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Amnesty International Gruppe Miesbach (1431)

Impressum

Gruppe Miesbach (1431)

 

 

 

Jahresbericht der AI-Gruppe

im Landkreis Miesbach

für das Jahr 2014

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine frohe Hoffnung ist mehr wert

als zehn trockene Wirklichkeiten.“

 

(Franz Grillparzer)


1. Einleitung


Das Leben


Geht schon gut an, dieser Tätigkeitsbericht, werden Sie sagen.“ Und in der Tat, ich weiß auch nicht so recht, welcher Teufel mich geritten hat, um diese Karikatur an den Beginn des neuen Jahres zu stellen. Der Zeichner hieß Friedrich Karl Waechter, und er soll ein „ironischer und humorvoller Künstler“ gewesen sein. Und man braucht schon eine gehörige Portion Humor, um zu akzeptieren, dass er seine Zeichnung mit „Das Leben“ getitelt hat. Zu dominant ist das Bild des Todes, zu verzagt das Gesicht des Menschen am Ende des Tisches, der krampfhaft seine Beine unter der Tischplatte ausstreckt, um nicht in die Grube zu fahren und dessen Kasperlmütze, die man leicht übersieht, kraftlos nach unten baumelt. Auf seinen klobigen Schuhen tummeln sich die Doppelgänger: der kleine Kasperl, der genüsslich mit der Bratpfanne ausholt, der kleine Tod, der abwehrend seine Hände reckt, weil er weiß, was ihn erwartet. Die beiden führen eine Art Stellvertreterkrieg – Leben gegen Tod, und, es ist offensichtlich aber nicht augenfällig: der Tod ist der Verlierer, der sich bereits sein eigenes Grab schaufelt.


Und das soll auch wieder der Grundton unseres Jahresberichtes werden: dem Schrecken, der Gleichgültigkeit und der Dummheit zum Trotz, die Hoffnung nicht in die Grube fahren zu lassen. Václav Havel, der tschechische Dissident, spätere Staatspräsident und einstiger AI-Kunde der 1970er Jahre, hat das weniger pathetisch aber dafür umso treffsicherer gesagt:


„Hoffnung ist nicht die Überzeugung,

dass etwas gut ausgeht,

sondern die Gewissheit,

dass etwas Sinn hat,

egal wie es ausgeht.“


In diesem Sinne: Her mit der Bratpfanne!



          1. Der (etwas) andere Jahresrückblick



Januar 2014



Kasperles Bratpfanne hat man im Januar der CSU über die Rübe gezogen. Um der AfD im Europawahlkampf Paroli zu bieten, ist man gegen EU-Ausländer aus Osteuropa mit einem griffigen Slogan in den Krieg gezogen: „Wer betrügt, der fliegt.“ Klingt ein wenig wie „Kinder statt Inder“, und damit hat man in Hessen schon einmal einen Wahlkampf gewonnen. In Bayern aber gab es Gegenwind. Der Präsident der Caritas Peter Neher nannte den Slogan „ungehörig“ - und das als Gast bei der Klausurtagung der CSU in Kreuth. Der soll nur Acht geben, dass es ihm nicht ergeht wie dem Wildschützen Jennerwein; schließlich ist der Peißenberg, wo der sein Ende fand, weniger als 10 km Luftlinie von Wildbad Kreuth entfernt. Aber es kam noch dicker: Der Vorsitzende des Diözesanrates von München-Freising, Hans Tremmel, deutete an, dass „Wer Wahlkampf und Stimmung gegen Menschen macht … kann nicht mit dem Kreuzchen von uns Christen rechnen.“ Und dann marschierte auch noch Wolfgang Schäuble von der CDU auf: „Im Übrigen gibt es auch Deutsche, die Sozialleistungen missbrauchen oder Steuern hinterziehen.“ Soweit muss es kommen: Streit unter Schwestern! Im Laufe des Monats hat sich dann herausgestellt, dass die CSU gar nicht die Osteuropäer im Visier hatte, sondern die Plagiatoren in den eigenen Reihen – der erste ein Minister, der zweite ein Landrat, der dritte Generalsekretär. Zwei von ihnen warteten im Januar noch auf das von der Partei angedrohte Flugticket.


Positionsbestimmung


Die Mittellinie nach rechts verlassen hat auch das Amtsgericht von Hoyerswerda. Es verurteilte acht Rechtsausleger wegen „massiver Bedrohung und Beleidigung“ eines jungen Paares, zu gemeinnütziger Arbeit und Freiheitsstrafen zwischen acht und zehneinhalb Monaten, die aber freundlicherweise in sieben der acht Fälle zur Bewährung ausgesetzt wurden. Das Paar hatte sich in Hoyerswerda gegen Rechtsradikalismus engagiert und war dann in seiner Wohnung von einer Horde von Mitgliedern der „Autonome Nationale Hoyerswerda“ so „massiv“ bedroht worden, dass die Frau aus dem Fenster springen wollte. Der Nebenkläger hat mit folgender Begründung eine Verurteilung wegen Landfriedensbruch gefordert:


Wenn das keine Störung der öffentlichen Ordnung ist, dann weiß ich es auch nicht. So ein Überfall ist immer auch eine Warnung an alle anderen, die sich gegen rechte Gewalt engagieren.“


Aber was Landfriedensbruch ist, scheint man in Hoyerswerda (nach wie vor) etwas nachsichtiger zu beurteilen!


Da könnte man sich doch an China ein Beispiel nehmen. Da hatten sich einige Leute um den Rechtsanwalt Xu Zhiyong zu einer „Neuen Bürgerbewegung“ zusammengeschlossen und u. a. eine unabhängige Justiz und die Offenlegung der Vermögensverhältnisse der Parteikader gefordert. Da wäre dann aufgekommen, dass Kommunisten, einschließlich der Verwandtschaft des jetzigen Parteichefs, in Kapitalistenbanken ihr Bestechungsgeld gebunkert haben. Die Justiz hat Xu, „unabhängig“ von der Forderung des jetzigen Parteichefs nach „Stärkung des Rechtsstaates“, zu vier Jahren Haft verurteilt. Wie sang schon ein Liedermacher aus Peking:


„Nur die guten Menschen hätten etwas zu fürchten in diesem Land, nur die, die sich für andere einsetzen.“


Die Urteilsbegründung sollte man auch in Hoyerswerda zur Kenntnis nehmen: „Der Angeklagte habe mit der Organisation von „Menschenansammlungen die öffentliche Ordnung gestört“.


Der Weg dieses Berichts führt wie so oft von China in die USA, allerdings über den Umweg Deutschland. Vor fünf Jahren hat ein neu gewählter US Präsident als erste Amtshandlung versprochen, das Gefangenenlager auf Guantánamo zu schließen. Den Präsidenten gibt es immer noch, das Lager auch. Jetzt hat der ehemalige Insasse Murat Kurnaz an Frau Merkel unter dem Titel „Mein Freund in Guantánamo“ einen bewegenden Brief geschrieben und sie gebeten, „ein humanitäres Zeichen“ zu setzen und den Marokkaner Younous Chekkouri, der zu den 77 Männern gehört, die seit langem zur Entlassung freigegeben sind, in Deutschland aufzunehmen, da er enge Verbindungen zu Deutschland habe und in seiner Heimat sofort wieder inhaftiert würde, da man ihn immer noch und unbewiesen als Sympathisant einer Terroristengruppe betrachtet. Eine Passage aus Kurnaz Brief erinnert an die Gründungsgeschichte von Amnesty International, an deren Anfang der Artikel „The forgotten prisoners“ stand.


„Zurzeit ist es still um Guantánamo, unheimlich still. Die 155 Gefangenen, die immer noch dort festgehalten werden, geraten nach und nach in Vergessenheit.“


Wir haben im Tätigkeitsbericht 2013 eine Karikatur abgedruckt, die die Demokratie in verschiedenen Ländern auf der Flucht vor den Knüppeln der Polizei abbildete. Deshalb ist es Zeit für Lichtblicke, besser gesagt für eine durchmischte Wetterkarte: Tiefdruckgebiete in Osteuropa und weiten Teilen der arabischen Welt, ein (schwaches) Hochdruckgebiet in der Elfenbeinküste und Tunesien. Die Elfenbeinküste hat nach einem Bürgerkrieg den „weltweit größten Fortschritt in Richtung Demokratie gemacht, freilich von einem niedrigen Niveau aus kommend“. Und Tunesien steht „an der Pforte zur Demokratie“. Die Scharia wird in der neuen Verfassung als Rechtsquelle ausgeschaltet und die Gleichberechtigung wird festgeschrieben.


In Syrien bleibt die Lage allerdings zappenduster.


Eine Wortmeldung aus Syrien: „Was bedeutet Frohes Neues Jahr?“



Die Schlagzeilen



- „Gut im Schuss“ titelte die SZ einen Artikel über die Rüstungsfirma Heckler & Koch und spielte damit auf die Tatsache an, dass „es kaum einen Konflikt auf dem Globus geben dürfte, bei dem nicht der Einsatz deutscher Waffen dokumentiert ist“. In Syrien schießt damit die Hisbollah, im „Waffenland Bayern“ (Merkur) befinden sich die meisten der 1,1 Millionen legaler Schusswaffen in den Händen von Jägern und Sportschützen, wo sie i. a. nicht gemeingefährlich eingesetzt werden. Aber auch in Bayern gab es 2013 zehn Todesfälle, bei denen legale Schusswaffen im Spiel waren. Damit wird (einmal mehr) das Ergebnis einer Studie aus Kalifornien bestätigt, dass „die Verfügbarkeit von Feuerwaffen die Wahrscheinlichkeit steigert, vorzeitig zu sterben“. Bayern, das sei zu unserer Entlastung gesagt, ist im pro Kopf Verbrauch von Waffen (ausnahmsweise) nicht deutscher Spitzenreiter, sondern nimmt hinter Rheinland-Pfalz und dem Saarland den dritten Platz ein. Bei denen liegt halt Frankreich in der Nähe.


- Spitzenreiter sind wir auch nicht in den Armutsberichten der deutschen Bundesländer, aber was der Bericht der AWO über „arm sein in einem reichen Land“ zu Tage gefördert hat, ist als Aushängeschild für Seehofers „Vorstufe zum Paradies“ nur bedingt geeignet. Aktuell sind dem Bericht zufolge im Freistaat 1,6 Millionen Menschen armutsgefährdet, bei einer Einwohnerzahl von etwa 12,5 Millionen.


Ein Obdachloser im reichen München


An der Genderfront gab es im Januar drei bedrückende und eine überraschende Meldung. In Indien starb erneut ein Mädchen nach einer Gruppenvergewaltigung, die sie zur Anzeige gebracht hatte, fast genau ein Jahr nach der Untat an Jyoti Singh Pandey in einem Bus in Delhi. In der Türkei bewegte die (angebliche) Selbsttötung einer 14-jährigen „Kinderbraut“ die Gemüter. Das Mädchen Kader („Schicksal“) war mit zwölf Jahren verheiratet worden, hatte mit 13 ihr erstes Kind und mit 14 eine Fehlgeburt. Daraufhin soll sie sich mit einer Jagdflinte erschossen haben. Im Aufruf einer Frauenorganisation hieß es: „Schickt die Mädchen in die Schule, nicht in die Ehe.“ Im Korea des 2. Weltkriegs haben es 200 000 Frauen nicht einmal in die Ehe geschafft. Sie wurden von den Japanern als Zwangs-Prostituierte versklavt und „taten Dienst“ in den „Troststationen“ von China bis Singapur. Das offizielle Japan hat seine Schuld nie wirklich eingestanden, sondern dafür Individuen verantwortlich gemacht. Vor der japanischen Botschaft in Seoul hat man ein Bronzemädchen aufgestellt, vor dem jeden Mittwoch gegen das Schweigen der Japaner aber auch gegen „Gewalt an Frauen in allen Konflikten“ demonstriert wird.


Die Erinnerung ist lebendig


Und jetzt zur Überraschung! Hätten Sie geglaubt, dass laut einer Studie „fast ebenso viele Männer wie Frauen Opfer von häuslicher Gewalt“ werden? Nein? Wir auch nicht. Der Merkur druckte dazu das Bild vom Nudelholz ab, aber dieses Klischee wollen wir Ihnen ersparen.


- In Sambia hat ein Oppositionspolitiker den Präsidenten als „Süßkartoffel“ beschimpft und wenn er wegen Beleidigung verurteilt wird, drohen ihm fünf Jahre Haft. Bei uns wurde vor vier Jahren die FDP als „Gurkentruppe“ bezeichnet. Dobrindt musste dafür nicht ins Gefängnis. Schließlich sind „nach §193 Strafgesetzbuch die meisten Beleidigungen von Politikern nicht rechtswidrig“.


- Beschließen möchten wir den Januar mit einer weiteren Nachricht, die uns das Gefühl gibt, dass es doch ganz schön ist, in einem Land zu leben, wo man eine Partei ungestraft als „Gurkentruppe“ bezeichnen darf. In Indonesien wurde jetzt die Australierin Schapelle Corby freigelassen, die man 2005 wegen (angeblichen) Drogenschmuggels zunächst zu 20 Jahren Haft verurteilt hatte. Nach Australien darf sie erst 2017 zurück. Mindestens zwei ihrer Landsleute sitzen in Indonesien derzeit noch in der Todeszelle.




Schapelle Corby


Februar 2014



Euch geb’ ich’s“, sagte der kürzeste Monat des Jahres und deckte uns mit Ereignissen in einem Maße ein, dass nicht nur fromme Beter ein „Herr, lass’ endlich Sylvester werden!“ anstimmten. Oder, wie US-Diplomatinnen zu sagen belieben, „F… the February!“ Wir müssen notgedrungen eine Auswahl treffen.


In Sotschi haben sich vier olympische Ringe zu Putins Spielen geöffnet. Der fünfte Ring blieb als Schneeflocke am Himmel, was wohl als Beschwörungsritual an den Wettergott gemeint war. Schnee war aber nicht das einzige, was ausblieb: dem deutschen Team fehlten am Ende elf Medaillen, sodass es in der Nationenwertung noch hinter den Niederlanden landete – und das trotz Natalie Geisenberger. Das erklärt (aber nur ein wenig!) den bitteren Tenor unserer Berichterstattung. Wir fangen an mit Angela Zilberg. Man hatte ihr mit faulen Tricks (Fälschung ihrer Unterschrift) und aus haarsträubenden Gründen (es passe nicht zum „neuen Gesicht des Badeorts“) und weil sie es versäumt hatte, Bestechungsgeld zu zahlen, das Haus abgerissen – eins von 1441 Häusern.


Abriss für Olympia: Angela Zilberg vor den Resten ihres zerstörten Hauses


Unter den „Kollateralschäden“ einzuordnen ist wohl auch das harte Vorgehen gegen Regimegegner. Natürlich waren auch die Pussy Riots wieder mit von der Partie: Wegen „Diebstahls im Hotel“ oder „Verstoß gegen Meldeauflagen“ wurden sie unsanft festgenommen und stundenlang verhört. Sie waren gekommen, um einen Videoclip zu drehen. Titel: „Putin bringt dir bei, die Heimat zu lieben.“ Härter erwischt hat es den Umweltaktivisten Jewgeni Witischko. Nachdem er mit Protestplakaten an einem Bauzaun Umweltsünden (und Korruption!) rund um den Bau der Olympiastätten angeprangert hatte, wurde er zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt. Der AI-Sprecher warf Putin vor, aus „den olympischen Ringen Handschellen“ zu machen.


Das letzte Wort zu Sotschi geben wir nicht dem willfährigen IOC-Präsidenten Thomas Bach sondern der österreichischen Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz. In einem Interview formulierte sie ihren Wunsch für die Zukunft: „… dass das IOC bei der Auswahl des Landes, in dem die Spiele stattfinden, sich auch mehr um die Menschenrechte und Gesetze sorgt“. Daniela hat leider nur die Silbermedaille gewonnen; wem wir mit dem „leider“ die Goldmedaille vermiest haben, sagen wir aus patriotischen Gründen lieber nicht.


Den ultimativen Kommentar zu den Spielen aber soll die folgende Karikatur liefern:



Während man in Russland mit der Verpflichtung zum olympischen Frieden recht „großzügig“ umgegangen ist, hat man in Bayern die Unantastbarkeit des Kirchenasyls in Frage gestellt. Eine Frau aus Tschetschenien und ihre vier Kinder wurden aus einem Pfarrhof in Augsburg geholt und nach Polen zurückgeschoben. Die Aussagen zur „Freiwilligkeit der Ausreise“ (Originalton Polizei) widersprechen sich: der Pfarrer behauptet, die Polizei habe ihn hingewiesen, dass er sich strafbar mache, wenn er sie nicht einließe. Da glauben wir eher dem Pfarrer. Als dann das Wort vom „Tabubruch von Augsburg“ die Runde machte, ruderte das Innenministerium etwas zurück. Man betonte zwar, dass das Kirchenasyl in der deutschen Rechtssprechung nicht anerkannt werde, werde aber gegen den Willen des Pfarrers künftig in solchen Fällen weder kirchliche Räume betreten noch gewaltsam Personen abführen. Jetzt wird man abwarten müssen, wie man mit dem „Willen des Pfarrers“ (und seiner Gemeinde) umgehen wird. Der „Schwarze Sheriff von Veitshöchheim“ wird nicht so leicht klein beigeben, und die Frau ist man (zunächst einmal) losgeworden.


Jewgeni Witischko ist natürlich nicht wegen Meinungsäußerung sondern wegen Sachbeschädigung verurteilt worden. Die Amerikaner könnten ihm da gleich noch die 84-jährige Nonne Megan Rice (und ihre zwei „Komplizen“) in die Zelle legen. Sie wurde ebenfalls zu drei Jahren Haft verurteilt wegen „versuchter Verletzung der nationalen Verteidigung und Schädigung staatlichen Eigentums“. Schwester Rice war mit zwei anderen Friedensaktivisten auf das Gelände der Atomanlage Y-12 eingedrungen, hatte dort mit Menschenblut gefüllte Babyflaschen gegen die Mauern des Lagerhauses geworfen, sie mit Friedensbotschaften besprüht und mit Hämmern ein paar Steine losgebrochen. Eine Bombe haben sie nicht geklaut, aber sich trotz des ausgelösten Alarms mehr als zwei Stunden innerhalb des Sperrbereiches rumgetummelt. Der Richter blieb bei Megan weit unter dem geforderten Strafmaß, aber die streitbare Nonne erwies ihm nicht die gebührende Dankbarkeit: „Für den Rest meines Lebens im Gefängnis zu bleiben, wäre die größte Ehre, die Sie mir erweisen könnten.“ Der Schlagzeile des „Merkurs“ zufolge ging sie „hocherhobenen Hauptes in den Knast“. Wir hätten den dreien eine Kronzeugenregelung zugestanden, weil sie aufgezeigt hatten, wie verwundbar diese Anlagen sind.


Streitbar zeigte sich auch AI, als sie nach einer zweiwöchigen Mission in der Zentralafrikanischen Republik einer militärischen Konfliktlösung das Wort redete. Zum zweiten Mal in unserer 50-jährigen Geschichte haben wir die Entsendung von zusätzlichen Soldaten gefordert und die Eingreiftruppen vor Ort zu einem „robusteren“ Vorgehen aufgefordert. Auf den Terror durch muslimische Kämpfer, die alte Rechnungen mit den Christen beglichen, folgte der Gegenterror durch christliche Milizen, der sich gegen die muslimische Zivilbevölkerung richtete und ein Maß von Brutalität erreichte, die „mit dem Wort Bürgerkrieg nur noch unzureichend umschrieben ist“.




Die Schlagzeilen



- Eine Studentin in Saudi-Arabien starb an einem Herzinfarkt, weil den männlichen Rettungskräften zwei Stunden lang der Zugang zum Frauentrakt der König-Saud-Universität verwehrt wurde.


- Der Oberste Gerichtshof der Schweiz ist der Ansicht, dass sich Polizisten, die Asylbewerber als „Sauausländer“ oder „Dreckasylant“ bezeichnen, noch keiner Rassendiskriminierung schuldig machen. Es fehle dazu „der erforderliche Bezug zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion“. Justiziabel wäre also erst die Bezeichnung „algerischer/deutscher Deckasylant“.

- Mitglieder der UK Independence Party („Unabhängigkeitspartei des Vereinigten Königreichs“), fallen häufig durch rassistische, homophobe, frauenfeindliche oder einfach saublöde Äußerungen auf. So vertritt ein Ukip-Stadtrat die Meinung, die Überflutung in diesem Winter sei Gottes Strafe für die Einführung der Homo-Ehe. Ein ehemaliger Europaabgeordneter bezeichnete Frauen, die nicht hinter dem Kühlschrank putzten, als Schlampen. Trotzdem (oder deswegen?) kann die Partei bei der Europawahl mit 25% der Stimmen rechnen.


- In Nigeria haben Mitglieder der Boko Haram Sekte im Dorf Izge wieder mehr als 100 Christen getötet. Der Name Boko Haram bedeutet „Westliche Bildung ist eine Sünde“. Aber um zu erkennen, was hier Sünde ist, braucht man gar nicht westlich gebildet zu sein.


- 372 Seiten umfasst der Bericht des UN-Menschenrechtsrates über die Gräueltaten des Regimes in Nordkorea. Zehntausende politische Gefangene in Lagern, gegenseitige Bespitzelung von Nachbarn, Ausbeutung von Frauen und Kindern. Hier zwei „Kostproben“: - - Eine Mutter wurde gezwungen, ihr Baby zu ertränken.

