter.

Dazu eine Karikatur, deren Bedeutung sich erst erschließt, wenn man sie laut liest und dabei richtig betont.

 

Zur Entspannung - Eine Feuerwehrwache in München: Die Feuerwehrleute hatten zur Motivation ein Bild aufgehängt, das ihre Rettungsaktionen aus einem sexistischen Blickwinkel sieht – vornehm ausgedrückt. Eine Gleichstellungsbeauftragte veranlasste eine Übermalung, die auch nicht besser wurde. Als die übermalte Version auch verschwinden musste, ließ der Popo-Künstler Tassen mit seiner Originalversion anfertigen, deren Nutzung die Leitung der Feuerwehr (angeblich) untersagte, was aber einige Münchner CSU-Stadträte nicht daran hinderte, mit ihnen „aus Solidarität mit der Feuerwehr“ zu posieren - damit die „Me too‘ler“ nicht gar zu groß werden.

Schlusschoral


Wenn wir wollen, dass „das Lebbe vernünftig weitergeht“ sollten wir uns nicht an den Retrotendenzen unserer Zeit orientieren, an einer AfD, die sich als „Partei der Zukunft“ stilisiert, an Politikern wie Putin und Trump, die ihr Land auf Kosten anderer „wieder groß machen“ möchten, an Leugnern des Klimawandels und Verschwörungstheoretikern. Wir sollten uns eher dem Paradoxon aussetzen, das Tomaso di Lampedusa wie folgt formuliert hat:

"Wenn wir wollen,
dass die Dinge so bleiben, wie sie sind,
brauchen wir Veränderungen.“


Dezember 2024


„Die Kriege werden kein Ende nehmen,
die Friedenstaube wird wieder eingefangen,
gekauft und verkauft und wieder gekauft;
die Taube ist niemals frei.“

Düstere Töne in dem Lied „Anthem/Hymne“ von Leonhard Cohen, wie wir sie „wenigstens an Weihnachten“ nicht gerne hören wollen. Aber dann fährt Cohen fort, und es wird eine Hymne auf die Hoffnung:

„Es gibt einen Riss, einen Riss in allen Dingen,
und da kommt das Licht herein.“

Dazu gibt es gleich


Erfreuliche Meldungen – oft nur Lichtblitze


Rettungsaktion: Vor Lampedusa wurde die 11-jährige Yasmine von einem deutschen Segelboot gerettet. Sie war stundenlang an zwei Autoreifen geklammert im Mittelmeer getrieben. Sie hatte als einzige von 40 Bootsinsassen überlebt. Die von Schleusern für eine einmalige Fahrt zusammengeschweißten Stahlkähne sind völlig hochseeuntauglich.

Kirchenasyl: In Bremen scheiterte um drei Uhr nachts ein Polizeieinsatz, bei dem man einen Somalier aus dem Kirchenasyl holen wollte. Rund 100 Leute stellten sich den Beamten entgegen, der Pastor läutet die Glocken, „bis die Polizei abgezogen war“. Im Anschluss wurden Schuldzuweisungen ausgetauscht. Der Innensenator bezichtigte die Kirche, dass sie die Vereinbarung über Härtefälle gebrochen habe, die AG „Asyl in der Kirche“ kritisierte die schärfere Gangart gegen das Kirchenasyl von Seiten des Bundesamts für Flüchtlinge/BAMF.

Trendwidrige Zustimmung: In Baierbrunn/Lkr. München hat eine belastbare Mehrheit von 57,1 Prozent bei einem Ratsentscheid dafür gestimmt, dass Unterkünfte für 68 Flüchtlinge gebaut werden können. Das Landratsamt hatte im Vorfeld zugesagt, vornehmlich Familien in die Gemeinde zu entsenden.

Haarrisse


Iran: Als das Parlament Anfang des Monats ein neues Gesetz verabschieden wollte, war die Empörung groß – und das nicht nur bei den Frauen. Auch im Macholager zeigte sich eine gewisse Skepsis, ob das Gesetz dem vorsichtig eingeschlagenen Kurs, der darauf zielt, eine Lockerung der Sanktionen zu erreichen, entgegenstehen könnte. Im Nationalen Sicherheitsrat wurde die Verabschiedung des Gesetzes zunächst aufgeschoben, und dann legte auch noch der Präsident sein Veto ein. Jetzt erwartet man, dass das Gesetz, das bei Verstößen hohe Geldstrafen, Berufsverbote und Ausreisesperren vorsah, zumindest teilweise revidiert wird, dass beispielsweise der sichtbare Haaransatz bis zu einem Zentimeter straffrei ist. (Vorsicht: Teilsatire!)

Türkei: Da grenzt eine Nachricht aus dem islamischen Staat fast schon an das christliche Weihnachtswunder. Da hatte die rechtsnationalistische Partei MHP, Erdogans Koalitionspartner, Spekulationen über eine mögliche Freilassung des kurdischen PKK-Chefs Öcalan getätigt, wenn die PKK bereit wäre, ihre Waffen niederzulegen. Erdogan hat sie nicht zurückgepfiffen. Und zum ersten Mal durfte Öcalan, der seit 1999 inhaftiert ist, von zwei kurdischen Abgeordneten besucht werden.

Umsturz in Syrien


Das war der „Hammer“ im Monat Dezember. Als Ende November das islamistische HTS-Bündnis aus seinem „Reservat“ in Idlib ausbrach und mit anderen Milizen den Kampf gegen Assad aufnahm, war das zunächst nur Stoff für eine Kurzmeldung. Dann überschlugen sich binnen kurzer Zeit die Ereignisse, die in der Folge „Aleppo – Hama -Homs – Damaskus - Flucht Assads“ jeweils nur zwei Tage beanspruchten.

Dann kamen die Bilder: skandalös die Fotos von Assads Luxuspalast, verständlich der Sturz der Denkmäler, berührend die Videos von Gefangenen, die barfuß in die Freiheit torkeln, die Angehörigen, die in den verwinkelten Gängen des Saidnaya-Gefängnisses nach verschwundenen Familienmitgliedern suchen, schockierend die Fotos von toten Folteropfern und den Instrumenten, mit denen sie zu Tode gebracht wurden.

 
„Kleiderbasar“ im Schlachthaus von Saidnaya

Und dann kamen die Fragen? Wie ergreift man die Täter, die sich nicht in ein russisches Fluchtzeug retten konnten? Wie werden die Islamisten mit den Minderheiten umgehen (Kurden, Christen, Alawiten)? Wie mit den Frauen? Werden sie es lernen, dass man auch Politikerinnen wie Frau Baerbock mit Handschlag begrüßt? Die SZ formuliert ihre Erwartungen an die neuen Herrscher sehr vorsichtig:

„Das HTS ist weder ein Verein zur Förderung der Demokratie, noch ist es der IS/Islamischer Staat. … Es ist eine Gruppe, die sich nach radikalen Anfängen gemäßigt hat, damit sie regieren kann.“

Genauso schnell wie der Siegeszug des HTS von statten ging, tauchte in Deutschland die Frage auf, wie man mit den syrischen Flüchtlingen umspringen soll, v.a. mit jenen, die wir nicht in Krankenhäusern und Pflegeheimen brauchen können. Da gehörten Aussagen wie die von Herrn Merz „Für mich ist es heute noch zu früh, darüber ein endgültiges Urteil abzugeben“ fast schon zu den systemgefährdenden Ausnahmen. Als es dann auf Weihnachten zuging, wurden die Töne in Sachen Abschiebung etwas weniger schrill. Ob da eine Geschichte von einer vergeblichen Herbergssuche eine Rolle gespielt hat? Oder Erwägungen folgender Art?