- - Eine Familie wurde gefoltert, weil sie im Fernsehen eine ausländische Seifenoper angesehen hatte.


Die SZ beendet ihren Kommentar wie folgt: „Der richtige Platz für Kim Jong Un und Konsorten wäre in Den Haag. Wenigstens steht das nun in einem UN-Bericht.“


- Zuckerbrot und Peitsche gab es für Martin Schulz, den Präsidenten des Europaparlaments für seine Rede in der Knesseth. Stein des Anstoßes war das Wasser, genauer gesagt, der Wasserverbrauch von Israeli und Palästinensern. Nun scheint sich Schulz bei den absoluten Zahlen tatsächlich geirrt zu haben, aber was dann ein deutscher Hydrogeologe über den Wasserkonflikt in der Region geschrieben hat, lässt den Faktenfehler von Schulz als Bagatelle erscheinen. Die Wasserverteilung ist ein Monopol der israelischen Militärverwaltung, und dieses Monopol wird sehr restriktiv ausgelegt. So durfte beispielsweise seit 1967 kein neuer Brunnen für Palästinenser gebohrt werden, und selbst für Zisternen auf dem eigenen Hausdach braucht man eine Genehmigung.


Während der Rede von Schulz hatten Abgeordnete der siedlernahen Partei „Jüdisches Haus“ schimpfend das Plenum verlassen, was die Zeitung „Haaretz“ zu einem süffisanten Kommentar veranlasste: „Die Show von Provinzialität und Opfertum … hat alle Rekorde der Dummheit und Peinlichkeit in unserem Parlament gebrochen.“


- Klare Worte fand auch eine Richterin in Halle, die drei Rechtsradikale, die auf einer Kirmes eine syrische Familie zusammengeschlagen hatten, für einige Jahre ins Gefängnis schickte, den Hauptangeklagten auf Grund seines Alters auf Bewährung. Sie sprach von einem „massiven Überfall auf Menschen, die einem nichts getan haben“ und wischte auch die üblichen Ablenkungsmanöver (Alkohol, Verharmlosung, Leugnung) vom Tisch: „Sie wussten genau, was Sie taten. Ihre politische Gesinnung ist in der Tat hervorgetreten.“


- Schließen möchten wir mit einem wunderschönen Foto zu einer abscheulichen Tradition: Am 6. Februar war der Internationale Tag gegen Genitalverstümmelung. Das Foto zeigt die achtjährige Safa aus Dschibuti/Somalia, die in dem Film „Wüstenblume“ die kleine Waris spielte und das Topmodel Waris Dirie, die sich mit ihrer Organisation Desert Flower Foundation (Stiftung Wüstenblume) gegen die Beschneidung von Mädchen engagiert.


Waris Dirie mit ihrer kleinen Wüstenblume Safa


Safas Familie wird von der Organisation finanziell unterstützt. „Ein notarieller Vertrag sichert ihre Unversehrtheit – solange Geld fließt.“ Safas Vater arbeitet für die Stiftung, ihre Mutter dagegen empfindet es nach wie vor als Schande, dass Safa nicht beschnitten ist.



März 2014



Im Märzen der Putin die Panzer anspannt“, so könnte man eines unserer beliebtesten Frühlingslieder den politischen Zeitläufen anpassen. Es steht diesem Bericht nicht an, in die Niederungen des ukrainisch-russischen Konfliktes hinab zu steigen, aber zu Heuchlern, Betonköpfen und Pferdeflüsterern möchten wir doch unseren Senf dazu geben. Da hat doch der Kremlchef erzählt, „dass die abzeichenlosen russischen Soldaten auf der Krim weder Soldaten noch etwa gar Russen seien. Zwar sehen diese Soldaten aus wie russische Soldaten, sprechen wie Russen, sind bewaffnet wie Russen, haben Fahrzeuge der russischen Streitkräfte“ und sagen (gelegentlich und unbeaufsichtigt) Reportern, dass sie russische Marinesoldaten seien. Aber, so Putin, „es gebe dort keine russischen Soldaten“. (SZ Streiflicht)



Putins Statthalter in München ist Generalkonsul Andrej Grosow, ein arroganter Betonkopf, der vom Auftreten her zwischen Stalin und Breschnew anzusiedeln ist. In einem Interview sprach er von einer „Hysteriewelle“, die derzeit Deutschland überflute, von den „Stereotypen des Kalten Krieges“, mit denen Europa von den USA infiziert würde und (den Tränen nahe) von der Sorge um „das Schicksal der slawischen Brüder“. Seinem Kontrahenten auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing fuhr er wie folgt übers Maul: Leute wie der (junge) Herr Professor Göler sollen „weniger Zeitung lesen, Fernsehen schauen oder im Internet surfen, weil sie dann keine Zeit haben zu analysieren“. Und jetzt kommt’s! „Jetzt klatschten die Leute, das erste Mal.“ Damit reihten sie sich ein in die Clique der „Russlandversteher“, die die Schuld weitgehend dem Westen und der Ukraine selbst zuschreiben. Die „Freunde Putins“ erinnern ein wenig an umgeschulte Pferdeflüsterer und hätten im Großteil der Tutzinger Tagungsteilnehmer ein gläubiges Publikum gefunden. Auch der Generalkonsul hatte dort ein „Heimspiel“.


Woher, so fragt man sich, kommt diese Russophilie des Münchner Speckgürtels? „Sanktionen“ ist das Schlüsselwort, und natürlich vergaß auch Grosow nicht, den „Schaden“ heraufzubeschwören, den sie auf beiden Seiten anrichten würden.


Auch In der „Anstalt“ vom April bekam ausschließlich der Westen Prügel wegen Kriegstreiberei. Es fehlte eigentlich nur die Andeutung, dass der Protest auf dem Maidan vom CIA losgetreten wurde. Zwei Infos gaben allerdings zu denken: Im EU-Assoziierungsvertrag mit der Ukraine ist auch von „mehr Zusammenarbeit bei Kriegseinsätzen und Rüstungsgeschäften“ die Rede, und Außenminister Steinmeiers Besuch in Georgien soll auch dazu gedient haben, den NATO-Beitritt des Landes vorzubereiten. Auf solche „Umarmungen“ kann Putin verzichten, da zieht er die seines Freundes Gerhard Schröder vor.


Während die hohe Politik auf beiden Seiten die Rückkehr zum Kalten Krieg befürchtet, ist AI besorgt wegen der „Rückkehr der Todesstrafe“. Seit dem Tiefstand im Jahre 2010 (527 Fälle) steigt die Zahl der Hinrichtungen schon zum dritten Male wieder an. Im Jahre 2013 wurden weltweit 778 Menschen hingerichtet, Fälle, wohlgemerkt, für die staatlicherseits ein Totenschein ausgestellt wurde. Für China beispielsweise liegen keine Zahlen vor, weil daraus ein Staatsgeheimnis gemacht wird, doch gibt es Berichte von Kurzwellenhörern, dass das Thema seit kurzem im Lande kontrovers diskutiert wird.


Die Schurkenstaaten, die den Anstieg verantworten, sind Iran, Irak und Saudi-Arabien. Die Saudis, die auch drei Minderjährige auf dem Gewissen haben, exekutieren auch bei unsicherer Beweislage: Im Falle von Mabruk bin Ali al-Sai’ari widersprach sich ein Zeuge, und vier Verwandte des Opfers, die am Tatort nicht anwesend waren, leisteten insgesamt 52 Eide, dass Mabruk der Täter sei. Dass er bei den Verhören gefoltert wurde, trotzdem kein Geständnis ablegte und sich keinen Rechtsbeistand nehmen durfte, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Wider Erwarten hat Mabruk eine Neuverhandlung seines Falles durchgesetzt.


Der Fall, der uns auch in Miesbach bewegte, weil wir uns wiederholt für ihn einsetzten, war der Japaner Hakamada Iwao. Er saß über 45 Jahre in der Todeszelle, wurde jetzt freigelassen, weil ihn die Neubewertung von DNA-Spuren entlastete und sich der Verdacht verdichtete, dass Ermittler Beweismaterial gefälscht hatten. Die Familie von Iwao durfte sich allerdings nur kurz die Hoffnung machen, dass sein Verfahren wieder aufgerollt würde, denn schon einige Tage später legte der Staatsanwalt Berufung gegen eine Wiederaufnahme ein. Er selbst wird nicht allzu viel mitbekommen haben, da er das Gefängnis in einem Zustand verließ, der mit „mentaler Verschlechterung“ nur unzureichend beschrieben ist. Da wir uns mit dem Fall schon seit 2008 befassen, haben wir im Merkur einen ausführlichen Artikel veröffentlichen können.


Iwao - Einen Tag nach seiner Freilassung


Die Todesstrafe für sie fordern wir natürlich nicht, aber den Neonazis und Fremdenhassern, die in zunehmendem Umfang Asylbewerberheime angreifen, wünschen wir schon einen gehörigen Denkzettel. Die Zahl der Übergriffe hat sich 2013 (58) im Vergleich zum Vorjahr (24) mehr als verdoppelt. Ein Leserbrief im Merkur schließt punktgenau mit dem Satz: „Die zunehmende Radikalität der Neonazis gibt Anlass, Angst um Asylbewerber zu haben, nicht vor Asylbewerbern.“ Sind wirklich nur die Neonazis gemeint? Nein, „Attacken gegen Asylbewerber“, so die SZ, „kommen inzwischen auch aus der Mitte der Gesellschaft“. Diesen Satz muss man mehrmals lesen. Dann wird einem klar, dass Rassismus inzwischen genauso salonfähig geworden ist, wie (erfreulicherweise) die berufstätige Frau, der Mann mit Kinderwagen und (auf gutem Wege) die gleichgeschlechtliche Partnerschaft.


Und weil wir schon bei Mann und Frau gelandet sind: Es ist Zeit, die Meldung vom Januar über häusliche Gewalt an Männern noch einmal in Frage zu stellen. Eine Studie ergab nämlich, dass ein Drittel der Frauen in der EU schon Gewalt erlebt haben. Dazu die SZ: „Das entspricht 62 Millionen Frauen. … Würden sie eine Nation bilden, wären sie hinter Deutschland und Frankreich die drittgrößte Nation der Europäischen Union.“ Deutschlands Platz im Mittelfeld ist alles andere als schmeichelhaft: Bei uns sind 35% aller Frauen über 15 schon Opfer physischer Gewalt geworden - und damit liegen wir immerhin noch 2% über EU-Durchschnitt.


Auch die Gehaltslücke bei Mann und Frau ist hierzulande nicht gerade eine Erfolgsgeschichte. Da hat ein Frauennetzwerk wie jedes Jahr den „Equal Pay Day“ berechnet. Das ist der Tag im Kalender, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um genauso viel zu verdienen wie ihre männlichen Kollegen bis zum Ende des Vorjahres. In Deutschland war das heuer der 21. März, d.h., dass die Durchschnittsfrau in Deutschland mehr als zwei Monate ohne Bezahlung arbeitet. Wem diese Berechnung zu undifferenziert ist, hier eine Zahl der OECD: Im Durchschnitt der OECD-Länder liegt die Gehaltslücke bei 15%, bei uns sind es 21%. Auf diesen Spitzenplatz könnten wir verzichten.


Da loben wir uns doch das bayrische Kabinett. Eine Lohngleichheit zwischen Ministerpräsident und „seinen Mädchen“ mag ja noch nicht bestehen, aber Opfer seiner physischen Gewalt sind sie augenscheinlich noch nicht geworden.


Seehofers „Mädchen“


Physischer und verbaler Gewalt ausgesetzt sind in manchen Ländern Homosexuelle. Ermutigt durch die Homophobie von Präsident Museveni hat eine Boulevardzeitung in Uganda eine Liste von „Ugandas 200 Top-Homos“ veröffentlicht und damit zur Hexenjagd geblasen. In Arizona hat man ein Gesetz zum Schutz der Religionsfreiheit erlassen: Jetzt kann man sich „aus christlicher Überzeugung“ weigern, Homosexuellen eine Cola zu verkaufen oder ihr Auto zu reparieren. Letzteres werden wir beim Hl. Christophorus vorbringen. Und weil wir schon in der religiösen (Schmuddel)Ecke gelandet sind: Da hat bei einem Politischen Aschermittwoch in Geretsried ein Dominikanerpater zunächst über die „Inflation der Menschenrechte“ geklagt und dann die Erwartung geäußert, dass mit der Homosexualität bald auch Beziehungen wie Polygamie/Vielweiberei, Polyandrie/Vielmännerei und Sodomie/Unzucht mit Tieren gesellschaftliche Akzeptanz finden würden.


AI hat auf die „Inflation der Menschenrechte“ damit reagiert, dass man der Kamerunerin Alice Nkom, die in ihrem Land einen Windmühlenkampf für Schwulen- und Lesbenrechte führt, den Amnesty-Menschenrechtspreis verliehen hat. Und weil es in den Kirchen nicht nur die Schmuddelecke gibt, sollte man auch den lakonischen Kommentar hinzufügen, den der Kirchenkorrespondent der SZ anlässlich der Legalisierung der Homoehe in Malta abgegeben hat: „Leute, bleibt gelassen. Das Abendland mag untergehen. An der Homo­ehe hat das dann aber nicht gelegen.“



Die Schlagzeilen



- Heftige Kritik an den chinesischen Behörden übten die USA und AI wegen des Todes der Menschenrechtsaktivistin Cao Shunli. Sie war in Haft gestorben, weil man ihr über Monate hinweg die medizinische Behandlung verweigert hatte. Nach Aussagen ihres Bruders wies ihr Körper deutliche Folterspuren auf.


Cao Shunli (1964 – 2014)


- Im Bundesstaat Ohio wurde ein 10-jähriger Schüler für drei Tage vom Unterricht suspendiert, weil er seine Finger zu einer Pistole formte und damit auf die Mitschüler zielte. Sein Vater fand, das Verhalten der Schulleitung sei „einfach nur kindisch“. Bei allem Verständnis für die Stimmung nach den Schulmassakern finden wir das auch.


- Mit einem blauen Auge und einer Geldstrafe von 1000 Euro an einen „Runden Tisch gegen Rechts“ kam die Leiterin einer Realschule in Mittelfranken (bisher) davon, die die Schüler bei einem Wettbewerb mit einem „Sieg Heil!“ angefeuert hatte. Sie hat sich „umgehend/erst mehrere Tage später“ dafür entschuldigt und ihre markige Äußerung als „Ausrutscher“ bezeichnet. Auch wir behalten den „1. Stein“ lieber noch einmal in der Hand. Im April wurde allerdings bekannt, dass ihr Kollegium nicht gerade ihr Fanclub ist. Man warf ihr u. a. mangelnde Führungsqualitäten vor. Wenn das stimmt, ist das „Sieg Heil“ als Gegenbeweis eher ungeeignet.


- Richtig aufgestoßen hat uns die Begründung, die der Bürgermeister von Gmund für das Festhalten an der „Veränderungssperre für geplantes Asylbewerber-Haus“ gab, also dafür, dass der Besitzer das Haus nicht so umbauen darf, dass zwei Flüchtlingsfamilien darin Platz finden. Das gäbe „die Bebauung vor“. Kann ja stimmen, aber dann kommt’s: Die Unterbringung von Asylbewerbern sei eine Nutzung für soziale Zwecke und damit in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig. Welche Zwecke, so fragt man sich, sind dann in einem reinen Wohngebiet zulässig? Grillpartys, Kinderspielen, Nachbarschaftshilfe? Das ist dann wohl asozial!


- Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland haben ein gemeinsames Sozialwort zur Wirtschaftsordnung veröffentlicht. Es ist zwar von „einer zum Teil bis ins Kriminelle gesteigerten Gier mancher Finanzakteure“ die Rede, aber im Wörtchen „zum Teil“ klingt schon der Tenor des Papieres an. Die Kritik ist „wohldosiert“. Da hätte man ruhig einige Passagen des Lehrschreibens von Papst Franziskus einfließen lassen können, das vom Konkurrenzdenken, dem Recht des Stärkeren und der ungleichen Verteilung des Besitzes sprach und in der Äußerung „Diese Wirtschaft tötet“ gipfelte. Hoffentlich sendet da die Wirtschaft gegen ihn keinen Killer aus.


April 2014



Die Schweizer Autorin Brigitte Fuchs hat fuchslistige Aphorismen über den April verfasst: „Am 1. April sind alle Schafe hinter dem Wolf her. Doch der fällt auf so was nicht rein.“ Natürlich sind auch in diesem Monat wieder Schafe den Wölfen zum Opfer gefallen – und nicht umgekehrt. Gehen wir als erstes in ein Land, wo es zwar keine Wölfe/Raubtiere aber dafür Emire/Raubmenschen gibt, nach Katar. Dort wurde der Dichter Mohamed al-Ajami etappenweise – zuerst Todesstrafe, dann lebenslänglich – zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er soll in einer privaten Lesung von „unterdrückerischen Eliten“ gesprochen haben, und der Emir hat auf die Wahrheit mit einer Beleidigungsklage reagiert. Damit kann er gleich auch noch AI überziehen, denn wir haben eine Studie über die Situation von Fremdarbeiterinnen im Emirat veröffentlicht, die sieben Tage die Woche arbeiten müssen, dafür monatelang keinen Lohn bekommen und das Land nicht verlassen können, weil man ihre Pässe einbehält – Sklaverei bei „unterdrückerischen Eliten“ eben. Erfreulicherweise reibt man sich jetzt auch schon bei der Bundesregierung die Augen wegen des schmutzigen Sandes, der aus dem Wüstenstaat zu uns herüberweht. Entwicklungsminister Müller hält die Entscheidung der FIFA, die Fußball WM 2022 nach Katar zu vergeben (inzwischen) „für ein krasses Fehlurteil“. Im AI-Jahresbericht 2008, also zwei Jahre vor der Vergabe, war schon von der massiven Ausbeutung von Arbeitsmigranten in Katar die Rede, aber, wie der g’standene Bayer sagen würde, „Mia hättn’s euch scho sog’n kenna, aber uns glabt ma’s ja net.“


Von einem anderen Überfall des Wolfsrudels auf die wehrlosen Schafe ist (wieder einmal) aus Nigeria zu berichten. Eine Horde von Islamisten der Boko Haram (Sie erinnern sich: „Westliche Bildung ist Sünde“) entführte mehr als 200 Schülerinnen aus einer Schule im Norden Nigerias und drohte, sie entweder in Zwangsheiraten oder im Sklavenhandel zu „vermarkten“. Das Bild der verängstigten Mädchen, in islamische Tschadors gesteckt und Koranverse rezitierend, treibt einem den Schlaf aus den Augen.


Die Mädchen aus Chibok


Im Islam sind die Shaitans alle Geister, „die sich vom Guten entfernen“, und davon gibt es viele im Wachstumsland Nigeria: eine korrupte Elite, brutale Militärs, islamistische Hassprediger und christliche Fundamentalisten. Gegenwärtig der Obershaitan aber ist Abubakar Shekau, der Führer der Boko Haram, von dem der (gotteslästerliche) Ausspruch überliefert ist, er finde „Vergnügen daran, jeden zu töten, den Gott mir zu töten befiehlt – so wie ich Vergnügen daran finde, Hühner und Schafböcke zu töten“.


       

Der Entführer: Abubakar Shekau


Das zweite Foto tut ihm zuviel der Ehre an. Wenn man sich das Gewehr wegdenkt, würde man ihm glatt Asyl gewähren. Aber der soll nur kommen! Dann stecken wir ihn in eine Zelle und berieseln ihn ganztägig mit den Bildungsinhalten des westlichen Privatfernsehens.


Islamische (Extrem) Kleidung wie der Niqab, ein Gesichtsschleier, der nur die Augen freilässt, wurde dieser Tage vom Bayrischen Verwaltungsgericht für den Unterricht an einer bayrischen Schule verboten. Er behindere die nonverbale Kommunikation zwischen Lehrer und Schülerin und gefährde damit den Erziehungsauftrag der Schule. Obwohl wir durchaus in Gefahr sind, unter den „schwärmerischen Multikultis“ (Merkur) zu rangieren, sind wir mit dem Urteil einverstanden. Zwang in der Kleiderordnung, dass zeigen uns die Mädchen aus Nigeria, sieht anders aus.


Ein „Gegenbild“ zu den Mädchen aus Chibok und ein Beweis, dass Mut auch unter der Burka zuhause ist, soll dieses Foto aus Afghanistan sein.



Den Wölfen in Syrien ist der Jesuit Frans van der Lugt zum Opfer gefallen. Als „Jesus von Homs“ hat ihn die Zeit in einem einfühlsamen Artikel bezeichnet, weil er sich in seiner 50-jährigen Tätigkeit in Syrien mit „Sanftheit und Sturheit“ um Jugendliche, Behinderte, Flüchtlinge und Sterbende gekümmert hat und in zornigen Videobotschaften an die UN zum Frieden gemahnt hat. Aber „wo Gewalt herrscht, da ist ein Friedensbringer der größte Provokateur“. Bei seiner Trauerfeier trafen sich „Bischöfe, Imame, Nonnen, Scheichs, Alewiten, Christen, Muslime“. Aber braucht es denn dafür immer erst einen Märtyrer?


Pater van der Lugt


Wir hätten da einen Vorschlag für die katholische Kirche: Könnte man als Kriterium für eine Heiligsprechung statt dreier Wunderheilungen nicht die Wundenheilung einführen? Dann gäbe es brauchbarere Heilige als die, die man uns bisweilen schon vorgesetzt hat.



Die Schlagzeilen – Tonfall eher wölfisch



- Der russische Vizepremier Rogosin formuliert als geostrategisches Ziel für sein Land „die Aneignung des Mars und anderer Objekte des Sonnensystems“. Hat wohl zuviel „Star Wars“ gesehen und Krimsekt getrunken!


- In Oklahoma/USA gab es bei der Hinrichtung von Clayton Lockett einen schweren „Betriebsunfall“. Bei der Verabreichung des Giftcocktails platzte eine Vene, was zu einem Todeskampf von 43 Minuten führte. „Wie du ihr, so jetzt dir“, werden manche sagen, denn Lockett hatte 1999 nach einer Gruppenvergewaltigung seine Kumpanen angewiesen, das Opfer lebendig zu begraben. Wir sagen es nicht, sondern sind der Meinung des Präsidentensprechers, dass „die Hinrichtung nicht menschenwürdigen Standards entsprochen habe“ – wie, aber das ist (leider) nicht mehr Präsidentenmeinung, – alle anderen Hinrichtungen auch.


- Es gibt aber, Sie werden es nicht glauben, in Sachen Todesstrafe, auch einmal erfreuliche Nachrichten. Indonesien hat 1,4 Millionen Euro „Blutgeld“ bezahlt, um die Hinrichtung eines Hausmädchens in Saudi-Arabien zu verhindern. Wie wir die Saudis kennen, werden sie mit dem Geld einen Rechtshilfefonds für ausgebeutete Arbeitsmigranten finanzieren. Und im Iran hat die Mutter den Mörder ihres Sohnes kurz vor dessen Hinrichtung und auch gegen Zahlung eines Blutgeldes begnadigt – und ihm eine Ohrfeige verpasst. Mit der Watschen sind wir einverstanden.


- AI hat immer wieder Übergriffe der Polizei gegen Ausländer kritisiert. Deshalb ist es ein Gebot der Fairness, dass wir auch berichten, wenn eine Polizistin (mit Migrationshintergrund) den Spieß einmal umdreht. Tania Kambouri schrieb einen Leserbrief an das Magazin der Polizeigewerkschaft und beklagte darin, dass ihr Streifendienst „ein einziger Kampf sei, sich gegen Beschimpfungen und Gewalt durch straffällige Migranten zu behaupten“. Bei einer Podiumsdiskussion mit Frau Kambouri klatschten 450 Polizisten Beifall. Wir werden unser Augenpaar am Hinterkopf aktivieren, damit wir (weiterhin) in beide Richtungen schauen können.


- Das evangelische Magazin „Chrismon“ hat ein Interview zur Lage in den afrikanischen Bürgerkriegsstaaten Südsudan und Zentralafrikanische Republik abgedruckt, in dem ein deutscher Botschafter zitiert wurde. Er wollte offensichtlich ungenannt bleiben, und das kann man ihm nicht verdenken. Exzellenz meinte nämlich:


„Die Menschenrechtslage hier ist fürchterlich, unbeschreiblich und unsäglich. Aber wir haben hier Interessen. Das mit den Menschenrechten können doch die Skandinavier machen. Die können das sowieso besser.“


Der letzte Satz stammt übrigens von uns. Der Botschafter hat ihn nur mitgemeint.


- Weltmeister im Wegschauen ist auch der NSA-Untersuchungsausschuss. Er weiß zwar, dass die wichtigen Informationen nicht von Papst Franziskus oder Franz Beckenbauer kommen, aber an Snowden traut er sich nicht so recht heran. Soll man ihn über eine Videokonferenz befragen, soll man zu ihm nach Moskau reisen, jetzt, wo solche Reisen von der KSK Miesbach nicht mehr gesponsert werden, oder soll man ihm gar freies Geleit nach Deutschland anbieten? Wird dann der „große Bruder“ auf Auslieferung bestehen und sind wir standfest genug, darauf hinzuweisen, dass „nicht ausgeliefert wird, wenn die Straftat politischen Charakter hat“? Wieder einmal Ratlosigkeit an einem runden Tisch!



- Vielleicht aber haben die Parlamentarier auch nur Angst, dass sie von Ramstein aus unter Beschuss geraten, denn von dort wird der Drohnenkrieg in Afrika (und wahrscheinlich auch in Anderswo) gesteuert. Und so ein Ding könnte bei „Fehlsteuerung“ doch leicht einmal in Berlin landen, beispielsweise wenn gerade der Snowden angehört wird. Die Ausschussmitglieder wären dann „Kollateralschäden“.


- Schließen wir mit Nachrichten, die eher die Schafherde als das Wolfsrudel betreffen. Italien bemüht sich nach Kräften, aus dem „Mare Monstrum“ wieder ein „Mare Nostrum“ zu machen, d.h. Flüchtlinge zu retten und nicht absaufen zu lassen. „Nostrum“ sollte man aber auf ganz Europa beziehen und endlich anfangen, Flüchtlinge nicht mehr nach dem Erstlandeplatz sondern nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft zu verteilen. Und Kardinal Marx hat eingeräumt, dass nach „Nutzung aller Möglichkeiten und bei äußerster Not“ auch ein Kirchenasyl gerechtfertigt sei. Denn wie sagte schon Isaac Newton: „Der Mensch baut zu viele Mauern und zu wenig Brücken.“



Mai 2014



O mei, o mei“, pflegt der Oberbayer zu sagen, wenn er sich einer Situation gegenübersieht, wo ihm nicht nur die Worte sondern auch die Fluchtwege fehlen. Der Monat „Mai“ schreibt sich anders und weckt auch andere Gefühle als die, welche die derzeitige Weltlage aufkommen lässt. Der Frühling brennt an vielen Orten.



Fangen wir mit dem Folterbericht von Amnesty an. Es gibt aus 141 Ländern „glaubwürdige Informationen“, dass gefoltert wird, wobei sich der Erfindungsreichtum der Menschenschinder nicht nur auf die Methode sondern auch auf deren Umschreibung erstreckt. So dreht sich bei der Polizei auf den Philippinen das „Glücksrad“: Auf einer Scheibe sind verschiedene Folterpraktiken verzeichnet, und die Folterknechte entscheiden dann mit einem Dreh, wie das Opfer zu quälen ist. Deutschland ist nicht auf der Liste, trägt aber durch Waffenlieferungen an Folterstaaten (Mexiko) dazu bei, den „Betrieb“ aufrecht zu erhalten.


Ja, ja, die deutschen Waffenexporte. Im Mai wurden die Zahlen für das Jahr 2013 veröffentlicht. Und siehe da: Trotz unserer „restriktiven“ Ausfuhrrichtlinien wurde bei Kleinwaffen mit einer Steigerung um 43% ein Exportboom erzielt. Und beileibe nicht alle Waffen gingen an die Schweizer Garde im Vatikan! In Saudi-Arabien hat man nämlich auf das Sturmgewehr G36 umgestellt, und Sie dürfen dreimal raten, wohin die ausgemusterten Vorläufer wahrscheinlich hingeliefert wurden – Richtung Nordosten, Syrien. In Saudi-Arabien wurde gerade ein Regimekritiker zu 1000 Peitschenhieben verurteilt. Hoffentlich haben wir nicht auch noch die Peitsche geliefert!


Wenn allerdings die Behauptung des Bundesrechnungshofes stimmen sollte, dass sich das G36 durch fehlende Treffsicherheit „auszeichnete“, könnte man über eine Ausfuhrgenehmigung nach Saudi-Arabien noch einmal reden.


Wirtschaftsminister Gabriel hat für künftige Waffenlieferungen (noch) strengere Prüfungen versprochen, und in Karlsruhe wird seit April geprüft, ob das Parlament vor oder nach oder während der Lieferung informiert werden muss oder sollte oder kann. Von Mitsprache ist sowieso nicht die Rede. Das Urteil ist in mehreren Monaten zu erwarten. Bis dahin und wohl noch darüber hinaus: Frohe Lieferung!


Echte Lieferschwierigkeiten haben in den USA, wie bereits erwähnt, zu der „Panne“ bei einer Hinrichtung in Oklahoma geführt. Die EU hat einen Ausfuhrstopp für ein Betäubungsmittel im (bewährten) Cocktail der Giftspritze verhängt, so dass die Vollzugsbehörden „improvisieren“ müssen. Die Reaktionen auf die „Panne“ waren unterschiedlich: Das Oberste Gericht hat eine Hinrichtung in Missouri gestoppt, Tennessee möchte wieder zum elektrischen Stuhl zurückkehren, und die Mehrheit der Amerikaner spricht sich weiterhin für die Todesstrafe aus. Aber während die Zustimmungsquote 1994 noch 80% betrug, liegt sie jetzt bei 59%. Wenn das so weitergeht, siedelt sich der Wilde Westen jenseits des Pazifiks an – in China, Iran und (wieder einmal) in Saudi-Arabien.


Im Sudan gibt es einen Fall, der auf der Abscheulichkeitsskala noch viel weiter unten angesiedelt ist als der Fall in Oklahoma. Dort geht es um eine Frau, die nichts aber schon gar nichts getan hat – außer Christin zu sein. Es handelt sich um Meriam Yahia Ibrahim, die wegen „Abfalls vom Glauben“ zum Tode durch Erhängen verurteilt wurde, zu vollstrecken frühestens zwei Jahre nach ihrer Entbindung. Meriam war als orthodoxe Christin aufgewachsen, weil sich ihr (muslimischer) Vater frühzeitig aus dem Staub gemacht hatte. Sie hat dann einen Christen geheiratet und wurde deshalb wegen Ehebruchs zu 100 Peitschenhieben verurteilt – gewissermaßen als „Vorgeschmack“ auf die Vollstreckung des Todesurteils. Im Juni wurde gemeldet, dass man ihr „auf ärztliche Anweisung“ die Ketten abgenommen hat, die sie auch während ihrer Entbindung (!) getragen haben soll. Das Urteil hat weltweit Empörung ausgelöst, u.a. beim britischen Premier David Cameron: „Das Urteil ist barbarisch und hat keinen Platz in der Welt von heute.“ Doch, hat es, leider!


Die „Ehebrecher“ von Khartum


Am 23. Juni kam die Nachricht, dass Meriam frei gelasssen wurde – mutmaßlich „auf internationalem Druck hin“. Über eine Million Menschen hatten sich für sie eingesetzt. Darauf ein Sprichwort aus Afrika:


„Keiner erwartet von dir, dass du die ganze Wüste

vor dem Verdursten rettest.

Deine Aufgabe ist es, dieser einen Blume

das Leben zu erhalten.“


Als die Familie am nächsten Tag ausreisen wollte, wurden sie und ihr Mann von Sicherheitsbeamten am Flughafen festgenommen. Über den Verbleib der beiden Kinder ist nichts bekannt. Fortsetzung folgt – jetzt: die Festnahme war keine Festnahme, sondern eine „Befragung“, allerdings durch 40 Beamte. Derzeit ist die Familie in der amerikanischen Botschaft/“an einem sicheren Ort“ und hat Angst, dass das Baby auf Grund der widrigen Umstände bei der Entbindung bleibende Schäden davongetragen haben könnte.

Schnell(er) in den Knast“ sollen jetzt auch Asylbewerber in Deutschland wandern, wenn das neue Asylgesetz von Innenminister de Maizière durchkommen sollte. Die SZ ist, um die Queen zu zitieren, „not amused“: „Dieser Gesetzentwurf ist das Schärfste und Schäbigste, was einem deutschen Ministerium seit der Änderung des Asylgrundrechts vor 21 Jahren eingefallen ist.“ Dabei geht es im Wesentlichen darum, Asylbewerber, die über (sichere) Drittstaaten eingereist sind oder deren Antrag abgelehnt worden ist, wegen „Fluchtgefahr“ in Aufnahme- oder Abschiebehaft zu nehmen. Denn wenn jemand hinter Gittern sitzt, ist er/sie für die Abschiebung leichter greifbar. Allerdings gibt es erhebliche Zweifel, ob illegale Einreise und illegaler Aufenthalt haftwürdige Vergehen sind.


Für eine Ausweisung aus der „Festung Europa“ hätten wir übrigens noch andere (eher bessere) Kandidaten.




Die Schlagzeilen



- Markus Ferber, der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahlen, hat Martin Schulz, den Präsidenten des Europaparlaments, als (potentiellen) „Geschäftsführer der Schlepperbanden in Afrika“ bezeichnet. Ferber hat inzwischen seinen Job als Vorsitzender der CSU-Europagruppe eingebüßt – aber nicht wegen dieser Äußerung, sondern wegen der Stimmenverluste seiner Partei.


- Angestellte von Frauenhäusern und Sozialverbände beklagen die „katastrophale Lage“ der Frauenhäuser in Bayern, als da sind: lange Wege, lange Wartelisten und langwierige Formalitäten – und das bei deutlicher Zunahme häuslicher Gewalt. In einem satirischen Monatsrückblick gab die Kabarettistin einer bedrohten Frau den Rat: „Sag’ deinem Mann, er soll dich erst im nächsten Monat verprügeln. Da ist im Frauenhaus wieder ein Platz frei!“


- Die Schriftstellerin Lola Shoneyin hat anlässlich der Entführung der Mädchen von Chibok scharfe Kritik an der sozialen Schieflage in Nigeria und an der Untätigkeit der Politiker geübt: „Ich sage Ihnen. Es gibt viele Privatschulen in Nigeria. Wenn an einer von denen 300 Mädchen entführt worden wären, hätte man sie längst gefunden. … Aber in Chibok waren es arme Kinder, und wen kümmert das schon?“


- Der Journalist Marc Engelhardt hat ein Buch mit dem Titel „Heiliger Krieg, heiliger Profit“ geschrieben. Er räumt damit mit dem Klischee auf, dass die Konflikte in Zentralafrika ethnische oder religiöse Gründe haben. Die Terroristen in Nigeria, Somalia und Uganda sind keine Gotteskrieger, sondern Verbrecherbanden, die nur hinter dem großen Geld her sind. Und Verbrecher bekämpft man nicht militärisch, sondern mit einem funktionierenden Sicherheitsapparat. Aber „der fehlt in den meisten Ländern Zentralafrikas“.


- In Israel häufen sich Attacken extremistischer Juden auf die arabische und christliche Minderheit. Da kommt es dann vor, dass an einer Kirchentüre „Jesus, Hurensohn“ steht. Aber wissen Sie auch, wer diese Leute als „hebräische Neonazis“ bezeichnet hat? Amos Oz – ein Schriftsteller in Israel.


In der Rückschau ist dieser Rückblick auf den Mai sehr negativ ausgefallen. Wir verstecken uns kleinlaut hinter einem Gedicht von Erich Kästner:


„Und immer wieder schickt ihr mir Briefe,

in denen ihr, dick unterstrichen, schreibt:

‚Herr Kästner, wo bleibt das Positive?’

Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“


- und geloben Besserung im Juni.




Juni 2014



Ich hatte das Glück, ein ereignisloses Leben zu führen“, schrieb Rainer Malkowski in einem seiner Gedichte. Für das lyrische Ich könnte man auch „Deutschland“ einsetzen, denn „andere Sorgen“ als die Maut für Ausländer und der manchmal etwas holprige Marsch durch die Vor- und Zwischenrunde bei der Fußball WM hatten wir im Juni kaum.



Wir hoffen, damit das Versprechen auf eine Positivliste von Ende Mai eingelöst zu haben.


Während bei uns eher die Lachmuskeln gereizt wurden, hat man in anderen Ländern die Muskeln wirklich spielen lassen, allen voran die „Star Wars“ Krieger von der Isis im Irak, deren Vormarsch, so eine Berichterstatterin von AI, von unsäglichen Gräueltaten begleitet wurde. Ihr Anführer al-Baghdadi hat sich zum Kalifen ernannt und Muslime in aller Welt aufgerufen, in sein Kalifat zu ziehen. Das würde in einigen Ländern (und auch bei uns) das Flüchtlingsproblem entspannen.



Während AI mit dem Irakbericht sicher richtig lag, ist uns bei einer anderen Sache ein böser Schnitzer unterlaufen. In einer Hose des irischen Billigkaufhause Primark war ein Zettel gefunden worden, auf dem ein chinesischer Zwangsarbeiter ein SOS gegen die Arbeitsbedingungen losließ: Sie müssten „arbeiten wie die Ochsen“, und das Essen sei schlechter als der „Fraß von Schweinen und Hunden“. Glauben wir sofort, auch wenn der Zettel tatsächlich eine (wohlgemeinte) Fälschung ist. Ein irischer AI-Sprecher hatte zwar zunächst Zweifel an seiner Echtheit angemeldet, aber dann ist die Organisation dennoch in die Kampagne gegen Primark eingestiegen. Dass es sich bei dem Vorfall nur „um die Spitze des Eisbergs“ handle“, ist allerdings nicht ganz falsch: Primark verkauft zu Preisen, die nur dann Gewinn abwerfen können, wenn die Produktionskosten astronomisch deutlich unter dem deutschen Mindestlohn liegen.


Bleiben wir in Irland. Sonst landen wir allzu schnell wieder bei den vertrauten Bösewichtern. Vor 12 Jahren erschien der Film „Die unbarmherzigen Schwestern“, der das Schicksal „gefallener Mädchen“ in den so genannten Magdalenen-Heimen beschreibt. Die Ordensschwestern hatten den Namen mit Bedacht gewählt, denn Maria Magdalena gilt (zu Unrecht) als die große Sünderin im Neuen Testament. Aus heutiger Sicht aber sind nicht die Mädchen, sondern die Nonnen vom Orden der Hl. Bridget „gefallen“. Auch die Schwestern vom Orden Bon Secours hatten sich für ihr Treiben einen passenden Namen ausgesucht: „Bon Secours“ heißt in etwa „gute Hilfe“, und die ließen sie ledigen Müttern und deren Babys in hohem Maße „angedeihen“. Eine Historikerin hat kürzlich aufgedeckt, dass die 800 Insassen eines Massengrabes in Tuam/Westirland nicht Opfer der Hungersnot des 19. Jahrhunderts waren, sondern Babys dieser ledigen Mütter, die während der Wehen keine Hilfe oder Medikamente bekamen und hart arbeiten mussten, um die Kosten für ihren Heimaufenthalt abzustottern. Als Folge lag die Sterberate der Kinder bei über 50 Prozent. Und wer es von den Babys schließlich doch schaffte, wurde zur Adoption freigegeben und sah die Mutter in den meisten Fällen nie wieder. Das Heim in Tuam existierte bis 1961.


Von den Frauen als Täterinnen zu den Frauen als Opfer – und als Akteure. Aktricen als Wort gibt es noch nicht. Eine brasilianische Journalistin schreibt, gegenströmig zum Männerbund der Fußballspieler, über „Frau sein – in Brasilien“:


„In meiner Heimat sind Frauen Objekte, werden bewertet nach ihren Körpermaßen und ansonsten nicht ernst genommen. … Wenn einer Frau Gewalt widerfährt, dann, so sagt man, hat sie das selbst provoziert, sich aufreizend bewegt, der Mann konnte gar nicht anders.“


Aber dann fährt sie fort: „Den Kampf der Frauen um Respekt und Anerkennung erlebe ich jeden Tag – zum Teil hat er Erfolg. Die Welt der Frauen in Brasilien ist heute ein freierer Ort.“


Und ähnlich klingt es, halten Sie sich gut fest, aus Saudi-Arabien, da wo die Frauen nicht ans Steuer dürfen und sogar für Operationen die Erlaubnis des familiären Männerclans benötigen. Aber da gibt es neben der „puristisch … verkniffenen Hauptstadt Riad“ auch die „bunte Hafenstadt Dschidda“ und dort geht es weniger saudi-arabisch zu.


„Frauen kleiden sich farbenfroh, nicht schwarz, Frauen arbeiten in den Shopping-Malls. Die Geschlechtertrennung … wirkt hier nur noch wie reine Behauptung. Frauen sind da, überall, sichtbar, hörbar. Und sie genießen es.“


Der Weg ist das Ziel



Die Schlagzeilen



- Babulal Gaur, Innenminister des Bundesstaates Madhya Pradesh/Indien, hat Vergewaltigungen gegenüber eine eher „tolerante“ Haltung: „Das ist eine soziale Tat. Manchmal ist es richtig und manchmal falsch.“ Ob seine Männerphantasien zur „richtigen Vergewaltigung“ da zu den „aufreizenden“ Brasilanerinnen abgeschweift sind?


- Schärfster Konkurrent im Wettbewerb um das „Unwort des Monats Juni“ war Jean-Marie Le Pen, der Gründer des Front National in Frankreich. Auf den jüdischen Sänger Patrick Bruel, der den Front kritisiert hatte, hin angesprochen, sagte Le Pen: „Ja, das erstaunt mich nicht. Wissen Sie, da machen wir das nächste Mal eine Ofenladung.“ Seine charmant-verschlagene Tochter Marine hatte versprochen, die Partei zu „entdiabolisieren“. Da ist sie noch nicht weit gekommen!


- Ein starkes Stück hat sich auch die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua geleistet. In einem Artikel unter dem Titel „Vergesst niemals die Geschichte“ liest man mit Genugtuung: Eine Nation, die sich „den Schandflecken ihrer Vergangenheit“ nicht stelle, könne „weder sich selbst verstehen noch ihren Platz in der Welt finden“. Aha, so denkt man, jetzt wird endlich zum 25. Jahrestag das Massaker am Platz des Himmlischen Friedens aufgearbeitet. Denkste! Gemeint waren natürlich die Verbrechen der Japaner und der europäischen Kolonialmächte.


Die Bevölkerung, von Hongkong einmal abgesehen, schluckt es und geht einkaufen. Im sich anreichernden Warenkorb aber kommen die Menschenrechte immer seltener vor.