 

Nachrichten aus den anderen Konfliktzonen


Russland- Ukraine

- Das Anti-Imperium schlägt zurück: In Moskau wurden der General Igor Kirillow und sein Fahrer getötet, als neben ihnen ein E-Scooter explodierte. Der General soll für den Einsatz von Chemiewaffen im Krieg verantwortlich gewesen sein. Für den ukrainischen Geheimdienst galt er deswegen als „legitimes Ziel“.

- Friedensfantasien: Die Aussicht, dass sich der Konflikt zu einem anhaltenden Zermürbungskrieg entwickelt, „heizt die Fantasien von einem politischen Friedensschluss an“. Inder EU gibt es Überlegungen, wie die Sicherheit der Ukraine garantiert werden kann, für Putin gibt es nur einen Frieden zu seinen Bedingungen, und von Trump weiß man weder, wie er den Krieg „in einem Tag“ beenden will, noch, ob er sich überhaupt damit befassen will.

Naher Osten

- Amnesty-Bericht: AI wirft Israel vor, mit der Kriegsführung im Gazastreifen Völkermord zu begehen. Auf 296 Seiten wird eine These aufgestellt, die beim IGH noch unter „Anfangsverdacht“ läuft und für den der IStGH „keine hinreichenden Anhaltspunkte“ hat. Dass der Vorwurf von Israels Regierung als „falsch und verlogen“ zurückgewiesen wird, war zu erwarten. Ernst zu nehmen ist der Einwand von Eva Illouz, eine französisch-israelische Soziologin. Sie hält den Vorwurf für „unehrlich und antisemitisch“, weil in der Vergangenheit Vergehen von weitaus größerer Dimension (Ruanda 1994) nicht als Völkermord gewertet wurden. Aber sollte man gerade deswegen in Gegenwart und Zukunft nicht deutlicher werden, wenn es um die Einstufung als Genozid geht? Was hingegen den Vorwurf von AI anbelangt, dass israelische Politiker von Rechtsaußen die Palästinenser am liebsten als Ganzes loswerden möchten, ist zu sagen, dass deren Vorschläge, von Ausnahmen abgesehen, in Richtung Zwangsaussiedlung gehen, und nicht auf die physische Vernichtung der Palästinenser abzielen. „Mörderisch“ ist die derzeitige Kriegsführung in Gaza allemal, ob sie schon „völkermörderisch“ ist, sollten wir als Deutsche eher nicht entscheiden.

- Zwei Ex-Generäle – zwei Meinungen: Auch beim israelischen Militär sind die Meinungen über die Kriegsführung konträr. Giora Eiland, der führende Kopf hinter dem „Plan der Generäle“ ist für eine Verschärfung. Die Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen soll vertrieben werden, und wer nicht gehen will, wird ausgehungert. Mosche Jaalon hingegen wirft seinem Land „ethnische Säuberungen“ vor und spricht von „Kriegsverbrechen“, die Israel „in den Ruin“ treiben.

- Haftbedingungen – grausam auf beiden Seiten: Seit dem Terrorangriff der Hamas steigt die Anzahl palästinensischer Gefangener in Israels Gefängnissen. Ihre Behandlung, so die MR-Organisationen, gleicht „systematischer Folter“. Das „Gegenstück“ liefern israelische Ärzte, die freigelassene Geiseln behandelten. Nahezu alle waren körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt unterworfen.

Georgien – ein Land in der „Zerreißprobe“

Nach den Wahlen im Oktober, deren Ergebnis für viele Beobachter „statistisch unmöglich oder nur durch Wahlbetrug zu erklären war“, kam es im Dezember erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Opposition. Sie erreichten ihren (vorläufigen) Höhepunkt, als der neue Präsident Kawelaschwili sein Amt antrat und die EU-freundliche Präsidentin Surabischwili unter Androhung von Verhaftung aus ihrem Amtssitz geekelt wurde. Mit dem neuen Präsidenten und dem „Strippenzieher“, dem Milliardär Iwanischwili im Hintergrund, wird sich das Land Richtung Moskau ausrichten. Als amtierender EU-Ratspräsident kam ausgerechnet Orbán nach Tiflis – und gratulierte seinem „Autokraten-Bruder“. Donald Trump hingegen lud die geschasste Präsidentin zur Amtseinführung ein.

Südkorea – „Putsch eines Inkompetenten“

Auch dort brodelt es, seit Präsident Yoon Suk Yeol am Monatsanfang für ein paar Stunden das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Als Begründung nannte er, dass die Opposition mit Nordkorea sympathisiere. Dann stürmten 190 (von 300) Abgeordneten das Parlament und stimmten für eine Aufhebung der Maßnahme. Soldaten, die die Abstimmung verhindern sollten, wurden mit Feuerlöschern zurückgedrängt. Zur Monatsmitte wurde Yoon von seinem Amt suspendiert, und auch sein Nachfolger hielt nicht lange durch. Gegen Jahresende war man damit beschäftigt, Yoon zu verhaften, aber der Polizei gelang es bisher nicht, sich gegen das Militär durchzusetzen. In Nordkorea werden sie sich ins Fäustchen lachen - und bedauern, dass sie ihre Soldaten an Putin verliehen haben.

AI-Nachrichten


Strafgerichtsbarkeit: Als im März Premierminister Netanjahu in den „Genuss“ eines Haftbefehls kam, warnte eine deutsche Diplomatin von einem „Selbstmord“ des Gerichts, weil es sich übernehme und Gefahr laufe, die Unterstützung westlicher Staaten zu verlieren. Jetzt könnte es zu einem „Fremdmord“ kommen, denn die US-Republikaner bereiten Sanktionen vor, die das Gericht lahmlegen könnten. Diese Sanktionen würden alle treffen, die IStGH-Ermittlungen gegen die USA und ihre Verbündeten (Israel) unterstützen. Das Gericht, so der Republikaner Lindsey Graham, sei ein „gefährlicher Witz“ und solle sich gefälligst wieder auf Ermittlungen gegen afrikanische Milizenführer beschränken. Letzteres hat er nicht gesagt, aber gemeint.

Frauenrechte: In Avignon ging der spektakuläre Vergewaltigungsprozess um Gisèle Pelicot zu Ende. Der Ehemann erhielt zwanzig Jahre und scheint das Urteil akzeptiert zu haben, bei den Mitangeklagten blieben die Richter teilweise hinter den Forderungen der Staatsanwaltschaft zurück. Trotzdem wollen viele von ihnen Berufung einlegen. Ihre Anwälte hatten teils haarsträubende Argumente vorgebracht, etwa, dass sie überzeugt waren, sich nur „an einem Sexspiel eines freizügigen Paares beteiligt zu haben“. Frau Pelicot hatte den Mut, das Verfahren öffentlich zu machen, „damit die Scham die Seite wechselt“. Dieser Slogan wird hoffentlich Geschichte machen.

 
Eine mutige Frau

Polizeigewalt: In einem New Yorker Gefängnis wurde der Häftling Robert Brooks von Gefängniswärtern brutal verprügelt und tags darauf für tot erklärt. Einer der Wärter stand dabei, lachte und scherzte mit einem Kollegen. Muss man noch dazu sagen, dass die Wärter weiß und das Opfer schwarz waren?