- Vom Drachen zu den Hexen ist es nicht weit. Der Münchner Aktionskünstler Wolfram P. Kastner hat mit einem Thesenanschlag am Dom zu Eichstätt an die 426 Frauen und Männer erinnert, die im 17. Jahrhundert bei den Hexenverfolgungen umgebracht wurden. Als „beispiellos brutaler Hexenjäger“ hat sich dabei Fürstbischof Westerstetten hervorgetan. An die Opfer erinnert ein Mahnmal auf der Willibaldsburg – etwas „unscheinbar“ in den Augen Kastners. Vom Grabmal des Bischofs im Domkreuzgang kann man das nicht behaupten.



        

Das Denkmal für die „Hexen“ Der Hexenjäger


- „Entscheidungen mit Augenmaß“, so der Merkur, will man künftig im Landratsamt Miesbach treffen, wenn es darum geht, den Ermessensspielraum für reiselustige Asylbewerber auszuschöpfen. Bisher hatte man im Landkreis eine „eher restriktive Linie“ gefahren, an der sich der Arbeitskreis Asyl in der Vergangenheit öfter die Zähne ausgebissen hat. Und die Residenzpflicht für Oberbayern ist sowieso eine Verordnung, die schleunigst geschreddert werden sollte.


- Zum Schluss das Ergebnis einer Umfrage: „Weil es dem Land wirtschaftlich gut geht, hegen immer weniger Deutsche rechtsextreme Gedanken.“ Dass Asylbewerbern „massive Ressentiments“ entgegenschlagen, ist die Kehrseite der Medaille.



Juli 2014



Pflege das Leben, wo du es triffst“, sagte einst die heilkundige Hildegard von Bingen, aber leider gehört sie in Israel und Palästina nicht zur Pflichtlektüre. Am Beginn des Monats kam die Meldung, dass die Leichen der drei entführten israelischen Jugendlichen unter einem Steinhaufen im Westjordanland gefunden wurden, und wenige Tage später wurde ein palästinensischer Jugendlicher aus Ostjerusalem bei lebendigen Leib verbrannt. Die Vorfälle lösten den 3. Gazakrieg aus, der den Satz von Hildegard (wieder einmal) auf den Kopf stellte: „Pflege den Tod und schau’ dass du triffst.“ Den Palästinensern bot sich die Gelegenheit, ihre gehamsterten Raketen loszuwerden, Wohnhäuser und öffentliche Gebäude zu Gefechtsständen umzufunktionieren und mit einigen Tunnelkommandos illegal in Israel einzureisen, den Israelis die Gelegenheit, die Wirksamkeit ihres Abwehrsystems, ihrer Kampfbomber und Bodentruppen unter Beweis zu stellen - und den „Trotteln von der EU“ die Finanzierung des Wiederaufbaus zu überlassen. Ob es zu einer Einigung kommt, die zukunftsfähig ist und nicht nur eine Verschnaufpause vor dem 4. Gazakrieg bedeutet, ist mehr als fraglich.


Als die Opferzahlen feststanden (2000 Palästinenser, 64 Israelis), kam es in Deutschland zu einer Diskussion über „Verhältnismäßigkeit“ und die Grenzziehung zwischen Israelkritik und Antisemitismus. Und wenn man auch Frau Knoblochs Entschuldungsstrategie für das Vorgehen Israels wirklich nicht übernehmen möchte, so packt einen doch das blanke Entsetzen, wenn arabischstämmige Demonstranten in Berlin skandieren: „Hamas, Hamas, Juden ab ins Gas.“


Das vorletzte Wort aber soll noch einmal Hildegard von Bingen haben – vermittels einer „Nachfahrin“. Während nämlich der Vater des ermordeten Palästinensers forderte, dass jetzt die Häuser der jüdischen Verdächtigen zerstört werden müssten, so wie die Israelis vorher die Wohnhäuser zweier palästinensischer Kidnapper platt gemacht hatten, hat Rachel Fraenkel, die Mutter eines der ermordeten Israelis, zu einem Verzicht auf Rache aufgerufen.


„Das Vergießen unschuldigen Blutes verstößt gegen Moral, Thora und das Judentum, und es gefährdet die Grundlage des Lebens aller in diesem Land. Keine Mutter, kein Vater sollte durchmachen, was wir erlitten haben. Wir teilen das Leid von Mohammeds Eltern.“


Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen hatten in diesem Konflikt alle Hände voll zu tun. Den Israelis wurden absichtliche Angriffe auf Krankenhäuser und medizinisches Personal vorgeworfen, der Hamas Hinrichtungen im Schnellverfahren von Personen, die (angeblich) Informationen an Israel weitergegeben hatten. Wir können halt nicht Kriege verhindern, sondern nur deren Exzesse anprangern. Und deshalb mit anderen Friedenstauben wieder einmal dem Sensenmann hinterher hecheln.



Schwerter zu Pflugscharen“ umzuschmieden, war einmal das Motto der Friedensbewegung. Wir sind schon froh, wenn es Minister Gabriel gelingt, die Rüstungsexporte einzuschränken. Einigen Abgeordneten der Union und dem bayrischen Ministerpräsidenten passt das gar nicht und sie sind gegen diese „Verhinderungspolitik“ vehement zu Felde gezogen. Sie führe „zu nachhaltigen Störungen der außenpolitischen Beziehungen“, es drohe „die Verlagerung der Produktion in das Ausland“ und ein „nachhaltiger Verlust deutscher Kernkompetenzen“. Bei dem Brandbrief ging es um das Panzergeschäft mit Saudi-Arabien, mit den Waffenlieferungen an die Kurden im September ist es eine andere Sache. Ein Gegner wie der Islamische Staat (IS) ist in Saudi-Arabien (derzeit) nicht in Sicht. Der wird sich ja nicht an einem seiner Geldgeber vergreifen.


Und was die „Kernkompetenzen“ anbelangt, schreibt die SZ lakonisch: „Auch für die Förderung neuer Technologien taugt die Waffenbranche nicht. Das können andere Branchen besser.“


Was den Bayern recht ist, ist den Franzosen billig. Aber in Frankreich sind Burka und Niqab nicht nur an Schulen, sondern im ganzen öffentlichen Raum verboten. Und siehe da: Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Frankreichs Verschleierungsverbot bestätigt, mit viel Bauchweh in der Urteilsbegründung und einem Minderheitsvotum zweier Richterinnen, die u. a. das Recht auf Privatsphäre dahingehend ausweiteten, dass man das „Recht habe, nicht zu kommunizieren und nicht mit anderen auf öffentlichen Plätzen in Kontakt zu treten“. Wir halten es mit dem Mehrheitsvotum: Für ein Zusammenleben in der Öffentlichkeit ist es notwendig, sein Gesicht zu zeigen. Die Burka ist das falsche Ende einer Einbahnstraße.



Die SZ-Journalistin Susan Vahabzadeh hat die Burka als „Schikane gegen Frauen“ bezeichnet und auf die Kleidervorschriften für muslimische Männer in Saudi-Arabien und den Emiraten hingewiesen. Aber wenn die Herren mit Anhang im Sommer in Europa sind, „sind die Frauen verschleiert bis zum Knöchel, die Männer in Shorts und T-Shirts“.





Die Schlagzeilen



- In Arizona/USA rang der verurteilte Mörder Joseph Wood fast zwei Stunden mit dem Tode. Das „ist bereits die dritte verpfuschte (!) Hinrichtung per Giftspritze in diesem Jahr“.


- In einem Armenheim in Mexiko – La Gran Familia/Die Große Familie haben die Behörden fast 600 Menschen, die meisten davon Kinder, entdeckt, die unter sklavenähnlichen Bedingungen „gehalten“ wurden. Die Kinder wurden gezwungen, zum Betteln auf die Straße zu gehen und sich missbrauchen zu lassen. In Cannes erhielt der mexikanische Film „Heli“ einen Preis. Ein Kritiker schrieb dazu. „Es ist ein brutaler Film – aber das ist nichts gegen das, was in Mexiko wirklich geschieht“.


- Polen wurde vom Europäischen Gerichtshof zur Zahlung von 200 000 Euro Schmerzensgeld verurteilt, weil das Land ein CIA-Geheimgefängnis geduldet hatte, in dem zwei Terrorverdächtige gefoltert worden waren. Die Sprecherin des polnischen Präsidenten nannte das Urteil „beschämend“: ob für Polen oder den Gerichtshof war dem Zeitungsartikel nicht zu entnehmen.


- Ungarns Ministerpräsident Orban hat keine Chancen, als Mitglied bei AI zu landen. Er kritisierte die USA, weil sie zum Ziel habe, die Menschenrechte zu verbreiten („Na ja!“) und lobte Länder wie Russland und China, weil sie „wirtschaftlich erfolgreich“ seien. Dass das nur möglich ist, weil man „vielleicht nicht demokratisch sei“, hat er im Zusammenhang etwas anders formuliert, aber sicher mitgemeint. Wie hat man früher bei uns gesagt: „Soll er halt rübergehen!“


- In Nigeria ist es 63 Frauen gelungen, aus den Fängen der Islamistengruppe Boko Haram zu entkommen. Es handelt sich nicht um die Mädchen von Chibok, von denen nach wie vor jede Spur fehlt. Wenn man sie googelt, merkt man, wie es um das Aktualitätsverständnis des Internets bestellt ist. Mit einer Ausnahme stammen alle Beiträge aus den Monaten April bis Juli. Für die Welt sind die Mädchen vergessen.


- Es ist wieder einmal höchste Zeit, weniger ernste Töne anzustimmen. Der türkische Vizeregierungschef Arinc hat zu einem Rundumschlag gegen die Frauen ausgeholt. Er kritisierte die Zurschaustellung weiblicher Reize, die stundenlangen Gespräche am Handy und das laute Lachen der Frauen in der Öffentlichkeit. Da kann man nur noch lachen – meinte auch eine Journalistin und rief zu wöchentlichen Lach-Kundgebungen auf.



- Zum Abschluss ein echter Lacher zur Fußball-WM. Man weiß ja, dass die Amerikaner lieber (American) football als Fußball spielen, aber was die Publizistin Ann Coulter zur Entstehung des Fußballspiels geschrieben hat, ist ein Eigentor der Extraklasse:


„Fußball ist wie das metrische System, das die Linken lieben, weil es europäisch ist. Es wurde in der Französischen Revolution entwickelt, in den kurzen Momenten, als die Revolutionäre nicht Massenmord per Guillotine begingen.“


Sei es wie es ist, Frau Coulter. Wir sind Weltmeister!



August 2014



Kopf ab zum Gebet“, ist der Schlachtruf der teuflischen Gotteskrieger vom „Islamischen Staat“, wenn ihnen ein westlicher Journalist in die Hände fällt. Die Ermordung von James Foley und Steven Sotloff ist ein Rückfall in die dunkelsten Zeiten der Menschheitsgeschichte. Und dann der Angriff auf Mossul: 25 000 Christen wurde ein Ultimatum gestellt – Flucht aus der Stadt oder Hinrichtung, Konversion zum Islam oder Kopfsteuer. Dabei taten sich erschreckende Parallelen zur Nazizeit auf: Aus dem gelben Judenstern am Gewand wurde das rote „N“ (Nasrani/Christ) an der Hauswand, und die Wertsachen, die man langjährigen Nachbarn anvertraut hatte, wurden nicht mehr herausgegeben. Von der Behandlung der Flüchtlinge zu berichten, sträubt sich die Tastatur. „Es ist kaum eine Grausamkeit denkbar, die jetzt nicht verübt wird“, erklärte der Erzdiakon Emanuel Youkhana.


Zeitgleich zu den Christen wurden die Jesiden aus Shingal vertrieben. Sie zogen sich ohne Wasser und Lebensmittel ins Gebirge zurück und wurden dort eingepfercht wie Weihnachten 1705 die oberländischen Bauern auf dem Friedhof zu Sendling. Aber bevor sie dort vernichtet wurden, schossen ihnen amerikanische Bomber und kurdische Kämpfer einen Fluchtkorridor frei. Die Kurden gehörten übrigens (angeblich) nicht den viel gerühmten Peschmergakämpfern aus dem Irak an, sondern der Partei der Demokratischen Union aus Syrien. Die Peschmerga waren davongelaufen, aber sie werden unsere Waffen bekommen.


Flucht der Jesiden


Aber das ist nur eine der Ungereimtheiten dieses Konflikts, der viele von uns in arge Gewissensnöte bringt. Wer hätte denn gedacht, dass man je amerikanische Lufteinsätze über dem Irak begrüßen, dass man deutsche Waffenlieferungen in Spannungsgebiete mit Zähneknirschen akzeptieren und deutsche Dschihaddisten ohne größeres Bedauern zum Teufel (Syrien, Irak) wünschen würde? Und dafür mit der Angst leben müssen, dass sie, wenn man sie nicht als Selbstmordattentäter verschleißt, mit dem Auftrag zurückkommen, das Kalifat in Deutschland zu installieren. Und natürlich auch mit der Möglichkeit, dass unsere Waffen in die falschen Hände fallen.



In der SZ hat man unsere Waffenlieferungen unter der Überschrift „Falsch, falscher, am falschesten“ abgehandelt, weil auf Waffenlieferungen grundsätzlich „kein Segen ruhe“ und es im Nordirak nicht an Waffen, sondern an „Nahrung und Hilfsgütern“ mangle. Joschka Fischer und Gregor Gysi sind in seltener Eintracht (aber etwas unterschiedlicher Wortwahl) dafür, weil man den Vormarsch des IS nicht „mit Gebetskreisen oder Protestbriefen“ stoppen könne. Gysi hat dann die Protestbriefe von der eigenen Partei abbekommen, aber dass Fischer möglicherweise bei Gebetskreisen mitmacht, ist ein neuer Zug an ihm.


Dass die Situation im mittleren Osten neue Flüchtlingsströme hervorrufen würde, war zu erwarten, und dass es in Europa zu einer „Gegenströmung“ kommen würde, leider auch. Als erstes kündigte Italien das „Mare Nostrum“ auf, weil die Rettung von Flüchtlingen zu teuer ist und das Land sich von Resteuropa in Stich gelassen fühlte. Resteuropa reagierte prompt: die Mitgliedstaaten schickten eigene Schiffe ins Mittelmeer. Falsch geraten, noch einmal! Sie hängten der Grenzschutzagentur Frontex ein „Plus“ an. In der Mathematik fügt man mit „Plus“ etwas hinzu, aber die EU-Innenkommissarin Malmström hat schon gesagt, dass „man den Umfang der sehr ehrgeizigen (!) ’Mare Nostrum’ Mission mit ’Frontex Plus’ wohl nicht erreichen werde“.



Deutsche Politiker reagierten ebenfalls: die bayrische Sozialministerin Müller sieht die Lösung des Problems in der Einrichtung eines EU-Kommissars für Flüchtlinge – getreu dem Lied „Der Kommissar, der werd’s scho richt’n“, und Innenminister de Maizière fordert eine Obergrenze für die Aufnahme verfolgter Menschen. Ob die bei 10 oder 1000 oder 100 000 liegen soll, entzieht sich unserer (und wohl auch seiner) Kenntnis. Wie das aufnahmefeindliche Gebräu nach unten sickert, zeigt sich auf den Facebookseiten von Rechtsextremisten, die die unerträglichen Zustände in den Münchner Asylheimen auf ihre Art lösen wollen:


„Tut euch zusammen, zündet die Hütten an und verhaut die ordentlich, dann ist Ruhe da.“


In Donezk/Ukraine wurden am ukrainischen Nationalfeiertag 50 gefangene Regierungssoldaten durch die Stadt geführt. Die Männer waren gefesselt und sichtlich eingeschüchtert. Separatisten begleiteten sie mit aufgepflanzten Bajonetten und Schäferhunden, Bewohner bewarfen sie mit Eiern und Plastikflaschen. Nach ihrem „Auftritt“ hat man (angeblich) die Straßen gesäubert. Das historische Vorbild könnte eine „Parade“ deutscher Kriegsgefangener 1944 in Moskau gewesen sein. Dort aber, so einige Augenzeugen, soll bei der Bevölkerung „kein Hass zu spüren gewesen sein“.


“Parade“ in Donezk


Wir erlauben uns, wieder einmal Bertold Brecht zu zitieren: „Wahrlich, wir leben in finsteren Zeiten.“



Die Schlagzeilen



Auch da könnten wir noch eine Zeitlang weiterbrechteln, aber wir möchten uns auf einige Nachrichten beschränken, die irgendwo und irgendwie Mut und Hoffnung machen.


- Da gab es in Kambodscha „einen guten Tag für Millionen“: Ein Sondertribunal hat die beiden ranghöchsten noch lebenden Anführer des grausamen Roten-Khmer-Regimes der 1970er Jahre Nuon Chea und Khieu Sampan zu lebenslanger Haft verurteilt.


- Das Verfassungsgericht in Uganda hat das Gesetz, das eine Strafverschärfung gegen Homosexuelle vorsah, aus formalen Gründen kassiert. Es hätte lebenslange Haftstrafen ermöglicht und Bürger verpflichtet, Schwule und Lesben bei den Behörden zu denunzieren. Da die Richter keine inhaltlichen Beanstandungen hatten, kann es unverändert aufs Neue ins Parlament eingebracht werden. Die erste Gay–Pride-Parade in Uganda könnte auch die letzte gewesen sein.


- Der Dalai Lama hat bei einem Besuch in Hamburg, so die SZ, mit seiner Botschaft „von der Achtsamkeit und Gewaltfreiheit die Menschen im reichen Deutschland wieder für ein paar Tage „angerührt“. Er hat zwar der Sorge Ausdruck gegeben, dass man die Tibeter umso leichter vergessen wird, je attraktiver China als Wirtschaftspartner wird, ist aber durchaus optimistisch, dass er in „5, 10, 15 oder 20 Jahren“ wieder nach Tibet zurückkehren kann. Nach Südafrika allerdings darf er nicht. Auf Druck Pekings, warum denn sonst, hat man ihm zu einem Treffen der Friedensnobelpreisträger im Oktober Einreiseverbot erteilt. In Hamburg hatte er für die Männer eine bittere Pille bereit: Die Hoffnungen auf eine bessere Welt ruhten auf den Frauen. „Die meisten Problemfälle sind doch Männer.“ So einer wie Jacob Zuma zum Beispiel, der Präsident Südafrikas.


- In Buenos Aires/Argentinien hat Estela de Carlotto, eine der Großmütter von der Plaza del Mayo, die unermüdlich Auskunft über das Schicksal ihrer in der Militärdiktatur verschwundenen Kinder (und Enkelkinder) fordern, mittels eines Gentests ihren Enkel wieder gefunden.


- Und in Deutschland hat eine andere „unermüdliche Kämpferin“, Schwester Lea Ackermann, den Augsburger Friedenspreis erhalten. Sie werde, so der Augsburger Regionalbischof, für ihre „langjährigen Bemühungen für Frieden an Leib und Seele von sexuell unterdrückten Frauen und Mädchen“ ausgezeichnet. Schwester Lea war dann im September zum Thema „Abschaffung der Prostitution“ in einer Talkshow und hat vom Publikum den stärksten Applaus bekommen. Das Abstimmungsergebnis, eine satte Mehrheit für die Beibehaltung der Prostitution, hat sie allerdings nicht wesentlich beeinflusst.


Zum Abschluss möchten wir an den Schauspieler Robin Williams erinnern, „der stets versucht hat, mit seiner Kunst die Welt zu einem Ort zu machen, an dem Menschenrechte und Mitmenschlichkeit geachtet werden“. Und wer könnte jene Szene im „Club der toten Dichter“ vergessen, als bei seinem Abgang die Hälfte der Klasse auf die Tische stieg und demonstrierte, was sie bei ihrem „Captain“ gelernt hatte?



- Zu diesem Tod passt ein Anti-Brecht! Auf einem Grabstein in Baltimore/USA findet sich am Ende der Inschrift der Satz: „Trotz aller Heuchelei, aller Schinderei und aller gebrochener Träume ist es doch eine schöne Welt.“ Viel Glück bei der Suche!



September 2014



Nicht im Namen Allahs und nicht in unserem Namen“ – so haben sich 16 Imame im Raum München und über mehr als 2000 Moscheegemeinden in ganz Deutschland vom Terror des islamischen Staates distanziert. Und wenn man auch durchaus der Meinung sein kann, „dass der Islam als Religion in einer tiefen Krise steckt“, sollte man sich trotzdem vor der Hysterie der Islamhasser hüten, für die es nur eine Frage der Zeit ist, dass die Dschihaddisten in Europa einmarschieren – sei es über die Türkei oder über Nordafrika. Derzeit findet die Wanderungsbewegung eher von West nach Ost statt. Mindestens fünf junge Männer aus Deutschland haben als Selbstmordattentäter geendet (und das vielfache an Opfern mit in den Tod gerissen), mehr als 400 Personen, darunter mindestens 24 Minderjährige, sind nach Syrien und in den Irak „ausgereist“, der Jüngste 13 Jahre alt. Dem IS sind sie sehr willkommen: Die Deutschen gelten als „besonders emotionalisiert“ und scheinen, nach Aussagen gefangener IS-Kämpfer, „darauf zu brennen, so schnell wie möglich (für die „Drecksarbeit) eingesetzt zu werden“.


Selbstmordattentate sind aber nicht die einzigen Gräueltaten, die im Einflussbereich des IS abgehen. In Mossul wurde die Menschenrechtsanwältin Samira Salih Ali Al-Nuaimi gefoltert und öffentlich erschossen. Sie hatte auf Facebook die Zerstörung von Moscheen und Kirchen als „barbarisch“ bezeichnet und wurde deshalb wegen „Abfalls vom Gauben“ verurteilt. Wir wünschen es den Richtern von Herzen, dass Allah ihnen eines Tages einbläut, wer da vom Glauben abgefallen ist.


Samira Salih Ali Al-Nuaimi


Unter den reisefreudigen Dschihadtouristen sollen übrigens auch vier Mädchen sein. Sie hätten sich, so der Verfassungsschutz mit einer „romantischen Vorstellung“ von einer Dschihad-Ehe auf den Weg gemacht. Was ihnen da blühen kann, wurde uns drastisch in einem IS-Video im Oktober vor Augen geführt: In der Provinz Hama/Syrien wurde eine vermeintliche Ehebrecherin mit Zustimmung und unter Mithilfe ihres Vaters gesteinigt. Das Vergehen: Ihr Mann war seit über einem Jahr verschwunden, und sie ging eine neue Beziehung ein. Die Haare zum Himalaya trieb es einem auch bei dem Interview, das die SZ mit dem militanten Salafisten Erhan A. aus Kempten führte. Eine Kostprobe: „Ich würde sogar meine eigene Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellte.“ Erhan wurde inzwischen in die Türkei abgeschoben und hat sich, nach eigenen Aussagen, damit das „Flugticket“ gespart, das ihn seinen Traumländern Syrien und Nordirak näher bringen sollte. Ob die Ausweisung ein „Zeichen der Hiflosigkeit“ ist, oder eher mit einem populistischen „Der is guat weida“ zu bewerten ist, lassen wir wieder einmal offen – wie so vieles in dieser Welt.


Ohne Maß und Barmherzigkeit springt auch China mit seinen Bürgern um. Der uigurische Bürgerrechtler Ilham Tohti wurde in einem Schauprozess wegen „Separatismus“ zu lebenslanger Haft verurteilt. Es ist das härteste Urteil gegen einen gemäßigten Aktivisten seit mehr als einem Jahrzehnt. Tohti hatte immer wieder die Unterdrückung der Uiguren kritisiert, aber konsequent zum Gewaltverzicht aufgerufen. In einem Interview sagte er: „Ich habe mich stets nur auf Stift und Papier gestützt, um die Menschenrechte … und die regionalen Autonomierechte für die Uiguren zu verlangen.“ Amnesty nannte das Urteil „eine Schande“. Auch aus Berlin soll Kritik gekommen sein, aber beim Besuch des chinesischen Premiers Li Keqiang im Oktober hat sich Angela Merkel mit ihrer vorsichtigen Einlassung zum Thema „Hongkong“ eine Abfuhr geholt: der Premier hat zwar chinesisch gelächelt, aber knallhart zu verstehen gegeben, das gehe sie nichts an. Wenn Merkel da noch auf dem Tohti „rumgeritten“ hätte, wären die Milliardendeals für die deutsche Wirtschaft ernstlich in Gefahr geraten.


Ilham Tohti vor Gericht


Klartext zum Urteil hat der bekannte Bürgerrechtler Hu Jia gesprochen: „Die Uiguren haben (jetzt) keine Stimme mehr. … Ich weiß nicht, ob die KP dumm ist oder vorsätzlich unbarmherzig. Sie haben ein Feuer entzündet.“ Mit dem Feuer sollte er Recht behalten: Nur einige Tage später starben bei Auseinandersetzungen in der Uigurenprovinz Xinjiang 50 Personen.



Die Schlagzeilen



- Die relativ mühelose Einverleibung der Krim hat in Russland zu einer Welle des Patriotismus geführt, die sicher nicht nur auf die Hoffnung zurückzuführen ist, dass damit der Krimsekt billiger wird. Der Einsatz regulärer russischer Soldaten im „Bruderkrieg“ gegen die Ukraine hingegen wird von drei Viertel der Bürger abgelehnt. Absurd daran ist, dass sie gar nicht wissen, dass diese Soldaten bereits im Einsatz sind, weil die staatlichen Medien darüber natürlich nicht berichten. Dennoch gibt es die ersten Massen- und Ein-Mann-Demonstrationen gegen den Krieg, und das „Komitee der Soldatenmütter“ beginnt, an Putin zu appellieren, „ihre Kinder lebendig zurückzubringen“ – parallel zur Rückführung der ersten Leichen. Sie sprechen auch für die Angehörigen der gefallenen Soldaten, denn die schweigen, weil sie fürchten, dass ihre Söhne für Deserteure gehalten werden und den Familien die Wohnungen wieder weggenommen werden, die der Staat Zeitsoldaten zur Verfügung stellt.


Demo in Moskau


- Flagge zeigen, und zwar zugunsten von Flüchtlingen, wollte ein Kreisrat der Bayernpartei(!) im Landkreis Kelheim. Er hatte ein Gästezimmer und wollte einen Flüchtling aufnehmen, der ihm dafür bei Alltagsarbeiten helfen sollte. Das Landratsamt lehnte mit der Begründung ab, dass von Asylbewerbern keine Gegenleistung für ihre Unterbringung gefordert werden dürfe. Ähnlich erging es einer WG in Coburg. Sie boten Asylbewerbern zwei Zimmer an, ohne Miete und Gegenleistung. Die Behörde lehnte ab. Dabei wäre eine WG doch auch eine „Gemeinschaftsunterkunft“. Und die Asylbewerber wären vor den Sicherheitsdiensten sicher! Ein Vorschlag – nicht zur Güte: die Mitarbeiter der Behörden sollten verpflichtet werden, eine Woche ihres Jahresurlaubs in der Bayernkaserne in München zu verbringen. Vielleicht würden sie dann ihren „Ermessensspielraum“ etwas großzügiger auslegen.


Flüchtlinge in der Bayernkaserne in München


- „Ein Schwabenstreich“, so titelte die SZ den Kompromiss, den Winfried Kretschmann im Streit um die sicheren Herkunftsstaaten im Westbalkan eingegangen ist. Nun kann man darüber streiten, ob Diskriminierung allein bereits ein ausreichender Asylgrund ist, bedenklich aber ist, dass mit dieser Entscheidung der Ausweitung von „sicheren Herkunftsstaaten“ Tür und Tor geöffnet ist. Wie wäre es denn beispielsweise mit Afghanistan? Würde sich doch anbieten, solange die Taliban noch nicht an der Macht sind? Und dann werden die Grenzen des Landes sowieso dichtgemacht.



- Die Verbrecher von Mossul und Hama wird man wohl so schnell nicht dingfest machen können, aber die Killer, die das Attentat auf die Mädchenrechtskämpferin und Nobelpreisträgerin Malala Yousafzai verübt hatten, hat man nach fast zwei Jahren erwischt. Wie man deren Haftstrafen kreativ erweitern könnte? Einmal pro Woche Putzdienst in einer Mädchenschule – aber das lebenslänglich!


- Wir schließen mit einem Zitat von Karl Valentin, das sie so oder so lesen können: „Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so wichtig nimmt, wie sie sind.“



Oktober 2014



Heuer vom „Goldenen Oktober“ zu schreiben verbieten die Ereignisse, passender ist der Anfang eines Gedichts von Suleman Taufiq:


„der herbst naht

deine blätter

werden fallen

und vermodern …“


Beim Wort „vermodern“ fallen uns natürlich sofort die 43 mexikanischen Studenten ein, deren mutmaßliche Überreste derzeit bei einem DNA-Abgleich in der Uni Innsbruck sind. Die Studenten wollten im September an einer Demo in Mexiko-Stadt teilnehmen (oder dafür Spenden sammeln), wo eines Massenmordes von Soldaten und Sicherheitskräften an Studenten im Jahre 1968 gedacht werden sollte. Sie wurden von der Polizei von Iguala/Provinz Guerrero (wohl) auf Geheiß des dortigen Bürgermeisters beschossen und dann, sofern sie überlebt hatten, an die Drogenmafia Guerreros Unidos ausgeliefert, die „mit einer schnell entzündbaren Substanz“ den „Rest“ besorgte. Die Suche gestaltete sich schwierig, weil im Umkreis gleich mehrere Massengräber auftauchten, aber es steht zu vermuten, dass sie auf der Müllkippe von Cocula „entsorgt“ wurden. Bürgermeister Abarca und seine Frau sind familiär und geschäftlich aufs engste mit der Narcoszene verbandelt und wollten die „linken“ Studenten, die später als Lehrer auf die Dörfer gehen sollten, mundtot machen. Der Fall zeigt einmal mehr die mafiosen Verbindungen zwischen staatlichen Institutionen und organisierter Kriminalität. Unser Kollegen von Human Rights Watch beschreiben diese „Arbeitsteilung“ wie folgt:


„Regelmäßig inhaftieren die Sicherheitsbehörden Menschen, nur um sie dann an die Narcoschergen zu übergeben, die sie foltern, töten und verscharren.“


Im November wurde das saubere Pärchen geschnappt, aber die Proteste gegen die schleppende Aufklärung weiteten sich aus. Der Merkur titelte „Ein Land in Wut.“


Leere Stühle an der Uni von Mexiko-Stadt


An Weihnachten war diese Wut auch vor der deutschen Botschaft zu spüren. Etwa hundert Demonstranten protestierten gegen die Waffenlieferungen der Firma Heckler & Koch. Einige der G36 Gewehre sollen bei den Polizisten in Guerrero aufgetaucht sein. Und von da aus ist der Weg zu den Narcogangstern nicht mehr weit. Nicht auszudenken, dass damit die 43 Studenten getötet wurden!


Auch die 26-jährige Iranerin Reyhaneh Jabbari starb zur Unzeit und zu Unrecht. Die junge Frau hatte 2007 einen Mann getötet, der sie nach eigenen Aussagen (und hoher statistischer Wahrscheinlichkeit) vergewaltigen wollte. Der Mann war dummerweise Geheimdienstler, und da braucht man sich nicht zu wundern, dass im Verfahren Beweismittel, die bei einer geplanten Vergewaltigung für den Täter durchaus von Nutzen sein können (Kondome und Betäubungsmittel), unterschlagen wurden. Die Familie des „Opfers“ lehnte eine Begnadigung ab, und selbst ein Appell der Regierung von Präsident Rohani, das Todesurteil umzuwandeln, ging ins Leere. Die Frau wurde gehängt, der Staatsanwalt blieb ungeschoren. Dazu passt die Meldung, dass die Zahl der Hinrichtungen im Iran deutlich nach oben geht.


Erschöpfungserscheinungen, das Wort „Modergeruch“ verbietet unser Respekt vor den Demonstranten, zeigt auch die Occupy-Central Bewegung in Hongkong, die am chinesischen Nationalfeiertag 100 000 Menschen auf die Straßen brachte. Der Protest richtet sich gegen den Wortbruch aus Peking, das für 2017 die freie Wahl des Regierungschefs versprochen hatte. Nach Plänen Pekings aber sollen zwei Kandidaten aufgestellt werden, die die „Pekinesen“ (pekingfreundliche Wahlmänner) vorher begutachten sollten. Wie zu erwarten war, schaute die Regierung dem bunten Treiben nicht lange zu. Man schickte zwar (noch) keine Panzer wie 1989 auf dem „Platz des himmlischen Friedens“, aber dafür heuerte man Mitglieder der Triaden (Hongkonger Mafia) an und karrte Schlägertrupps vom Festland herbei. Ein Video, das Polizisten zeigte, die in einer dunklen Ecke einen gefesselten Mann mit Fußtritten traktierten, löste sogar in Polizeikreisen „Besorgnis“ aus. Ob die „Revolution mit dem Regenschirm“ (gegen Tränengas und Pfefferspray) wirklich zu einem demokratischen Schlupfwinkel Hongkong oder gar zum „Aufwachen der Zivilgesellschaft“ führen wird, ist mehr als fraglich, aber das „Lied von den Regenschirmen“ möchten wir Ihnen nicht unterschlagen:


„Nicht, dass wir keine Angst hätten

Aber in dieser Nacht

ist nichts Furcht erregender

als wenn Schweigen herrschte

und Worte nicht gesprochen würden.



Auch wenn die Führung in Peking mit Hilfe der Hongkonger Geschäftswelt die Proteste „auszusitzen“ scheint, möchten wir ihr dennoch ein Schreckgespenst vor die Nase halten.



Das Gedicht von Taufiq geht nämlich noch weiter und endet beileibe nicht im herbstlichen Trübsinn:


„… eines Tages werden die anderen pflanzen

sich an dich erinnern

und der Tag wird kommen

an dem die grünen Felder

dich rühmen“


Wer weiß? Vielleicht werden es die 43 mexikanischen Studenten, die Iranerin Reyhaneh und die Demonstranten in Hongkong sein, an die man sich erinnert, wenn man vom Jahre 2014 spricht. So wie sich das Schneeglöckchen an das Haselblatt erinnert, das im Herbst am Standort der Blume gelandet war. Unrealistisch, gewiss, aber für das Gedächtnis der Welt unendlich wichtiger als die Erinnerung an die Gräueltaten des IS. Zum IS gibt es übrigens eine Meldung, die man, wenn es nicht so traurig wäre, in die Form eines Witzes kleiden könnte: „Wissen Sie, warum die kurdischen Peschmerga gerne weibliche Kampftruppen gegen den IS einsetzen? – Weil deren Kämpfer glauben, dass sie nicht ins Paradies kommen, wenn sie von einer Frau getötet werden.“


Einen sicheren Platz in der Jahreschronik haben die beiden diesjährigen Friedensnobelpreisträger Malala Yousafzai/Pakistan und Kailash Satyarthi/Indien. Da hat das Komitee in Oslo, das, Gerüchten zufolge, heuer gar keinen Preis vergeben wollte, einmal bei den richtigen Personen „Yes, we can“ geschrien. Die 17-jährige Malala ist dafür bekannt, dass sie in ihrem Kampf für Frauen- und Kinderrechte im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf hingehalten hat. Die Reaktionen in ihrer Heimat waren alles anderer als begeistert: Die Taliban haben für einen 2. Anschlag schon „die Messer gewetzt“, und Privatschulverbände haben zu einem “Anti-Malala-Tag“ aufgerufen, weil sie ein Geschöpf des Westens sei. Das stimmt insofern, als sie ihr neues Leben der Operation in einer englischen Klinik zu verdanken hat. Der 60-jährige Kailash ist bei uns kaum bekannt. Dabei ist er, so die SZ so etwas wie „der Marathonläufer unter den Kämpfern für die Kinderrechte“. Er hat gegen die Ausbeutung von Kindern als Arbeitssklaven protestiert und sie mit spektakulären Razzien in Firmen aus der Gefangenschaft befreit. Auch ihn hat man schon einmal mit Messern und Eisenstangen attackiert.




Die Schlagzeilen



- „Entführte Mädchen bald frei?“ titelte der Merkur im Bericht über einen vermeintlichen Waffenstillstand in Nigeria, der im Austausch mit inhaftierten Boko Haram Kämpfern zur Freilassung der 219 Mädchen aus Chibok führen sollte. Der „Waffenstillstand“ hielt nur fünf Tage. Im November sollen die Terroristen Chibok erobert haben. In einem Video ließen sie sich auch zum Schicksal der Mädchen aus: Sie seien zwangsverheiratet und zum Teil schon schwanger. Wir können nichts tun, als ihre Fotos zum 2. Mal zu bringen.



- Erfreulichere Nachrichten liefern die (jüngeren) Frauen in Ägypten. Gegen den Druck der älteren Generation wehren sie sich gegen die „Beschneidung“. Inzwischen sind nur noch 50 Prozent der Ägypterinnen zwischen 10 und 18 Jahren beschnitten. Der Großmufti hatte 2006 erklärt, „dass weibliche Genitalverstümmelung keinesfalls mit den Werten des Islam vereinbar sei und die Religion keine Basis für eine Rechtfertigung biete“. Geht doch, oder?


- Von der Flüchtlingsfront gibt es sehr gemischte Nachrichten. Im Mittelmeer haben Menschenschmuggler ein Schiff zum Kentern gebracht. Es soll Hunderte von Toten gegeben haben. In Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen haben „SS-Trupps“ nächtlich die Insassen schikaniert. Auch die Anschläge auf Asylheime sollen sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben. Andererseits war „die Hilfsbereitschaft in diesem Lande noch nie so groß“. „Bisher“ – wird der Skeptiker hinzufügen. Da passt punktgenau eine Meldung aus Niederbayern hinein. Im idyllischen Wallfahrtsort Gartlberg/Pfarrkirchen hat der Bischof von Passau den leer stehenden Klostertrakt als Asylunterkunft zur Verfügung gestellt. Der ehemalige Bürgermeister hat darauf einen Brandbrief an den Bischof geschrieben und von einer „kochenden Volksseele“ gesprochen. Der Glaubenskrieg war aber nur von kurzer Dauer, weil die kochende Seele des Ex-Bürgermeisters nicht viel Volk gefunden hat. Der liebe Gott hat dann den Pfarrkirchnern zum Lohn Flüchtlinge geschickt, die in der Mehrheit orthodoxe Christen aus Eritrea sind.


- In unseren Breiten darf in diesem Monat natürlich das Oktoberfest nicht fehlen. Da hat man doch auf einer Schießbude aus dem Jahre 1910 auf Neger geschossen, die typisch deutsche Kleider, Zylinder und Pickelhauben trugen. Da wurden dann gleich Erinnerungen an die deutsche Kolonialzeit beschworen, wo man mit der Urbevölkerung alles andere als zimperlich umgegangen war. Aber man kann die „politische Korrektheit“ auch übertreiben. Soll man halt noch ein paar weiße und gelbe Köpfe anbringen, etwa einen betrunkenen Wiesenbesucher und einen chinesischen Triadenchef.


- Von den beiden Friedensnobelpreisträgern war bereits in einem seriösen Kontext die Rede. Lassen wir den Monat in einer Karikatur ausklingen, wo auch Dinge vermodert und verrostet sind.




November 2014-12-20



Augen rechts – nach Wunsiedel!“ Die Stadt im Fichtelgebirge ist der Geburtsort von Jean Paul, und der würde sich im Grabe aufrichten, wenn er von der Aktion „Rechts gegen Rechts“ erfahren hätte. Da wurde ein (Volks)Trauermarsch von Rechtsextremisten zum „unfreiwilligsten Spendenlauf Deutschlands“ umfunktioniert, denn mit jedem Meter, den die Springerstiefel zurücklegten, flossen 10 Euro auf ein Spendenkonto der Initiative Exit-Deutschland, die Rechtsextremisten beim Austritt aus der Szene unterstützt. Und dann noch die verfremdeten Naziparolen: „Endspurt statt Endsieg“ und „Wenn das der Führer wüsste!“ Auf einem Verpflegungstisch wurden den Marschierern „deutsche Bananen“ angeboten, die sie aber aus unerklärlichen Gründen zurückwiesen.


Wunsiedel 2014


Das Metergeld stammte von Unternehmen, Gewerkschaften und Privatleuten, und am Ende waren 17 000 Euro auf dem Spendenkonto. Jean Paul hätte gesagt: „Das Unrecht, das dir geschieht, treibe lächelnd ab, aber nicht als Individuum, sondern als Menschheit; diese sollte sich nicht alles gefallen lassen.“ Sie haben den ersten Teil des Zitats nicht verstanden? So ging es mir mit dem Slogan „Rechts gegen Rechts“.


Was Jean Paul von der Menschheit forderte, nahm sich Margarete Bause, die Fraktionschefin der Grünen im Bayrischen Landtag, während des Besuches von Horst Seehofer in Peking heraus. Sie war „fast konspirativ“ aus dem Freistaatstross ausgebrochen und hatte den Dissidenten Ai Weiwei getroffen. Der soll ihr gesagt haben, er „hoffe, dass westliche Politiker zu den westlichen Werten nicht nur dann stehen, wenn sie zu Hause sind“. Das kann man durchaus als Spitze gegen Seehofer sehen, der vor allem „die wirtschaftliche Kooperation mit China anschieben und alles andere diskret im Hintergrund regeln wollte“. Mit der Diskretion nahmen es die Chinesen nicht sehr genau: Auf dem „Platz des Himmlischen Friedens“ untersagte die Polizei ein Interview Seehofers mit dem Bayrischen Rundfunk, weil keine Genehmigung für Tonaufnahmen vorlag und die bewilligte Sendezeit von zwei Minuten überschritten wurde. Seehofer ließ es (mit sich) geschehen und verzog sich in einen Hinterhof.


Anlässlich des Prozesses gegen die Journalistin Gao Yu (Anklagepunkt: „Staatsverrat“ – was denn sonst?) sprechen unsere Kollegen von Human Rights Watch (HRW) von der „möglicherweise schwersten Welle der Unterdrückung seit dem Tianmen-Massaker von 1989“. Für den chinesischen Premierminister Li Keqiang, den Seehofer am Ende seines Besuches traf, ist allerdings „Alles klar, alles klar.“ Wir wissen nicht, wer zu Seehofers Mitfahrergemeinschaft bei der nächsten Auslandsreise gehören wird, aber Frau Bause wird wohl in Zukunft nicht mehr auf Staatskosten fahren dürfen.




Die Schlagzeilen



- In Pakistan hat der Vorwurf der Gotteslästerung wieder einmal als Vorwand für Lynchjustiz herhalten müssen. En christliches Ehepaar wurde, offenbar noch lebend, in den Ofen einer Ziegelbrennerei geworfen. Das Gerücht einer Koranschändung war in die Welt gesetzt worden, weil es Streit um eine Lohnvorauszahlung gegeben hatte. Es gab zwar Verhaftungen, unter ihnen der Besitzer der Ziegelei und lokale Kleriker, aber oft verlaufen solche Verfahren im Sande. Auf der Jagd nach dem Ehepaar sollen Hunderte von Dorfbewohnern beteiligt gewesen sein.