Politische Gefangene – gleich deren drei


- Algerien: Friedenspreisträger, das hat Algerien von China und dem Iran gelernt, sind am besten hinter Gittern aufgehoben. Der Schriftsteller Boualem Sansal, immerhin Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, wurde im November am Flughafen von Algier verhaftet. Zum Verhängnis geworden scheint ihm ein Interview zu sein, in dem er im Konflikt Algier – Marokko um die Westsahara die Staatsgrenzen Algeriens in Frage stellte.

- Russland: Der 19-jährigen Aktivistin Darya Kosyrewa drohen siebeneinhalb Jahre Straflager, weil sie am Sockel einer Statue des ukrainischen Dichters Taras Schewtschenko einen Zettel mit einem seiner Verse angeklebt hatte. Die Verse sind in der Freiheitslyrik des 19. Jahrhunderts gehalten, aber mit einem faulen Trick versuchte die Anklage, Kosyrewa die Diskreditierung der russischen Armee zu unterstellen. Sie habe den Punkt am Ende der Verse durch ein Ausrufezeichen ersetzt und damit einen neuen Text mit aktualisierter Bedeutung geschaffen. Die Tatsache, dass auch in anderen Ausgaben des Gedichtes das Ausrufezeichen stand, interessierte das Gericht nicht.

- Iran: Als am Mailänder Flughafen ein Iraner verhaftet wurde, dem die Auslieferung in die USA drohte, hätten bei allen italienischen Einrichtungen, die Vertreter im Iran haben, die Alarmglocken läuten müssen. Der Iran hält seinen regimetreuen Staatsbürgern die Stange – ganz gleich, wie kriminell sie sind, und nimmt sich zu deren Schutz Geiseln – ganz gleich, wie unschuldig diese sind. Nur wenige Tage nach der Verhaftung in Mailand wurde im Iran die Journalistin Cecilia Sala festgenommen, aber die Anschuldigung lautete natürlich „Verstoß gegen die Mediengesetze“ und nicht „Austauschobjekt“. Am 8. Januar 2025 wurde sie freigelassen – bis jetzt ohne „Gegenleistung“ Italiens.

AfD-Rubrik


- Kanaren-Route: 10 000 Flüchtlinge ertrunken.
- Infantinos Meisterwerk: Der Fifa-Boss vergibt die Fußball-WM 2034 ohne Abstimmung nach Saudi-Arabien.
- Rechtsradikale greifen in Berlin SPD-Wahlkämpfer an.
- Justizopfer Genditzki soll 100.000 Euro zahlen, u.a. für „Unterkunft und Verpflegung“.
- Die AfD will ihre Jugendorganisation JA „umbauen“, d.h. an die Leine nehmen. Dann ist sie in zweifacher Hinsicht „gesichert rechtsextremistisch“.
- Verleihung des Sacharow-Preises an zwei venezolanische Oppositionelle: Edmondo Urrutia ist nach Spanien geflüchtet, María Machado lebt im Untergrund.

Dissonanzen zum Jahresausklang


Haft für Klimaprotest: Der Klimaschutz-Aktivist Karl Braig musste kurz vor Weihnachten seine Haftstrafe von fünf Monaten antreten. Er hatte sich in Passau zweimal auf Straßen festgeklebt, war zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt worden, hatte sich geweigert, die Bewährungsauflage von 500€ zu zahlen und obendrein noch die Frist für eine Berufung versäumt (oder ignoriert). 50 Sympathisanten bereiteten ihm bei Haftantritt vor der JVA Kempten einen tränenreichen Abschied. Man kann durchaus die Meinung vertreten, dass die „Letzte Generation“ mit ihrem Protest auf den Straßen nichts verloren hat (und besser den Straßenrand besetzen sollte), - aber ins Gefängnis gehört sie keinesfalls.

Haarspaltereien bei Waffenexporten: Deutschland hat sich seit Beginn des Jahres mit Waffenexporten nach Israel zurückgehalten, sodass Israel schon von einem “stillen Embargo“ sprach. Im Oktober aber hat die Aufsichtsbehörde BAFA die Ausfuhr von Getrieben für den israelischen Merkava-Panzer genehmigt. Die Getriebe seien nämlich keine „Kriegswaffen“, sondern nur „sonstige Rüstungsgüter“. Und dafür sind die Exportvorschriften lockerer. Aber eingebaut werden sie nicht in Traktoren, sondern in die Kriegswaffe „Panzer“.

Deutscher Wahlkampf mit Elon Musk: Der Tech-Milliardär soll Autist sein, aber während man anderen Autisten von Herzen wünscht, dass ihre Sprechhemmung geheilt oder zumindest gelindert wird, wünscht man sich bei Musk, nach allem, was er für die AfD gefaselt und wie er unsere Politiker angerotzt hat, er möge doch endlich das Maul halten.

Klaasohm auf Borkum: Der Nikolaus/Krampus geht auf Borkum nicht auf die Kinder, sondern auf die Frauen los, und das nicht mit der Rute, sondern mit Kuhhörnern. Es hat relativ lange gedauert, bis das Ritual unter Beschuss geriet, denn der zuständige Burschenverein wurde schon 1830 gegründet. Nach der Kritik, die durch einen Bericht in Panorama ausgelöst wurde, beschloss der Verein, den „Brauch des Schlagens“ dieses Jahr abzuschaffen. Im Vorfeld hatten übrigens 150-200 Frauen dafür demonstriert, den Brauch beizubehalten. Denen … ! (Der Rest des Satzes wurde wieder einmal von der Zensur gestrichen!)

Und keiner fragt, wie es die Männer überleben sollen!

 

Um den Weihnachtsmonat nicht allzu düster ausklingen zu lassen, - die Ankündigung, dass die Frauen auf Borkum dieses Jahr nicht geschlagen wurden -, trägt ja auch nicht gerade viel zur Aufhellung bei, fügen wir ein Gedicht von Mascha Kaléko an, das uns helfen soll, die Alpträume Trump und Putin zu ertragen (und womöglich zu überstehen).

Die Nacht, in der das Fürchten wohnt,
Hat auch die Sterne und den Mond.


Tätigkeitsbericht: Das AI-Jahr

Im Landkreis Miesbach



3.1 Schreibtischtaten


Unvorsichtigerweise haben wir uns heuer im „Netzwerk Eilaktionen“ angemeldet. Das hat zum einen dazu geführt, dass wir mit Appellbriefen geflutet werden, zum anderen aber auch dazu, dass wir im Kerngeschäft von AI, dem Einsatz für Einzelfälle mit Dringlichkeitsstatus, mitmischen können. Wo verfügbar, ergänzen wir die Fälle mit Informationen über deren weiteres Schicksal – die nicht immer erfreulich sind und bisweilen AI und andere Initiativen als „lahme Enten“ erscheinen lassen.

Vier kurdische Dissidenten/Iran (Januar)


Die vier Männer verschwanden schon im Juli 2022 und wurden später einem unfairen Gerichtsverfahren unterworfen. Die Todesurteile wurden im Januar 2024 vom Obersten Gerichtshof bestätigt. Am Monatsende wurden sie hingerichtet. Die Leichen wurden den Familien nicht übergeben, sondern an einem unbekannten Ort verscharrt. Ihr Verbrechen: Sie waren Kurden.

Zwei Jahre Krieg in der Ukraine (Februar)


Da ging die Post ab in Richtung russische Botschaft, und es waren keine verspäteten Glückwünsche zum russischen Weihnachtsfest. Es wurde alles aufgezählt, was die „russische Welt“ dem zivilisierten Rest des Planeten zu bieten hat: Angriffskrieg, Attacken auf Krankenhäuser und Wohngebiete, Einsatz verbotener Waffen, Unterdrückung der Opposition. Der Botschafter hat nicht geantwortet, der Krieg geht weiter.