- Todesurteile wurden wiederum in Pakistan gegen vier Männer ausgesprochen, die eine schwangere Frau gesteinigt hatten. Ihr Vergehen: eine Liebesheirat ohne Einwilligung der Familie. Die Täter: der Vater, zwei Brüder, der Ex-Verlobte des Opfers.


- Etwas glimpflicher kam eine Iranerin davon, die ein Volleyballspiel der (männlichen) Nationalmannschaft anschauen wollte. Sie wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Da hätte sie es sicher vorgezogen, während der Spieldauer von männlichen Fans belästigt zu werden. So wird nämlich der Ausschluss von Frauen bei Sportveranstaltungen mit Männern gerechtfertigt.


- Die beiden großen Münchner Tageszeitungen gehen bei der Beurteilung des neuerlichen Hungerstreiks von Asylbewerbern verschiedene Wege. Der Merkur schreibt von „einem falschen Instrument“, die SZ vernimmt einen „Hilferuf der Verzweifelten“. Richtig ist, dass man mit einem Hungerstreik nicht das Asylverfahren (mit all seinen Unzulänglichkeiten) für sich aushebeln kann, richtig ist aber auch (leider!), dass lange eingeforderte Verbesserungen der Lebensbedingungen (Geldleistungen, Arbeitserlaubnis, Residenzpflicht) von solchen Aktionen zumindest „beschleunigt“ wurden. Die SZ hat diesen Spagat im Münchner Oberbürgermeister Reiter personalisiert: „(Er) versucht, die Maximalforderungen verzweifelter Flüchtlinge in politikkompatible Wunschzettel zu verwandeln.“


- Zwei Bilder von anderen Flüchtlingsgruppen haben uns im November verfolgt. Das erste Bild zeigt Flüchtlinge, die an einem FKK-Strand auf Gran Canaria gelandet sind. Sie müssen sechs Stunden bei 30 Grad ausharren bis Ärzte den Verdacht auf Ebola ausgeräumt haben. Dann werden sie abtransportiert – in einem Müllwagen. Im Vordergrund des Bildes zwei Touristen, die vor lauter Bauch kaum laufen können. Das zweite Bild zeigt einen wunderschönen Golfplatz in der spanischen Enklave Melilla/Nordafrika – mit einigen unerbetenen Zaungästen. Der Golfplatz, nicht die Zaungäste, wurde mit 1,4 Millionen Euro aus dem Regionalfonds der EU bezuschusst.


(

Golfer und Flüchtlinge in Melilla/Nordafrika


- Vor 25 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention von der UN-Vollversammlung angenommen. Sie stellte klar, „dass Kinder Rechte haben, eigene Rechte, Rechte also, die nicht aus den Rechten der Eltern abgeleitet sind“. Deutschland hatte mit der Konvention einige Schwierigkeiten, versah sie im Asyl- und Ausländerrecht mit einem „Vorbehalt“, der es beispielsweise ermöglichte, Kinder und Jugendliche in Abschiebehaft zu stecken. Erst 2010 wurde dieser Vorbehalt zurückgenommen. Aber wenn es sich um „unbegleitete Jugendliche“ handelt, kommt uns das „Ihr Kinderlein kommet …“ nach wie vor etwas schwer über die Lippen – außer es ist Weihnachtszeit.



Dezember 2014



Wenn vieles nicht so traurig wäre, hätte man den Dezember leicht mit lauter Karikaturen abhandeln können. Mit der zum Beispiel:



Da hat nämlich die US Senatorin Dianne Feinstein einen Bericht über die Verhörmethoden der CIA zusammengestellt, der dokumentiert, dass „der Geheimdienst viel brutaler vorging als bisher bekannt, trotzdem kaum nützliche Informationen produzierte und die Öffentlichkeit täuschte“. Wir möchten Ihnen die Methoden ersparen, die früher als „verschärfte“ und jetzt als „verbesserte Verhörmethoden“ bezeichnet werden

und trotzdem keine Anschläge verhindert haben (Senatsbericht),

- bzw. nicht über jeden Zweifel erhaben sind, „ob sie ursächlich waren dafür, dass Gefangene nützliche Informationen preisgegeben haben“. (CIA-Chef Brennan)


Nicht ersparen aber möchten wir Ihnen die „Begleitmusik“, die zu diesem Bericht ertönt ist. Für den ehemaligen Vizepräsidenten Cheney, einem der Oberfalken im Kabinett von George W. Bush, ist der Bericht „voller Mist“. In Polen ist man entsetzt, weil im Bericht von einem „blauen Gefängnis in einem Land X“ die Rede ist, das man dem CIA zur „Nutzung“ überlassen hat. Den Vogel aber schossen die US-Bürger selber ab: In einer Umfrage befürworteten 51 Prozent die „erweiterten Verhörtechniken“ im Kampf gegen den Terror. Das lässt die Hoffnung, „damit eine Rückkehr zu Folterungen versperrt bleibt“, mehr als voreilig erscheinen. Und das bringt uns zum Zeitfenster, das Frau Feinstein für die Veröffentlichung des Berichtes zur Verfügung hatte. Sie musste die 500-seitige Kurzfassung(!) bereits an mehreren Stellen schwärzen, wurde vom Außenminister dezent auf die Risiken einer Veröffentlichung hingewiesen, weil „zurzeit viel los ist auf der Welt“ und hätte sich ab Januar einem Leiter des Geheimdienstausschusses gegenüber gesehen, der Republikaner ist und den Bericht wahrscheinlich lieber einstampfen würde, weil das Kabinett seines Parteikollegen George W. Bush gemeint ist und er/sie sowieso zu den 51 Prozent gehört. Der Bericht wurde dann trotzdem veröffentlicht, am 10. Dezember, passend zum „Tag der Menschenrechte“. Amnesty forderte in einer Online-Petition an Obama, die Verantwortlichen zu bestrafen und motiviert die Unterzeichner mit den Worten: „Zusammen können wir viel bewegen.“ Ob das die Herren Cheney und Rumsfeld (damals Verteidigungsminister) bewegen wird, ein Büßerhemd überzuziehen, gehört bereits zum Zauber der Weihnachtsbotschaft.


In anderen Bereichen aber ist in die „lahme Ente“ Obama Bewegung gekommen. Er hat einen ersten Schritt unternommen, die Beziehungen zu Kuba zu entspannen und scheint sich wieder auf sein Versprechen zum Amtsantritt aus dem Jahre 2009 zu erinnern, das Militärgefängnis Guantánamo zu schließen. Da die Heimatländer der Gefangenen oft keinen gesteigerten Wert auf deren Anwesenheit legen oder (andererseits) größten Wert darauf legen, sie ihrerseits dingfest zu machen, kommt es zu globaltouristischen Verschiebungen: die fünf Tunesier und Jemeniten, die im November freigelassen wurden, müssen jetzt kasachisch lernen.


In Marsch gesetzt haben sich auch Teile des deutschen Staatsvolkes. „Pegida“ nennt sich die (un)Heilige Allianz/“Querfront“ aus Rechten, Linken, AfD, Hooligans, Bedenkenträger und Besitzstandswahrer, und in kleineren Mengen (wie etwa in Köln) angereichert mit „wohlmeinenden Bürgern und guten Katholiken“ (Domprobst Feldhoff), die gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes zu Felde ziehen und Deutschland gerne „fremdenfrei“ hätten. Politiker haben zu Beginn der „Mobilmachung“ viel Verständnis für die „Sorgen“ der Demonstranten aufgebracht, aber nicht nur für die Regionalbischöfin Breit-Keßler ist „irgendwann Schluss mit dem Verständnis“. Das hat auch die Bundeskanzlerin gemeint, als sie in ihrer Neujahresansprache mit (ungewöhnlich) deutlichen Worten aufwartete: „Heute rufen manche montags wieder ‚Wir sind das Volk’. Aber tatsächlich meinen sie: ‚Ihr gehört nicht dazu – wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion’.“


Die „Hauptstadt der Bewegung“ ist diesmal Dresden, und es gibt böse Zungen, die behaupten, die Stadt liege nach wie vor im „Tal der Ahnungslosen“, wie schon vor 30 Jahren, als man dort kein Westfernsehen empfangen durfte. Aber damit täte man den wackeren Dresdenern Unrecht, die den „Spaziergängen“ der Pegida ihre „Sternmärsche“ gegenüberstellen. Am 23. Dezember kam es in Deutschland jedenfalls zu einer denkwürdigen Konfrontation. In Dresden marschierten an die 17 000 Leute bei Pegida mit, in München kamen zwischen 12 000 (Polizei) und 25 000 (Veranstalter) zu einer Gegendemonstration.



Anti-Pegida Demo in München




So gespalten wie auf dieser Karikatur ist die Nation, Umfragen zufolge, aber bei weitem nicht. Zwar meinen 29 Prozent der Befragten, „der Islam habe einen so großen Einfluss, dass Protestmärsche … gerechtfertigt seien“, aber 67 Prozent „halten die Gefahr der Islamisierung Deutschlands für übertrieben“, und nur 13 Prozent würden sich „gegebenenfalls an Protestmärschen … beteiligen, wenn sie in der Nähe ihres Wohnortes stattfänden“.


Der Stolz auf Bayern aber verging uns schnell, als in Vorra/Mittelfranken ein Gasthof ausbrannte, der als Asylunterkunft vorgesehen war und die Täter die Wand eines Scheunenanbaus mit Hakenkreuzen und der Inschrift „Kein Asylat in Vorra“ dekorierten. Auch hier haben die Einwohner ein eindrucksvolles Gegenzeichen gesetzt: von den 1700 Einwohnern des Ortes demonstrierten 600 gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit. Der Rechtschreibfehler sollte übrigens der CSU zu denken geben. Vielleicht sollte sie in ihrem nächsten Grundsatzpapier die Forderung verankern: „Deutsche Familien werden angehalten, zuhause (und auswärts) korrektes Deutsch zu schreiben.“


Und weil Weihnachten ist, hier noch zwei Karikaturen zur Herbergssuche:


      



Die Schlagzeilen



- In Argentinien wurden nach 37 Jahren vier ehemalige Militärs zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie sollen an der Ermordung der deutschen Studentin Elisabeth Käsemann beteiligt gewesen sein. Dafür ist der Prozess gegen Kenyatta, dem Präsidenten von Kenia geplatzt. Der Internationale Strafgerichtshof hatte ihm vorgeworfen, die Unruhen nach den Wahlen von 2007 angestiftet zu haben, die zum Tode von 1100 Menschen führten. Das Gericht musste die Anklage aus Mangel an Beweisen fallen lassen, obwohl man wusste, dass Kenyatta seine Macht nutzt, um Zeugen einzuschüchtern. „Musste“ aber auch deswegen, weil Kenia ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die islamistischen (Terror)Milizen in Somalia ist.


- Eine (liebe) alte Bekannte aus Teheran, Nasrin Sotudeh, soll nach Angaben ihres Ehemannes wieder einmal festgenommen worden sein. Die Menschenrechtsanwältin setzt sich für politische Häftlinge, minderjährige Todesstrafenkandidaten und Opfer von Säureattentaten ein, aber nicht einmal das Internet hält Schritt mit der schnellen Abfolge von Verhaftungen und Freilassungen. Frau Sotudeh war auf unserer Ausstellung „Noch schlägt das Herz des Iran“ (2013) vertreten.


- In Peschawar/Pakistan kam es zu einem furchtbaren Schulmassaker. An die 125 Schüler kamen bei einem Angriff der Taliban ums Leben. Pakistan hob daraufhin wieder das Moratorium für die Todesstrafe auf. Sechs Terroristen wurden bereits hingerichtet. Eine Woche zuvor kam die Meldung, dass sich im Lande die Anklagen wegen Blasphemie häuften, wobei der Tatbestand der Gotteslästerung auch die Beleidigung des Islams, des Korans, Mohammeds und seiner Frauen und der späteren Kalifen einschließen kann. Wir sind der Meinung, dass sich Gott/Allah eher durch Massaker und Hinrichtungen „gelästert“ fühlt.


- In Hongkong hat die Polizei die letzten Protestcamps geräumt und bei der Gelegenheit gleich noch einige Dutzend Demonstranten verhaftet. Wie bei der Berichterstattung über den Hungerstreik der Asylbewerber in München unterscheiden sich Merkur und SZ deutlich in ihren Überschriften. Beim Merkur „blieb vom Protestcamp nur ein großer Haufen Müll“, während in der SZ die Demonstranten zwar „Geschlagen, aber nicht besiegt“ waren.


Kehren wir nach Oberbayern zurück.


- Der ehemalige Polizeichef von Rosenheim wurde wegen einer Prügelattacke auf einen gefesselten 15-jährigen durch ein Urteil des Verwaltungsgerichtes aus dem Polizeidienst entlassen. Zum Verhängnis wurde ihm nicht nur die überzogene Gewaltanwendung, sondern auch seine „Versuche …, die Attacken durch (mit Kollegen) abgesprochene Aussagen zu vertuschen“.


- Auf der Facebook-Seite des NPD-Landesverbandes tauchte eine seltsame Meldung auf, die vom Merkur mit gebührender Skepsis kommentiert wurde. Eine Frau sei an einem Tatort im Landkreis, der sich in der Nähe einer „Asylantenunterkunft“ befindet, von zwei Ausländern überfallen und geschlagen worden. Der Sprecher der Polizei weiß nichts von einer Anzeige und betont, dass für den Landkreis Miesbach „aus den vergangenen sechs Monaten keine durch Asylbewerber begangene Straftat“ vorläge. An dieser Stelle sei einmal den Redaktionen des Merkur gedankt, die (bisher) sehr ausführlich und wohlwollend über das Zusammenleben mit den Asylbewerbern im Landkreis berichten.


Aber was wäre der Dezember ohne Weihnachten!


- In Frankreich tobt „der Krieg der Krippen“: ein Verwaltungsgericht in Nantes untersagte einer Präfektur, die Eingangshalle der Behörde mit einer Krippe zu schmücken. Die „Vereinigung der Freidenker“ rieb sich die Hände, der „Front National“ stellte als „Verfechter abendländisch verankerter Traditionen“ jetzt erst recht in seinen Rathäusern eine Krippe auf. Erinnert ein wenig an die Pegida, die in Dresden mit Weihnachtsliedern gegen die Islamisierung ansang – und das übrigens sehr schlecht. Wir haben beileibe nichts gegen Weihnachtslieder oder Krippen in Amtsräumen, aber deswegen gleich rechts zu wählen oder bei Pegida mitzumarschieren, fällt uns nicht im Traume ein.


Der Altbarde Hannes Wader hat ein Revolutionsgedicht des 19. Jahrhunderts auf die heutigen Verhältnisse umgeschrieben. Er schließt mit den Zeilen: „Gewiss (ist), dass auf der Welt kein Übel ewig währt – Trotz alledem.“


In diesem Sinne ein Gutes Neues Jahr – trotz alledem.





3. Tätigkeitsbericht: Das AI-Jahr im Landkreis Miesbach



Nun, mit so spektakulären Aktionen wie die Welt- und Lokalgeschichte können wir nicht aufwarten. Wir haben keine politischen Gegner zum Schweigen gebracht, keine Infostandsabstinenzler zum Tode verurteilt und keinen Spendenverweigerern Schutzgeld abgepresst. Mit dem Folterverbot haben wir uns schon schwerer getan: der Jahresbericht von 2013 hatte (verkleinert) 57 Seiten, und ich bin mir nicht sicher, ob wir heuer damit hinkommen. Lesen Sie ihn halt in Raten!



3.1 Schreibtischtaten


Petition an Putin (Januar)


Obwohl der russische Präsident damit ausgelastet war, die Olympischen Spiele in Sotschi vorzubereiten und sich (dabei) die Krim einzuverleiben, sind wir ihm (hoffentlich) mit einer Petition auf die Nerven gegangen. Wir forderten eine gründliche und unparteiische Aufklärung des Mordes an der Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa, die 2009 in Grosny/Tschetschenien erschossen wurde. Man hat zwar immer wieder einige Minigangster als Täter präsentiert, aber die Hintermänner, die wahrscheinlich im Umfeld von Präsident Kadyrow zu suchen sind, blieben ungeschoren.


Nepal-Aktion (März)


Zum Frauentag am 8. März wurden Briefe und Petitionen an den Premierminister von Nepal versandt. Es ging um Gebärmuttervorfall, von dem über 600.000 Frauen betroffen sind. Sie werden sich, wie einige AI-Mitglieder auch, fragen, ob das eine Menschenrechtsverletzung ist, aber was der Krankheit vor- und nachgeschaltet ist, ist mit „Diskriminierung“ noch sehr vornehm umschrieben. Mädchen werden in Kinderehen gezwungen, Schwangerschaften folgen dem Fließbandprinzip, Frauen haben während und kurz nach der Schwangerschaft harte Arbeit zu verrichten und werden bei Verweigerung der „ehelichen Pflichten“ vergewaltigt. Wir haben in einer Hebammenpraxis und in der Krankenpflegeschule 40 Unterschriften gesammelt.



Briefmarathon nach Russland (März)


Der Umweltaktivist Jewgenij Witischko war im Dezember 2013 wegen Sachbeschädigung zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Er hat einen Bauzaun bei Sotschi mit Graffiti besprüht, um gegen die astronomischen Kosten, die Zerstörung der Umwelt und die grassierende Korruption im Gefolge der Olympischen Spiele zu protestieren. Obwohl er als „Olympischer Gefangener“ geführt wird, erklärte sich das IOC für nicht zuständig, weil die Haftgründe nichts mit der Olympiade zu tun hätten. Unser Innenminister de Maizière kritisierte das Urteil in aller Schärfe: Er nannte es „ziemlich unverhältnismäßig“. Wir schickten ihm Postkarten in die Strafkolonie und versprachen ihm, für seine Freilassung zu kämpfen. Na ja, halt das zu tun, was AI unter „kämpfen“ versteht.


Aktion zu Darfur (Mai – Oktober)


Darfur - einer der (fast vergessenen) Dauerbrennherde des Erdballs. Da kämpft jeder gegen jeden: Regierungstruppen gegen Milizen und beide gegen die Zivilbevölkerung. Und wegen der Wirtschaftskrise hat sich auch die Gewaltbereitschaft zwischen den Gemeinden erhöht. Wir appellierten an den deutschen Vertreter bei den Vereinten Nationen, sich dafür einzusetzen, dass die UN-Truppen der UNAMID ihr Mandat zum Schutze der Zivilbevölkerung in vollem Umfang ausschöpfen. Wir sammelten 31 Unterschriften. Ob wir damit mehr erreichen als die UNAMID in sechs Jahren ist zweifelhaft, aber angesichts der Harmlosigkeit der UN-Mission nicht völlig auszuschließen.


Appell an die Botschaft von Kolumbien (Mai – Juli)


Im Umfeld des 1. Mai sammelten wir Unterschriften, um gegen die Morddrohungen an kolumbianischen Gewerkschaftlern zu protestieren. Kolumbien ist für Gewerkschaftler beiderlei Geschlechts „eines der gefährlichsten Länder der Erde“. Dort bleibt es auch nicht bei Drohungen. Im Jahre 2011 wurden 29 Gewerkschaftsmitglieder ermordet, mehr als die 24 Unterschriften, die wir für die Petition gesammelt haben.


Nachfrage in Sierra Leone (August)


Das Land hatte angekündigt, sich dem Trend in Westafrika anzuschließen und die Todesstrafe abzuschaffen. Wir haben in einer Petition dem Justizminister für seinen Auftritt im Parlament noch einige Argumente gegen die Todesstrafe mitgegeben. Auf dem Infostand in Holzkirchen haben wir noch einmal nachgehakt und den Minister aufgefordert, den Worten endlich Taten folgen zu lassen. Die Petition haben 24 Leute unterschrieben. Ob sie mit den „Kolumbianern“ identisch sind, können wir nicht mehr nachprüfen. Derzeit hat das Land andere Sorgen: Es gehört zu den Regionen, die am stärksten von Ebola betroffen sind.


Verschwunden in Brasilien (Dezember)


Eine Episode, die an das Nikolaustreiben früherer Zeiten erinnert: Vor den Augen seiner Mutter wurde der 16-jährige Davi Fiuza in der Stadt Salvador/Brasilien von der Militärpolizei überfallen an Händen und Füßen gefesselt und mit einem Sack über dem Kopf in ein Militärauto geworfen. Auf die Beschwerde seiner Mutter folgten Einschüchterungsversuche und Drohungen gegenüber der Familie, einige mit dem freundlichen Text: „Das ist es, was wir mit starken Frauen machen.“ Unsere Protestbriefe blieben unbeantwortet.



3.2 Aktionen/“Äction!“


Gewalt gegen koptische Christen (Januar)


Wir haben den „Tag der Menschenrechte“ heuer in den Januar verlegt und in den Kirchen Postkarten an den ägyptischen Staatsanwalt verteilt, um gegen die Gewalt an Kopten zu protestieren. Im Jahre 2013 wurden von Islamisten immer wieder christliche Kirchen und Einrichtungen angegriffen und mindestens vier Menschen getötet. Die beiden Seelsorgeteams haben die Aktion mit großem Wohlwollen angekündigt, und die Kirchenbesucher haben uns die Karten förmlich „aus der Hand gerissen“. Die „Ausbeute“ an verteilten Karten betrug immerhin 165 Stück.