Yu Wensheng, Xu Yan/China (März)


Ein dreistes Bubenstück leisteten sich die chinesischen Behörden, als sie den bekannten Menschenrechtsanwalt und seine Frau festsetzten, als sie im April 2023 auf dem Weg zu einem Treffen mit einer EU-Delegation in Peking waren. Man warf ihnen vor, „Streit anzuzetteln“, und man setzte, da dieses Vergehen wohl doch nicht schwer genug war, noch „Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt“ hinzu. Das Ernährungsangebot im Gefängnis scheint eher bescheiden zu sein, denn Frau Yan soll 14 Kilo verloren haben. Im Oktober 2024 wurden sie dann beide zu Haftstrafen verurteilt.


Manahel al-Otaibi/Saudi-Arabien (April)


Die junge Frau wurde im Januar 2024 in einem Geheimprozess zu 11 Jahren verurteilt. Ihre „terroristischen Aktivitäten“ bestanden aus Tweets für Frauenrechte und einem geposteten Foto, auf dem sie in einem Einkaufszentrum ohne die traditionelle Abaya/Nonnenkutte auftrat. Manahel wurde im November 2022 festgenommen und ein Jahr später für fünf Monate „aus dem Verkehr gezogen“. Die Familie wurde erst wieder im April 2024 über ihren Verbleib informiert. Im Gefängnis wurde sie brutal geschlagen und erhielt trotz eines gebrochenen Beins keine medizinische Behandlung. Wie man hört, hat man Gianni Infantino ihre Freilassung versprochen, wenn er die Fußball-WM von 2034 an Saudi-Arabien vergibt. (Vorsicht Satire!)

Chhim Sithar/Kambodscha (Mai)


Die Gewerkschaftlerin wurde im November 2022 festgenommen und im Mai 2023 zu zwei Jahren Haft verurteilt, wegen „Anstiftung zu einem Verbrechen und Störung der sozialen Sicherheit“ - was ein Gewerkschaftler halt so begeht, wenn er/sie zu Streiks gegen Massenentlassungen aufruft. Während ihrer Haft lehrte sie ihre Mitgefangenen, Blumen aus Restmaterialien zu basteln, die sie dann verkaufen konnten. Im September 2024 hat man sie vorzeitig entlassen.

Todeskandidaten der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung/Iran (Juni)


Sie werden es nicht glauben, aber mindestens zwei von ihnen sind davongekommen. Für Mahmoud Mehrabi hatte sich der Bischof von Mainz eingesetzt. Im November 2024 wurde er vom Vorwurf der „Korruption auf Erden“ freigesprochen. Dafür hat man seine Schwester zu sechs Jahren verurteilt. Auch der Rapper Toomaj Salehi, Ehrenmitglied von PEN Berlin, ist wieder auf freiem Fuß. Wie lange? wird man sich fragen, wenn man seine mehrjährige Protestgeschichte kennt. Bei seiner Verurteilung im Herbst 2022 veröffentlichte er eine Videobotschaft, die ahnen lässt, wie einsam jemand ist, der seiner/ihrer Hinrichtung entgegensieht.

„Weint nicht um mich, wenn ich morgen sterbe. Eure Tränen würden mich nicht zurückbringen. Wenn ihr euch ernsthaft um mich sorgen würdet, wäret ihr jetzt an meiner Seite.“

Das wäre im Iran aber gar nicht so leicht, weil der Familie und den Anwälten für gewöhnlich der Zugang verwehrt wird.

Leonard Peltier/USA (Juli)


Sein Fall gehört zu den krassesten Beispielen in der Justizgeschichte der USA, und selbst, wenn er schuldig wäre, sollte seine Freilassung ganz oben auf die Amnestieliste von Präsident Biden gehören. Hier einige „Kostproben“ zum Fall:
- verurteilt 1977 wegen mutmaßlicher Tötung von zwei FBI-Agenten bei einer Auseinandersetzung mit Mitgliedern der Initiative American Indian Movement
- wiederholte Ablehnung von Entlastungszeugen, deren Aussage „nachteilig für die Regierung sein könnte“
- Einbehaltung von Beweismaterial zum Zeitpunkt des Verfahrens
- Eingeständnis der Staatsanwaltschaft, dass es „keine direkten Beweise für seine Täterschaft gäbe“
- Empfehlung des zuständigen Staatsanwalts: Begnadigung

Ob Peltier zu den 39 Tätern zählt, die Präsident Biden im Dezember begnadigt hat, oder als „Terrorist“ geführt wird, die nicht begnadigt werden, weiß ich (noch) nicht. Wenn Trump sein Amt antritt, wird er Peltier nach fast 50 Jahren Haft eher hinrichten lassen, als ihn begnadigen.

Verhaftung von Demonstranten/Venezuela (August)


Im Nachgang zu den Präsidentschaftswahlen wurden mehr als 2000 Personen verhaftet, die gegen das schamlos gefälschte Wahlergebnis protestiert oder regierungskritische Äußerungen getätigt hatten. 105 Inhaftierte sind Jugendliche, mindestens 16 sind behindert.  Da man sie In Hochsicherheitsgefängnisse verlegt hat, besteht die Gefahr, dass sie misshandelt und gefoltert werden.

Sharifeh Mohammadi/Iran (September)


Die Frau hatte sich aller Verbrechen schuldig gemacht, die den Mullahs den Turban hochtreibt: Einsatz für Frauenrechte, gewerkschaftliche Aktivitäten, Kampf gegen die Todesstrafe. Umso erstaunlicher ist es, dass das Urteil vom Juli 2024, wo sie wegen „bewaffneter Rebellion gegen den Staat“ zum Tode verurteilt worden war, schon im Oktober aufgehoben wurde. Neben AI hatte auch die IG Metall in Zwickau Unterschriftslisten zirkulieren lassen. Im November sollte allerdings ein neuer Prozess beginnen.

Khaled Al Serr/Israel (Oktober)


Der palästinensische Chirurg wurde im März 2024 nach einer Durchsuchung des Nasser-Krankenhauses in Khan Younis/Gazastreifen festgenommen Sein Verbleib wurde drei Monate lang geheim gehalten, dann wurde er in ein Militärgefängnis im Westjordanland verlegt und im Rahmen des Gesetzes über ungesetzliche Kombattanten ohne Anklage und Gerichtsverfahren festgehalten. Vom ersten Tag seiner Haft an, so sein Rechtsbeistand, wurde er erniedrigt und gefoltert. Das deckt sich mit jüngsten Berichten über die unmenschliche Behandlung von Palästinensern in den israelischen Militärgefängnissen. Ende September wurde er entlassen. Bei einem Verhör durch den Inlandsgeheimdienst erfuhr er, dass für ihn eine Kampagne laufe.

Carey Grayson/USA (November)


Er war einer von vier jungen Tätern, die 1994 eine Anhalterin ermordeten. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete nacheinander alle vier als „Führer der Bande“, aber Grayson kam als Einziger in die Todeszelle, weil er zur Tatzeit schon 19 Jahre und damit volljährig war. Am 21. November wurde er hingerichtet. Die Vollstreckungsmethode durch Stickstoffgas soll er selbst gewählt haben, aber da es fast eine halbe Stunde dauerte, dürfte der Tatbestand der „grausamen und ungewöhnlichen Bestrafung“, die von der Verfassung verboten ist, gegeben sein. Alabama verzeichnet 2024 mit (bisher) sechs Hinrichtungen die (bislang) höchste Zahl an Hinrichtungen aller US-Bundesstaaten. Da versteht man, warum der Sänger „mit dem Banjo auf dem Knie“ nicht in Alabama bleiben möchte.

Sonia Dahmani/Tunesien (Dezember)


Die Rechtsanwältin ist seit Mai 2024 in Haft. Die Behörden gehen gleich mit fünf Strafverfahren gegen sie vor. Sie hatte in (teils ironischen) Fernsehkommentaren die Haftbedingungen in den Gefängnissen und die Misshandlung von Flüchtlingen kritisiert – ein typischer Fall des Tatbestands „Cyberkriminalität“. Die Haftbedingungen für Frau Dahmani sind unmenschlich. Sie ist extremer Kälte ausgesetzt und hat keinen Zugriff auf saubere Kleidung.

3.2 Verschiedenes


Reaktionen auf den Jahresbericht 2023


- Der Merkur hat uns unter dem Titel „Kleine Gruppe, großes Engagement“ einen langen Artikel gewidmet und ist dabei ausführlich auf die Freilassung der beiden „Blumenfrauen“ aus der U-Bahn in Teheran eingegangen. An dieser Stelle dem Merkur und dem Gelben Blatt unseren Dank für die wohlwollende und pünktliche Abdeckung unserer Arbeit und unserer Veranstaltungen. Sie tragen dazu bei, dass unsere Randgruppenexistenz etwas „aufgelockert“ wird.

- Eine Leserin hat sich dem Jahresbericht „mit bangem bis grausendem Interesse und doch auch mit Vergnügen“ gewidmet.

- Ein Leser hat uns zu seinen „Consensualen Grüßen“ hinzu eine suggestive Karte geschickt.

 
Wendelsteinbahn zum Thema „Lichtblick“

- Und von einem anderen getreuen Leser stammt auch heuer wieder das Titelbild. Es zeigt eine Gruppe einheitlich gekleideter Menschen/Gefangene (?), die voller Hoffnung auf eine gebrochene Sonne blicken – oder sich abwenden, weil sie die Hoffnung schon aufgegeben haben.

Bilanz zur Todesstrafe 2023


Es gibt zwar „weniger ‚Henkerstaaten‘ aber mehr Hinrichtungen“. Die Zahl der (bekannt gewordenen) Hinrichtungen war bei 1153, ein Anstieg von 31 Prozent gegenüber 2022 und damit die höchste Zahl seit fast einem Jahrzehnt. Und das sind nur Mindestzahlen, denn in Staaten wie China wird das Thema Todesstrafe als Staatsgeheimnis geführt, was durchaus verständlich ist, denn man geht von Tausenden von Hinrichtungen aus. Rekordhalter bei den bekanntgewordenen Hinrichtungen war und ist der Iran.

Trotz dieser Zahlen ist AI verhalten optimistisch: Es gibt Staaten, die die Todesstrafendelikte reduziert, ein Hinrichtungsmoratorium verhängt oder 2023, im Gegensatz zum Vorjahr, niemand hingerichtet haben. Aber es gibt auch immer wieder Meldungen wie „Das Land hat damit zum ersten Mal seit x- Jahren wieder eine Hinrichtung vollzogen.“

Leserbrief zur Bürgerversammlung in Warngau


Nach der stürmischen Bürgerversammlung in Warngau (s. Februar 2024) hat Inge Jooß, Integrationsbeauftragte und Chefin des Helferkreises in Miesbach, einen couragierten Leserbrief eschrieben, aus dem ich eine Passage zitieren möchte.

„… und es ist sehr traurig, dass sich anscheinend wenig in der Öffentlichkeitsmeinung geändert hat. Vorurteile und Abgrenzung beherrschen die lauten Töne, z.B. wenn es um die Unterkunft in Warngau geht. Diese Töne sind nicht nur laut, sondern verletzend, „g’schert“ und ohne jeden Anstand, gerade wenn es um die Attacken auf die Kommunalpolitiker und Verwaltungsangestellten geht, die die Situation zu meistern versuchen.“

Warngau hat sich in der einen oder anderen Form im Landkreis noch öfter abgespielt. Flüchtlingsunterkünfte wurden instrumentalisiert – „Wenn ich keine Baugenehmigung bekomme, stecke ich Flüchtlinge rein“ – oder mit durchaus widersprüchlichen Parolen von Bürgerinitiativen – „Miteinander für unser Dahoam – Stoppt die Massenunterkunft in … “ blockiert.

Finanzen


Dank eines Großspenders, diverser Förderer und Einzelspender und zweier Veranstaltungen dürften wir unseren Jahresbeitrag von 2200€ problemlos „erbettelt“ haben. Allen Beteiligten unseren herzlichen Dank. Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, als Groß-, Mittel- oder Kleinspender Mitglied dieser Gruppe zu werden (und es noch nicht sind), dürfen Sie den Satz mit dem „problemlos“ getrost überlesen.

Die Gruppe


Es gab wieder einen Neuzugang, für den wir sehr dankbar sind, denn einige von uns werden älter, wenn auch langsam. Über Nachwuchs, neben rüstigen Senioren/innen, auch Vertreter „jüngeren (und mittleren) Datums“ würden wir uns freuen. Es wären auch immer wieder zwar nicht lukrative, aber doch attraktive Posten zu vergeben, beispielsweise „Einzelfallexperte, Kampagnenleiter, Infostandanimator, Geldbeschaffungsprofi, Plakatmultiplikator und Gruppensprecher“. Und alle Posten können angestrebt werden, ohne mit lästigen Gegenkandidaten rechnen zu müssen.

3.3 Unser Fall in Malaysia: Hoo Yew Wah


Im August dieses Jahres erfuhren wir offiziell, dass Hoos Todesstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt worden ist. Diese Strafe beträgt 30 Jahre und wird vom Zeitpunkt seiner Verhaftung 2005 berechnet. Er müsste also 2035 freikommen. Verhaftet wurde er im Alter von 20 Jahren, weil man ihn mit 188 Gramm Crystal Meth erwischt hatte. Der letzte Jahresbericht wäre also wie folgt fortzuschreiben:

„Hoo wurde jetzt zu 30 Jahren Haft verurteilt. Das bedeutet ein Jahr Haft für je sechs Gramm. Das ist etwas überzogen, meint AI.“

Vor dem Kriminalgericht in Berlin-Moabit wurde einmal der Fall eines Heroinjunkies verhandelt, der sich zwei winzige Kügelchen Heroingemisch (1,235 Gramm) gekauft hatte. Er wurde zu einer Geldstrafe in einer Höhe verurteilt, die seinem Nettoeinkommen von drei Monaten entsprach. Das ist ziemlich weit von einem Todesurteil entfernt, aber der Gerichtsreporter deutete (zwischen den Zeilen) an, dass er auch das für „etwas überzogen“ hielt.

Als zweiten Fall werden wir möglicherweise einen Fall aus Belarus übernehmen.

3.4 Veranstaltungen und Aktionen


Quo vadis Afghanistan? (Januar)


Wir wurden von einer Lehrerin des Gymnasiums Tegernsee zu einem Infoabend mit Dr. Reinhard Erös eingeladen, der über „Die politische und soziale Lage nach Abzug der westlichen Truppen“ referierte – und das vor einer Anzahl von Zuhörern, von der wir meist nur träumen können. Der Militärarzt (und Ex-Oberst) engagiert sich seit 1986 in Afghanistan, hat dort schon während der russischen Invasion mit hohem persönlichem Risiko ärztliche Hilfe geleistet und betreibt jetzt mit seiner Familie die „Kinderhilfe Afghanistan“, die u.a. eine Kette von Schulen umfasst, in die auch Mädchen gehen können – (vermutlich) solange sie nicht 12 Jahre sind. Vor diesem Engagement kann man nur den Hut ziehen!