Im Jahre 2014 scheint die Gewalt abgeebbt zu sein, und am 6. Januar 2015 hat Präsident al-Sisi den koptischen Weihnachtsgottesdienst in Kairo besucht. Schade, dass es manchmal einer Militärdiktatur bedarf; um religiösen Minderheiten den Frieden zu bringen!


Veranstaltungen mit Firmlingen (Januar)


Nach längerer Zeit hatten wir wieder einmal Besuch von Firmlingen. Wir waren (angeblich) einer der gefragtesten Gesprächspartner in der Pfarrei – das v. a. wegen des Themas „Asyl“. Es kamen neun Jugendliche und hörten sich geduldig aber ohne viel Vorwissen die Sache mit AI an. Sie hatten aber schon von Malala gehört und spitzten die Ohren, als es um „härtere Sachen“ ging, z.B. um Organentnahmen bei afghanischen Jugendlichen. Leben in die Bude kam, als sie auf Mitschüler unter den Asylbewerbern zu sprechen kamen und stolz erzählten, dass sie schon mit ihnen gekocht hatten.



Für den Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft hatten wir Fragen vorbereitet, die sich auf Herkunft, Familie, Fluchtweg und Arbeitsbedingungen bezogen. Um die Tischtennisplatte herum saßen dann zehn Firmlinge und vier Asylbewerber, darunter ein Schüler, der gerade den Mädchen wohlbekannt war. Frau Denisov, die engagierte Sozialarbeiterin, leistete wertvolle Hilfestellung. Es wurde ein lebendiges Gespräch, wo die Firmlinge mehr wissen wollten, als die Asylbewerber zu erzählen bereit waren. Und der Wunsch, ein Zimmer zu besichtigen, wurde mit dem Hinweis, dass man es mit anderen Bewohnern zu teilen habe, abgelehnt. Vielleicht war es auch nicht aufgeräumt, aber das hätte normale Jugendliche wohl nicht gestört.


Weltgebetstag der Frauen (März)


Da traf es sich gut, dass das Thema in diesem Jahr Ägypten war, und wir noch einige Postkarten mit der zerstörten Kirche in Vorrat hatten. In Miesbach wurden wir 25 Karten los, in Hausham 30 – und dann gingen sie uns aus.


Besuch in der Krankenpflegeschule von Agatharied (März)


Da fehlt doch heuer etwas“, hätten Sie sicher nach Lektüre dieses Berichts gesagt, denn der Besuch in Agatharied gehört seit Jahren zu unserem Repertoire. Grund genug, dem Leitungsteam um Frau Singer unseren Dank auszusprechen, dass sie uns so hartnäckig einladen. Obwohl wir in etwa das gleiche Programm anbieten (und davon ausgehen, dass im letzten Jahr niemand durchgefallen ist), verläuft die Veranstaltung immer etwas anders. Diesmal sahen wir uns ausschließlich jungen Damen gegenüber, von denen einige noch schnell ihre Hausaufgaben abschrieben, die aber in ihrer Mehrheit dem Film „Saving Face“ (Thema: Behandlung von Säureattentatsopfern in Pakistan) mit Interesse folgten und bei der anschließenden Diskussion über Menschenrechte und Pflegedienst ihre ersten Berufserfahrungen einbrachten – die Zweiklassenmedizin, der Zeitdruck in der Altenpflege, die Verletzung der Privatsphäre. Wir bekamen sieben Unterschriften auf einer Liste nach Nepal, wo jede 10. Frau an Gebärmuttervorfall leiden soll, und wurden sechs Karten los, auf denen „Gerechtigkeit für Azza Suleiman“ gefordert wurde. Die Frau hatte einem weiblichen Demoopfer, der berühmten Frau im blauen BH, geholfen und war dabei selber von Soldaten zusammengeschlagen worden. AI hat die Aktion für Azza im Laufe des Jahres für „beendet“ erklärt, aber nicht gesagt, ob jetzt gegen die Schlägertrupps ermittelt wurde.



Ganz anders als früher verlief der Absatz an Infomaterial. Wir wurden immerhin fünf Jahresberichte und sechs Hefte des „Dossier Heilberufe“ los. Gleich blieb unser Problem mit der Technik: Die Qualität der Videokassette grenzte an Menschenrechtsverletzung. Aber im nächsten Jahr ist „unser Gesicht gerettet“. Wir haben aufgerüstet und uns den Film auf DVD gekauft.


Es sei an dieser Stelle dankbar vermerkt, dass wir bei diesen Besuchen mit viel Sach­ver­stand aufwarten können, denn mit von der Partie ist Seppi Weiher, der noch vor einigen Jahren selber Publikum war. Er schrieb heuer zu unserem Besuch:


Das erste Mal, als ich miterlebte, dass Amnesty in der Krankenpflegeschule zu Gast sein konnte, saß ich selbst noch auf der ‚anderen Seite’. Nun darf ich aber schon seit einigen Jahren einmal im Jahr zurück an meine alte Ausbildungsstätte und bin jedes Mal überrascht, wie sich die Schule seitdem verändert hat. Eines aber ist zum Glück gleich geblieben, dass das Thema Menschenrechte auch im Kontext der Krankenpflegeausbildung behandelt wird.“


Ostermarkt Fischbachau (April)


Offensichtlich hatten wir uns im Vorjahr gut benommen, denn wir wurden auch heuer wieder zum Ostermarkt eingeladen. Obwohl unser Angebot sehr vielfältig war und von erlesenem Kunsthandwerk über Schallplatten bis zu flohmarktverdächtigem Osterschmuck reichte, blieben die Einnahmen insgesamt im überschaubaren Bereich. Vielfältig waren dann auch die Kontakte mit den Marktbesuchern: einerseits „alle sehr nett“, andererseits „wenig interessiert“. Aber ein Gespräch über AI verdient es, der Nachwelt übermittelt zu werden. Ausgehend vom Walfangverbot für die Isländer und die Gefährdung des bayrischen Leberkäses kam es zum Thema Folter: Und da meinte der Mann, die Watschen, die er von seinem Vater erhalten habe, hätten ihm auch nicht geschadet. Ganz ernst scheint er sich selber nicht genommen zu haben, denn er hat um sechs Euro eingekauft und uns noch fünf Euro dazu geschenkt.


Ostermarkt in Fischbachau


Schulbesuch Gymnasium Miesbach (April)


Eingeladen hatte Frau Sergel-Kohls in eine 8. Klasse. Die Einladung erfolgte etwas kurzfristig, aber da er sich auf die Schnelle darauf vorbereiten musste, entkam der Gruppensprecher dem Debakel Bayern München – Real Madrid (0:4). Auf dem Weg zum Klassenzimmer kam mir dann ein Kollege entgegen, der ansonsten unserem AI-Treiben sehr positiv gegenübersteht. Aber diesmal begrüßte er mich mit einem aufmunternden „Helft eh nix!“


Ich hätte diese „Aufmunterung“ gar nicht gebraucht, denn die Klasse war menschenrechtlich deutlich vorbelastet, folgte meinen Ausführungen von geduldig bis interessiert und steuerte eigene Erlebnisse bei. So sprach sich beispielsweise ein Mädchen entschieden gegen Mobbing aus. Zur Einstimmung hatte ich ihnen den Text mit der Gründungslegende von Ai in einem Café in Lissabon gegeben, und den haben sie so schön vorgetragen wie selten eine Klasse zuvor. Beiläufig hatte ich auch gefragt, wer AI (und damit mich) kannte, und mir tropften die Augen, weil sich gleich fünf von ihnen meldeten. Sie hatten nämlich im Dezember die Ausstellung über Straßenkunst in Ägypten besucht. Und da hatte ich den Einfall meines Lebens: Ich las ihnen den Eintrag aus dem Jahresbericht von 2013 vor, in dem ich ihren Besuch als „ein echtes Glanzlicht“ bezeichnet hatte, an deren Interesse „die ägyptischen Straßenkünstler ihre helle Freude gehabt hätten“. Da tropften dann ihnen die Augen.


SPD-Empfang in Miesbach (30. April)


Wer uns freundlich einlädt, ist selber Schuld. Bernard Brown, 2. Gruppensprecher, nutzte die Gelegenheit, um dem Ausbeuter- und WM-Ausrichterstaat Katar die gelbe Karte zu zeigen. Die Katarer selbst sind ja weitgehend damit beschäftigt, ihre Ölmilliarden auszugeben, die Arbeit wird von den Migranten verrichtet, die gnadenlos ihrem „Sponsor“/Arbeitgeber ausgeliefert sind. Der kann den Pass einbehalten und den Lohn bezahlen, wenn und wann es ihm beliebt. Dass es den weiblichen Hausangestellten besonders dreckig geht, braucht man fast schon nicht mehr eigens zu erwähnen. Und allzu viel, Herr Beckenbauer, scheint sich bis heute nicht geändert zu haben. Das Sponsorensystem soll zwar abgeschafft sein, wird aber in Wirklichkeit noch munter praktiziert.


Bernard hat unser Anliegen vortragen können und scheint eine eindrucksvolle Vorstellung abgegeben zu haben, denn (erneut) sind uns die Karten ausgegangen.


DGB-Kundgebung in Hausham (1. Mai)


Auch hier durften wir nach einer freundlichen Begrüßung durch Ortskartellchef Höltschl unser Anliegen ausführlich vorbringen, und es schickte sich gut, dass die Hälfte der Besucher Frauen waren. Den Arbeitsmigranten in Katar hatten wir nämlich noch die (indonesischen) Hausangestellten in Hongkong draufgesattelt, die in einem System moderner Sklaverei leben. Einbehaltung des Passes, überzogene Gebühren und Lohndumping sind auch in Hongkong illegal, aber auch hier wird das Gesetz oft ignoriert. Das folgende Zitat stammt nicht aus Abu Ghraib: „Sie schnitten mir die Haare, ließen ihren Hund auf mich los, filmten das mit ihrem Handy und lachten darüber. Es sei ihnen gerade langweilig gewesen.“


Einige Besucher erinnerten sich noch an unseren Auftritt vor fünf Jahren, als wir uns für den Iraner Ossanlu einsetzten und „der Wind bzw. der iranische Geheimdienst“ unser Material abräumte. Auf den beiden Veranstaltungen verteilten wir 70 Karten nach Katar, bei der Kundgebung in Hausham kamen 28 Unterschriften auf den Hongkong-Listen dazu. Es waren ca. 30 Teilnehmer, d.h. dass praktisch jeder unterschrieben hat. Solche Auftritte machen keinen Spaß, dafür ist der Anlass zu ernst, aber sie machen Mut.



Infostand in Miesbach (Juni)


In Miesbach tobte 2014 der Bär: Man feierte 900 Jahre Ersterwähnung. Da können wir mit unseren 42 Jahren AI schlecht mithalten. Aber während der Abt von Tegernsee und der Bischof von Freising schon lange tot sind, sind wir noch quicklebendig und einsatzdurstig. Was man in der ersten Schicht von den Passanten nicht behaupten konnten – und das, obwohl wir uns drastisch verjüngt hatten und nur mit Mühe einer Anzeige wegen Kinderarbeit entgingen. Aber selbst auf Leons fordernde Frage „Wollen sie etwas für die Menschenrechte tun?“, war der Zuspruch mau-mau, „wie bei den Sternsingern“ (Zitat: Leon Walther). Der zweiten Schicht ging es etwas besser: Sie führten gute Gespräche mit einigen jungen Frauen, von denen eine sagte. „Bei AI unterschreibe ich grundsätzlich.“ Die dritte Schicht erlebte den Miesbacher Bär wieder im Winterschlaf. Hier der Kommentar vom Wachpersonal:


„Ich habe mich mit Thierry nett unterhalten. Passanten waren kaum da, Miesbach (fast) ausgestorben. Ein paar nette, mitleidige Menschen haben unterschrieben.“


Dabei hatten wir heiße Ware anzubieten. In Kamerun kann „Liebe ein Verbrechen“ sein, wenn es sich um gleichgeschlechtliche Beziehungen handelt. Und in Brasilien sieht sich Laísa Santos Sampaio Todesdrohungen ausgesetzt, weil sie sich gegen illegale Rodungen im Regenwald einsetzt. Wir bekamen 25 Unterschriften auf der Kamerun-Liste und wurden 12 Briefe nach Brasilen los.



Soliboote nach Berlin (September)


Nein, wir beteiligen uns nicht am Solidaritätsbeitrag Ost! Hierbei handelte es sich vielmehr um eine Solidaritätsaktion für Flüchtlinge, anlässlich des Jahrestages der Megakatastrophe vor Lampedusa. AI-Deutschland hatte eine Idee von der französischen Sektion übernommen und uns aufgefordert, Papierboote zu falten, die dann zum „Tag des Flüchtlings“ öffentlichkeitswirksam präsentiert werden sollten. Da trat zum 1. Mal unsere Jugendgruppe auf den Plan, die sich heuer gebildet hat und der wir ein langes Leben wünschen. Sie falteten 113 Boote und schickten sie nach Berlin. Ende August waren dort erst „einige Hundert“ eingetroffen, aber schließlich kamen, nach dem Impuls aus Miesbach, doch noch 20 000 Boote zusammen und wurden am Ostbahnhof in Berlin ausgestellt.



Dass die Boote aus Papier waren, hatte zunächst einmal einen handfesten Grund: Sie sind nicht teuer, und man kann sie leicht mit der Post verschicken. Dass die „Seelenverkäufer“, auf denen Flüchtlinge transportiert werden, oft auch nicht mehr als „Papierqualität“ haben, nimmt der Aktion den symbolischen Charakter.




Infostand Holzkirchen (Oktober)


Am erfreulichsten waren diesmal die Begleitumstände. Die Lokalpresse hat uns gleich dreimal angekündigt, und das Standpersonal aus Midlifern und Senioren wurde von der Jugendgruppe verstärkt. Das traditionelle Thema „Kampf gegen die Todesstrafe“ hatten wir um einen Fall aus der „Stop-Folter Kampagne“ erweitert und dazu als Blickfang Fußstapfen ausgelegt, die zum Stand hin führten. Einige Passanten fanden den rechten Weg: So sagte ein älterer Herr, dass er sofort unterschreiben würde, denn „Folter dürfe nicht sein“. Ein anderer Mann war entschieden anderer Meinung. Er sagte, „es werde zu wenig gefoltert“. Ein dritter Mann schließlich meinte, „wir stünden sowieso vergeblich hier“.


Nun, ganz vergeblich war es nicht. Wir sammelten 45 Unterschriften auf der Liste gegen die drohende Hinrichtung des zur Tatzeit minderjährigen Moses Akatugba/Nigeria und 35 Unterschriften für Alfreda Disbarro/Philippinen, die von der Polizei misshandelt worden war. Der Brief nach Sierra Leone, in dem die Regierung an ihr Versprechen erinnert wurde, die Todesstrafe abzuschaffen, wurde weitgehend ignoriert – wie das Versprechen bisher auch.

Bei unseren bisherigen Auftritten in Holzkirchen ging es immer recht lebhaft zu. Diesmal ließ die Resonanz etwas zu wünschen übrig. Nun ja, auch ein Ort ist nicht immer gleich gut drauf.


Arbeitslos am Infostand Holzkirchen





Tag der Menschenrechte (Dezember)


Dieser Tag spielt sich bei uns immer vor den Kirchentüren ab. Die Kirchen sind mit den Gewerkschaften unsere zuverlässigsten Verbündeten. Der Ehrlichkeit halber aber müssen wir sagen, dass wir es bei Trachtenvereinen und Gebirgsschützen noch nie so richtig probiert haben. Wir haben erneut den Fall von Moses Aktugba/Nigeria aufgegriffen und Postkarten verteilt, die seine Hinrichtung verhindern sollen. Moses war zur Tatzeit im November 2005, er hatte angeblich einige Handys gestohlen, noch minderjährig, wurde gefoltert, um ein Geständnis zu erzwingen, und sitzt jetzt seit acht Jahren im Gefängnis.


Wir wurden von den Seelsorgeteams wieder deutlich angekündigt und waren mit unseren 150 Karten so schnell insolvent, dass wir beim letzten Gottesdienst gar nicht mehr antreten konnten. Wir trafen auf viel Wohlwollen und hörten nur ein vereinzeltes „Brauch’ i net!“ Diese Frau hatte Recht, auch wenn sie es nicht so gemeint hatte: Folter und Todesstrafe „braucht ma wirklich net“.


Weihnachtsmarkt (Dezember)


Der Museumsverein hatte zum Weihnachtsmarkt in den Klostergarten eingeladen und entgegen aller Skepsis wurde er ein voller Erfolg – auch für uns. Den Organisatoren sei Dank und Respekt gezollt. Für uns ging es aber schon eine Woche früher los. Der Missionskreis in Fischbachau hat uns für Waren um die 180 Euro Asyl an seinen Stand geboten – obwohl wir doch politisch gar nicht verfolgt sind -, und hat auch alles verkauft, einschließlich des imposanten Krippenstalls von Eugen Schmucker.


Dann kam der große Reibach am Weihnachtsmarkt in Miesbach. Wir hatten wiederum ein Angebot der Güteklasse 1, spätestens dann, als unser Finanzminister unseren Ramsch aufgekauft und weggeworfen hatte. Da gab es Keramikengel von Maria Schmalhofer-Jacobi, Sterne von Maria Schreiber, Holzsachen von Marinus Bracher, Grödnertaler Schnitzereien von Fritz Haller, Textilien aus Holzkirchen und Fischbachau, Drechslerarbeiten von Kurt Holzfurtner, Holzschnitte von Bernd Mittmann, und aus „Eigenproduktion“ Wollschafe von Monika Wiegert und bemaltes Porzellan von der Jugendgruppe. Wir danken Stiftern und Produktionsteams von Herzen und schließen uns als Standpersonal mit ein, weil wir wieder pannenlos funktioniert haben.


Als dann kurz vor Schließung des Marktes auch noch der Schutzengel mit dem angeleimten Flügel (und deswegen reduziert wie man es beim Beistand des Schutzengels an sich nicht haben möchte) von uns ging, sangen wir gemeinsam „Süßer die Kassen nie klangen“. Mit den 50 Weihnachtskarten für die Nachbarschaftshilfe und der „Filiale“ Fischbachau kamen wir auf 1200,- Euro. Das entspricht fast dem Erlös der Weihnachtsmärkte 2010 – 2012.


Stand auf dem Weihnachtsmarkt - Der Herr hinter dem Tisch war nicht zu verkaufen!




3.3 Veranstaltungen


Asylreihe (Januar)


Die Reihe, die aus zwei Veranstaltungen bestand, wurde von Kilian Nédélec, Sohn eines Gruppenmitglieds, organisiert – gewissermaßen auf einem Zwischenstopp von Australien her. Mit von der Partie waren das Gymnasium Miesbach, die Hanns-Seidel-Stiftung und die Goldene Parkbank im Haindlkeller. Am ersten Abend sprach RA Hubert Heinhold, Vizevorsitzender von Pro Asyl und juristischer Zufluchtsort unserer AI-Gruppe, über „Die rechtliche Situation von Flüchtlingen“. Er verstand es, die komplexe Materie kundenfreundlich aufzubereiten, aber der Gruppensprecher musste (sich selber) trotzdem eingestehen: „Jetzt habe ich es schon dreimal gehört und dennoch wieder vergessen.“ Das „Asyl per Mausklick“ ist eben nicht verfügbar. Über 30 Besucher hörten interessiert zu und diskutierten kräftig mit.


Der 2. Abend, zu dem ca. 50 Besucher (Parkbänkler, der Chef des Gymnasiums, vier Stadträte) gekommen sind, fand in Form einer Podiumsdiskussion statt. Asylbewerber aus verschiedenen Ländern und Mitglieder des AK Asyl erzählten vom Leben in den Unterkünften, den Hürden der Bürokratie und der Bewältigung des Alltags. Beeindruckend war die Sprechfertigkeit einiger Asylbewerber, die sich so ausführlich äußerten, dass es dem (souverän agierenden) Moderator manchmal nur mit Mühe gelang, sie zu einem Schlusssatz zu bewegen. Was zweifellos gelungen ist: das Thema einem Kreis nahe zu bringen, dessen Durchschnittsalter wesentlich geringer war, als das des Arbeitskreises Asyl. Schwierig aber ist allerdings der Schritt vom Zuhören zum Handeln: Zwar berichtete Herr Dlugosch, Schulleiter des Gymnasiums, vom großen Engagement der Lehrer, aber als wir am Ende die Liste mit den Neuanmeldungen zum Helferkreis anschauten, war nur ein Name drauf.


Eröffnung der Ausstellung „Wände des Widerstands“ (Januar)


Der Titel kommt Ihnen bekannt vor? Respekt: Dann haben Sie den Jahresbericht von 2013 gründlich gelesen. Wir hatten die Ausstellung über Straßenkunst in Kairo nämlich schon an Mittelschule und Gymnasium gezeigt und wollten sie noch einmal einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren. Nach Aussagen einer Bibliothekarin war sie nämlich „endlich einmal erträglich, weil sie nicht mit dem Holzhammer arbeitete“. Bei der Eröffnung wurden wir (unsanft) an eine Sendung des Bayrischen Rundfunks aus früheren Tagen erinnert: Wir waren „Ganz unter uns bei leichter/algerischer Musik“ – sieben Gruppenmitglieder, zwei Ehepartner und drei Besucher, die nicht aus Mitleid oder Solidarität gekommen waren. Der Gruppensprecher wies auf das Anliegen der Straßenkünstler und Graffitisprayer hin – Gegenöffentlichkeit, Ersatzmedium – und bemühte sich bei seiner 24. Führung durch die Ausstellung, die Begeisterung der ersten Tour vorzutäuschen. Das gelang nur bedingt, denn es kamen keine Rückfragen, und alle waren froh, dass die „Vernissage“ nach einer Stunde beendet war.