Allerdings hatte er klare geopolitische Feindbilder (Grüne, Nato-Staaten), attackierte aber auch „Widersacher“ im Saal, die seine doch recht positive Sicht auf die Taliban – „Sie brachten Sicherheit“ – zu relativieren suchten und Fragen nach den Einschränkungen für Frauen (Kleiderordnung) stellten. Ich lieferte ihm eine Schreiduell, das ich mit einem wütenden „Ich bin nicht Ihr Untergebener“ abschloss. Meine Versöhnungsgeste am Ende der Veranstaltung wurde übersehen oder ignoriert.

Demonstration gegen Rechtsextremismus (März)


Ausgelöst durch das Geheimtreffen in Potsdam vom November 2023, das den deutschen Wortschatz mit dem Begriff „Remigration“ bereicherte, und das derzeit durch die Gerichte geistert, weil man etwas gar nicht gesagt oder so nicht gemeint hat, kam es in Deutschland zu einer beachtlichen Anzahl von Demos. In Miesbach wurde sie von der Goldenen Parkbank und von Fridays for Future organisiert, von 30 Organisationen unterstützt und von mehr als 1000 Teilnehmern bestritten – einige davon „Demodebütanten“. Die Reden am Marktplatz riefen auf zur Verteidigung der Demokratie, zu Toleranz und Gastfreundschaft und zogen Parallelen zu den Anfängen der Naziherrschaft. Dann setzte sich der Zug in Bewegung, begleitet von „Nazi raus“- Sprechchören (der jüngeren Generationen!) und von Rap-Slogans, die manchmal die Gürtellinie touchierten. Am Kriegerdenkmal appellierten die Vertreter der Kirchen an die Nächstenliebe und forderten dazu auf, auch AfD-Sympathisanten „zurückzuholen“ – sofern sie das wollen, möchte man hinzufügen. Die Band „Fun für Followers“ setzte den Schlusspunkt unter eine Demo, die der Polizei einen geruhsamen Nachmittag bescherte und an die man sich bei den nächsten Wahlen erinnern sollte.

 

Das Foto entstand wie auf Bestellung. Der Chefredakteur des Gelben Blattes hatte sich hoch oben an der Kirchenmauer postiert und schien geradezu auf uns gewartet zu haben. Wir bedanken uns herzlich.

Ostermarkt in Fischbachau (März)


Wir hatten wieder ein vielfältiges Angebot an Ostersachen, Textilien, Astviechern und Kleinmöbeln, aber, hinter vorgehaltener Hand, auch einige „Ladenhüter“ und „Flohmarktkandidaten“. Und, aufgemerkt, nicht alles waren Spenden, die Backwaren entstanden in Eigenleistung. Danke für alles!

Was den Kundenverkehr anbelangte, hatte man fast den Eindruck, wir wären auf zwei Märkten gewesen. Bei der ersten Schicht herrschte reger Betrieb, die Einnahmen sprudelten, wir wurden zwei Jahresberichte, wenn auch nur wenige Appellkarten los und konnten mit dem Begründer des „Bayrischen Feuilletons“ ein Gespräch über das Goldene Rössl in Altötting führen, zugegeben kein typisches AI-Thema.

Bei den folgenden Schichten war eher „wenig los“, es gab „keine besonderen Vorkommnisse“, außer dass eine Frau die Appellkarte wieder zurücklegte, als man ihr sagte, sie müsse sie nicht nur lesen, sondern auch absenden. Immerhin nahmen wir über 400 Euro ein.

 
Schichtwechsel am Ostermarkt

Oster“Marsch“ (April)


Da im ersten Konzept der Veranstalter noch die Forderung „Keine Waffenlieferungen an Konfliktparteien“ enthalten war, entschieden wir uns mehrheitlich, die Veranstaltung nicht als AI-Gruppe, sondern nur privatissimo zu unterstützen. Sie fand, deshalb die Anführungszeichen um den „Marsch“, als Mahnfeuer statt. Es kamen etwa 35 Leute, die Reden waren weitgehend völkerrechtskonform. Der „verbrecherische Angriffskrieg“ wurde erwähnt, und es gab (diesmal) keinen Widerspruch, weil keine Putin-Versteher präsent waren, bei der Verurteilung der Kriegsziele wurden die der Ukraine als „unrealistisch“ bezeichnet, die Ziele Russlands aber ausgespart, Waffenlieferungen an die Bereitschaft zum Waffenstillstand geknüpft. Die Rede zum Krieg im Gazastreifen war (zu Recht) sehr emotional, hätte aber auch den Terrorangriff der Hamas mit einbeziehen müssen.

Bei den Klängen von „Bella ciao“, präsentiert von einem Ukulele-Duo, kam Gemeinschaftsstimmung auf. Auch wenn wir nur „halb anwesend“ waren, danken wir den Organisatoren. Sie waren uneingeschränkt „friedenstauglich“.

Menschenrechts-Gala am Gymnasium (April)


Die Exklusivität, die der Titel der Veranstaltung ausstrahlt, schlug sich auch im Programm nieder. Auf einer Länge von zweieinhalb Stunden folgte ein buntes Feuerwerk an Tanz- und Musikdarbietungen, an Theaterszenen und Infosequenzen zu den Themen Rassismus, Integration, fairer Handel, Umwelt und zu Ländern wie China und Iran, wo es keine Schulen gibt, an denen eine solche Menschenrechtsgala möglich ist. Nicht vergessen wurde auch der Hinweis auf den AI-Briefmarathon, an dem das Gymnasium schon seit mehreren Jahren teilnimmt. Im Gedächtnis bleiben (neben allen anderen Auftritten) der Trauertanz über den Zustand der Welt, der multikulturelle Komposthaufen – und natürlich die Verbrennung des Feuervogels im Schulhof, der einem Phönix gleich wiederauferstand.

 
Nächtliche Auferstehung

Passend zum Problemland Iran durfte ich vom Aufstand der Frauen im Evin-Gefängnis von Teheran und von der Freilassung der beiden „Blumenfrauen“ berichten und mich bei Schüler- und Lehrpersonal dafür bedanken, dass es innerhalb von vier Jahren schon drei Abende zum Thema „Menschenrechte“ gab. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem AI 1972 kroch.“

Demo 2 – in Abwesenheit (Mai)


Die AfD hatte zur „reaktionärsten Wahlparty des Jahres “ eine Einladung ins Netz gestellt, von der viele glaubten, es sei eine Verarschung der Partei. Da war vom „Duft von Benzin“ und vom „Knacken der Spanferkel“ die Rede, und sexy Models posierten neben einem amerikanischen Straßenkreuzer. Als Star des Nachmittags sollte „Mad Max“ auftreten, hinter dem sich der unter Korruptionsvorwürfen „leidende“ Abgeordnete Maximilian Krah verbarg. Aber zur Party kam es nicht. Krah und seine „echten Männer“, die bekanntlich rechts sind, und ein paar versprengte Frauen mussten ihren Auftritt nach Holzkirchen verlagern, weil der Wirt in Miesbach kalte Füße bekommen hatte. Angeblich hatte man sein Auto beschädigt und seinen minderjährigen Sohn belästigt.

In Miesbach hatte sich eine Gruppe von 270 Demonstranten versammelt, um Krah in Abwesenheit „willkommen“ zu heißen, skandierte unter anderen „Aufheizern“ auch „Miesbach hasst die AfD“, was zu Recht zu empörten Zwischenrufen führte. Dann marschierte man zum Wirtshaus, wurde von der Polizei in gebührender Entfernung platziert und ging bald friedlich auseinander, weil einige den Zug nach Holzkirchen erwischen wollten. Das befürchtete Haberfeldtreiben gegen den Wirt fand nicht statt. Aufsehen erregte ein älterer Miesbacher, der auf seinem Rollator einen Kasten Bier mitführte. Da die AfD im Vorfeld Freibier versprochen hatte, wollte auch er ausschenken – aber nur an „echte Patrioten“.

Infoabend der VHS-Holzkirchen (Mai)


Wir waren eingeladen worden, bei einem Infoabend der VHS als Mitveranstalter aufzutreten, und bei solchen Einladungen können wir einfach nicht widerstehen. Unter dem Titel „Flucht aus Afghanistan – Von Sammelabschiebungen zum Bundesaufnahmeprogramm“ sprach Professor Martin Sökefeld von der LMU München mit großem Engagement über Aufweichungstendenzen beim Abschiebeverbot und kritisierte scharf die zögerliche bis unbarmherzige Aufnahme von gefährdeten Afghanen durch Deutschland. Im Aufnahmeprogramm war ursprünglich von 18 000 Personen die Rede, bis Ende Juni 2024 waren, so der Deutschlandfunk, aber erst 530 eingereist.

Der Referent gab auch einige bestürzende Beispiele von Opfern der deutschen Bürokratie. Eine Frau, die bereits eine Zusage der Kunstakademie in Berlin hatte, wurde von einem Beamten der deutschen Botschaft in Pakistan aufgefordert, einen Löwen zu zeichnen. Als die Zeichnung seiner Vorstellung von einem richtigen Löwen nicht entsprach, erhielt sie keine Einreiseerlaubnis. Man kann davon ausgehen, dass der Beamte eher kein Kunstsachverständiger war.

Infostand in Miesbach (20. Juli)


Es liegt uns fern, unseren Infostand in irgendeinen Bezug zum Attentat auf Hitler zu bringen, außer, dass wir relativ erfolgreich waren, während das Attentat leider gescheitert ist.

Wir hatten keine Hitzetoten zu verzeichnen, wurden 36 Karten und drei Jahresberichte los, sammelten 11 Unterschriften und hätten fast zwei neue Mitglieder geworben. Die meisten Kommentare der Passanten kannten wir schon: „Politik? Nein, danke!“, „Nein, heute nicht!“. Aber keiner war ausgesprochen negativ, auch nicht die der Franz-Josef-Strauß Nostalgikerin, die Angst vor Fremden hatte. Gefreut hat uns die Äußerung einer Verkäuferin, die davon erzählte, dass sie „das (Menschenrechteln) an ihrer Schule auch machten“.

Unser verstorbenes Mitglied Bernard Brown würde den Stand mit T.S. Eliot so zusammenfassen: „It was (you may say) satisfactory.“

 
Intergenerationeller Infostand

Lange Nacht der Demokratie (Oktober)


Unser Befund dazu ist etwas gespalten. Einerseits wurde ein großartiges Programm angeboten, das von Theaterszenen, Podiumsdiskussion, über Graffiti-Workshop, Poetry Slam zu Friedensgebet und Silent Disco reichte – und sehr gut besucht wurde. Dem Kreisjugendring sollte der Orden „Halte Wacht, Demokratie“ verliehen werden.

Andererseits wurden wir von AI unbarmherzig an unsere Randexistenz erinnert. Für unsere eindrucksvollen Plakate zum Thema „Demokratie und Menschenrechte“ wurde uns eine Ecke zugewiesen, die abwechselnd von der geöffneten Tür und von einem Bügelbrett blockiert wurde, sodass auch Gruppenmitglieder unsere Schauwand nicht fanden. Der Eimer auf dem Foto hat eher symbolische Bedeutung. Man hat uns zwar nach vier Stunden schon abgehängt, aber wir haben die Bilder unversehrt bergen können.

 
Beim Aufbau hatten wir noch Platz

Glücklicherweise hat uns die Stadtbücherei die Möglichkeit geboten, die Plakate, die Monika Wiegert konzipiert und Thierry Nédélec aktualisiert hat, in Intervallen an einem Ort zu platzieren, wo sie auch sichtbar sind und auch nicht in Gefahr sind, im Eimer zu landen.

Konzert mit Erich Kogler – „So is as Leben“ (Oktober)


Schon das Veranstaltungsplakat war ein Augenschmaus und stimmte auf einen Abend ein, wo man sich als Publikum behaglich zurücklehnen konnte, zusammen mit 70 anderen Besuchern, die uns den Vorzug vor attraktiven Lesungen (der KulturVision) und richtungsweisenden Generalversammlungen (der Gartenbauer und Imker) gegeben hatten. Bereut, glaube ich, hat es niemand, denn der „Vollblutmusiker“ Erich Kogler, Ex-Schüler am Gymnasium Miesbach, wo wir wieder die Aula nutzen durften, hat mit leisen und schrägen Liedern und seinen originellen Texten für eine tolle Stimmung gesorgt. Ob im Dialog mit seiner Frau (übers „Recht und Unrecht haben“), seinen Einkaufsgewohnheiten bei Ikea („Fleischpflanzerl“), seinen seltsamen Hobbys („Am Wochenende steh‘ i im Stau“) und seinen nostalgischen Ausflügen in seine Schulzeit („Grabstein“) – alles passte. Nur die Bereitschaft des Publikums zur Interaktion ließ etwas zu wünschen übrig. Es wollte halt „einfach nur dasitz’n“.

 

Als Zugabe hat er dann sein Lied „Weihnachten in den Bergen“ gespielt, das mit einem Höchstmaß an „Innerlichkeit“ daherkommt, sodass es gut zum Musikantenstadel gepasst hätte, der es aber (angeblich und unverständlicherweise) zurückgewiesen hat. Da mag man sich vielleicht gefragt haben, ob sich da jemand nicht in hinterfotziger Manier über Weihnachtsschnulzen lustig macht, indem er selbst eine schreibt.

Unser herzlicher Dank in alle Richtungen: Musiker, Techniker, Personal, Schüler und Schulleitung.

Aufbau der Ausstellung „Ukraine – Alltag im Krieg“ (Oktober)


Die Ausstellung (Fotos Agentur Ostkreuz, Beratung durch Oleksandra Bienert, Recherchen von AI) fand bei der VHS-Holzkirchen statt, und an Stelle der Ecke bei der „Langen Nacht“ hatte man uns jetzt einen Platz im Keller zugewiesen, der allerdings den Vorteil hatte, dass die Teilnehmer an den VHS-Kursen hier vorbeimussten. Auch wenn das jetzt ein paar zusätzliche Zeilen zum (Über)lesen sind, kann ich es mir nicht verkneifen, den Hängevorgang zu skizzieren, weil da drei Multitasker am Werke waren, die anscheinend im Leben nie etwas anderes gemacht haben. Hier der Vormittag in Stichworten:

Freundlicher Empfang durch die VHS-Leute – Abstieg zum Tatort – Leerung der Bilderrahmen – Einfügung und Befestigung unserer Poster – Ergänzung der Hängungshaken – Justierung der Hängungsschnüre – Hängung – zufriedener Abgang.