Dankbar waren wir dennoch – dem Bibliotheksteam von Frau Bott, Thomas und Siegi für die Hängung, Thierry für die Rettung des Einführungstextes aus dem kaputten Computer und der Lokalpresse für die hartnäckigen Hinweise auf die Ausstellung. Auch bei den Führungen am Donnerstag hielt sich das Interesse in Grenzen: ein Schüler brach nach 15 Minuten ab, weil er „sonst zu spät zum Unterricht gekommen wäre“. Sehen wir ein!


Was aber optimal gelaufen ist, war das Recycling der Ausstellung: wie erwähnt zwei Schulen, die Stadtbibliothek und dann noch die Weitergabe an eine andere AI-Gruppe.


In Berlin erfolgte der Abschluss der Ägypten-Kampagne mit der Präsentation von 600 Nofreteten, zwei davon vom Gymnasium Miesbach. Deren Designer, der Ägypter El-Zeft, schrieb anlässlich dieser Präsentation:


„Ich fühle mich sehr geehrt und bin stolz, was ihr alle macht. Hier in Ägypten sind wir gerade am Boden zerstört. … Doch was ihr macht, erhält uns am Leben und erinnert uns an etwas, das man Hoffnung nennt.“




Infoabend: Europa vor einer neuen Spaltung? Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine (Oktober)


Wir haben uns zunächst einmal sehr über den Referenten gefreut: Dr. Jürgen Zarusky, Institut für Zeitgeschichte, Spezialist für deutsch-russische Beziehungen und (vor Jahren) Gruppensprecher von AI Miesbach. Unsere bewährten Mitveranstalter VHS und Bildungswerk haben sich (noch aus einem anderen Grund) mitgefreut: Jürgen hat nämlich kein Honorar verlangt, obwohl er eins wert gewesen wäre.


Dr. Jürgen Zarusky


Mit den 40 Besuchern ging der Referent in einer fundierten „Geschichtsstunde“ auf Spurensuche: Wie entstand der Konflikt? Wo führt er hin? Was hat (Nazi)Deutschland dazu beigetragen? Wie sieht die Ukraine ihre eigene Geschichte? Worauf zielt Putins „One-Man-Show“? Der Tenor seiner Ausführungen war unverkennbar: Man muss beide Seiten (kritisch) sehen, man darf traurig sein über die derzeitige russische „Patriotismuswelle“, aber man sollte „Russland nicht aus den Augen verlieren“.


Das gab Stoff für eine Diskussion, die geschlagene 45 Minuten dauerte. Man fragte zu den Fehlern des Westens, zu den Chancen der Demokratie in Russland und (natürlich) zum Fortgang des Konfliktes. Und da hingen Referent und Publikum wie „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“.


Einen Infostand hatten wir auch: Da verteilten wir Postkarten für die Freilassung eines leibhaftigen Präsidentschaftskandidaten, Mikalai Statkevich. Er war in Weißrussland gegen Präsident Lukaschenko angetreten und hatte dann an einer Demonstration gegen Wahlfälschungen teilgenommen. Das brachte ihm sechs Jahre ein. Stellen Sie sich vor: Da hätte man 2009 bei uns Gesine Schwan und 2010 Joachim Gauck eingelocht – mehr oder weniger deswegen, weil sie halt die Wahl verloren haben. Auch sammelten wir 15 Unterschriften für die Demonstranten, die im Mai auf dem Bolotnaja-Platz in Moskau anlässlich der (imperialen) Amtseinführung von Putin „Massenunruhen“ ausgelöst hatten. Unserem Infoblatt „Einsatz mit Erfolg“ war indes kein Erfolg gegönnt: die 20 Kopien, die wir ausgelegt hatten, nahmen wir alle wieder mit. Da mussten wir uns wieder einmal von der Illusion verabschieden, dass die Leute überscharf auf unser Material sind, weil sie sonst nichts zu lesen haben.


Miesbach – Ort der Migration (18. November)


Und dann kam noch die „Mutter aller Veranstaltungen“ – um einen arabischen Superlativ in einem friedlichen Kontext zu verwenden. Miesbach feierte heuer flächendeckend seine Ersterwähnung in der Weltgeschichte, und immerhin die Hälfte der 900 Jahre konnten wir mit unserem Text- und Musikabend zur Migrationsgeschichte des Ortes abschreiten. „Wir“, das waren das Netzwerk Integration und die AI-Gruppe, und Vorbereitung und Ablauf des Abends ließen tatsächlich ein Wir-Gefühl entstehen. Es begann mit der Bereitstellung von Texten und Bildmaterial, das uns zu einem eindrucksvollen Plakat verhalf.



Und dann traf sich mit den Damen Aksoy, Geh und Ziegler und dem Gruppensprecher ein harmonisches und zielstrebiges Vorbereitungsteam, das seine vielfältigen Beziehungen spielen ließ und im Handumdrehen die Musiker und Vorleser im Boot hatte – die sich ihrerseits nicht lange bitten ließen. Das katholische Bildungswerk stellte seine Lautsprecheranlage zur Verfügung, die, für AI-Veranstaltungen eher untypisch, auch funktionierte, und die evangelische Gemeinde den Veranstaltungssaal, in den wir aus den entlegensten Winkeln des Kirchengeländes noch Stühle schleppen mussten, denn – wir waren „ausverkauft“. Es kamen ca. 110 Besucher, die 50 Musikanten mitgerechnet, und es gab Leute, die wieder heimgingen/emigrierten, weil sie keinen Platz mehr fanden.


Versäumt haben sie einen Abend, auf dem sich authentische Texte, engagierte Vorleserinnen und Vorleser und mitreißende, entspannende und ergreifende Musikdarbietungen abwechselten und ein ungeplantes (aber willkommenes) „Gesamtkunstwerk“ entstehen ließen. Langer Beifall, für „stehenden Ovationen“ war die Bestuhlung zu eng, dankte allen Beteiligten. Das Vorbereitungsteam schließt sich diesem Dank an Verfasser, Vorleser, Musikanten, Kulturamt und Kirchengemeinde an und erklärt seine Bereitschaft, auch beim 1000-jährigen Stadtjubiläum 2114 wieder mitzuwirken – „wenn ma s’Leben no habm“.



Nachzutragen wäre noch, was vorausgegangen ist: Die evangelische Regionalbischöfin Breit-Kessler hat in ihrer Fastenpredigt bei ihrem Bezug auf das Jubiläumsprogramm der Stadt unsere Veranstaltung an erster Stelle erwähnt. Sie scheint geahnt zu haben, was da auf Miesbach zukommt.



3.4 Vermischtes


Mützen nach Sotchi (Januar)


Es ging natürlich nicht um Schlaf- sondern um Skimützen. Wir haben an die Sportlerinnen und Sportler des Landkreises appelliert, an Putin eine Postkarte zu schreiben und darauf „Freiheit statt Kontrolle“ zu fordern. Außerdem hätten wir angeboten, ihnen eine wunderschöne Wollmütze für Menschenrecht zu schenken, die sie dann bei den Spielen tragen könnten. Leider hat niemand reagiert, und deshalb verstehen wir immer noch nicht, wie Nathalie Geisenberger ihre Goldmedaillen gewinnen konnte.


Oder ist sie es etwa doch?


Todesstrafe – nein, danke!


Wie sie zahlreichen Passagen im Jahresrückblick entnehmen können, haben wir auch heuer wieder am Aktionsnetz gegen die Todesstrafe teilgenommen. Nachzutragen bleibt deshalb nur noch unser Appell an den Justizminister in Simbabwe. Er hatte im Oktober 2013 noch große Töne gespuckt, aber seine Beamten hatten einen Großteil des Jahres damit verbracht, einen neuen Henker zu suchen.


Von Hakamada Iwao, unserem Ex-Boxer, der nach 45 Jahren in der Todeszelle (im Rollstuhl sitzend K.O.) entlassen worden war, haben wir nichts mehr gehört. Der Staatsanwalt hatte Berufung gegen ein Wiederaufnahmeverfahren eingelegt, und die Entscheidung darüber kann in Japan zwei Jahre dauern. Der Staatsanwalt gehört selbst eingesperrt.


Ein Abo gefällig? - Die Briefe gegen das Vergessen


Mit diesem Abonnement, das natürlich auch elektronisch zu haben ist, könnten Sie an unserer monatlichen Briefaktion teilnehmen. Die Briefe liegen auch in der katholischen Kirche und in der Stadtbücherei aus, bleiben dort auch manchmal liegen, obwohl sie nicht angeklebt sind. Protest von Abonnenten gab es gegen einen Fall im Dezember: eine Transgender-Person aus Norwegen beklagte sich über Diskriminierung und Schikanen auf Grund ihrer Geschlechtsumwandlung. Der Fall steht im Zusammenhang mit der AI-Großkampagne „My body, my rights“ („Mein Körper, meine Rechte“), an der wir nur partiell teilgenommen haben. Nun ist Diskriminierung durchaus ein Grund für AI einzugreifen, aber man fragt sich doch, ob es nicht schlimmere Formen von Menschenrechtsverletzungen gibt, z. B. den Fall von Vladimir Akimenkov/Russland, den man nach seiner Teilnahme an einer friedlichen Demonstration in Moskau für eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft steckte. Er war im Dezember 2013 bei den „Briefen gegen das Vergessen“ dabei und war einer der seltenen Fälle, wo wir während der Briefaktion „zurückgepfiffen“ wurden, weil man ihn freigelassen hatte. Wir bemühen uns auch, Sie zu informieren, was aus den Menschen hinter den einzelnen Fällen geworden ist, werden aber von den Zentralen in London und Berlin des Öfteren im Stich gelassen. Und auch das Internet hört bei seiner Berichterstattung häufig mit der Verhaftung auf, als ob der Fall erledigt wäre, wenn die Person hinter Gittern sitzt oder verschwunden ist.


Nicht vergessen wollen wir hier die Übersetzerinnen Irene Scherm, Rachel Bull und Moema Wähner, die uns seit langem (bzw. seit kurzem) wertvolle aber uneigennützige Dienste leisten. Auf euch passt das Zitat aus der Zeit des 1. Weltkriegs: „Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiss.“


Die Fälle


1. Abolfazl Abedini Nasr/Iran


Sie erinnern sich? Journalist, verhaftet nach der „Grünen Revolution“/Reaktion auf die Präsidentenwahl von 2009, 12 Jahre Haft wegen „Propaganda gegen das System“, herzkrank und deswegen Unterbringung in Irans bekanntestem Sanatorium, dem Evin Gefängnis. Wir bombardierten (mindestens dreimal) den Ayatollah, den Justizminister und die Botschaft in Berlin, aber die Herren hüllten sich in Schweigen. Dennoch – wir bleiben dran, Ayatollah!


Abolfazl Abedini Nasr

Laísa Santos Sampaio



2. Laísa Santos Sampaio/Brasilien


Für uns ein neuer Fall. Laísa ist Lehrerin und wehrt sich mit ihrer Frauengemeinschaft gegen die Abholzung des Regenwaldes, der ihnen das Rohmaterial für ihre Kosmetika, Salben und Naturheilmittel liefert. Seit 2011 haben sich Auftragskiller der Frauen „angenommen“: Mitglieder von Laísas Familie wurden getötet, ihre Felder niedergebrannt, und seit 2011 erhält sie in regelmäßigen Abständen Morddrohungen. Trotzdem hat es die Regierung bisher abgelehnt, Laísa in das nationale Schutzprogramm für bedrohte Menschenrechtsverteidiger(innen) aufzunehmen. Ja, so etwas gibt es in Brasilien und ist auch dringend notwendig. Wir bemühten uns, der Präsidentin und dem Justizminister ein Feuerlein unterm Hintern anzuzünden.





Die WOZA-Frauen/Simbabwe


Obwohl WOZA ein englisches Kürzel ist für „Frauen von Simbabwe steht auf“, lag die Arbeit zu diesem Fall bei uns eher danieder.


Die Stop-Folter Kampagne


Obwohl AI seit 1972 immer wieder Antifolter-Kampagnen durchgeführt hat, ist der diesjährige Folterbericht mehr als schmerzhaft: Folter ist auf dem Vormarsch, aus „Gründen nationaler Sicherheit“ und zum „Schutze der Öffentlichkeit“. Frauen und Minderheiten sind besonders betroffen, und es gibt Länder wie China, wo drei Viertel der Bevölkerung Folter „im Notfall“ befürworten. Wir möchten lieber nicht wissen, wie eine solche Umfrage in Deutschland ausfallen würde. Dabei haben 155 Staaten die Anti-Folter-Konvention der UN ratifiziert, aber in mindestens 79 dieser Staaten wird munter weiter gefoltert, um Geständnisse zu erzwingen, die auch vor Gericht verwertet werden. Anklagen gegen Folterer? Weitgehend Fehlanzeige.


Wir haben bisher vier Fälle dieser Kampagne aufgegriffen. Die Fälle von Alfreda Disbarro/Philippinen und Moses Akatugba/Nigeria haben wir bereits erwähnt. In Mexiko kämpft Claudia Medina um ihr Recht. Sie wurde 2012 von Marinesoldaten misshandelt, die verlangten, „dass ich Sachen gestehe, von denen ich gar nichts wusste“. Als es zur Verhandlung kam, wurden die Anklagepunkte, mit Ausnahme des illegalen Waffenbesitzes, fallen gelassen. Aber wenn es darum geht, müsste halb Mexiko belangt werden! Der Richter versprach, den Foltervorwürfen nachzugehen, aber dann muss jemand die Telefonleitung zum Generalstaatsanwalt durchtrennt haben.


Und dann waren wir noch mit Dilorom Abdukadirova/Usbekistan beschäftigt, die 2005 an einer Demo gegen die wirtschaftliche Lage im Lande teilgenommen hatte. Sie war aus ihrem Asyl in Australien zurückgekommen, weil ihr die Behörden Straffreiheit zugesichert hatten. Da scheint sie sich ein wenig im Adressaten geirrt zu haben, denn straffrei blieben bisher die Typen, die dafür gesorgt hatten, dass sie „zur Gerichtsverhandlung abgemagert und mit Blutergüssen im Gesicht erschienen war“.


Resonanzen


Die beiden Lokalzeitungen haben dankenswerterweise im Vorfeld über all unsere Veranstaltungen berichtet, auch wenn der Lokalbezug oft eher dürftig war. Auch der Jahresbericht von 2013 wurde wohlwollend dokumentiert, im Gelben Blatt gleich auf einer dreiviertel Seite und mit dem schmeichelhaften Titel „Der andere Blick auf die Welt“. Und dann kam wieder ein Kompliment von einem Mann, der selber großen Wert auf stilistische Verfeinerung legt: „ … man liest das fesselnd, flüssig und raffiniert abgefasste Werk in einem Zug von Anfang bis zum Ende durch“. Das „in einem Zug“ wollten wir schon lange hören.


Besonders berührt hat uns ein Brief, der uns in etwas zittriger Schrift erreichte. Ein langjähriges Abonnentenpaar unserer Monatsbriefe dankte uns für unser Engagement und bat uns, es von der Liste zu streichen – weil man in der Pfarrei in München bequem an sie heran käme. Einverstanden! Und am Ende des Briefes stand: „Ich bete jeden Tag für alle politischen Gefangenen – Gott, du kennst sie, du kannst sie befreien!“


Handwerker und Handlanger


Von unseren Aktivitäten als Schreibtischtäter war ja bereits die Rede, aber einmal haben wir auch mit der Hand hingelangt. Auf Initiative der Herren Rummel (Kirchenverwaltung) und Huber (Pfarrgemeinderat) und mit dem „Segen“ von Pfarrer Füger haben wir mit der Kolpingsfamilie, den Chefs der beiden Pfarreigremien und dem Asylbewerber Billy Ocean zusammen eine Wohnung renoviert, die dem „Fehlbeleger“ Billy ein neues Zuhause bescherte. Die Zusammenarbeit klappte so gut, dass sich der professionelle Wohnungssanierer Klaus Dachs, der mit von der Partie war, mit dem Gedanken tragen soll, seine Firma zu vergrößern.


Arbeitseinsatz der Pfarrei Miesbach – November 2014


An dieser Stelle sei der Kolpingsfamilie noch einmal gedankt: Sie lädt die Asylbewerber von Miesbach einmal im Monat zu einem gemütlichen Abend im Pfarrheim ein.


Der Schaukasten und die Homepage


Bei der Renovierung des Rathauses haben wir unseren alten Schaukasten eingebüßt, den wir jahrzehntelang monopolisiert hatten, denn er hätte an sich allen Vereinen gehört. Die Stadt Miesbach hat uns dafür und wiederum kostenfrei einen Schaukasten in der Fußgängerpassage am Stadtplatz überlassen. Wir danken von Herzen. Er wird von Monika Wiegert betreut und befindet sich damit in guten Händen. Wie gut ihre Hände sind, zeigt der Adventsschaukasten.




Die Homepage befindet sich seit Anbeginn der Digitalität in den Händen von Thierry Nédélec. Als eine Modernisierung anstand, hat er die schwere Arbeit sofort weiter delegiert. Sein Sohn Kilian hat von Brisbane/Australien aus dafür gesorgt, dass die Homepage jetzt zu 100% die (anspruchsvollen) Vorgaben von AI erfüllt. Dem Arbeitgeber und seinem „Lohnsklaven“ unseren herzlichen Dank. Ein Blick auf die Homepage lohnt sich immer, schon deswegen, weil sie die Bilder dieses Jahresberichts in Farbe sehen können.


Die Gruppe


Was ohne Zweifel die meiste Auswirkung auf die Gruppenstruktur hatte, war nicht der Dauerkonflikt zwischen Hauptspeislern und Nachspeislern, sondern die Gründung der Jugendgruppe, der wir beim ersten Treffen einen Vorschlagskatalog vorlegten, den sie in Teilen übernahmen, aber auch selbständig erweiterten. Mit ihrer Aktion Soliboote taten sie genau das, was wir uns von Jugend wünschen: neue Ideen umsetzen und Aufgaben übernehmen, bei denen die „alten Hasen“ gern die Nasen rümpfen, weil man aus der Deckung herausmüsste. Wir stärken ihnen gerne den Rücken, wenn wir uns dafür manchmal dahinter verstecken können. Und ganz schön wäre es natürlich, wenn sie „Eier legen“ könnten, damit sie nicht durch Schulabschluss und Ortswechsel nur „Einjahresfliegen“ blieben. Aber zunächst einmal freuen wir uns, dass sie da sind!


Zuwachs bei AI – Deborah, Teresa, Sarah, Berna


Wie man sieht, sind noch Stühle frei. Deshalb schreibt die Gruppe:


„Wir treffen uns in der Regel jeden ersten Freitag im Monat in den Jugendräumen der Katholischen Jugend in Miesbach, im Keller des Pfarrheims in der Kolpingstraße. Über Zuwachs würden wir uns sehr freuen. Allerdings würden wir euch empfehlen, euch vorher bei uns zu melden, damit ihr keine Ausnahme (von der Regel) erwischt!“ (Kontakt: Deborah Wiegert, Tel. 08025/99 97 16)


Und wo bleiben wir? wird jetzt der Rest der Truppe sagen, und immerhin sind das (auf dem Papier) noch 25 Leute. Nun, was sich auf den letzten 20 Seiten dieses Berichts getan hat, wäre ohne uns nicht möglich gewesen. Deshalb haben wir uns den kulinarischen Ausklang unserer Gruppensitzungen redlich verdient. Und wenn der Gruppensprecher endlich gegangen ist, dann darf es auch richtig gemütlich werden!


Die Finanzen


Wolfgang Schäuble hat gestrahlt wie ein Schneekönig, als er einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden verkündete. Aber eine „schwarze Null“ mag besser als rote Zahlen sein, eine Null bleibt sie trotzdem. Wir als Gruppe sind schon seit Jahrzehnten schwarz, wenn auch (mehrheitlich) nicht politisch, aber mehr als eine Null haben wir allemal zu bieten. Dank Ihrer Großzügigkeit, liebe Förderer, Spender, Stifter und Produzenten, aber auch dank eigener Anstrengungen hatte unser Finanzminister Siegi Komm ein leichtes Amt, das ihn arbeitsmäßig ausgefüllt hat, aber ihm keine (zusätzlichen) grauen Haare bereitet hat. Auch ihm sei Dank für die Verwaltung der „schwarzen Über-Null“.


Das Jahresende


Die beiden christlichen Kirchen haben an Silvester eine ökumenische Jahresschlussfeier abgehalten. Dabei wurde in den Fürbitten auch denen gedankt, die sich für Menschenrechte einsetzen. Und wir bekamen einen weißen Amaryllisstock, der auch im Januar noch in voller Blüte steht. Ein gutes Vorzeichen für das Jahr 2015!







Kontaktadressen und Kontonummer


Fritz Weigl, Wallenburger Straße 28 d, 83714 Miesbach

Tel.: 08025/3895, Fax: 08025/998030,

Mail:fritz.weigl@gmx.de


Bernard Brown, Carl-Weinberger-Str. 5, 83607 Holzkirchen

Tel.: 08024/3502,

Mail:bernard.brown@web.de


Homepage: http://www.amnesty-miesbach.de


Bank für Sozialwirtschaft (BfS) Köln, BLZ 370 205 00

Konto-Nr. 80 90 100, Gruppe 1431 (Gruppennummer unbedingt mit angeben)