Ausstellung: Vernissage (4. November)


Die Hochstimmung, die beim Aufbau geherrscht hatte, fiel schnell in sich zusammen, obwohl Trump noch gar nicht Präsident war, denn zur Vernissage kamen nur acht Leute, darunter ein AI-Kollege von der Würmtalgruppe, die die Ausstellung im Januar 2025 machen wollte, und Monika Ziegler, Vorsitzende der KulturVision, deren wohlwollende Artikel von der Dimension her schon öfter den Andrang des Publikums übertroffen haben. Der Pressefotograf des Merkur kam glücklicherweise so früh, dass er die große Leere im Kellergang nicht mehr einfangen musste.

Die Anwesenden gingen (geradezu gespannt) durch die Ausstellung, folgten (mit großer Betroffenheit) dem Kriegstagebuch des Monats Oktober und stellten sich einfühlsam den Fragen, die beispielsweise ein verwüstetes Esszimmer in Butscha hinterließ. Ob dies später auch die Kursteilnehmer der VHS taten, wissen wir nicht. Wir danken der VHS, dass sie uns ein ganzes Monat beherbergt hat.

Infoabend „Iran - Frau, Leben, Freiheit“ (November)


Obwohl wir die bewährte „Viererbande“ mobilisiert und 38 unserer Plakate (mit ausgeprägtem Aufforderungscharakter!) verteilt hatten, kamen nur zehn Besucher, acht davon Frauen. Die Männer scheinen von der Kombination „Frauen – Freiheit“ abgeschreckt worden sein. Nicht dass die eigene Frau da auf blöde Gedanken kommt! Die Referentin, Maryam Shirinsokhan, hatte sich gründlich vorbereitet, ging punktgenau auf unsere Themenwünsche ein und hat ihr Referat mit Kurzfilmen angereichert. Einen ließ sie weg, weil er ihr selbst „zu nahe ging“.

Das kann man sich gut vorstellen, wenn man mit der (Vor)Geschichte der Islamischen Republik Iran konfrontiert wird. Da war die prunkvolle Krönung des Schah in einem Land, das voller sozialer Probleme war, da gab es die Massentötungen der 1980/90er Jahre, wo auch Kinder getötet wurden, wenn sie Augenzeugen der Liquidation ihres Vaters waren, da gab es die Revolten gegen die Mullahs, die nach einigen „Schrecksekunden“ immer wieder niedergeschlagen wurden und zu verstärkter Repression führten – da gab und gibt es aber auch die vielen Widerstandsgruppen im Land, beispielsweise die Bewegung von den „weißen Mittwochen“, an denen die Frauen das Kopftuch ablegen.

 

Nach dem (nur von der Besucherzahl her) enttäuschenden Infoabend habe ich mir geschworen, keinen solchen mehr zu machen, aber bei der nächsten AI-Sitzung kam schon der Vorschlag, dem neuen US-Präsidenten auf den Zahn zu fühlen, ob er die Menschenrechte überhaupt auf seiner Agenda hat – oder ob der Elon Musk darüber etwas weiß.

Adventsmarkt (November)


Da haben uns am Samstag die Viehhändler einen satten Strich durch die Gewinnrechnung gemacht. Sie haben eine Konkurrenzveranstaltung aufgezogen, und da war offensichtlich „der Teufel los“. Das Wort „Teufel“ sollte man tunlichst ernst nehmen, denn er nahm uns dort das Publikum weg, das der liebe Gott mit Sicherheit uns zugedacht hatte.

Am Sonntag waren dann mehr Leute da, haben unseren Stand aber eher gestreift als belagert. Wenn ich trotzdem mit „Maria hat geholfen“ anfange, liegt das daran, dass der Verkauf einer Madonna einige Tage nach dem Markt uns schließlich doch noch über die 300€ Marke gehievt hat. Dabei hatten wir ein Angebot, das von Grödnertal-Figuren über Wintersachen bis zu Aussteuergut und Flohmarktutensilien hinunterreichte. Was uns etwas fehlte, waren Sachen zum „Sofortkonsum“.

Die Kommentare der Schichtbesatzungen waren entsprechend:

- „Das Sortiment ist nicht mehr zeitgemäß.“
- „Mein Highlight war die Grillfleischsemmel.“
- „Nichts zu berichten, außer dass es langweilig war.“

 
Das (oder den) hätte man doch wirklich kaufen können!

Silvesterkonzert (31. Dezember, 22.00 Uhr)


Zum Jahresschluss hingegen hauten wir noch einmal richtig „auf die Pauke“, genau gesagt, das „wir“ waren die Damen Verena Meurers-Zeiser und Regina Brandner und die Herren Benedikt Meurers und Johannes Skudlik, und die „Pauke“ waren vier andere Instrumente, die das Quartett souverän bespielte. „Es war ein toller Abend“, so eine Zuhörerin, „eine gewagte Mischung aus Orgel und Kammermusik, aber schön räumlich getrennt“. Dazwischen zur Auflockerung ein Spottgedicht auf Orgel und Cembalo und pointierte Einführungen in einzelne Musikstücke. Am Ende dann ein strammer Radetzkymarsch, bei dem man fast versucht war, mit einem unpassenden Text mitzusingen.

Es kamen weit über 100 Leute, unter ihnen Miesbachs Bürgermeister mit Frau, Gäste aus der Umgebung, Mitglieder des Kirchenchors und „alte Seilschaften“ vom Gymnasium. Das Konzert war nämlich Nachklang auf die Kunstausstellung von Heinrich Skudlik (2023), der AI in Miesbach vor 52 Jahren gegründet hat und der gewiss „vom Himmel herab“ mit Wohlgefallen auf dieses Konzert (und den stattlichen Spendenerlös) geschaut hat.

Das Konzert stand silvesterbedingt unter dem Thema „Abschied“, aber es war so schön, dass ich mir den folgenden (holprigen) Zweizeiler erlaube:

"Wenn so der Weg ins Jahr hinein,
dann kann der Rest nicht traurig sein.“

3.5 Ausblick


Da wollen wir realistisch bleiben. Solange nicht die Flutwelle an „Zugängen jüngeren (und mittleren) Datums“ bei uns eintrudelt, gilt es v.a. dafür zu sorgen, dass es uns am Ende des Jahres noch gibt. Und da bin ich eher zuversichtlich. Was wir auf jeden Fall vermeiden wollen, ist, dass uns für die Herbstmonate der Münchner Bezirksrundbrief wieder eine halbe Seite widmen muss.

 
Jahresausklangsmarathon

Warum vermeiden? Die Antwort finden Sie in unserer Veranstaltungschronik, wo für die letzten drei Monaten des Jahres sechs Veranstaltungen ausgewiesen sind, bei denen, vorsichtig ausgedrückt, zu viele Leute auf ihre Anwesenheit verzichtet haben und es auch in der Gruppe gewisse Ermüdungserscheinungen gab.

Ganz ohne Pläne sind wir allerdings nicht. Die Verlängerung unseres Schauwandauftritts in der „Langen Nacht der Demokratie“ vom 2. Oktober ist noch bis Ende Februar in der Stadtbücherei Miesbach zu sehen, ein bekannter Musiker aus der Gegend wird vielleicht ein Konzert abhalten, von dem er zwar etwas ahnt, aber noch nichts Genaues weiß – und wir werden sicher wieder bei anderen Veranstaltern Trittbrett fahren. In diesem Sinne „Gehn ma’s o!“


Neujahrsvorsatz für 2024 erfüllt – Jahresbericht ist um 29 Seiten geschrumpft - Ist ja auch nicht viel passiert, oder?





Kontaktadressen und Kontonummer


Fritz Weigl, Wallenburger Straße 28 d, 83714 Miesbach
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